Tagebuch von Marnek Espenhain
Schleier der Unwissenheit

Die Hochzeit von Petta galt es natürlich zu feiern, was gerade zur Erntezeit ein leichtes war, da die Speicher bestens gefüllt waren. Was mir auffiel war, dass die Ernte hier oben im Norden doch etwas später war als an der Küste unten in Wülzen. Aber das tat dem Fest bis in die folgende Nacht hinein mit Festumzug durch die verschiedenen Orte Jagotins keinen Abbruch. Ich denke, die Leibeigenen dieses Ortes hatten schon lange nicht mehr so viel zu lachen, wie in diesen Tagen. Als ich wieder aufwachte, Bier, Met und Brand taten ihre Wirkung, war Argal wieder einmal weg. Aber da das öfter vorkam war es mir zunächst egal. Im Gegensatz zu meinem dicken Schädel in dem sich ein veritabler Tiger austobte. Petta hatte einige Hausmittel und Rezeptchen, die gegen die Zwergentrommler im Kopf helfen sollten, aber wie so oft half Zeit und etwas Ruhe am besten. Als Argal auch nach Mittag immer noch weg war wurde ich etwas unruhig. Immerhin wollten wir ja auch irgendwann weiter. Also ließ ich erst einmal Melham und seinen Hund nach ihm suchen, aber Argal war nicht zu finden. Nach einer  guten Stunde, kam er unverrichteter Dinge zurück. Ärgerlich, aber noch kein Beinbruch. Also blieben wir noch etwas und hatten in der Zeit ein gutes Mittagessen vom gepökelten Hirsch. Ljubascha verteilte Kräutersträußchen zum Tee kochen gegen den schweren Kopf. Melham fragte mich unvermittelt, ob ich seinem Geldbeutel einen Besuch abgestattet hätte. Frechheit, dieses mottenzerfressene schwindsüchtige Lederstück würde ich ja nicht mal vom Boden aufheben! Also viel sein verdacht zwangsläufig auf den fehlenden Argal, was zumindest seine Abwesenheit erklären würde. Wobei der rote Pelzkopf es doch gar nicht nötig hatte, sich an anderer Leute Geld zu vergreifen, er besaß wahrscheinlich ein vielfaches von dem, was Melham mit sich trug. Aber gut, im konnte sowieso nicht immer verstehen, was in seinem Kopf vor sich ging. Wird wohl wieder aufs Schloss zurück sein. Aber jetzt selbst dorthin um ihn da einzusammeln und dann nach Pervin laufen wäre auch wieder ein blöder Umweg. Also doch direkt dorthin, vielleicht fände Argal ja seinen Verstand wieder und würde dann schon nachkommen oder sogar vor uns da sein. Wir würden sehen…

Wir blieben noch bis zum nächsten Morgen in Jagotin, am Nachmittag aufzubrechen hätte sich eh nicht mehr gelohnt. Es ging auf einem schlichten Pfad gen Firun und am Nachmittag erreichten wir eine leere Köhlerhütte  zum Übernachten die nach seinen Worten zum Abschied noch zu Pettas Besitz gehörte. Wobei der Meiler eher schlecht als recht angelegt war und wohl auch nur bei Bedarf gehütet wurde. Der Wald stand hier zwar wie eine Mauer, aber Holz wurde wohl kaum geschlagen. Einen vernünftigen Köhler könnte ich fürs Schloss auch brauchen… der könnte dann das ganze Klaubholz verkohlen um den Kamin zu heizen. Aber auch das würde zunächst wohl eher ein frommer Wunsch bleiben. Wir hatten eine ruhige Nacht und ein Dach über dem Kopf, trotzdem hielten wir abwechselnd Wache mitten im Wald. Die Geräusche des wilden Waldes beruhigten mich, Menschen waren hier wohl fremd. Es erinnerte mich an die Zeit meiner Kindheit und Jugend im Bornwald. Angst konnte hier nur ein dummer Städter oder Südländer haben. Am frühen nächsten Nachmittag  kamen wir in lichteres Gebiet das leicht abfiel. Dem Birkenbestand nach wurde der Boden feuchter, was ich als Kenner der Natur sofort erkannte. Dann endete der Wald und wir kamen zu abgeernteten Feldern, nur wenige mit Roggen standen noch in voller Frucht, alles andere, wie Rüben, war wohl auch schon geerntet. Dafür sahen wir in der Ferne viele Häuser, fast eine Stadt, das musste Pervin sein. Eine runde, in bunten Farben leuchtende Kuppel ragte über die Häuser hinaus. Der vertraute Anblick von auf den Feldern und arbeitenden Bauern, leicht gekleidet ob des für bornische Verhältnisse warmen Spätsommers zeigte uns, dass wir wieder die Zivilisation erreicht hatten. Von Süden kam eine, im Gegensatz zu unserem Karrenweg gut ausgebaute Straße heran. Würd ich dieser folgen, sollte ich eigentlich zurück nach Strobanoff kommen. Ein Argal war aber auch hier nicht zu sehen.

Pervin hatte keine Stadtmauer und bestand nur aus einigen geballt stehenden Häusers und Hütten. Nicht gerade eine Weltstadt, aber wir waren ja auch mitten im Bornland. Die Straßen trafen sich als Kreuzung von allen Seiten in der Mitte der Stadt. Der Kuppelbau dominierte bunt mit Blumen bemalt und eingemeißelten Friesen von Pferden den Platz. Dahinter befand sich ein ummauerter Platz. Vielleicht  eine Reitschule? Einige Händler auf dem Platz sorgten für etwas Leben und verbreiteten schon fast ein urbanes Flair. Am Platz fanden wir auch ein Gasthaus mit Bierkrug auf dem Schild und neben dem bunten Haus befand sich noch ein klassisches Bornhaus mit Spitzgiebel an dessen Front eine Gans prangte. Das hätte Argal gefallen. Aber der erste Weg ging natürlich ins Gasthaus. Drinnen sah es ordentlich aus, auch wenn nur wenig los am war Nachmittag. Eine Hand voll Leute die der Wirtin kaum Arbeit machten, die hinter dem Tresen stand uns anblickte als wir eintraten. Erst ein Bier gegen den Reisestaub, dann der Magier, da waren wir uns alle einig. Hinten im Gastraum stand ein älterer Herr in grauer Robe auf. Das war ja einfach, suchen würden wir ihn wohl nicht müssen. Er setzte eine Brille, kam auf uns zu und stellte sich als Magister Emeritus Wippflügler vor. Nadjescha verzog schon wieder ganz seltsam das Gesicht, so wie bei dem Magus in Wülzen zuletzt. Ich glaube, sich mag diese Leute wirklich nicht. Der alte Magus, er mochte bestimmt schon 70 Götterläufe zählen, redete recht verwirrt, ich verstand zunächst gar nicht was er von uns wollte. Da Argal noch nicht da war fragte ich für ihn nach dem Ring mit Armatrutz. Er besaß sowas tatsächlich und bezichtigte seine Kollegen in Festum Plaudertaschen zu sein. Der Ring den er derzeit mit sich führte sollte hier oben mangels interessierter Käufern nur 250 Batzen kosten, was ein erschrecktes Husten aus Melhams Kehle presste. Er war aus Mondsilber geschmiedet und damit eigentlich genau das richtige für Argal. Schade das der Kleine jetzt nicht hier war, es wäre jetzt so einfach für ihn gewesen. Er sei auf dem Weg nach Ouvenmas, der schönsten Stadt Severiens, zur großen Versteigerung. Auf Grund einer Stiftung der verstorbenen Fürstin gäbe es dort eine Künstlerkolonie von begabten Malern und Malerinnen. Die Bilder einer besonders begabten Malerin dort, Yenova Malatzki, sollten sogar einen magischen Schimmer haben. Sie würde ihre neuesten Werke ausstellen, in die man sogar fast hineingehen könne. Ouvenmas sei nur etwa 10-14 Tage gen Osten und er suche noch Begleitung nach dort. Er erzählte dann noch weiter,  aber ich schaltete irgendwann ab… irgendwas von rekultivierten Kolonien, völliger Unsinn. Nadjescha hielt das Geschwafel ebenfalls nicht länger aus und verschwand zwischendrin einfach. Interessant wurde es erst wieder, als er erwähnte sogar etwas für die Begleitung bezahlen zu wollen. Melham gab mit seinem Sieg gegen Glorana an und mangels echter interessanter Alternativen ließen wir uns am Ende anheuern.  Für jeden 5 Silber am Tag bis Ouvenmas und für die Zeit dort sowie Kost und Logis. An sich kein schlechter Lohn, besonders für Melham und Jucho. Mir konnte das Geld ja egal sein, aber ich wollte den Zausel ja noch zu seinen Erkenntnissen zwecks des Bornwaldes und den Verschiebungen von Sumus Adern ausfragen. Das dürfte bei seinem Redefluss und als einer seiner „Wächter“ ziemlich simpel werden… Er schien zu planen an der Versteigerung in Ouvenmas teilzunehmen und dort seine Pretiosen zu verkaufen. Da war ich aber gespannt, was der Wirrkopf im Rucksack hatte. Melham und Jucho gingen los um Nadjescha zu überzeugen mitzugehen. Das dürfte für die beiden nicht einfach werden…

Aber weit waren sie wohl nicht gekommen, denn Nadjescha kam fast zeitgleich zurück, legte mir die Hand auf die Schulter und flüstert auf Nujuka, wir müssten uns unterhalten. Ich zog die Augenbraue hoch, verabschiedete mich von dem Magister und folgte ihr. Draußen sagte sie leise: Im Pferdehaus, der wohl ein Tempel sei, wäre eine nackte Frau mit dunkler Haut die einen Schamane Marnek suche. Und die andere Frau die dort wohnte, wolle ebenfalls mit mir reden. Was das wohl nun wieder zu bedeuten hatte? Aber gut, das würde ich nur erfahren, wenn ich dieser Aufforderung folge leistete. Wir gingen zum Tempel, ein Haus der Rahja wie ich nun weiß und traten ein. Melham und Jucho folgten uns wie angeleinte Hunde. Das innere des Tempels war mit Tüchern behangen, eine Statue zeigte eine nackte Frau neben der zwei weitere, lebendige Frauen standen. Nun war ich ja weit genug herum gekommen um sofort zu erkennen, dass die eine Tulamidin und die andere eine Moha war. Die Tulamidin stellte sich als Schwester Mirhiban vor und wollte wissen woher ich komme. Als ich erwähnte von Schloss Strobanoff zu kommen wollte sie mich unbedingt Gräfin,Thesia von Ilmenstein vorstellen. Diese Namen… mir dämmerte vor wem ich stand. Diese Frau war eine Legende des Bornland! Ich ging vor Mirhiban auf die Knie. Dies war eine wahre Hüterin des Bornlandes, eine Heldin des Nordmärker Krieges und der Schlacht auf den vallusanischen Weiden. Früher Baronin  in Diensten der legendären Gräfin Thesia, nun anscheinend eine Dienerin der Götter. Und trotz ihrer sicher schon 50 Götterläufe… was für ein Anblick! Das Melham seine Lust nicht direkt aus der Hose sprang wunderte mich regelrecht. Sie kannte anscheinend die Geschichte Strobanoffs, was mich gelinde überraschte, und erkannte mich ebenfalls als Helden an, was aber aus meiner Sicht eigentlich schon zu viel der Ehre war. Wir setzten uns auf einen Tee und etwas Wein zusammen um zu plaudern. Irgendwann kam die Sprache auch auf die Künstlerkolonie am Sumpf bei Ouvenmas. Die kleine Moha stand die ganze Zeit stumm neben mir, so als würde sie etwas von mir wollen. Gehörte die nun zum Tempel? Unwahrscheinlich, wenn sie nach mir als „Schamane“ suchte. Eine Verwandte von MaLuf vielleicht?

Wir besichtigten auch die kleine Shadif-Zucht mit 3 Stuten und einem Hengst, sehr schöne Tiere und ich erzählte von den Geschehnissen in Strobanof, während Nadjescha den Tratsch aus Festum zum Besten gab. Alles in allem ein recht kurzweiliger und angenehmer Nachmittag.

Nadjescha fragte die Moha, oder eigentlich wie sich herausstellte eine Darna, was sie genau wolle. Berufsbedingte Neugier schätze ich. Wie erfuhren, dass sie den Tsantsa ihres Bruder finden sollte. Der war im Kampf getötet und der Kopf geraubt worden. Eine Seherin Namens Reha auf dem Schiff eines Kapitäns oder Piratens namens Aldario hatte sie auf mich verwiesen. Komisch, da ich niemand auf den das zutreffen würde kenne, aber so war das halt manchmal mit Visionen. Wir unterhielten uns etwas. Der Kopf den ich habe war aber zumindest nicht der ihres Bruders. Das wäre zwar ein Zufall gewesen, aber auch irgendwie zu einfach… muss also ein anderer Kopf irgendwo sein. Und ich hatte erst Mal keine Ahnung, wie der zu finden sein sollte. Melham redete Pamscheyu in gebrochenem Mohisch an, das aber mehr eine Beleidigung für die Ohren war. Da hätte ich mir von ihm als Südländer und Bukanier mehr erwartet. Zum Glück beherrsche ich das Mohische, wenn auch in anderem Dialekt, durch MaLufs Ausbildung ziemlich gut, so dass ich mit ihr ohne Verständigungsschwierigkeiten kommunizieren konnte. Pamscheyu legte dann noch 4 Goldstücke in die Opferschale des Tempels, um „die Geister gnädig zustimmen“. Ich denke, mit dem Mädel werde ich mich ganz gut verstehen. Schade das MaLuf nicht da war, der hätte sich sicher auch gut mit ihr verstanden und sich gefreut, jemand sozusagen aus seiner Heimat und seinem Volk zu treffen.

Wir übernachteten im goldenen Krug und reisten  am nächsten Tag ab. Pamscheyu hatte noch ein Amulett ihres Bruders, das mochte uns vielleicht als Fokus bei der Suche dienen.  Der Magier hatte zwar keine Kutsche, aber ein Maultier das er am Führstrick hinter sich herzog. Die beiden schienen ein eingespieltes Gespann zu sein, Probleme gab es da nicht. Und er war anscheinend ein für sein Alter erstaunlich rüstiger Wanderer. Melham redete den Magister auf Bosparano an, von dem ich jetzt wiederum kein Wort verstand. Wofür konnte der stinkende Dumboltzen diese Sprache, aber mohisch nur so, dass es der Wildsau grauste? Rätsel über Rätsel. Wipplfügler plante, bei der Auktion einige Stücke aus seiner Fertigung zu verkaufen, was seine Motivation nach Ouvenmas zu reisen erklärte. Er hatte Dinge wie eine Tasse die die Temperatur des Getränkes kühlte und eine Kanne die sich selbst erhitzte. Das hörte sich recht praktisch an. Aber eine Holzente die quakte wenn man sie streichelte war doch reichlich sinnfrei. Auch eine Brille mit der man im dunklen sehen könne war wieder recht interessant. Der Rucksack des Magisters steckte anscheinend voller Überraschungen. Wir reisten mehrere Tage nach Rahja gen Eschenfurt, von dort nach Drauhag im Firun und ab da wieder nach Rahja. Man warnte uns vor einer Räuberbande, die unter der Führung der kleinen Janne stünde. Sie würden zwar ihr Unwesen treiben, wären aber vom einfachen Volke geschätzt, weil sie nur die Reichen beklauten. Wippflüger brummelte irgendwas Unverständliches von pseudodemokratischen Tendenzen. Das leitete über zu einem Disput, jeder könne Zaubern… und Pamscheyu, ich nannte sie der Einfachheit halber eigentlich nur noch Pam, meinte das stimme doch, jeder in ihrem Stamm könne Zaubern. Der Magister bezweifelte dies und verlangte einen Beweis. Nachdem zunächst nichts passierte obwohl Pam sich sichtlich fokussierte,  wurde sie auf einmal erstaunlich schnell und rannte vor uns her. Der Magister dozierte etwas über spontane Manifestation dilettantischer Kräfte, aber uns war wohl beiden klar worum es ging. Diese unausgebildete Form der astralen Begabung hatte ich ja nun schon oft genug bei anderen erlebt, um sie einordnen zu können. Durchaus interessant ist natürlich Pams Aussage, dass diese Gabe bei jedem ihres Volkes vorhanden war. Was könnte aus diesem Stamm werden, wenn sie nur die richtigen Lehrmeister hätten! Ein ganzes Volk mächtiger Naturzauberer zum Schutze Sumus! Hätte ich nicht das Schloss und mich grade ums Bornland zu kümmern, ich würde mir glatt eine Übersiedelung auf die Waldinseln überlegen…

Ich ging so in Gedanken weiter, da ertönte hinter mir auf einmal ein lauter Schrei: „Fulminictus“. Ich drehte mich erschrocken um, einen unvermittelten Angriff erwartend. Um Wippflügler und sein Maultier herum fielen allerdings lediglich ganze Geschwader von Fliegen und Mücken tot zu Boden. Weit und breit war kein Feind in Sicht… ein bisschen seltsam war der Alte schon…

In einer der ersten Nächte unserer gemeinsamen Reise sprach ich einen Necropatia um den Bruder von Pam zu erreichen. Vielleicht würde ich ja so einen Hinweis auf den Verbleib seines Kopfes erhalten. Ich sprach mit seinem Geist, er war bei Kamaluq im Totenreich des von ihm verehrten Panthers. Aber zu seinem Kopf konnte er nichts sagen, außer dass ich ihn finden solle damit Pam ihn in den Kreis zu den anderen Schädeln bringen konnte. Sein Tapam sei noch gefangen und müsse befreit werden. So ganz habe ich den Glauben und die Geisterwelt dieses Volkes noch nicht verstanden. Aber Schaden würde es sicher auch nicht.

Über Drauhag zogen wir weiter nach Gorschnitz. Das Wetter wurde milder, nicht mehr so heiß wie bisher, aber nach wie vor bestes Reisewetter. Unsere Stimmung war gut, regelrecht gelöst, was vielleicht unsere mangelnde Vorsicht erklärte. Ich guckte verwirrt als Melham sich auf einmal wegduckte und bemerkte dann erst den Pfeil, der vor ihm im Boden steckte. Aus dem Gebüsch erklang eine Frauenstimme: „Kor zum Gruße und nein, keine Bewegung“. Kurz hinter Melham tauchte eine Frau etwa Ende 40 und gut 2 Schritt groß auf. „Überraschung, in bin die kleine Janne. Und das ist ein Überfall“. Ihr Tonfall hatte etwas regelrecht Fröhliches an sich, das so gar nicht zu einer bedrohlichen Situation passen wollte. Wir traten in „freundliche“ Verhandlungen, wie viel Bargeld der Wegzoll uns das Weiterkommen wohl wert sein sollte. Ein Zwerg mit Armbrust stand hinter Melham und sorgte dafür, dass niemand auf dumme Gedanken kam in dieser befremdlichen Situation. Nadjescha führte das Wort und handelte für uns, aber eine quakende Holzente schien der Räuberin eher nicht das richtige. 60 Batzen sind das erste Wort, aber Wippflügler wirkte ob der Summe doch recht entsetzt. Hinter uns hörte man leise ein Rumpeln lauter werden. Es folgte ein Pfiff und Rascheln im Gebüsch. Nadjescha plauderte weiter mit Janne die überrascht war das wir zu den verrückten Malern im Sumpf wollten. Spielte sie etwa auf Zeit? Das Getrappel und Gerappel wurde unterdessen um die Ecke merklich lauter. Hinter uns hörte man auf einmal eine neue Stimme, die mir irgendwie vertraut vorkam. Anscheinend norbardisch, eine ältere Frau mit einer ganzen Sippe junger Männer mit verschiedenster Bewaffnung trat hinter uns auf dem Weg heran und forderte Janne auf, uns gehen zu lassen. Wir seien ihre Freunde. Tatsächlich waren es die Jelawods aus Festum, mit denen ich bereits einen Handel geschlossen hatte. Glück muss man haben! Janne und Konsorten verschwanden daraufhin nach einem kurzen Wortwechsel, bei dem ich den Eindruck hatte die beiden kannten sich, wieder im Gebüsch.

Die Sippe war auch auf dem Weg Richtung Ouvenmas. Die alte Druga warte in der Richtung mit den Bienen, damit diese vor dem Winter genug zu futtern fänden. Die Mume bestätigte uns, dass es deutlich  schlimmere Räuberbanden als die von Janne gäbe. Nach und nach kamen ein dutzend gut gepflegte Kaleschkas in Sicht und die Straße füllte sich. Die ganze Sippe war anscheinend auf Wanderschaft und ich schätzte, es mussten bestimmt 100 Männer und Frauen sein. Eine beachtliche Menge, mehr als so mancher Bronjar Leibeigene hatte – mich natürlich eingeschlossen.

Was mir aufgefallen war, war das die Räuber die ich gesehen hatte alle innen am Handgelenk ein Hautbild, mehr oder weniger gut gestochen, eine Art Wolfs- oder Hundekopf getragen hatten. Wie ein Erkennungszeichen. Sehr seltsam wenn man bedenkt, wie leicht man es der Obrigkeit damit machte, einen im Zweifel zu verfolgen oder zu identifizieren. Melham schien das ebenfalls aufgefallen zu sein, da er die Sippenführerin der Norbarden danach fragte. Diese konnte oder wollte dazu aber nichts sagen. Die Jelawods hatten aus der Vergangenheit ein Abkommen mit der Räuberin, das aus einer für diese missliche Situation herrührt, wie sie etwas schwammig erzählte. Und die Barden würden singen von den „Wölfen vom Mahrenwald“, angeblich alles entlaufene Leibeigene, was zumindest das Hautbild erklären könnte. Sie nähmen nur von den Reichen, und Bronjaren müssen sogar um ihr Leben fürchten, aber den Armen gäben sie sogar etwas ab. Da hatte ich ja gerade noch einmal Glück gehabt! Ich hieß die anderen mich zunächst bitte nicht als Bronjar zu titulieren. Mir war das ja eh lästig, aber hier mochte es sogar gefährlich sein! Nach diesem Vorfall zogen wir auch gerne erst einmal in Begleitung der Sippe weiter.

Die Mume der Norbarden, Irmja, hatte auf jeden Fall schon von Hr. Wippflügler gehört und war erfreut ihn kennen zu lernen. Wir unterhielten uns etwas auf dem Weg was seit Festum vorgefallen war. Auf Alaani sagte sie, uns anlächelnd, zu ihren Leuten: „Seid wachsam, die Kleine aus Festum versteht uns wenn wir die wahre Sprache sprechen“. Das war seltsam. Wollte sie etwas vor Nadjescha verbergen? Trotzdem, sie hatten uns geholfen und ich war dankbar. Daher überredete ich den Magus, im nächsten Ort zusammenzulegen und ein Fässchen Bier oder Quassetz zu kaufen und der Sippe einen auszugeben. Auf dem Weg nach Gorschnitz kamen wir durch mehrere kleine Weiler. Am ersten hielt ich direkt an der größten Kate an. Die Hütten waren bis auf ein Schritt und ein Spann fast im Boden versunken, bzw. eher in den Boden hinein gebaut, was seltsam anmutete. Nur die große Hütte ragt richtig auf. Ein großer blonder Mann stand davor mit verschränkten Armen. Ich sprach ihn an. aber er wollte das sie Norbarden weiterfuhren, da er Angst vor Dieberei hatte. Immer diese Vorurteile! Nachdem das mitnehmen eines Fasses ein Problem für ihn gewesen wäre, hieß ich ihn zwei Fässer herauszurollen, zu öffnen und einfach auszuschenken wenn die Kaleschkas durchführen. Es kostete mich nur 2 Groschen, ein regelrechter Spottpreis, da brauchte ich den Wippflügler natürlich nicht um ebenfalls einen Anteil zu zahlen.

Und so wurde es dann auch gemacht. Die Fässer standen rechts und links der Straße und den Norbarden wurde von zwei Bewohnern des Weilers voll eingeschenkt. Gut, es war kein Bier, sondern nur ein leicht vergorener Trunk aus Beeren. Aber die Geste zählt. Ein halbes Stundenglas hinter dem Dorf pfiff Imja und lies auf einer glatten Wiese halt machen. Die Wagen stellen sich im Kreis auf und für die Pferde wurde eine Koppel mit Seilen improvisiert. Zwischen den Wagen entfachte man ein großes Feuer. Nachdem sie nun alle auf einem Haufen waren sah man erst einmal richtig die Größe der Sippe. Wir wurden zum Essen der Sippe eingeladen, Gastfreundschaft schätzten sie offensichtlich hoch. Neben einem schönen rot-grün verzierten Wagen erhielten wir eine Lagerstätte zugewiesen. Ich warf einen prüfenden Blick in den Himmel. Das Wetter würde wohl auch weiter kein Zelt erfordern, also machte ich mir gar nicht die Mühe die Sachen vom Pferd zu holen. Wippflügler stellte trotzdem sein Zelt auf. Es war sogar so warm, das Pamscheyu die Fellkleidung ablegte und im Lendenschurz dastand. Melham, den ich ja schon als recht notgeilen Bock kannte, bekam direkt Stielaugen angesichts des wohlgeformten Körpers der Darna. Auch die Norbarden legten nun die dicken Lederkleider ab und trugen nur noch leichtes Leinen.

Der Wagen zur anderen Seite war ebenfalls bunt angemalt, hatte aber einige seltsame Symbole darauf. Halbkreise, gezackte Symbole und Farbschlieren, aber nichts was ich irgendwie erkennen würde. Einige Norbardenburschen und Männer forderten Jucho, Melham und mich zum Würfelspiel auf. Wir stimmten gern zu, ein bisschen Abwechslung würde nicht schaden. Dann unterhielten sie sich kurz auf norbardisch. „Die Gans soll heut nacht noch nicht geschlachtet werden. Ein bisschen bluten kann der Pfeffersack schon.“  Aha, so ist das also… Ich ließ mir nichts anmerken. Egal, ein bisschen Spaß würde es sicher trotzdem machen. Es war ein seltsames Spiel mit Würfeln, die größer als die üblichen Würfel waren, aber das einfache Regeln hatte. 2 werden aufgedeckt, der 3. ist verdeckt, dessen Ergebnis musste man raten. Am besten wären 3 gleiche, eine Reihe wäre das Zweitbeste,  dann eine Zweierreihe, zuletzt unterbrochene Reihen. Ein kurzweiliges Spiel, bei dem die Norbarden sogar Met aus großen Tonamphoren ausschenkten. Dabei erzählten sie irgendwas von der Drouga, den Immen, ihrer Tracht um dann weiter nach Ouvenmas zum Markt zu ziehen, wo sogar ein Graf sein wird. Also irgendwas mit Bienen. Sie wollten wohl Bienenwachskerzen machen und verkaufen.  Nach ein paar Runden fing Jucho schon etwas an mit schwerer Zunge zu sprechen und lies sich sogar überreden einen Silbertaler zu setzen den er natürlich verlor. Mit jedem Becher Met wurde der Bursche wirrer und verdoppelte dauernd seinen Einsatz, am Ende legte er sogar einen ganzen Batzen ins Spiel. Armer Tropf! Nadjescha, die zwischenzeitlich dazu gekommen war, überredete ihn, mit den Würfeln zu sprechen und zu Phex zu beten. Dann hielt sie ihm die Würfel vor die Nase. Als er würfelt fiel tatsächlich eine Reihe: 1,2,3. Den Norbarden entglitten regelrecht die Gesichtszüge, während Jucho in unkontrolliertes  Jubelgeschrei verfiel. Die Norbarden schienen schlechte Verlierer zu sein, wollten seine Ärmel sehen. Dann zogen sie beleidigt von dannen. Melham, der wie immer kein Maß kannte, musste es natürlich übertreiben und forderte mit Jucho die Sippe weiter heraus zum Spiel. Aber der Kreis der sich im Lauf des Spiels um uns gebildet hatte lichtete sich schnell.

Noch vor Sonnenaufgang begann das Lager wieder zu leben zu erwachen, es war viel vorzubereiten wie es schien. Wasser holen, Pferde versorgen, Essen machen. Deutlich mehr Aufwand als wie bei einer kleinen Reisegruppe wie unserer eigenen. Ich stand erst zum Frühstück erst auf, mein Kopf war noch etwas schwer vom vergangenen Abend. Pam holte mich zur Mume um bei dieser einen Kamm zu tauschen.  Ich konnte zwar beim Übersetzen helfen, aber in Handelsdingen bin ich natürlich selbst auch nur mäßig begabt. Ich gab ihr am Ende 3 Groschen für einen schön geschnitzten Holzkamm, wie Pam nur noch Dukaten einstecken hatte, dafür schuldete mir Pam jetzt einen gefallen. Als sie begann ihr Haar ausgiebig zu kämmen fiel mir das erste Mal richtig aufn erst mal wie üppig und glänzend es war.

Später am Tag zogen wir durch Gorschnits, aber auch hier schienen die Norbarden nicht gerade willkommen zu sein. Viel passierte ansonsten nicht während der Fahrt. Aber wer wollte sich auch einem Treck mit Dutzenden wehrhafter Männer und Frauen anlegen? Am Abend gab es wieder eine Wagenburg,  ein gemütliches Abendessen und eine Runde Met für alle. Zwei Frauen kamen mit bauchigen Instrumenten, langem Hals und aufgespannten Seiten darauf. Eine traurige Melodie erklang, ein bornisches Volkslied, das mich an meine Kindheit erinnerte. Meine Ziehmutter hatte auch viel gesungen. Danach ging es zu gemeinsamem Tanzen und Singen über und am Ende war es ein fröhlicher, schöner Abend. Am nächsten Morgen wiederholte sich das geschehen von gestern, alles wirkte sehr eingespielt und routiniert. Und so ging es weiter. Auch Wippflügler war mittlerweile ganz gut Freund mit der Sippe und präsentierte am dritten Abend einige Stücke aus seiner Sammlung. Neben seiner astralen Begabung besaß er anscheinend auch eine gehörige Portion Taschenspielertalent und unterhielt damit die ganze Sippe. Die Holzente aus seinem Rucksack quakte täuschend echt, als er sie am Kopf streichelte. Dann setzt er eine schön gearbeitete Brille aus dünn geschliffenem Bernstein auf, mit der er 3 Mal im dunklen sehen würde wie am hellen Tag und die man auch immer wieder aufladen könnte. Seine Erläuterung als Reversalis Dunkelheit klang plausibel. Wenn das stimmte, würde ich das Stück direkt erwerben! Ich setzte die Brille zum Ausprobieren auf die Nase, ging vom Feuer weg, blickte in die Dunkelheit und flüsterte „sei erleuchtet“, das Wort hatte er mir vorher geheimnistuerisch zugeraunt. Aber der Effekt war völlig anders als erwartet. Ich schrie auf, war geblendet und stand auf einmal in einer Kuppel gleißenden Lichts. Von außerhalb der Kuppel hörte ich erschreckte Schreie. Nein, ich denke ich mochte das doch nicht kaufen… Pam bot mir ihren Arm an, führte mich zurück und ich setzte mich neben das Feuer und rieb mir die Augen, während Wippflügler begann über den überraschenden Effekt zu sinnieren und sich entschuldigte. Der Abend endete dann auch früher als sonst.

Es hieß,  heute sollten wir nach Vierwinden kommen. Beim Frühstück fiel mit auf, dass ein männlicher halbwegs norbardisch aussehender Bursche der sich neben uns wusch, hat am rechten Handgelenk innen schwarze Farbe hatte, das kam mir irgendwie bekannt. Als Kutscher trug er aber lange Stulpenhandschuhe so dass man es später nicht mehr sehen konnte. Melham verdächtigte ihn sofort, aber ich sprach erst einmal für den Mann, er hatte ja nichts getan. Warum waren die Leute immer so schnell zur Hand mit einem negativen Urteil oder einer Verdächtigung, anstatt zu versuchen das Gute in ihren Mitmenschen zu finden?

Vierwinden war schon fast eine Stadt und hatte eine wehrhafte Palisade. Hier kreuzten sich 2 Straßen mitten in der Stadt, so dass je eine in alle 4 Winde führte, was wohl zu dem prosaischen Namen geführt hatte. Imposant war insbesondere eine Statue. Die „Schwarze Rondra“ von Vierwinden war aus einem mir unbekannten, spiegelnden schwarzen Gestein, in Gestalt einer überlebensgroßen, nackten, kauernden Frau. Sie wirkte  gedrungen und kompakt,fast als wäre es eine übergroße Zwergin, aber untypischerweise ohne jede Waffe. Ich konnte nur sagen, dass es sicher kein Obsidian oder Schiefer ist, aber eine genauere Bestimmung war mir nicht möglich. Vielleicht Basalt aus den Feuerbergen? Nunja, ich war kein Experte auf dem Gebiet der Steine... während ich die Statue bewunderte sabbelte mich Wippflügler wieder voll. Sumu sei Dank, von hier waren es nur noch etwa zwei Tage bis Ouvenmas.

Am Nachmittag verließen wir die Straße und fuhren durch die Gegend bis in eine Senke, wo viele umgedrehte, geflochtene Körbe standen. Das mussten die Bienenstöcke der Norbarden sein. Aus der Senke kam uns eine ältere Norbardin entgegen. Sie keifte die Mume etwas an, aber wir durften am Ende wohl mit den Immen ziehen, solange wir sie nicht stören würden. Morgen sollte es losgehen und alle nickten eifrig. Das musste Druga Dschelawod sein, von der wir schon gehört hatten.

Das Gespräch kam darauf, wie kann man ein Dschelawod werden könnte, ich kann mir gar nicht mehr so recht erklären warum. Aber die Mume fragte mich direkt, ob ich einheiraten wollte. Naja, warum eigentlich nicht? Ich hatte da ja keine Vorurteile und bisher sowieso kein besonderes Glück mit Frauen. Dann kam auch noch eine sehr hübsche Norbardin vorbei und fragt unverblümt und frech: „Nachschub für die Sippenmänner? Ein bisschen alt. Ein bisschen mehr müsste sie schon sehen um das zu beurteilen“. Das mit dem Alter traf mich schon etwas, so viele Sommer hatte ich ja jetzt auch noch nicht gesehen. Was wollte sie mir damit sagen? Nadjescha, auf die ich eigentlich dachte mich bei solchen Dingen verlassen zu können, verdrehte nur die Augen und war auch keine große Hilfe, weswegen ich etwas ratlos zurückblieb als das hübsche Mädchen lachend von dannen zog. Abends war die Stimmung wieder sehr ausgelassen. Wippflügler verschwand im Zelt unter dem Moskitonetz. Wir anderen schlossen uns dem kleinen Fest mit Met, süßer Vorspeise, Eintopf und zum Nachtisch noch mehr Süßem an. Es gab Honigwaben zum kauen, die zu Bonbons geformt waren. Das Wachs spuckte man am Ende einfach aus. Ungewohnt, aber irgendwie auch lecker. Es wurde gesungen und getanzt bis zur Boronsstunde. Trotzdem ging es am nächsten Morgen noch früher los als sonst. Die Bienenstöcke sollten ein letztes Mal für diesen Sommer versetzt werden, die Norbarden waren daher recht beschäftigt.

Wippflügler wollte sich unbedingt das verschließen der Bienenstöcke noch ansehen. Die zweite schöne Kaleschka neben der wir schon genächtigt hatten gehörte anscheinend dem schönen Mädchen von gestern und stand unten bei den Bienenstöcken statt an ihrem Platz in der Wagenburg. Wir folgten Wippflügler in die Senke. Die Hälfte der Körbe, ein Schlitz unten vorne diente anscheinend als Zugang, war schon mit Brettchen verschlossen. Diese wurden vorsichtig auf den Wagen verladen. Die Druga beäugte das ganze kritisch. Das hübsche Mädchen, sie hieß Raduschka, stand ebenfalls konzentriert daneben. Es summte unruhig in den Stöcken, so als ob die Bienen merkten, dass sie umziehen würden. Als der siebte Korb verschlossen wurde stieg die Unruhe um uns noch weiter. Das Brummen wurde lauter und Wippflügler immer nervöser. Er fuchtelte hektisch in der Luft rum. Ich machte zur Sicherheit paar Schritte weg von ihm, wurde aber trotzdem ein paarmal gestochen. Das piekte, war aber auch nicht weiter schlimm. Wippflügler schien langsam panisch zu werden und fummelte in seinem Gepäck herum. Dann zog er einen weißen Seidenschleier heraus und rief „Kusch“! Das Brummen wurde noch lauter und zorniger. Auf einmal bewegte sich der Boden. Hummeln, Ameisen, Käfer Asseln aber auch die Bienen stoben auseinander wie von einer unsichtbaren Kraft getrieben und flohen regelrecht vor ihm. Nach einigen Herzschlägen war es boronsstill. Alles war irgendwie… leer. Die Druga, die einige Augenblicke brauchte um sich zu fassen, begann zu keifen, „Was war das? Frevler, Hexer, Skorpionkrieger! Auf ihn!“

Wippflügler hatte die Vielbeinigen vertrieben, eindeutig. „Die Immen sind weg, Mokoscha hat uns verlassen“, keifte die Druga weiter. Die Norbarden bewegten sich immer noch langsam, wie in Schockstarre, aber ewig würde das nicht anhalten. Ich zog Wippflügler schnell hinter mir her und rief über die Schulter: „Es tut uns leid, das war nicht seine Absicht.“ Dabei eilten wir los, fast wie eine Flucht. Nadjescha plädierte für eine Sühne, da er die Gastfreundschaft missbraucht hätte. Ich war mir nicht sicher, ob sie das ernst meinte oder dem Magier nur eine reinwürgen wollte. Die vier Norbarden die die Körbe am Wagen verladen hatten kamen mit Knütteln auf uns zu und wollten uns ans Leder. Wippflügler bewegte sich jetzt weg vom Lager und floh nach Osten. Langsam wurde es etwas chaotisch. Melham schoss über ihn hinweg und forderte ihn zum Halten auf, wodurch sich Wippflügler aber bei der Flucht eher bestätigt sah. Von oben kamen viele jetzt bewaffnete Norbarden herangestürmt. Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, hier ein aussichtsloses Blutvergießen zu beginnen. Da blieb nur Rückzug  bis sich die Lage beruhigt hatte. Nadjescha hob hinter uns die Hände und blieb stehen während Melham weiter rannte und mit seiner nervigen Stimme schrie „Renn nicht weg, Wippflüger“. Jucho rannte Melham hinterher. Hier war offensichtlich kein Plan am Werk. Wir holten den Magier auf der Straße ein, wo zwei Reiter auf uns zu kamen, aber da wir mehr waren hielten sie Abstand von uns.

Etwas außer Atem fragte ich den Magus, was das gewesen war. Er erklärte, ebenfalls schwer atmend, ein Zauber aus Kunchom, der Krabbeltiere für einige Zeit vertrieb. Also waren die Bienen nicht tot. Das war doch zumindest etwas. Mit dieser Erkenntnis sollten wir, um eine friedliche Lösung zu finden, zur Verhandlung mit der Mume, die glaube ich deutlich vernünftiger als die Druga war, zurückkehren.

Wir stellten uns, nachdem ich Wippflügler überzeugen konnte, den beiden berittenen Norbarden und kamen freiwillig mit zurück. Wie zu erwarten giftete Druga gegen uns und forderte schlimmste Vergeltung für den Frevel an ihren Bienen,, während die besonnenere Imja versuchte sie zu beruhigen. Auf meine Frage, ob Druga ihre Völker nicht zurückrufen könne, verneinte sie das. Wäre ja auch zu einfach gewesen… Jucho, der manchmal deutlich bessere Ideen hatte als er aussah, meinte, wer das Getier vertreibt, lann es bestimmt auch wieder zurück rufen. Ich war ihm richtig dankbar dafür, denn dann musste ich mich damit nicht aus dem sprichwörtlichen Fenster lehnen. Mir war natürlich klar, dass Wippflügler, von dem ich ja dank der Brille wusste, dass er den Reversalis beherrschte, den Zauber zur Vertreibung ohne weiteres ins Gegenteil verkehre konnte. Aber das konnte ich ihm ja nicht ins Gesicht sagen, ohne mich verdächtig zu machen. So war es Juchos Geistesblitz und ich konnte mich entspannt zurück lehnen… Wippflügler bestätigte die Annahme, schien sich aber bei dem Gedanken die Krabbeltiere zu sich zu rufen nicht gerade wohl zu fühlen.

Druga, der eine friedliche Lösung anscheinend immer noch missfiel, meinte, es müssten aber alle Bienen zurückkehren, sie als Immenmutter könne das spüren ob die Völker vollzählig seien. Sehr interessant. Ich war mir jetzt absolut sicher, eine der legendären Zibiljas vor mir zu haben. Genau das, was ich schon so lange gesucht hatte! Wippflügler ließ uns zur Seite gehen um seinen Zauber zu sprechen und wollte einen Freiwilligen. Sich selbst ins Zentrum der Tiere zu stellen, schien anscheinend wirklich ein Problem für ihn zu sein. Ich meldete Jucho freiwillig, aber der Widersprach sofort, anscheinend war ihm das Treiben des Magus nicht ganz geheuer. Druga meckerte zwar weiter, sie wolle kein güldenländisches Hexenwerk, aber was blieb ihr anderes übrig? Wippflügler brauchte zwei Stunden Vorbereitungszeit und Pam meldete sich derweil freiwillig, weil Jucho die alte Memme partout nicht zu bewegen war, die ihm von mir angedachte Rolle einzunehmen. Wippflügler verzauberte dann einen kleinen, silbrig glänzenden Metallklumpen, offenbar Arkanium, und war überrascht, als ich ihn darauf ansprach und das Metall so leicht erkannte. Wenn der arme Kerl wüsste, das ich selbst Arkanium im Wert von über 1000 Batzen besaß, er würde wahrscheinlich einen Herzstillstand erleiden… aber man muss ihm ja nicht alles erzählen.

Als er fertig war, machte ich Pam Platz und auch Wippflügler entfernte sich auffällig weit weg. Dann begann Pam, auf das Metall einzuschlagen. Ob das so nötig wäre? Es dauerte etwas, zunächst geschah erst einmal gar nichts und die Leute wurden schon unruhig, ob es nicht funktioniert hatte. Dann setzte ein erst leises, immer lauter werdendes Brummen und Summen ein. Die Bienen schwärmten heran, und zwar NUR Bienen, und stürzten sich regelrecht auf den Klumpen Arkanium. Pam blieb derweil, obwohl sie augenscheinlich durchaus öfter gestochen wurde, erstaunlich ruhig und gefasst. Tapferes Mädel! Die Druga setzte sich auf den Boden und begann ebenfalls zu summen, man konnte fast meinen, sie glich sich an die Laute des Schwarms an. Dann begannen die Schwärme sich zu teilen und flogen nach und nach in ihre Körbe. Es dauerte seine Zeit, bis alle fünf Schwärme verstaut und die Fluglöcher geschlossen waren, aber ich war beeindruckt. Für die Alte musste es ganz schön anstrengend gewesen sein, denn sie sackte im Anschluss regelrecht zusammen, woraufhin die hübsche Raduschka herbei eilte und sich fürsorglich um sie kümmerte, während sie das beruhigende Summen selbst aufnahm. Das Mädchen also auch eine Zibilja? Das war ja wundervoll! Die wäre mir auf dem Schloss noch viel lieber, als die giftige Alte…

Pam war wohl ebenfalls fasziniert und fragte Druga, als diese sich wieder etwas erholt hatte, ob sie eine Schamanin sei. Aber mit dem Wort in der fremden Sprache konnte sie nichts anfangen. Ich übersetzte es ihr ins Garethi als Zauberin oder Priesterin, was die Alte zu einem wissenden milden Lächeln in Pams Richtung bewegte. Trotz der Umstände durften wir noch einmal bei der Sippe übernachten. Die Frauen, Männer hatten hier anscheinend nicht wirklich etwas zu entscheiden, flüsterten miteinander und schließlich kam Irmja zu uns. Es seien nicht alle Bienen wieder da und der Schwarm geschwächt, weswegen sie eine Kompensation von Wippflügler forderte die mit 20 Batzen für ein paar Bienen schon etwas unverschämt war. Ich ließ die Anderen stehen, da ich unbedingt noch im Vertrauen mit Druga (und hoffentlich Raduschka) reden wollte.

Als ich bei den beiden ankam war es mir einfach zu umständlich, weiter in Garethi mit ihnen zu sprechen, außerdem war ich vor Raduschka seltsamerweise etwas nervös, weswegen ich direkt ins Alaani verfiel. Was Druga sofort wieder zornig machte und sie Raduschka anpflaumte, man hätte ihr gesagt, ich würde die wahre Sprache nicht sprechen. Ich sagte ihr auf den Kopf zu, das sie ja wohl eine Zibilja sei, und ich ihre Dienste benötigen würde, ein Handel aber zu unserer beider Vorteil sei. Ich bot ihr an, mit den Bienen (und Raduschka…) über den Winter zu mir aufs Schloss zu kommen. Ich benötige eine Zibilja, die meine Glyphen der elementaren Attraktion aktivieren könne, dafür könnten ja ihre Bienen in diesem Kreis des Humus und des Lebens sicher und gestärkt über den Winter kommen. Damit hatte die Alte wohl überhaupt nicht gerechnet und wollte natürlich wissen, wieso ich von solchen Dingen wusste, woher ich die Glyphen hätte und so weiter. Alles lange Geschichten, aber worauf wir uns einigen konnten war, das ein Druide auf meinem Land lebte, als plausibelste Erklärung. Das war ja noch nicht mal gelogen. Nur das ich es selbst war, musste ich ihr nicht unbedingt auf die Nase binden… Wenn sie die Einladung annehmen würden, sollten sie nur kein Problem mit Orks und Goblins haben, warnte ich die beiden. Raduschka wollte das noch einmal mit Irmja bereden, aber ich glaube, sie war gar nicht abgeneigt. Ich wurde schon wieder gefragt, ob ich eigentlich eine Frau hätte, was ich guten Gewissens verneinen konnte…

Das aktuellere Problem, die Kompensationszahlung für die Bienen, besprachen wir dann am Rande auch noch. Ich konnte ihren Standpunkt ja verstehen, bat sie aber, sich dabei doch etwas herunter handeln zu lassen, was dann auch geschah. Da die Holzente wohl nicht in Frage kam einigte sich Wippflügler mit Irmja am Ende auf 15 Batzen. Immer noch ein stolzer Preis in meinen Augen, aber Wippflügler löhnte das Gold, ohne mit der Wimper zu zucken, und Irmja meinte, die Bienen seien auch der wertvollste Besitz der Sippe. Der Rest des Abends verging ruhig, aber bei weitem nicht mehr so locker wie die letzten.

Am nächsten Morgen ging es wieder früh los, aber heut trennten sich unsere Wege. Wippflügler wollte jetzt unbedingt nach Ouvenmas und die Sippe musste die Bienen zu ihrer letzten Weide bringen. Ich bedankte mich noch einmal bei Irmja und sprach meine Einladung für den Winter erneut auch ihr gegenüber aus. Mit der Sippe am Schloss würde es sicher spaßiger werden, als ganz allein in der Schmiede oder dem kalten Gemäuer zu hocken. Ich wusste ja immer noch nicht, wann MaLuf endlich zurückkommen würde. Und wenn Argal immer noch die beleidigte Wurst spielte, war er auch keine fröhliche Gesellschaft…

Wir benötigten noch eineinhalb ereignislose Tage bis Ouvenmas. Das war schon eine für hiesige Verhältnisse größere Stadt. Die Holzpalisade hatte sogar ein Steinfundament und vor dem Stadttor standen 3 Wachen. Einer davon war alt, zwei jünger. Seltsam mutete nur an, dass sie unterschiedliche Wappen trugen. Vielleicht Stadt und Fürst? Das eine war ein silberner Eberkopf auf rotem Grund, das andere  ähnlich aber in blau und Silber. Die übliche Befragung beim Betreten der Stadt übernahm Nadjescha, die uns als Gäste aus Festum vorstellte. Besuch aus der Hauptstadt war anscheinend schon einmal gut angesehen. Man stufte uns zwecks der Verzollung mit unseren Waffen und als Begleiter des Magus als Kriegsvolk ein und wollte zwei Deut pro Fuß und schwerer Waffe. Ich war schon dabei den Geldbeutel zu zücken um meinen Teil zu  bezahlen, da platze Melham schon wieder damit heraus, dass dies eine Unverschämtheit sei, mir als Bronjar gegenüber. Ich sah ihn böße an, aber das störte ihn anscheinend nicht im Geringsten, während die Wache auf einmal hektisch herumdruckste, sich entschuldigte, buckelte und unbedingt direkt Meldung beim Grafen Zardan machen wollte. Schwer seufzend legte ich nun wieder die standesgemäße Pelzkleidung an und musste natürlich nichts für das Betreten der Stadt zahlen. Man empfahl uns den Goldenen Schwan als Gasthaus. Nur Wippflügler musste für seine „Luxusgüter“, also das Zauberwerk, Steuern entrichten, nachdem Nadjescha die Wachen hinterhältiger Weise darauf aufmerksam gemacht hatte.

Der Schwan war ein großes Fachwerkhaus mit gemauertem Erdgeschoss und zwei gewerkten Stockwerken darüber. Boutzen, der sich hier anscheinend etwas auskannte, meinte, in der Stadt herrsche ein Zwist zwischen dem Fürsten und dem Graf. Der jetzige Graf habe sich nach dem Tot der alten Gräfin hochgemogelt, nachdem der eigentliche Erbe verschwunden war. Dieser sei nun aber wieder da, jedoch nur als Fürst, was zu fortwährenden Spannungen führte. Toll! Ich konnte ja noch nicht einmal sagen, ob ein Fürst oder Graf wichtiger war. Aber die frühere Fürstin, Tsajane von Ouvenstam, auch Gründerin der Künstlerschule, muss recht beliebt gewesen sein. Wir nahmen im Gasthof Quartier und ließen erst einmal die Reise sacken. Jucho wollte noch etwas besorgen, kam aber recht bald wieder zurück. Dabei warnte er mich, dass gleich der „Graf mit dem blauen Eber“ kommen würde.

Von der Tür erschallte auch kurz darauf ein „Seine Gnaden Graf Ljasew von Utzbinnen-Ouvenmas“ woraufhin ein älterer Bornländer in edler Pelzkleidung und Handschuhen mit grauen Haaren und Bart eintrat. Nach einem kurzen suchenden Blick steuerte er direkt auf mich zu und ich stellte mich ihm als dem standeshöheren vor. Er meinte, er könne sich sehr genau an meine Ernennung vor 10 Monden erinnern, schließlich habe er als Hüter mich ja in die Adelsrolle eingetragen und meinen Stand bestätigt, wobei er gönnerhaft lachte. Ich hatte zwar keine Ahnung, wovon er genau redete, auch ein hilfesuchender Blick zu Nadjescha brachte mich da nicht weiter, aber ich lächelte einfach und bedankte mich bei ihm. Dann setze er sich zu mir, ließ „den guten“ Meskinnes vom Wirt kommen und beklagte sich über „Fürsten die von Bäumen fallen, in seine friedliche Stadt mit Schlagetots kommen und Unfrieden stiften. Aber dem Erbschleicher würde er nicht weichen, auch wenn er den „Fürsten“ in seiner Güte in seiner Stadt dulde“. Anstatt den Wirt zu bezahlen, man höre und staune, kassierte er stattdessen noch „Gewerbeaufsichtsgebühren“, die dieser zerknirscht entrichtete, obwohl er doch schon „an den Fürst gezahlt habe“. Hier herrschten wirklich seltsame Sitten. Das Gespräch kam dann auch auf den Grund unseres Aufenthaltes, also die Auktion der, wie der Grad sie nannte, „Kleckskünstler“. Grad Tsadan von Norburg wurde anscheinend ebenfalls dazu erwartet, auch wenn mir der schon wieder überhaupt nichts sagte. Wir plauderten noch ein wenig, aber ich konnte dem Grafen beim besten Willen nicht in allen Dingen folgen bis er endlich wieder ging. Politik ist einfach nicht mein Geschäft…

Danach wurde es etwas entspannter. Ich plauderte mit Pam über ihren Schutzgeist, den sie schon mehrfach erwähnt hatte. Ob man den wohl willentlich herbeirufen konnte? Wäre vielleicht einen Versuch wert, einfach so. Sie wusste es auch nicht. Den ihres Bruders konnte man aber wohl nicht herbeirufen, da die Augen seines Kopfes zugenäht waren. Schade wieder… ich hatte immer noch keine richtige Idee. Später teilten wir uns dann, wie Nadjescha zwischenzeitlich verschwunden war, einen Badezuber, wobei sie mir noch von einem Norbardenkind erzählte, dass andere Kinder aus der Stadt hinter dem Haus in ein Fass gestopft hätten. Aber das ging mich nun wirklich wenig an… ich wollte das Bad genießen. Während Nadjescha und Pam sich später in der Stadt rumtrieben, Jucho noch einmal auf den Markt wollte und Wippflügler sich zum Lesen zurückzog, gönnte ich mir einen entspannten Abend im Gasthaus.

Beim Frühstück besprachen wir, wie es weiter gehen sollte. Ich dachte, wir würden jetzt weiter zur Künstlerkolonie ziehen, aber Wippflüger verneinte das. Die „Vernissage“, also Bilderausstellung wie ich mir erklären ließ, sei hier in der Stadt. Also wäre vermutlich auch Auktion hier. Wir seien sogar eingeladen (eigentlich nur Hr. Wippflügler, aber er hat uns mit angekündigt) von einer Dunja von Schwarzmoos-Hinterwalden. Eine ehemalige Edle, jetzt Dienerin des Phex und Künstlerin. Die Veranstaltung sei im ehemaligen Kontor der Schneiderei Borschkin. Aber bis zum Nachmittag hatten wir weiter frei. Ich erkundigte mich nach den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Die Wirtin meinte, es gäbe Tempel fast aller Zwölfe, ich solle auf jeden Fall einen Rundgang durch die reichhaltige Tempellandschaft machen. Besonders der Peraine-Tempel sei berühmt, aber auch der Phextempel und großer schöner Rondratempel sogar mit eigenem Geweihtem sei sehenswert. Pamscheyu schlug vor, lieber die örtlichen Norbarden zu besuchen, die sie gestern mit Nadjescha kennen gelernt hatte. Es gab also nichts sooo spannendes, aber auf Tempel hatte ich gar keine Lust. Also blieb die kleine Sippe die hier nach Auskunft der Wirtin wohl häufiger vorbei kam. Nadjescha wollte aber den Rest der Stadt sehen, deswegen gingen nur Pam, Melham und ich zu den Norbarden.

Der Markt war voller als gestern am Nachmittag. Uns kam eine Sänfte entgegen und hielt an einem der Stände an. Jucho meinte, wie sollten etwas in Deckung gehen, das Schauspiel habe er gestern schon einmal gesehen. Wir hörten erregte Stimmen, dann sahen wir ein Handgemenge der Sänftenbegleiter mit anderen bewaffneten in roten Wappenröcken. Sie stritten anscheinend über die Zuständigkeit auf dem Markt. Wir warteten bis das Handgemenge sich gelegt hatte. Der offensichtlich unterlegene Graf zeterte, dass seine Amtsgewalt beeinträchtigt würde. Was für ein Trauerspiel. Weiter ging es zum südlichen Stadttor. Pam führte uns über den Markt, sie kannte ja den Weg. Dabei passierten wir die 6 Gardisten des Fürsten, die den Händel gewonnen hatten.  Auf mich wirkten sie eher wie ungepflegte langhaarige Schlagetots, da musste ich dem Grafen schon Recht geben.

Die Norbardensippe zu der uns Pam führte nannte sich Towitsch. In Ouvenmas gab es viel freie grüne Fläche, so dass es kein Problem war, die Leute mit ihren Kutschen unterzubringen. Auf einer Wiese standen 5 Kaleschkas neben dem Stadttor. Wenn das alle waren, war es wirklich nur eine kleine Sippe. Aber sie freuten sich offensichtlich Pam zu sehen und wir wurden von der Ältesten Malidja zum Tee eingeladen. Karaika, die Mume – eine mittelalte Frau - sprach mit uns, während junge Männer mit Körben und Beuteln, wohl zum Handeln, in die Stadt gingen. Zur Palisade hin standen angepflockte Pferde, Esel sowie zwei alte Ochsen und zwei alte Kühe. Auch hier hatten offensichtlich die Frauen das sagen, aber die Sippe war augenscheinlich deutlich weniger groß und wohlhabend als die Dschelawods. Als es auf die Praiosstunde zuging kehrten wir zurück in den Schwan.

Ich klopfte bei Wippflügler am Zimmer, weil ich ihn noch etwas fragen wollte. Nach einigem Gerumpel öffnete er mir und ich wollte von ihm ganz unverfänglich wissen, was ihn nach Jagotin verschlagen hatte? Er hätte, so seine Erklärung, den entscheidenden Hinweis von einem reisenden Scharlatan erhalten. Magier könnten Zaubern. Zauberkraft fluktuiert durch die Welt wenn sie nicht gebunden ist an einen Magier. An manchen Stellen bildeten sich Berge, Hügel oder Senken aus Magie. Also mehr oder weniger davon. Er Schulmeisterte herum, als würde er mich für etwas beschränkt halten, wenn der gute Mann wüsste….  Laut dem Scharlatan gäbe es bei Jagotin eine „Formidable Fluktuaktion“ zu finden. Aber dazu hätte er wohl in Wald hineingehen müssen. Dann dachte er kurz nach und meinte, seine Kollegen aus Festum kämen doch öfter nach Strobanoff. Ich hätte da selbst ein „Meer“ in meinem Schloss. In Jagotin jedenfalls fand er nur Spuren des Bergs, aber der Berg selbst seit nicht mehr da seit kurzem. Als ich fragte was er mit dem Berg wolle meinte er, seine Aufgabe sei es, solche Orte zu katalogisieren und zu erfassen und herauszufinden, was so ein Nodex, also Berg kann. Da Jagotin für ihn auf dem Weg lag und interessant war, hatte er diesen Abstecher gemacht. Es scheinen aber, nach seiner jüngsten Erfahrung, einige Nodices zu wandern. Er habe glaubhafte Berichte aus verschiedenen Gegenden des Landes darüber gehört. Um mich nicht verdächtig zu machen tat ich weiter, als verstünde ich nur die Hälfte, würde mich langweilen und ging dann mich vor dem Nachmittag noch frisch zu machen. Der alte Mann hatte ja keine Ahnung, wie interessant seine Aussagen für mich waren…

Zur vierten Stunde trafen wir uns und gingen über den Markt zu einem gedrungenen, etwas heruntergekommenen Haus nahe an der westlichen Stadtmauer. In verblassenden Farben stand dort: Schneiderei Dorschkin. Die Tür stand offen, davor vier Jugendliche, 2 Mädels und 2 Jungs, die drinnen Bescheid gaben als wir eintrafen. Eine gut gekleidete kleinere aber sehr hübsche Frau mit Hdunkelbraunen Haaren im Pagenschnitt trat heraus und lächelte uns an. „Werte Gäste, seid mir gegrüßt, Dunja von Schwarzmos-Hinterwalden mein Name“. Da sonst niemand den Mund aufbekam, stellte ich mich kurz vor, erfreut die Bekanntschaft zu machen. Ich solle mich von der Kunst, den Bildern, vom Zauber einfangen lassen – und am besten Abends zum Geld ausgeben zur Autkion reisen. Dann stellte ich auch die anderen vor, da Wippflügler anscheinend nichts zu sagen gedachte. Bei Nadjescha wurde die Frau ganz zappelig. Eine Nanduriatin nannte man ihren Stand also richtig. Dann wurden wir in die ehemalige Schneiderei hereingebeten.

Wir kamen in einen großen Verkaufsraum, rechts und links waren Buffets aufgebaut. Einige Leute waren bereits da, doppelflüglige Türen führten weiter nach innen. Hier waren noch keine Bilder zu sehen. Einige halbwüchsige wurden herbeigewunken, man reichte uns echte Gläser mit einem rötlichen, perlenden Getränk. Es roch fruchtig. Eine Art aufgemotzter Quasetz der prickelte und nach Johannisbeere schmeckte, sehr lecker. Dann wurden wir nach hinten geleitet, wo bereits noch mehr  Leute waren. An den Wänden hingen endlich die versprochenen Bilder. Am Raumeingang erlaubte ich mir einen unauffälligen „Odem Arcanum“  - Wippflügler strahlte natürlich grell auf, auch sein Zeugs und Beutel sprühte regelrecht vor Kraft, wenn auch etwas dunkler als er selbst. Links sah ich ein großes Rechteck, weiter hinten ein kleines Viereck das rötlich schimmerte. Pam stand in meinem Blickfeld und leuchtete auch, sogar stärker als ich erwartet hatte. Aber sie hatte ja von ihren Geistern erzählt. Eine weitere Person im Raum leuchtete schwächer und eine Dritte recht deutlich, wenn auch  etwas schwächer als ich selbst. Faszinierend! Weitere Räume mit offenen Türen gingen zu den Seiten ab. Die schwach leuchtende hochgewachsene Bornländerin hatte, als ich wieder normal sah, markante, halbelfisch wirkende Züge und lange Haare. Die andere war eine Bornländerin mit schwarzen Haaren mittleren Alters, die ansonsten aber eher unspektakulär wirkte. Nun ja, beide würde ich mir merken müssen.

Jetzt also ging es daran die Bilder anzusehen und fachsimpeln zu gehen. Hinten war die erste Phase, also die Gründungszeit der Kolonie. Viele Naturbilder fanden sich dort, von denen einige sogar recht hübsch waren. Die Blutphase in den Nachbarräumen spielte wohl während des Bürgerkriegs und traf weniger meinen Geschmack. Hier vorne und zur Linken fand man die Phase der Renasenzia, also das Wiederaufblühen. Melham, ganz der übliche Tölpel, wollte sofort die „Bilder mit den Frauen sehen“. Tatsächlich gab es eines mit einer nackten Frau gleich am Eingang. Es war das große, das auch geleuchtet hatte. Man meinte, die junge Frau atme regelrecht, so plastisch wirkte es. Zu Melham gewandt sagte ich vorsorglich: „Nicht anfassen. Nur Quatschen, nicht tatschen“. Die Halbelfe kam zu uns, als sie unser Interesse bemerkte und erläuterte das Bild als die „sich rasierenden Nivesin“. Explizit keine Norbardin, sondern eine Nivesin die sich nach norbardischer Art frisierte in bornischer Landschaft auf Bärenfell. Weiter erläuterte sie, in dieser schönen Gegend flössen die verschiedenen Einflüsse zusammen und befruchten sich gegenseitig. Auf so einen Quatsch konnte nur ein Künstler kommen, aber das sagte ich natürlich nicht. Melham hingegen brach in Gelächter und unflätige Kommentare aus und wollte direkt Nadjescha ebenfalls nackt malen lassen. Nadjescha als Pol der Schönheit und sich selbst als Gegenpol und auch noch in Ekstase? Eine furchtbare Vorstellung! Allerdings würde er sich so eine Auftragsarbeit natürlich nie leisten können, zu unser aller Glück. So ein großes Bild dauerte durchaus auch mal einen Götterlauf bis es fertig war. Schneller ginge natürlich eine kopfgroße Skizze… Die Künstlerin fand aber wohl eher Pam als Melham interessant.

In der großen Halle hing eine Auswahl der besten Bilder. Hinten Landschaften, Blumenskizzen und Impressionen, immer auch etwas abstraktes mit seltsamen Titeln dazwischen wie „Der trockene Knöterich vor dem Regen“. In der Mitte die Blutphase durch zwei Werke repräsentiert, rechts „Angenagelt“: Ein Mensch oder Ork, abstrakt an oder auf ein großes Rad genagelt mit 7 roten Spitzen nach außen, windet sich in schmerzen. Und „Strecker und Schlemmer“, das sehr gegenständlich gemalt war. Ein Bauer auf einer Streckbank, daneben zwei Söldner beim Festmahl. Mich schauderte. Ein relativ großer Mann mittleren Alters mit langen nach hinten gekämmten grauen Haaren und Vollbart quatschte mich dabei an. Er trug eine zerschlissene Pelzweste und alte Stiefeln. Fredo von Simjonken-Krempelo, stellte er sich vor. Er hatte die Inspiration vor 7  Jahren als die Nordmärker hier durch kamen und wollte wissen, wo war ich zu der Zeit war. Ich glaube, das war damals Albernia oder Mittelreich. Dann schwadronierte er weiter, seit es die gute Fürstin dahingerafft hatte gehe es abwärts mit der Stadt und der Kunst. „Bis der Fürstin Sproß die Stadt befreit hat“ warf eine andere Stimme ein, die einer Frau die sich als Natanjef vorstellte gehörte. Das war die heller leuchtende Person die an der Seite gestanden hatte. Sie griff mir an die Schulter ihr zu folgen, und brachte mich zurück zum Eingang wo erfreulichere Bilder hingen. Sie zeigte mir ein Bild mit dem Titel „Sumu verkehrt“, eine enorm dicke goldene Nackte mit Insektenaugen inmitten eines verdörrten Landstrichs. Ich war entsetzt, sowohl was die Darstellung, als auch die Titulatur anging. Soe wollte wissen, ob ich die Mähr der Bienenkaiserinkennen würde? Ein bornisches Volksmärchen, das ich natürlich kannte, aber die anderen nicht. Daher deklamierte sie es. Es ging um ein Mädchen und einen Bienerich dem sie Nahrung gab. Das Volk erwählt unter allen Tieren, hatte aber keinen Honig. Der Bienerich forderte dreifach von der Magd, diese hatte aber nichts. Das Mädchen weinte, weswegen er es Mädchen zornig stach und ihr Blut schleckte. Hundert weitere von der Kaiserin verbannte wollten auch von ihr trinken. Da lief sie 3 Tage, wurde aber weiter gestochen bis sie unter Schmerzen zu dem goldenem Bienenstock kam und nach Hilfe rief. Die Bienenkaiserin sah die bösen Drohnen, rief ihre Kriegerinnen, besiegte die Drohnen und gab dem Mädchen heilenden Honig, der sie zur schönsten im ganzen Land machte. Das habe sie versucht im Bild mit einer Vollendung der Gegensätzlichkeiten zu erklären. Ich war jetzt vollends verwirrt. Kunst kann man wohl nicht erklären. Aber der goldene Farbton faszinierte mich. Die Frau erläuterte, es sei echtes Gold auf dem Bild, gelöst und zerstäubt. Die Künstler machten ihre Farben alle selber. Das fand ich sehr spannend und ich solle sie doch einmal in der Suhle besuchen kommen, wenn ich daran Interesse hätte.

Das war alles etwas verwirrend. Ich hakte mich bei Nadjescha unter um vor den komischen Leuten sicher zu sein und wir schlenderten ein wenig an den Bildern herum. Im rechten Nebenraum fanden wir weitere gruselige Bilder der Blutphase. „Der gerechte Graf L.“ und andere Werke, die es in Scheußlichkeit mit den übrigen fast aufnehmen konnten. Links gegenüber im Nebenraum hingen abstrakt bis gegenständliche Bilder, manche davon vorwiegend in schlammfarbe in verschiedener Kontur bis zu tatsächlich recht hübschen Pflanzenstudien und Skizzen. Und schon wieder wurde ich von der Seite angesprochen, und zuckte erschrocken zusammen. Wobei das in diesem Fall gar nicht nötig gewesen wäre… Nasja Nodjef, eine jüngere rothaarige, ausgesprochen hübsche Frau, mit an der Seite bis zum Oberschenkel geschlitztem Kleid strahlte uns an. Pam versuchte pflichtbewusst sich zum Schutz vor mich zu drängen. Sie meinte es ja nur gut, in diesem Fall wollte ich aber gar nicht beschützt werden... Die ersten Skizzen waren anscheinend wirklich aus Schlamm, den dieser Fredo zu Farben verarbeitet hatte, da die Kolonie in den Anfangstagen kaum über andere Möglichkeiten verfügte als das zu nehmen, was die Natur hergab. In 3 Tagen auf der Auktion könnt ich davon ja etwas erwerben. Aber mich interessierten die anderen Bilder mehr. Ich fragte nach diversen Kräutern wie Wirselkraut, Vierblatt, Traschbart oder Krötenschemel, worauf mich das hübsche Mädchen am Arm und nah zu sich herangezogen zu den anderen Bildern führte. Tatsächlich Wirsel und Vierblatt die sehr naturgetreu wirkten. Sie erläuterte, dass es sich dabei um Auftragsarbeiten aus Norburg, wohl von der Magierakademie, handelte, die nie abgeholt wurden. Da würde ich vielleicht doch auf der Auktion mitbieten, diese Teile gefielen mir außerordentlich gut, genauso wie die Künstlerin selbst. Bisher hatte sie es völlig versäumt, mich nach meinem Namen zu Fragen, knickste aber als ich mich vorstellte. Ich könnte mir ja gut einen Hausbesuch durch sie auf dem Schloss vorstellen, vielleicht eine Auftragsarbeit für mich über den Winter? Wir werden mal sehen, nach der Auktion blieb sicher Zeit über so etwas zu reden. Nadjescha, die fast etwas eifersüchtig wirkte, verwies da gleich vorsorglich auf die Orks und Goblins die es bei mir hatte... Ich fragte noch nach den Kosten der Pflanzenbilder. Das hing irgendwie von denMitbietern ab, aber sie würden wohl so um die 10 Batzen oder mehr kosten.

Von draußen war ein Klopfen zu hören und vom Eingang hörte man Dunja den Grafen Utzbinnen von Ouvenstam begrüßen. Ein Mann mit miesepetrigem Blick, sah abschätzig in den Raum. Sein Blick blieb an einem jungen Mann in edler Pelzkleidung hängen, der unbewegt zurück starrte. Neben dem Jüngling stand die magisch begabte Dame, die ich zu Anfang schon wahrgenommen hatte. Der gräfliche Lakai kommandierte den Weg frei, damit der Graf die Bilder ansehen konnte. Eine herrische und wenig sympathische Erscheinung. Sumu verkehrt mochte er offensichtlich nicht, womit wir zumindest schon eine Gemeinsamkeit hatten. Die Nivesin ließ er sich von der Künsterlin erläutern, wobei sein Ton nach wie vor herrisch, unfreundlicher und fordernd war. Er bot 14 Batzen, dann würde er es gleich mitnehmen. Die Zauberin kam dazu: „Wir bieten 30 Batzen“. Der junge Mann war wohl der Fürst von dem wir schon gehört hatten. Sie boten sich gegenseitig hoch und ich bekam das erste Mal den Eindruch davon, was so eine „Auktion“ war. Pam fragte mich, ob ich nicht auch mitbieten wolle. Aber auf dieses Bild… auf keinen Fall. Ein noch jüngerer Bursche so um die 20 in stabiler Lederkleidung und Pelz, stotterte sich auf 57 Batzen hoch, hatte aber merklich Schwierigkeiten so weit zu zählen. Irgendwoher hörte ich seinen Namen, Mika von Hintersjepensgurken. Und der Graf ließ ein abfälliges „Niederadel“ verlauten. Dann gebot der Fürst selbst Ruhe. Kein Bild würde heute verkauft werden, bevor nicht alle Käufer sie betrachten konnten. Erst bei der Auktion wenn Graf Tsadan von Norburg eingetroffen war solle verkauft werden. Er als rechtmäßiger Herrscher der Stadt verfüge, dass die Auktion erst wenn der Graf von Norburg komme stattfindet. Der alte Grantler verließ das Haus daraufhin, was die Spannung deutlich schwinden. Dunja hieß die Diener eine Runde Met zur Entspannung auszuschenken und Pam ging zum Buffet und probierte sich durch die für sie ungewohnten Speisen. Als wäre das eine Art Startschuss gewesen machten sich nun alle über das Essen her.

Hinten an der Wand sah ich einen großen, breiten Mann im Kettenhemd, der irgendwie fehl am Platz wirkte. Vollbart, blonde Haare, an der Seite ein Schwert, stand er etwas verloren herum. Ich wettete mit Nadjescha, das er Alrik heißen musste. Aber ich hatte Pech. Als wir uns vorstellten erfuhren wir, dass wir es mit Bruder Leugrimm von Ouvenmas, dem Vorsteher der Halle der Rondra zu tun hatten. Damit schuldete ich Nadjescha ein Silber, das ich sofort bezahlte. Er meinte ich sähe aus als wenn ich mich hier wohlfühlen würde. Aber das verneinte ich. Ich mochte lieber konkrete Bilder, nicht so komisches Zeug wie die dicke Goldene. Er selbst mochte am liebsten Ikonen und Götterbilder. Und Nadjescha ergänzte in einem kaum merklich abfälligen Tonfall: „Und Schwertheilige der Rondrakirche“, war er aber entweder überhörte oder ignorierte. Einige der Bilder bezeichnete er als Schmierereien, wo ich ihm nur zustimmen konnte. Wir verstanden uns irgendwie recht gut und er hieb mir sogar jovial auf die Schulter um das zum Ausdruck zu bringen. Er sei da um zu verhindern das die Fürstengarde aufkreuzte und was mitnähme. Also nicht der Fürst selbst, aber in seiner Garde seien einige schlechte, unehrenhafte Menschen.

Als nach und nach das Buffet geleert wurde, legten die Diener Süßes nach. Die Stimmung wurde nach weiteren Getränken auch merklich  ausgelassener. Ein junger Bursche, wohl aus Festum wie Nadjescha meinte, rief in der Mitte des Raums zum Tanz. „Wer kennt den Hummelflug?“ Ruklas von Gradnochsjepensgurken orderte die Laier und Musikanten zu kommen. Es war ein schnelles Lied, aber der Tanz war recht einfach zu verstehen. Die Arme ausbreiten und am Platz drehen war alles was man tun musste. Ich hatte tatsächlich den Eindruck von lauter dicken Drohnen die da herum schwirrten. Mit der Zeit, wir verloren alles sowohl die Orientierung als auch das Gefühl fürs Gleichgewicht wurde aus dem Tanz mehr ein Gerempel und Geschubse, aber gerade das schien der Spaß daran zu sen. Ich hatte mir das Tanzen schwieriger vorgestellt... Einige andere Tänze die folgten waren ähnlich simpel machbar, aber alle hatten offensichtlich zum Ziel sich möglichst immer wieder aneinander zu reiben oder am Ende gemeinsam herumzukullern . Als alle durchschnauften und oder Boden lagen tauchte ein Zwerg auf. Tschubax, Sohn des Tulipan. Er sollte ein Konzert  von Hammer, Amboss und dreierlei Kochgeschirr geben. Ich tat meine Verwunderung und etwas Unmut kund. Nasja, die rothaarige Schönheit, tauchte dicht neben meinem Ohr auf, ich solle ihn nicht beleidigen. Er sei wohl ein berühmter, weitgereister Künstler. Ich nutzte die Gelegenheit und legte den Arm um ihre Hüfte, als sie so nah bei mir stand. Sie scheint es gern geschehen zu lassen, fast hatte ich den Eindruck sie schmiege sich noch enger an mich.

Ein paar der Gäste verließen nach und nach die Gesellschaft. Als es sich etwas leerte wurde in deutlich angeheitertem Zustand, ich konnte mich da nicht ausnehmen, das Spiel Scharade ausgerufen und gleich wieder verworfen. Als wären wir Kinder, wollte jemand anderes Verstecken spielen. Am Ende einigten sich alle darauf, dass die Halbelfe einen Schleiertanz aufführen sollte. Von irgendwoher bekam die ebenfalls schon ziemlich wankende Dame Tuch und auch Wippflügler warf ihr seinen weißes Tuch mit dem er die Bienen vertrieben hatte hin. Um sich zu verschleiern ging sie vor die Tür, wir warteten artig. Melham, der wohl nur die Gunst der Stunde sah einer nackten Frau hinterherzustarren, ging „auf sie aufpassen“. Aber er kam ziemlich schnell  zurück, sie war anscheinend verschwunden. Wippflügler lallte: „Müssen s‘ suchen.“ Ich war auch recht beschwipst, aber Nadjescha und Melham schienen noch Herr Ihrer Sinne zu sein und konnten richtig suchen. Wir  nahmen einen Kerzenleuchter mit, der Rest der Leute torkelte eher herum als zu helfen. Melham und Nadjescha gingen los, Wippflügler folgte ihnen, dann kam Dunja ebenfalls mit. Ich folgte mit Nasja im Arm, wir stützten uns sozusagen gegenseitig während sie immer wieder zuckersüß kicherte. Wir komen an einer umgekippten Regentonne vorbei und folgten Melham und Nadjescha Richtung Innenstadt. Nach einer Begegnung mit der Stadtgarde eilten Melham und Nadjescha davon Richtung  Stadtpark. Wir hatten Mühe zu folgen. Als wir etwas später ankamen, lag die vermisste eingemummelt im Park auf einer Bank und schnarchte. Wippflügler jammerte, sein Schleier sei weg und wir sollen ihn suchen, er wolle ihn doch gegen das großes Gemälde tauschen. Sie konnte ihn ja eigentlich nur auf dem Weg verloren haben, also würden wir auf dem Rückweg suchen und dann weiter feiern! Auf dem Weg zurück drang Licht aus einem Haus im ersten Stock und die Hilferufe einer älteren Dame im Nachthemd, mit grauen wirr abstehenden Haaren dranegn an unsere Ohren. „Ein Gespenst, ein Gespenst geht um“. Sie klagte erst über Ruhestörung mit Trinkliedern und dann sei auch noch ein Gespenst durchgehuscht wobei sie rechts die Straße hinunter deutete. Melham lotste uns den Weg und weiter vorne war wieder Licht in einem Obergeschoss auf einem Balkon. Diese Stadt war erstaunlich rege zu später Stunde. Ein Mann mit Laterne gestikulierte herum und fragte, ob uns ein Reim auf Kreideweiß einfiele. „So ein Scheiß!“ „Beschwörerkreis“. Er dichtete irgendwas, was ich nicht verstand. Avesklipiade oder so. Eine Lobpreisung der guten Fürstin Tsaiane von Ouvenstamm sollte es sein, aber mir erschloss sich der Sinn nicht. Aber auch er sah ein Gespenst hindurchhuschen, den Rachegeist der gütigen Fürstin, auf dem Weg zum Etzel um ihn für seine unverschämten Preise zu strafen! Met für einen Groschen! Ich schüttelte benommen den Kopf. Das Gasthaus Roter Hahn hatte eigentlich schon geschlossen. Wir klopften trotzdem und es wurde erstaunlich schnell geöffnet. Ein kleiner Wirt mit dunkelblondem Haar stand vor uns. Vorhin sei schon ein Norbarde mit weißem Laken nach oben zum Schlafen in den Schlafsaal gegangen. Wir polterten die Treppe hoch. Der Gesuchte war noch wach und leidlich bekleidet. Er erzählte, das Tuch habe er auf der Straße gefunden, was ja nicht so abwegig war. Wippflügler zahlte dem Burschen erst einen Groschen als Finderlohn, dann noch zwei und dann nochmal einen, nachdem Nadjescha immer wieder nachgestichelt hatte.

Ich blieb angesichts unserer Verfassung mit Nasja einfach im Gasthaus um weiterzufeiern. Pam wollte zurück in den Schwan, Nadjescha nur weg von dem Magus und zurück zur eigentlichen Feier. Also blieb ich mit Nasja, Wippflügler und Melham allein zurück. Der Wirt servierte uns Met und wir tranken noch 2 Becher. Glaube ich zumindest. Melham wollte noch mit Wippflügler reden, während mit schon die Augen schwer wurden. Ich ließ mir mit Nasja ein Zimmer geben. Da es dort recht frisch war krochen wir gemeinsam unter eine Decke um uns gegenseitig zu wärmen und schliefen dann aneinandergekuschelt ein. Wirklich, der Abend hätte viel schlimmer sein können… so konnte einem das Leben doch gefallen.

Der Morgen danach… schon wieder tat mir der Schädel weh. Ich erwachte etwas desorientiert bei Ertzel. Zum Frühstück gingen wir aber zurück in den goldenen Schwan, Nasja begleitete und erfreulicherweise weiter. Auch Wippflügler schien ein wenig zu leiden, was  Nadjescha die schon im Schwan war ermunterte mit Getrommel auf Geschirr an unseren Nerven zu zehren. Anscheinend wollte sie wieder den Magier ärgern. Wir bekamen einen sehr eigenwilligen Kräutertee und ein salziges Frühstück. Das würde helfen, meinte der Wirt. Beim Essen erzählte ich von MaLuf, dem Nashorn und andere Geschichten meiner zahlreichen Reisen. Ich fragte Nasja, ob das jetzt jeden Abend so mit der Feierei weiter gehen würde bis zur Auktion? Aber das verneinte sie. Dunja hatte ihr Möglichstes getan, aber ein Abend zum herzeigen der Bilder musste wohl ausreichen. Am Ende war es wohl immer eine Frage des Geldes.

Ich glaube, ich hatte mich ein wenig in das Mädel verguckt. Ich fragte sie, was als Künstlerin ihre  Lieblingsfarbe sei. Rot, kam es prompt zurück. Die Farben machte wohl alle Fredo, der beim Salamander in Festum gelernt hätte. Er könne ganz erstaunliche Farben herstellen, wenn ihm der Knöterich nicht die Birne weich machte. Er nähme öfter Pilze und trete dabei richtig weg, schaffe aber oft auch große Kunst. Dann wollte ich wissen woraus ihre rote Lieblingsfarbe sei? Sie meinte, weiche rote Steine oder Erde die mit Wasser und besonderen Zutaten verflüssigt würde. Nadjescha kannte wohl auch jemand in Festum, der das könnte und meinte, sie könne Nasja da vermittelnd helfen. Das seien aber keine Salamander, die irgendwie für sie wieder zu nah mit den Magiern zusammen waren, sondern ihre Tante, eine Apothekarin. Ich würde dringend einmal mit Fredo reden müssen. Ich wollte Nasja eine besondere Überraschung machen. Aber Nasja meinter er sei wohl seit dem Tot der alten Fürstin der er hinterher geritten ist im Krieg etwas seltsam. Er malte sogar mit seinem eigenen Blut die Bilder aus der Blutphase. Das war interessant…

Ich schlug vor, wir könnten ja nach Norden in den Sumpf. Eine Stunde nach Norden bis zur Kolonie, noch eine weitere bis zum richtigen Sumpf. Pilze suchen statt in der Stadt herumhocken wäre eine schöne Abwechslung, und dabei konnte ich gleich noch meinen Besuch bei Fredo erledigen. Nasja würde es bedauern, wie sie meinte, wenn ich mich im Sumpf verlaufe. Nasja träufelt mir noch etwas Honig um den Mund, aber das ließ ich mir gerne gefallen. Eine neue Erfahrung die ich regelrecht genoss.

 Am späteren Vormittag kam uns noch die übernächtigte Jenora zu uns, redete leise mit Wippflügler und ging dann mit ihm spazieren oder auf den Markt. Nadjescha wollte partout nicht mit in den Sumpf. Aber Melham und Pam würden mitkommen. Dazu legte ich aber normale Kleidung an, das gute Pelzzeug war nichts für den Sumpf. Pam meinte, das was ich nun trug wäre Totenkleidung, aber ich verstand nicht genau was sie damit meinte. Als wir loszogen sahen wir Jenora mit Wippflügler am Markt streiten, eine kleine Gruppe von Leuten stand schon um die beiden herum. Es ging wohl irgendwie ums Geld das die Künstlerkolonie brauchte statt Ruhm und Ehre oder magischer Macht. Es konnte wohl auch der beste Künstler nicht von Luft oder Liebe leben. Eine junge Frau kam mit einer Amphore vor der Brust an den beiden vorbei, wirkte etwas abgelenkt, stolperte gegen Jenora und eine gelbliche Flüssigkeit spritzte auf ihr Leinenhemd. Das arme junge Ding wirkte richtig aufgelöst, sie schien die Künstlerin zu kennen und war peinlich berührt. Ungelenk versuchte sie notdürftig das Hemd zu reinigen. Aber was sahen meine wachen Augen da? Von hinten drängte sich jemand energisch an Wippflügler heran, sehr zielgerichtet, griff tief in seine Umhängetasche und Melham fing neben mir an zu schreien „Achtung, Dieb“! Der junge Bursche, vom Aussehen her ein Norbarde, zog etwas weißes, flatterndes heraus und flüchtete. Melham und Pam rannten sofort hinterher, ich setzet mich im eiligen Trab ebenfalls in Bewegung. Um seine Verfolger abzuschütteln wollte der Kerl über einen Marktstand hechten, blieb aber mit dem Fuß hängen und packte sich Nase voran auf den Stand. Die ausgestellten Tonwaren schepperten zerbrechend zu Boden. Ein Fluch ertönte und Melham holte ihn fast ein, nur der Marktstand noch zwischen ihnen. Aber auch Melham und Pam polterten recht unelegant über die Tischplatte, nachdem die beiden durch waren war der Stand jetzt restlos abgeräumt. Der Händler begann natürlich zu zetern und zu jammern, nachdem er sich wieder etwas gefasst hatte. Pam holte den Kerl schließlich am Rand des Marktplatz ein und elegant von den Füßen bevor sie sich auf ihn warf. Das Mädel war geschmeidig wie ein Panther!

Der junge Kerl war anhand der Kleidung eindeutig als Norbarde zu identifizieren, auch der Dialekt als er zu sprechen begann legte das nahe. Melham und Pam fingen sofort mit einer Befragung an, er zeterte, dass sie ihn loslassen sollten. Dann stellte sich auch endlich die Garde unter Hauptmann Mumski vom Tor ein. Wir meldeten den Dieb, der sofort verschnürt wurde. Wippflügler bekam seinen Schleier zurück und war sehr dankbar. Allerdings fragten wir uns, woher der Norbarde das mit dem Schleier wusste, es schien uns nicht wie ein normaler Diebstahl. Vielleicht ein Racheakt wegen der Bienengeschichte? Der Schleier muss weg? Von Muski erfuhren wir, dass eine große Reiche Sippe seit gestern Abend vor den Toren der Stadt lagerte.

Den Plan mit den Pilzen verschoben wir auf morgen. Wippflügler ging zurück auf sein Zimmer, wir suchten nach Nadjescha. Die war beim Wirt im Gastraum und unterhielt sich. Pam erklärte ihr was passiert war, deswegen wollten wir zunächst nach der neuen Sippe sehen. Am Stadttor ließ uns die Grafengarde hinaus. Nicht allzuweit östlich der Straße auf einer großen Wiese standen uns bekannte Wagen. Auf der anderen Seite war das keine Überraschung. Wir wussten ja das die Pschelawods auch in diese Richtung reisten. Aber wir hatten schon alles gesehen was wir wollten. Nur um sicher zu gehen gingen wir noch schnell zu der kleineren Sippe um zu Fragen ob sie jemand vermissen würden, aber so richtig rechnete keiner damit. Wir wurden von einer Frau mit großer Nase namens Lichandra begrüßt. Aber sie vermissen keinen ihrer jungen Männer. Dafür verdächtigten sie nach kurzer Erzählung die „gierigen“ Pschelawods. Trotzdem, schlechte Nachrichten für eine Sippe sind für alle Sippen schlecht, wie sie meinte. Als etwas andersartiger wird man ja allzu schnell über einen Kamm geschoren.

Am Abend kam überraschend der junge Fürst der gestern der Verkaufsstopp verfügt hatte, er musste etwas 30 Götterläufe zählen, in den goldenen Schwan, in fein bestickter Kleidung und in Begleitung der in bornischer Tracht gehüllten Magierin Derja. Wobei ich sagen muss, wie eine Magierin sah sie ja nicht gerade aus. Vielleicht sollte ich bei nächster Gelegenheit Nadjescha darauf ansetzen. Die schien ein untrügliches Gespür dafür zu haben durch ihre Abneigung. Er gesellte sich zu uns an den Tisch, um mit uns zu Abend zu speisen. Den Umgang unter den hiesigen adligen war ich einfach noch nicht gewohnt. Auch er nannte mich einen „lieben Bruder“ und stellte sich noch einmal als Laselgo von Ouvenstamm und Sammler der bornischen Erde vor. Was sollte das denn nun wieder heißen? Es dauerte etwas, bis ich die Erklärung dafür aus seiner Nase gezogen hatte, anscheinend setzte er voraus, dass ich solche Dinge wüsste. Das Erbe würde im Bornland nicht geteilt, es falle nur hin und her. Am Anfang befreiten die Theaterritter das Land von den Goblins. Jeder steckte das Land ab das er bewirtschaften konnten. Manche waren dabei geschickter und hatten deswegen mehr Land als andere und sind nun Fürsten oder Grafen, andere sind eben „nur“ Bronjaren. Und manchmal, wenn man ein geschickter Adliger war, konnte man das eigene Land auch mehren. Als Beispiel stand da die Hochzeit zweiter Adelshäuser im Raum, und jetzt verstand ich es auch. Seine Begleiterin Derja war damit anscheinend nicht einverstanden, und murmelte etwas wie „die Horden der unterdrückten werden immer größer“. Der Wirt, der wohl auf noch mehr hohen Besuch nur bedingt eingestellt war, brachte uns wieder Meskines und mehr Essen, was die Küche im Spätsommer eben so hergab. Dann wollte der Fürst wissen wie es um meine Bronjarschaft stand. Ich erzählte ihm die Geschichte, was ihn recht zu faszinieren schien und dass ich mein Erbe erst vor 10 Monden angetreten hatte. Die Magierin saß verbissen neben ihm am Tisch und sagte quasi nichts. Pam sprach sie auf ihre schlechte Laune an, aber sie wollte nichts dazu sagen, geschweige denn sich an unserem Gespräch beteiligen. Sie trug  die hier üblichen langen Stulpenärmel, man sah nur die Hand, nicht ihr Handgelenke. Aber sie hatte Hände, die das anpacken gewohnt waren, also ganz eine normale Hände, nicht die feingliedrigen und schwachen Finger eines Zauberers. Das war seltsam… ich glaube, das ist wirklich eine Aufgabe für Nadjescha. Als ich ihm von der Lage meines Schlosses erzählte, meinte der Fürst die Totenmoorsümpfehier oben  seien viel schlimmer als die Rotaugensümpfe bei mir unten. Alles in allem ein recht geselliger und angenehmer Abend. Wir würden uns wohl bei der Auktion wiedersehen. Zum Abschied hieb er mir herzhaft auf die Schulter, er mochte mich anscheinend. Diese Geste schien unter den hochgestellten und Adligen hier allgemein als Geste der Zuneigung zu gelten, das würde ich mir merken. Bevor er ging fragte ich noch nach dem Grafen mit der Adelsrolle, ob ich dem irgendetwas schuldig sei wegen der Eintragung. Mit der Heftigkeit seiner Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Ein klares: Nein! Der Graf habe sich das Wappenkönigtum nur gekauft indem er alle besoffen gemacht hatte bei irgendeiner Veranstaltung, dem sei man gar nichts schuldig. Da es schon spät war, ging ich dann zu Bett. Trotzdem, ein Ereignis- und Erkenntisreicher Tag.

Sehr früh klopfte es an meiner Tür, noch vor dem Hahnenschrei. Verschlafen schlurfte ich zur Tür. Wippflügler hörte sich aufgeregt an, als ich ihm öffnete. Ein Raub während er bei offenem Fenster  geschlafen hatte sei in seinem Zimmer geschehen. Der Schleier wäre schon wieder fort! Nachdem ich wach war ging er weiter um die anderen zu wecken. Was sollten wir tun? Nun ja, das Gleiche wie immer wenn uns in letzter Zeit etwas abhandenkam, sei es Mensch oder Ding. Melham. Hund. Spur suchen. Das wurde ja schon fast zur Routine. Bei Wippi im Zimmer standen tatsächlich beide Fensterflügel offen. Unten am Boden vor dem Fenster sucht Melham Spuren, aber waren halt in der Stadt. Die trockene platt getretene Erde wies eher zu viele als zu wenige Spuren auf. Ein Fass stand als vermutliche Aufstiegshilfe an der Wand. Dort ließ er den Hund Freund die Spur und Suche aufnehmen. Auch Pam fing an nach Spuren zu suchen, aber nur der Hund hatte wirklich Erfolg. Wir gingen am Markt entlang Richtung Praios, folgten einer Querstraße und landeten vor einem anderen Wirtshaus, dem „Quassinger“. Ich schickte Pam hinten sichern, während wir vorne hineingingen. Als wir die Stube betraten kam kurz darauf ein dünner Man von hinten der fragte was wir wollten. Dieser Wirt schien deutlich unkooperativer zu sein als der letzte. Freund zog Melham auf die Treppe zu, aber der Wirt stellte sich ihm in den Weg. Wippflügler keifte den Wirt an und Melham wollte, dass ich endlich den Bronjaren richtig heraushängen ließ. Während wir noch mit ihm sprachen verplapperte sich der Wirt, er hatte wohl doch jemand die Treppe hinauf untergebracht. Wir drängten am Wirt vorbei hinauf. Oben kamen wir in einen Schlafsaal an dessen Ende hinten Fenster offen stand. Ich grinste in mich hinein und gratulierte mir zu meiner Voraussicht. Von draußen hörte man sehr leise Pam rufen: „Hab ihn“. Also eilten wir wieder die Treppe hinunter und rum ums Haus. Auf einem jungen Burschen mit braunen Haaren und Hakennase saß Pam die ihn sicher im Schwitzkasten hatte. Nur kleines Täschchen trug er bei sich. Ich war mit sicher ihn schon mal gesehen zu haben bei den Pschelawods. Einer von Raduschkas Verehren, wenn ich nicht völlig falsch lag. Melham schaute in die Tasche und natürlich war da der Schleier drin. Schon der Dritte, der es auf das Stück abgesehen hatte. Melham, dem das ebenfalls seltsam erschien, fragte sogar nach dem Grund des Diebstahls. Aber er sagte nichts dazu. Vielleicht hätten wir ihn ja sogar gehen lassen, wenn er ehrlich gewesen wäre. Aber so brachten wir ihn zur Festung hoch und übergaben ihn mit einer entsprechenden Anklage der Fürstengarde. Ein schwarzhaariger, südländischer Mann kam uns entgegen, verschwand schnell wieder und brachte dann eine große rothaarige Frau mit Schulterklappe zurück. Die Frau ist war wohl die zuständige Weibelin und versprach uns, sich um alles zu kümmern. Ich verwies auf meine Freundschaft zu ihrem Fürsten und Dienstherren, und legte die Angelegenheit vertrauensvoll in ihre sicher fähigen Hände.

Melham, dem ein ungeahnter Geistesblitz zu kommen schien, meinte, Wippflügler solle doch seine Tasche verzaubern, damit niemand sie öffnen und die Sachen klauen könnte. Von der idee agnetan ergänzte ich er solle die Tasche dann auch gleich an sich festzaubern, damit nicht diese dann gestohlen würde. Er fand die Idee offenbar gut und wollte das machen, brauche aber ein wenig Zeit dafür. Aber die Zeit würden wir ihm verschaffen, ich hatte da schon einen Gedanken…

Wir nahmen nur ein kurzes Frühstück im Schwan zu uns und dann Wippi mit zur Künstlerkolonie nach Norden. Das Land wurde merklich feuchter in dieser Gegend. Die „Kolonie“ war ein großes Fachwerkhaus in einer Senke. Wirklich jetzt? Welcher Trottel baute in einer sumpfigen Landschaft ein Haus in einer Senke! Aber gut, nicht mein Problem… Dahinter wurde es noch feuchter und sumpfiger, aber im Sommer schien es noch eine recht freundliche Gegend zu sein. Aber im Herbst bei Regen oder im Frühjahr zur Schneeschmelze wollte ich hier nicht sein. Fredo kam uns aus dem Haus entgegen. Ich sprach mit ihm bezüglich der Herstellung von Farben, das war die Überraschung die ich für Nasja geplant hatte. Ein besonderes Rot für eine besondere Frau. Nach einigem Plaudern und Handeln waren wir uns einig. Ich ließ ihm zwei Granate als Farbgeber und meine Muschelkette als bindende Kalkkomponente (er hatte anscheinend keine Kreide mehr) da und für ein Salär von 5 Batzen würde er mir in 5 Tagen ein besonderes Rot für Nasja fertigen. Dann ließen wir Wippi da. Hier würde ihn sicher niemand suchen oder bestehlen wollen. Jetzt aber auf in den Sumpf! Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich am ehesten erfolgreich bei der Suche nach Pflanzen sein würde, aber ganz im Gegenteil. Ich fand so gut wie nichts, aber Pam fand eine Hand voll Pilze die sie für Schamanenpilze hielt und Melham fand sogar einen ganzen Korb voll mit Pilzen, die sicher den Kopf schweben lassen würden. Zurück sah man Fredo regelrecht an wie gern einige der Pilze erwerben würde, er hätte ja kürzlich Gold bekommen.  Seine Gier stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er wolle von den Pilzen naschen und Pam und Nadjescha als Doppelporträt malen, der Kontrast von Nord und Süd oder so. Aber Pam schien darauf keine Lust zu haben, insbesondere als er wirre Gedanken äußerte wie die Köpfe zu vertauschen. Interessant war aber, dass er meinte im Sumpf die Bienenkaiserin und das verdorrte Land tatsächlich selbst gesehen zu haben. Pilzinduzierter Rausch, oder Wahrheit? Das hätte mich schon interessiert. Ich erinnerte ihn noch einmal an unseren Handel, bevor wir uns auf den Weg zurück machten.

Dann gingen wir mit Wippflügler zurück, der sein Zeug fertig verzaubert hatte wie er meinte. Melham wollte wissen was passiert, wenn man es nun stehlen würde und versuchte sein Glück. Er langte tatsächlich an die Tasche um den Schleier herauszunehmen, aber die Tasche ließ sich nicht mehr aufklappen. Wippflügler meinte, dass sei eine seiner leichtesten Übungen, irgendwas von der Abart eines Schlosszaubers. Die Anwesenheit des Schlosses sei nur eine geistige Repräsentation, wenn man diese durchbräche kann das Schloss auch beliebig Abwesend sein. Warum mussten diese Magier immer so wirr daher faseln? Pam schnappte sich die Tasche, aber die schien tatsächlich am Magus zu kleben. Diesmal ließ ich mir keine Erklärung geben, das würde eh zu nichts führen. NAdjescha war immer noch fort, ich hatte keine Ahnung wohin sie gegangen war, aber sie würde schon zurück kommen. Dann legten wir uns im Schwan wieder zur Ruhe. Wann wohl der Graf von Norburg kommen würde damit die Auktion stattfinden konnte? Aber für mich eigentlich egal, die fünf Tage bis zur Fertigstellung der Farbe würde ich ja sowieso sicher noch hier in der Stadt bleiben. Und um die Pschelawods würde ich mich auch noch kümmern müssen… so konnte das nicht weitergehen. Das war eindeutig zu stressig, solange wir als Wächter für Wippflügler zuständig waren.

Beim Frühstück setzte ich Nadjescha auf Derja Najadneff an, die verkleidete Zauberin. Sie meinte, sie würde sich einmal erkundigen, aber ich hatte da vollstes Vertrauen in Nadjeschas Talent. Augenblicke später kam die halbelfische Malerin leicht panisch in den Gastraum und meinte, jemand wollte sie nach dem Frühstück berauben. In ihrem Zimmer war ein junger Bursche und hätte ihre Sachen und das Bett durchwühlt. Sie schlief derzeit in einem Haus bei der Galerie und der Einbrecher sei aus dem Fenster geflüchtet, als sie ins Schlafzimmer gesehen hatte. Die Beute war mehr als kläglich, der Kerl war mit einem Bettlaken geflohen, sonst fehlte nichts, aber der Verdacht war natürlich direkt wieder bei den Pschelawods. Sie erzählte noch, dass sie die Suhle verlassen wolle, wenn sie genug Gold zusammen habe, vielleicht mit einem großen Betrag von Graf Tsadan für die Nivesin, aber das war nicht mein Problem. Wir folgten ihr, um Spuren zu suchen, aber eigentlich hätten wir auch direkt zur Wagenburg gehen können denke ich. Freund durfte an der Elfe schnüffeln um den Geruch aufzunehmen. Ich sah Melham den Neid an, am liebsten hätte er wohl das gleiche getan. Neben der Galerie gehörte das Nachbarhaus einer älteren Dame, bei der sich die Künstlerin ein Zimmer hinten raus im Erdgeschoss genommen hatte. Freund nahm wie immer zuverlässig die Fährte auf und führte uns zurück. Kaum hatten wir uns auf den Weg gemacht, kam uns ein jugendlicher Bursche entgegen, der auch in der Galerie gewesen war, Mika von Hintersjepensgurken. Er trug einen an einer Stelle aufgebrochenen Holzkäfig dabei und murmelte verzweifelt „Wo sind meine Gänse?“ Er war wohl  von einem rennenden Kerl mit wehendem weißem Umhang über den Haufen gerannt worden. Die  Richtung die er uns wies stimmte mit der überein in die Freund zog. Der arme Bursche wollte wohl irgendein Heiligenbild, am besten Peraine, kaufen, hatte aber mit den Gänsen sein Kapital erst einmal verloren. Die Spur führte uns zum Traviatempel. Beim Tempel liefen, wenig verwunderlich, viele gut genährte Gänse herum, weswegen Freund etwas zappelig und abgelenkt war.

Wir betraten den kleinen, aber schön geschmückten und bemalten Tempel. Er war gut besucht. Ein etwas beleibter Priester in Rot-Orangener Kleidung mit Halbglatze stand bei einigen Gläubigen. Melham, der wohl wenig Gespür für solche situationen besaß, plärrte in den Tempelraum „Ist hier jemand mit Bettlaken durchgerannt?“. Zumindest erweckte er auf jeden Fall Aufmerksamkeit.  Aber der Priester verbat sich die Unterstellung, dass unter seinen Schäfchen ein Dieb sei. Wir sollten nur ruhig sein, durften uns in dem schummrigen Tempelraum mit dem warm-orangenem Licht aber umsehen. Jenora beschrieb uns den Mann. Schwarze Haare, Schnauzbart und bunte Kleidung, vermutlich Norbardisch. Pamsheyu zeigte uns weitere Türen, die aus dem Raum führten. Wir verteilten uns an den Türen, damit niemand flüchten konnte, während Pam mit Jenora durch den Raum ging, um sich umzusehen. Die Eingangstür war unbesetzt, aber von uns allen gut einsehbar. Sorgen machte ich mir nicht, ich hatte ja schon mehrfach gesehen wie schnell Pam war, wenn es darum ging flüchtende zu verfolgen. Aus einer dunklen Nische rannte unvermittelt eine bunt gekleidete Gestalt Richtung Ausgang, aber Pam flitzte geistesgegenwärtig hinterher, ihre Bewegungen verschwammen regelrecht vor unseren Augen und sie holte den Burschen kurz vor der Tür ein. Nachdem sie ihn geschnappt hatte schimpfte sie schnatternd wie eine der Tempelgänse den Norbarden, der nach dem heiligen Väterchen rief. Der Priester verbat sich natürlich Gewalt im Haus der Herrin Travia, aber wir hatten ja auch gar nicht vor Gewalt anzuwenden.

 

Ich fragte den Mann, warum er das Bettlaken geklaut hatte, aber die Antwort konnte ich mir ja schon denken. Um ihn zum Reden zu bringen spann Nadjeascha irgendwas zusammen von einem Mordversuch um ihm Angst zu machen, dass mich aber mehr verwirrte und Melham verärgerte unterdessen den Priester, indem er Freund noch im Tempel auf den Dieb hetzte. Wir gingen dann doch lieber hinaus, auch wenn draußen schon einige Gaffer warteten. Der Tumult war nicht unbemerkt geblieben. Zwei Querstraßen weiter Richtung Mauer gingen wir auf eine kleine Wiese. Der Kerl war verstockt und wollte nichts sagen, aber immerhin hatte Jenora ihr Bettlaken wieder. Der Dieb war anscheinend überrascht, dass es tatsächlich nur ein Bettlaken war, er hatte sich wohl etwas anderes erwartet und redete nur von einem Tuch. Nadjescha wollte wissen, ob der Kerl magisch oder verzaubert sei, aber ich konnte das ziemlich sicher ausschließen. Woher sein Auftrag kam war aus dem verstockten Kerl auch nicht heraus zu bringen. Die Mume Irmja verneinte er ebenso wie die Alte Druga und Raduschka, auch wenn er dabei sicher irgendwo log. Wir brachten ihn dann raus zu seiner Sippe, ihn wegen eines Bettlakens in den Kerker werfen zu lassen kam mir dann doch etwas lächerlich vor. Nur Melham eilte flinken Fußes zurück, weil er ein mögliches Ablenkungsmanöver vermutete, dass uns von Wippflügler fort locken sollte.

Am Tor hatte gerade wieder Hauptmann Mumski dienst mit einer hübschen Gardistin und einem dümmlich aussehenden Kerl. Wir erfuhren dass der Norbarde hat sich wohl in die Stadt gemogelt hatte, indem er Angab ein Heiligenbildchen kaufen zu wollen. Bei der Wagenburg  wurden wir schon erwartet und eine Art Spalier führte uns zum Topf in der Mitte. Irmja und Raduschka erwarteten uns. Pam ergriff als erste das Wort und maulte die beiden an, das sie den Mist endlich lassen sollten. Der Kerl hieß anscheinend Deroschek und Irmja guckt etwas iritiert, aber Raudschka wollte das wir ihr folgen. Während Pam Irmja weiter schimpfte, sah ich ein mir von Vorgestern wohlbekanntes  Gesicht mit Hakennase, das wir beim Schuldturm abgegeben hatten. Holla, wie kam der Bursche da so schnell raus? Raduschka erwartete uns an ihrem Wagen. Das wir ihn zurück brachten wäre sehr nett, obwohl er gestohlen hatte. Sie wollte wissen, was Wippflügler uns für den Schutz des Schleiers zahlte und machte uns ein Gegenangebot. Nicht in Gold, aber in Bernstein und Ilmenkraut. Aber rausrücken, wofür sie den Schleier  haben wollte tat sie nicht.  Die Beschaffung des Tuchs wäre ein großer Gefallen für die Sippe und sie brauche das Tuch bis spätestens morgen Mittag. Dann schmierte sie mir Honig ums Maul, ich sei ein geschickter und kluger Mann und könnte schon irgendwie ran kommen. Da widerspreche ich nicht, denn es stimmt ja, aber Pam war strikt dagegen. Dafür bot Nadjescha  sich als Vermittlerin für ein Verkauf an. Raduschka verfiel zu ihr ins Norbardische und bot ihr auch eine Belohnung dafür an. Der Bernstein schien Nadjescha schon zu reizen. Die Norbardin wäre sogar bereit 100 bis 150 Batzen für den Schleier zu zahlen. Aber nun hatten wir zumindest eine Grundlage für eine friedliche Einigung. Ich riet ihr noch, ihre Jungs und Mädels am Zügel halten, bevor sich einer noch ernsthaft wehtun würde.

An Jenora gewandt fragte ich, wieso sie eigentlich die anderen Künstler auszahlen wollte? Sie meinte, sie wolle nach Süden um sich weiterzuentwickeln aber den anderen beiden Geld da lassen, damit sie einige Zeit über die Runden kämen. Die Anderen hätten nicht ihr Format und ihre Ausstrahlung. Da Widersprach ich insgeheim, Nasja war mir da irgendwie lieber… aber von Kunst verstand ich ja wenig. Sie erzählte auch, das Fredo Wahrträume hatte, sogar gar nicht so wenige, aber das bezweifelte ich. Ob die gute Frau einen echten Wahrtraum von einem Drogenrausch unterscheiden konnte war doch zu bezweifeln. Beim Weg zurück lud ich Mumski auf ein Bier auf mein Wohl in den Schwan ein. Mit den wachen sollte man sich immer gut stellen. Zurück am Markt kam uns aus einem Fenster im ersten Stock des Schwans eine glimmende Schublade entgegengeflogen. Es herrschte Krach und Lärm dort oben, das Zimmer von Wippflügler, wenn ich mich nicht täuschte, und ich seufzte innerlich. Pam rannte sofort los uns kletterte flink wie ein Moosaffe zum Fenster rauf. Als sie oben  war quietschte sie auf und kam panisch wieder runter. Da oben seien Geister, schnatterte sie, ich solle schnell kommen. Ich rannte ins Gasthaus und die Treppe hoch. Pam sollte das Fenster weiter sichern. Nadjescha wollte wie Pam das Fenster nehmen und kletterte an der Fasade hoch. Im Zimmer glomm die Einrichtung. Wippflügler, der sich mittlerweile anscheinend aufs Boxen verlegt hatte Stand Derja gegenüber, die aus 4 Schemen zu bestehen schien. Der Raum war verwüstet. Ein Tisch tanzte herum. Der Magierstab von Wippflügler hieb auf einen der Schemen und traf dabei anstatt die Zauberin eine Topfpflanze. Hier war einiges an astraler Kraft im Spiel. Es manifestierten sich mehrere Mindergeister vor lauter roher Energie. Der Duplikatus erlosch bald, aber auch Wippflügler war vor Erschöpfung halb ohnmächtig. Beide hatten sich anscheinend verausgabt. Derja schien ebenfalls einen, wenn auch sehr kurzen, Magierstab an ihrem Ledergewand zu haben. Nadjescha, der das eine sichtliche Befriedigung verschaffte, nahm ihren Wanderstab und schlug energisch auf Derja ein, die davon endgültig bewusstlos wurde. Von außen hörte man Melham keifen „Hau der dreckigen Hexe eine drüber“, dem Nadjescha anscheinend nur zu gern noch einmal nachkam.

Wir fingen an die glimmenden Stellen im Zimmer mit einer Bettdecke zu löschen. Die Mindergeister tanzten zu mir und wuschelten mir durchs Haar. Ich scheuchte sie weg, sie gingen kurz zu Nadjescha rüber, kamen aber schnell zurück zu mir. Der Wind war nur lästig, aber der Feuergeist störte schon etwas. Kurze Zeit später kam der Wirt aus der Gaststube hoch und fing an hysterisch zu schreien und die Bewusstlosen zu beschimpfen. Ich lief derweil in mein Zimmer zum Waschbecken, der Feuergeist „hing“ an mir und es wurde langsam warm. Der Windige flog wieder zu Nadjescha, folgte mir dann aber doch. Ich fing an den Feuergeist mit Wasser zu bespritzen, aber das schien ihn nicht weiter zu beieindrucken, deswegen „löschte“ ich ihn mit einem wässrigen und stark übertriebenen Zorn der Elemente. Das hatte gesessen. Dann ging ich wieder in Wippflüglers Zimmer.

Der Luftgeist flitzte weiter zwischen uns herum, ärgert aber meistens nur mich. Wippflügler jammerte, er brauche Wasser und klagte dann: „Das Weib kam rein, fing an Fragen zu stellen, wegen der Aufregung und was mir gestohlen werden sollte. Ein Wort gab dann das andere. Es muss mir wohl versehentlich gegen diese impertinente Person ein Fulminictus rausgerutscht sein. Nun ja, der  Feuerdjinn war wohl etwas viel. Aber ich habe es ja auch alles wieder gelöscht. Aber sie, mit einem Ignisphaero… wir standen ja beide schon unter einer Schutzkuppel.“ Ich schüttelte den Kopf. Diese beiden Wirrköpfe hätte fast das Gasthaus abgefackelt, wegen eines kleinen Streits. Vor der Tür war mit einem mal Gedränge. Anscheinend hatten die Leute mitbekommen, dass die Gefahr vorbei war.  Der Fürst stand mit 6 Mann seiner Garde da, aber auch Hauptmann Mumski mit 2 Mann gräflicher Truppe hatten sich eingefunden. Der Fürst verlangte das Derjas Fesseln gelöst würden und wandt sich sehr höflich an Wippflüger. Der schien auch nicht gerade nachtragend zu sein, und erklärte nur, sie seien irgendwie in Streit geraten. Der Fürst zog sich mit seinem Gefolge zurück. Zu uns meinte Wippflügler, Derja wüsste von dem Schleier. Aber was sollte das Ganze? Ich ging mit Melham und Wippflügler runter in den Gastraum und den Schreck herunterzuspülen. Die anderen kamen deutlich später nach, sie waren spazieren gegangen und bei den netten Norbarden gewesen, lautete die Auskunft. Aber ich hatte das Gefühl, das war nicht alles. Nadjescha war auf einmal erstaunlich freundlich zu Wippflügler, fand schöne Worte und unterbreitete Raduschkas Angebot. Es war nicht ganz einfach, ihn zu überreden den Schleier nicht direkt den Künstlern im Tausch gegen die nackte Nivesin zu geben, um sie vor Ungeziefer zu schützen. Er meinte, sie sollten unbedingt zurück in die erste Schaffensphase kehren. Aber Pam meinte, die Künstler hätten dann ja auch nur Ärger, wenn sie den Schleier hätten und Nadjescha redete weiter mit Alveranierszungen auf ihn ein. Es sah den Schleier zwar als die Summe seines Schaffens aus dem Süden, aber Nadjescha schmeichelte ihm, er könne doch sicher einfach noch einmal erneut einen solchen Schleier schaffen. Wippflüger war letztendlich  durchaus bereit sich das Angebot anzuhören: 110 Batzen waren ihm allerdings zu wenig. Und vorher wollte er noch mit Jenora und Fredo reden, es sich aber zumindest durch den Kopf gehen lassen. Als er aber ein neues Zimmer wollte, verwies der Wirt ihn stattdessen des Hauses und verlangte auch noch 50 Batzen als Schadensersatz für die angerichtete Zerstörung. Notgedrungen zogen wir ins einzige andere Gasthaus um das wie kannten, zu Etzel. Melham wollte die Gelegenheit nutzen und gleich noch den Preis für den Schutz bei Wippflügler hochtreiben. Mir warf er vor, als ich seine kleine Scharade nicht mitspielte, ich verstehe das Geschäft nicht… dabei war er es der nicht verstand, das mir Gold und Geld eigentlich herzlich egal waren!

Etzel verfügte über 2 Doppelzimmer ein Einzelzimmer und einen Schlafsaal. Wippflügler ging in ein Doppelzimmer, Nadjescha und Pam ebenso, so dass ich das Einzelzimmer beziehen musste. Die Jungs mussten dann wohl in den Schlafsaal. Nadjeascha und Pam zogen nochmal los, ich ruhte mich aus. Der Zorn der Elemente war doch etwas anstrengend gewesen, aber das würde sich mit einer ordentlichen Mütze voll Schlaf erledigen. Wippflügler ging nach dem zweiten Bier auch recht zügig ins Bett. Die Beiden Mädels kamen am späten Nachmittag wieder und erzählten etwas davon Jungs verprügelt zu haben, die ein Norbardenmädchen belästigt hatten. Pam war schon ein recht streitlustiges Weibsbild. Wir machten uns noch einen lustigen Abend mit Bier im Schankraum und Pam und Melham gaben sich noch Pilze zum Bier… mit den beiden war bald nicht mehr viel anzufangen.

Die Nacht verlief ruhig. Als ich früh nach Wippflügler sehen wollte hörte ich nur ruhiges Schnarchen, die Tür war zu. Beim späten Frühstück fragte Nadjescha nochmal bei Wippflügler nach wegen dem Verkauf des Schleiers. Er wollte deswegen zu Jenora gehen, aber bevor wir losgehen konnten klopfte es. Es war eine junge Norbardin die sich mir als Lechandra Gotowitsch vorstellte. Pam und Nadjescha kannten sie von gestern. Sie war in Begleitung von Malichjia, der Zibilja der „netten“ Norbarden, wie Pam sie nannte und wollte uns um einen Gefallen bitten. Malichija sagte etwas blumig: „Der Schleier würde das Bild, das Gleichgewicht, die Summe der Töne, der Farben stören. Er soll nicht an die Pschelawods wechseln. Lechandra hatte gestern ein Buch dabei, in dem unsere Geschichte aufgeschrieben ist. Die Wache hat das Buch behalten und ich will erneut um Herausgabe bitten. Könnt ihr uns bitte begleiten?“ Auf Norbardisch ergänzte sie, so dass es nicht alle verstanden: „Die Pschelawods sind gierig. Sie wollen mehr von den Bienen nehmen, als sie sollen.“ Als ich fragte, was heute um 12 sei meinte sie, sie sind schon gierig geworden… Aber was konnte man wohl von den Bienen nehmen? Es war wohl nur Honig. Aber Malijia meinte, wer nehmen kann ohne gestochen zu werden nimmt mehr als gut sei, der gefährde die Bienen. Raduschka sei zu jung und unerfahren, sie wolle immer mehr als sie bekommen soll. Aber wenn die Bienen sterben, stirbt alles, das Land. Die Gier soll unterbunden werden, deswegen dürften wir den Schleier nicht verkaufen. Das hatten wir eigentlich so eine schöne Lösung, und nun das. Konnte nicht einmal etwas einfach sein?

Wir gingen, nachdem Wippflügler fertig  gefrühstückt hatte, zur Festung. Links bei der roten Fürstengarde empfing uns die rothaarige Weibelin Walk im Torhaus. Sie war in Begleitung eines Südlanders, der sofort anfing Nadjscha schwülstig anzusabbeln aber von der Hauptfrau schnell ruhig gestellt wurde. Nadjescha übernahm das Reden. Wir hätten gern das Buch zurück,  aber sie konnte es uns nicht zurückgeben, da es vom Fürst beschlagnahmt worden war um es auf „konspirativen Inhalt“ zu überprüfen. Sie meinte, das würde wohl Derja lesen, die sei die einzige die das Lesen könne. Ihr bedauern nicht für uns tun zu können schien aufrichtig, aber sie wusste auch nicht, ob das Buch noch in der Festung war oder schon woanders. Nun ja, wenn der Krümel nicht hilft, muss man eben zum Kuchen gehen, daher fragte ich nach einer Audienz beim Fürsten und die Weibelin schickte einen Boten los.

Wir warteten auf die Rückkehr des Boten und der Südländer kam recht zügig zurück. Der Fürst würde „seinen Bruder“, also mich, an die Anrede musste ich mich noch gewöhnen, zum Mittag zum Essen empfangen. Ich nahm die Einladung an und der Bote musste schon wieder laufen. Wir gingen zunächst zurück zu Etzel. Kurz vor Mittag kam ein Norbarde von den Pschelawods, verbeugte sich vor Nadjeascha und fragte nach dem Erfolg des Handels. Aber sie musste ihm leider mitteilen, dass das Angebot nicht gut genug war. Erstaunlich, wie echt sie das bedauern spielen konnte. Nadjescha sollte bitte mit kommen und Raduschka das selbst mitteilen, der Bote hatte sichtlich Bammel, aber darauf hatte Nadjescha wiederum keine Lust. Ich holte Wippflügler zum Mittagessen ab, der anscheinend grade etwas misstrauisch war wenn man bei ihm klopfte. Ich sagte ihm aber nicht wohin wir gingen. Er warf sich schnell in Schale, also in eine graue Robe, und dann zogen wir als kleine Kolone durch die Stadt bis zur Residenz des Fürsten Waselgo von Ouvenstam. Dies war ein bunt bemaltes Haus mit Eidechsen und Regenbögen bei der Burg. Ich war erstaunt, der Fürst wohnte im ehemaligen Tsa-Tempel!

Wir wurden direkt empfangen. Die Weibelin Walk hatte sich in eine schicke Ausgehuniform geworfen und erwartete uns bereits. Sie bat uns in den ehemaligen Andachtsraum wo eine große Tafel aufgebaut war. In Erwartung, dass ich mit meiner Begleitung kommen würde war tatsächlich für 6 Personen eingedeckt, der Fürst wurde nur von der Weibelin begleitet. Derja war leider nicht anwesend. Ich fragte Fürst Vlaselgo, ob ihm grade nicht seine Magierin fehlte, wo ich  meinen doch extra mitgebracht hatte, aber das verneinte er. Dafür befragte er Wippi direkt nach dem gestrigen Zwist. Es ging um seine persönlichen Gegenstände, genauer wollte der alte Mann aber nicht werden. Nadjescha hakte da ein und brachte das verschwundene Buch ins Spiel – ein Geschichtsbuch der Norbarden. Der Fürst versprach sich nach dem Essen darum zu kümmern, mehr konnten wir auch schlecht verlangen. Ich fragte ob er vom Grafen von Norburg etwas gehört hatte, das Warten wurde mir langsam lang. Der Graf wurde heute oder morgen erwartet, ein Ende war also absehbar. Dann würden aber noch ein oder zwei Tage zur Vorbereitung der Versteigerung benötigt. Das Essen begann mit dem üblichen Glas Meskines, wir adligen tranken gemeinsam aus einem Silberpokal, der Rest bekam jeder einen einfachen Becher. Pam hatte wohl eine Abneigung dagegen entwickelt, sie wollte lieber Tee… Dann gab es die obligatorische Grütze mit Salz, bevor das eigentliche Tafeln begann. Bärenschinken in Honig flambiert, dann gesottene Kartoffeln, Rübeneintopf und Wildbrett. Insgesamt tische uns der Graf 8 Gänge auf, weswegen sich das Essen recht in die Länge zog. Aber das machte mir wenig, da der Fürst eine recht angenehme Gesellschaft war. Ich trank mit ihm zum Essen ein paar Gläser Wein. Es war schon Nachmittag als wir gegen die dritte Stunde herauskomplementiert wurden, aber das war kein Schaden. Ich hätte auch keinen Bissen mehr hinuntergebracht. Ich sagte Vlaselgo, Derja könne das Buch gern bei Etzel für uns abgeben, wir würden auf sie warten. Beim Abschied lud er mich ein, jederzeit gerne wieder zu kommen. Der Umgang unter den Adligen war insgesamt schon recht freundschaftlich, fand ich. Warum meckerten alle immer nur so über die hohen Herrschaften?

Der Nachmittag verging ruhig. Ich tat nichts außer den vollgefressenen Ranzen zu pflegen. Pam ging mal wieder spazieren, Melham und Jucho folgten ihr später, sie schienen ein Freudenhaus gefunden zu haben und wollten wohl vorab schon einmal ihren Lohn verprassen. Wippflügler gab einige Schwänke seiner Reisen in den Süden zum Besten, absentierte sich aber irgendwann zum Schlafen. Als ich mir Freund schnappte und vors Haus zog um ihn als Wachhund vor Wippflüglers Zimmer fest zu binden stellte ich erstaunt fest: Der Hund stinkt NICHT! Das gab mir etwas zu denken… „Sitz und Wache halten. Und wenn einer durchs Fenster klettert laut geben“, befahl ich dem Tier, war mir aber nicht sicher ob er verstanden hatte. Kaum zurück im Gastraum hörte ich schon Gebell und rannte elig zurück. Aber das dumme Vieh bellte einfach so rum, weswegen ich ihm den Auftrag nochmal erklärte. Das wiederholte sich mehrmals, aber irgendwann hörte man nur noch Gewinsel. Ich hielt  innen Wache und schlief einfach bei offener Tür, ich habe ja einen leichten Schlaf. Ab und an hörte ich den Hund bellen und winseln, aber nicht auf beunruhigende Art und Weise.

Gegen Mitternacht gab es etwas Unruhe, weil zwei gestalten Etzel kamen und Freund freudiges bellen von sich gab. Gut, die beiden Puffbrüder waren wohl wieder da. Sie hämmerten an die Tür der Gaststube und irgendwer machte auf. Später klopfte es bei mir, ich solle dringend zu Wippflügler kommen, aber der schickte mich wieder weg. Das war wohl Melhams Retoure, weil ich seinen Hund ausgeliehen hatte. Aber den würde ich schon ruhig stellen. Ich ging runter in Gastraum, umrundete ihn und sprach dabei einen Band und Fessel, bevor ich wieder zurück ins Bett ging. Im Gastraum schienen die beiden irgendwie weiter zu feiern, Jucho hörte man zwischendrin jubeln. Er hatte wohl den Alkohol gefunden obwohl der Wirt schon schlief. Dann schien er etwas mit Melham zu diskutieren. Zum Schlafen würde ich nicht so recht kommen. Dann hörte ich ein schaben auf dem Dach gefolgt von einem leises Knirschen und Krachen. Ich erhob mich und klopfte zunächst dezent, dann etwas lauter am Damenzimmer. Als ich Pam mitteilte. Ich vermutete es klettert wer übers Haus ging sie direkt zum Fenster und verschwand in der Dunkelheit. Ich eilte an Melham und Jucho vorbei, wobei ich rief sie sollten mitkommen. Allerdings geland das nur Jucho, Melham hatte Angstschweiß auf der Stirn und war unfähig, den Bannkreis zu verlassen. Schwach im Geiste, wie ich vermutet hatte. Wir gingen unter den Dachüberhang um den Unhold abzufangen, wenn Pam ihn vom Dach werfen sollte.

Draußen war es relativ hell, da es auf die volle Mada zuging und kaum eine Wolke am Himmel stand. Auf dem Dach war etwas Gerangel zu hören und ein überraschter Ruf erklang. Kurz darauf folgte ein schmerzerfüllter Schrei von Pam, dann lautes gepolter und Pam rief: „Achtung es kommt was“. Ich kommandierte: „Los Jucho, Fass!“ der sich umgehend auf die Person warf, die da vom Dach fiel. Das war ja einfach… Pam sollte Nadjescha zur Befragung holen und wir brachten den Kerl in den Gastraum. Im Licht der Kerzen sahen wir einen jüngeren Norbarden von den Pschelawods, wie es zu erwarten gewesen war. Er schien sich beim Sturz verletzt zu haben, sein linker Arm hing herunter. Dabei hatte er eine größere Tasche mit Stemmeisen, Bohrer, schmaler Säge und einer langen Schnur mit Haken dran. Nadjescha nahm sich das Brecheisen und schlug ihm damit auf die verdrehte Schulter. Das tat schon beim Zusehen weh! Dann schimpfte sie los. „Warum hört ihr nicht auf mit diesem Blödsinn“ und so ging es noch etwas weiter. Von dem Lärm geweckt kam Etzel mit müden Augen von hinten herbeigeschlurft. Da der Norbarde leugnete das Dach kaputt gemacht zu haben, schlug Nadjescha nochmal zu und ich schubste den Norbarden zu Melham. Der nahm das Brecheisen an sich das Nadjescha nun nicht mehr wollte, und lies es in seinem Rucksack verschwunden. Dafür renkte er ihm die Schulter wieder ein. Es knackte und der junge Kerl schrie wie ein Mädchen. Jucho sackte unverdrossen das restliche Werkzeug ein. Dann wurde der Kerl nackt und gefesselt vor die Tür gesetzt. Ich ging wieder ins Bett, vielmehr würden wir jetzt nicht mehr erfahren. Dafür hörte ich später nochmal ein Rumpeln, offenbar hatte Melham es endlich geschafft den Bannkreis zu verlassen.

Zum nächsten Frühstück war Wippi recht entspannt und ausgeschlafen. Er war besonders Pam, an der er irgendwie einen Narren gefressen hatte,  dankbar dafür, den Dieb vom Dach geholt zu haben. Wir gingen nochmal zur Weibelin um nach dem Buch zu fragen. Auf dem Weg trafen wie Lejandra und Malichija die das gleiche Vorhaben hatten und recht nervös wirkten. Am Markt war zur zehnten Stunde schon reger Betrieb. Auf einem Obststand standen zwei Gardisten in blauer Kleidung mit rotem Eber auf silbernem Grund. Die schwarzhaarige Frau gab den Ausrufer: Es gäbe Unruhestifter in den Reihen der Bürger, aber der Fürst würde die Bürger beschützen. Darum war es ab sofort den Norbarden verboten durch die Stadt zu ziehen und ihr Aufenthalt wurde auf ihre Wagenburg beschränkt. In der Nacht habe man einen nackten Norbarden aufgegriffen und wegen seiner schlimmen Flausen bleibe daher der Norbarde im Allgemeinen erst einmal mal draußen.  Rufe der zuhörenden Bürger erklangen die bekundeten, dass die Norbarden eh alle Sittenstrolche seien. Allgemein spürte man eine starke Anti-Norbarden-Stimmung die sich aufheizt. Lejandra und Malichija machten sich neben uns klein, und gingen gedrückt zurück zu ihren Wagen. Von der Festung kam uns die Weibelin mit Männern entgegen, wohl um am Markt für Ruhe zu sorgen. Bei der Unterhaltung mit ihr erfuhren wir, dass sich beim Norbarden-Erlass der Graf und Fürst auf einmal ungewöhnlich einig gewesen waren. Aber die Weibelin wollte die Magierin Derja auch nicht wegen des Buches stören, da sie wohl mit Aufgaben im Fürstenpalast betraut war und recht schnell unleidig werden konnte.

Also spazierten wir weiter zum Fürstenpalast. Tür war zu, ich klopfte höflich. Eine Magd öffnete uns, durfte Derja aber ebenfalls nicht stören. Aber wir dürfen, befand ich… und ließ uns zu Derjas Kammer führen. Die Magd wagte mir gegenüber keine Widerworte und zog sich dann schnell zurück, damit kein Unmut auf sie fallen konnte. Auf mein erneutes Klopfen öffnete Derja nach einigem gezicke die Tür. Ich fragte sehr freundlich nach dem Buch aber sie wollte es nicht herausgeben. Es sei immerhin  wegen hochkonspirativem Inhalt beschlagnahmt. Was für ein Unfug, dachte ich! Sie sei gerade dabei es darauf zu untersuchen und würde wohl noch 2 Tage des Lesens benötigen. Da die Norbarden bisher nicht offiziell unter meinem Schutz stünden, was die Sachlage verändert hätte, könne sie als Beauftragte des Fürsten hier rechtmäßig handeln. Sie verzichtet aber auf die Hilfe von Wippflügler, die wir anboten um die Sache zu beschleunigen. Einen Zwist mit ihr, und damit mit dem Fürsten wollte ich tunlichst vermeiden, deswegen verabschiedete ich mich freundlich von Derja. Dann eben anders… Ich fragte Nadjescha auf dem Rückweg, was hochkonspirative Inhalte eigentlich sein sollten, das Wort war mir nicht mal geläufig. Sie meinte sowas wie Landesverrat, aber da es eh nur ein Vorwand war würde sie das Buch eh nicht hergeben. Ich meinte von Pam so etwas wie „ Dann holen wir es eben heute Nacht“ zu hören. Und genau das war es auch, was ich im Sinn gehabt hatte. Also würde sich Streit mit Derja eh nicht lohnen.

Die Wagenburg der Gotowitschs stand immer noch innerhalb der Stadtmauern, aber  jetzt Eng und sicher, regelrecht verrammelt, da. Einige Bewohner von Ouvenmaß standen murrend mit Fackeln und Forken außen herum und hielten sich anscheinend für eine Art Wache oder Bürgerwehr. Wir taten so als würden wir sie ablösen, und schickten sie einen Quassetz trinken. Sie drückten uns 3 Fackeln in die Hände, reichlich überflüssig am helllichten Tag. Aber egal, kurz danach wurden wir in die Wagenburg eingelassen. Lechandra empfing uns mit der Mume Kalaika und der alten Malichja. Sie würden gerne die Stadt verlassen, aber so wie die Lage war, waren sie quasi in ihrer Wagenburg gefangen. Wir sollten Grafen Jasew gehen, damit die Garde sie aus der Stadt eskortierte. Dazu müssten wir aber nach Ouvenstamm, einer Burg außerhalb der Stadt Stadt gen Osten. Über die Nachricht, dass das Buch weiter bei der Magierin Derja lag waren sie ebenfalls nicht froh, aber Pam sagte ihnen,  sie würde es heute Nacht holen. Malichija gab mir einen kleinen Lederbeutel für den Grafen mit, um die Sippe auszulösen, ihre letzten Reserven. Nun, wollen doch m al sehen, ob man das nicht auch ohne Gold würde regeln können. Da die Gotowitschs sowohl sehr freundlich als auch anscheinend ehrlich waren und offensichtlich schon genug andere Probleme hatten lud ich auch diese Sippe über den Winter zu mir aufs Schloss ein. Malijia war ziemlich überrascht das ich der Erbe von Strobanoff war. Sie kannte ihn wohl und war mit ihm im Süden gewesen. Noch ein Grund das ich mich freuen würde, sie über den Winter da zu haben.  Ich wollte unbedingt die Geschichten seiner und ihrer Reisen hören! Ich wusste ja quasi nichts über meinen Ahnherren.

Als Torwache war derzeit die Grafengarde eingeteilt, aber kein Mumski weit und breit. Vor der Stadt stand nach wie vor die große Wagenburg der Pschelawod. Noch in Sichtweite der Stadt gen Osten zweigte ein kleinerer Weg nach Norden ab. Wir waren etwa 1,5 Stunden unterwegs. Ouvenstam war eine steinerne Trutzburg in sumpfigen Gebiet mitten in einem kleinen See gelegen. Verteidigungstechnisch wohl ziemlich günstig. Die Zugbrücke war unten, so dass wir einfach hin gehen konnten. Die Wache zweifelte zwar an meinem Wort, ich hatte heute gewöhnliche Kleider an, aber letztendlich wurden wir dann doch vorgelassen. Durch die überraschend Große Burg wurden wir zum Palas gebracht. Im ersten Stock lag der große Saal mit Kamin und einer sehr langer Tafel. Der Graf saß an dessen Ende, erhob sich und lächelt mir entgegen. Zunächst wetterte er wieder gegen den Fürsten und wir ließen ihn gewähren. Da wir ein Anliegen hatten, sollten wir uns keine Unhöflichkeit erlauben. Als wir auf die aktuelle Lage zu sprechen kamen schaltete sich wieder Nadjescha ein. Wirklich, das Mädel hat ein Händchen für solche Sachen und weiß genau, an welchen Fäden sie bei den Leute zupfen muss! Sie appellierte nicht nur an sein Verständnis, sondern brachte ihn auf den Gedanken, dass Bürger die um die Wagenburg herumstehen kein Geld und damit keine Steuern verdienen würden. Nach kurzem Überlegen sah der Graf das genauso, die Norbarden müssen raus aus der Stadt. Bis zum Rückmarsch lud er uns zu einem kleinen Trunk ein. Ich erhielt Meskines, die anderen Tee. Sein Adjutant, ein junger Bursche namens Firutin von Quelldunkel-Walserwacht und zukünftiger Erbe eines Gutes am Walsach, sollte uns zu Mumski begleiten. Der solle meine Pläne „in jeglicher Hinsicht unterstützen“, wie der Auftrag formuliert wurde.

Beim Hinausgehen klopfte ich Nadjescha anerkennend auf die Schulter und lobte sie für ihr Einfühlungsvermögen. Auf dem Weg aus der Burg hinaus sah ich im Burghof eine Gestalt um die Ecke des Palas verschwinden. Eine junge, hübsche Norbardin, die verdächtig nach Raduschka aussah. Was tat die wohl hier auf der Burg? Nadjescha eilte ihr geschwind hinterher, während ich mit Firutin weiter ging. Hätte ich mich jetzt in eiligem Trab ums Eck verabschiedet, wäre das doch zu auffällig gewesen. Aber meine „Dienerin“, das war dem jungen Adligen völlig egal. Darauf angesprochen wusste er aber auch nicht, was sie hier tat. Während wir langsam weitergingen unterhielten wir uns etwas und ich fragte, wie „unseresgleichen“ (das gefiehl ihm sehr), mit Dieben die einen Bronjaren auf dem Boden einer fremden Herrschaft beklauten, wohl umgingen. Er sah kein Problem darin, ich dürfte so jemand wohl blutig peitschen und Hand abschlagen, wenn es einer aus dem Pöbel ist und Brandmarken. Bei Norbarden würde das eh niemand interessieren. Ansonsten könne man ja den Dieb jederzeit dem Richter vorführen  oder dem Grafen vorführen und aburteilen lassen. Also hatte ich eigentlich, solange ich es auch tatsächlich durchsetzen konnte, eigentlich völlig freie Hand hier. Im Gegenteil würde es einen anderen Adligen wohl eher beschämen, wenn ich ihn damit konfrontieren würde das einer seiner Untertanen sich so etwas mir gegenüber herausnehmen täte. Da hielt man unter „uns“ doch eng zusammen!

Gegen die Dritte Stunde waren wir zurück bei der Stadt, die Fürstengarde hat jetzt Dienst am Tor. Ein Mann und eine Frau die uns einfach durchwinkten. Die Stadt brodelte, als wir durchgingen um zur Festung zu kommen. Es war ein schöner warmer Spätsommertag, fast hochsommerlich. An der Festung tat jetzt die Grafengarde Dienst und ich ließ mich direkt zu Mumski führen. Der ließ sich den Auftrag klar vom Junker geben und erklären. Ich hatte den Eindruck, er war froh darüber und nahm seine Befehle lieber wörtlich und dachte eher weniger selbst. Aber dafür setzte er sich auch strikt um.

Ich  fragte ihn auch nach den  von uns gebrachten Gefangenen, die so schnell wieder auf freiem Fuß waren. Er hatte sie in den Schuldturm bringen und nicht hinausgelassen, solange er Dienst hatte. Aber auch dort wechselten sich die wachen mit der Fürstengarde ab.  Mumski schien regelrecht erleichtert die Gotowitschs aus der Stadt loszuwerden. Wir gingen mit allen 10 Mann gräflicher Garde zur Sippe hinunter wo schon wieder eine Bürgerwehr stand. Mumski brüllte rum und räumte damit effektiv  das Feld. Die Norbarden waren recht schnell marschbereit als die Bürger den Weg frei gemacht hatten. Aber genau dafür waren Kaleschkas ja da. Vereinzelt wurde fauliges Gemüse geworfen und üble Worte hinterhergerufen als der Zug zum Stadttor zockelte, aber es passierte nichts Schlimmeres. Mumski hatte das ganz gut im Griff. Nach einer Stunde waren wir aus der Stadt.  Ich gab Mumski 3 Groschen, er solle bei Etzel einen auf mein Wohl trinken gehen, was ein Leuchten in seine Augen zauberte. Außerhalb der Reichweite von Quelldunkel dankte er mir sogar dafür, dass wir den Grafen überzeugt hatten das auf diese Weise zu regeln. Der Ärger in der Stadt hätte ihn sicher noch einige Zeit auf Trab gehalten.

Wir folgten den Gotowitsch, und zu meiner Überraschung führte Kareika die Mume ihre Kaleschkas direkt zur Wagenburg der Pschelawods. Die machten ein „Tor“ auf und ließen die andere Sippe sofort ein, was uns alle wunderte. Aber, so erklärte sie uns, die Norbarden halten zusammen, alle anderen seien unsicher. Es ist nicht ihre Sippe, das stimmt, aber Brüder und Schwestern. Ich gab Kareika das Lederbeutelchen mit dem Gold zurück, was sie mich erneut in den höchsten Tönen preisen ließ. Und es hätte wahrscheinlich niemand gemerkt, hätte ich das Gold einfach behalten. Aber wie ich schon einmal sagte… Gold war mir ziemlich egal. Und diese Leute brauchten es sicher dringender als ich. Die Sippen schlossen ihre Wagenburgen zusammen, aber wir sprangen vorher ab und gingen in die Stadt zurück. Mumski war so froh das sie draußen waren, dass er sie auch nicht mehr wieder rein lassen würde - keine Norbarden in der Stadt, sagte der Graf, und das gedachte er auch so umzusetzen. Also wäre, wenn doch, dann die Fürstengarde schuld. Pam fragte auch nochmal nach den freigelassenen Norbarden. Aber Mumski meinte, sie solle lieber ruhig sein, nicht das das die verdammte Hexe des Fürsten noch etwas mitbekommt und schob die Verantwortung dafür erneut auf „die Stümper von der Fürstengarde“. Ich war sogar geneigt, ihm zu glauben.

Bei Etzel planten wir nun unser weiteres Vorgehen. Die Jungs waren zwar nicht einverstanden zurückbleiben zu müssen, sollten aber aufpassen das Wippi nicht abhandenkäme. Die Mädels sollten besorgen, was abhandengekommen war, also das Buch. Zuerst gönnten wir uns noch einen Eintopf (ich hatte sogar Fleisch darin) und Bier. Ich blieb auf und weckte dann Pam und Nadjescha nach der Boronsstunde. Aus Wippis Zimmer hörte man leises, ruhiges schnarchen. Durch die Fensterläden fiel das helle Licht der klaren fast vollen Mada herein. Nur die Nachtwächter  waren unterwegs und sagten die Zeit an. Nadjescha schwärzte ihre helle Haut bevor sie ging, was Pam nicht nötig hatte. Melham war ebenfalls abmarschbereit und wollte wohl doch mitgehen, aber die Mädels waren nicht einverstanden und diskutierten so lange mit ihm, bis er klein beigab. Für den Notfall packten wir schon mal unsere Sachen zusammen, falls doch etwas schief ging.

Kurz nachdem Pam und Nadjescha fort waren hörte ich wieder Geräusche im Gastraum. 6 vermummte Gestalten traten ein. Es war Derja (gut so, dann war sie nicht bei sich und dem Buch!) und eine Rotte halbwüchsiger. Ich hörte das nach mir gefragt wurde und kam aus meinem Zimmer in den Gastraum. Nachdem sich Derja kurz nach meinen Begleitern erkundigt hatte, die ich ins Freudenhaus weglog, kam sie schnell zur Sache: Besondere Zeiten würden besondere Maßnahmen benötigen. Wir könnten Teil einer einzigartigen Entwicklung sein und ob ich Teil von etwas großem werden wolle, das Geschichte schreiben wird über Jahrhunderte, ja Äonen. Allein schon um Pam und Nadjescha Zeit zu kaufen ließ ich mich auf das komische Gerede ein und uns etwas zu trinken bringen. Offiziell war sie wohl gar nicht hier, als Melham herumposaunte und ich schickte Etzel wieder ins Bett während die jugendlichen aufpassten das wir ungestört waren. Sie wollte ebenfalls den Schleier von Wippi haben, um etwas Großes zu verwirklichen. Eine Zukunft, in der die Leibeigenen frei seien, ein anderes Reich als alle anderen Reiche zuvor. Ein Reich der Freien und Gleichen. Ich wunderte mich schon etwas, dass sie damit ausgerechnet zu einem Bronjaren kam und wollte wissen, wie sie das zu verwirklichen gedachte. Sie sei eine Visionärin, die Potentiale und Optionen sieht. Sie wüsste von einer mächtige Waffe, so alt wie das Volk der Norbarden, und wir könnten sie bedienen. Die Feinde damit niedermähen und die Freunde mit magischem, heilenden Honig versorgen. Das sei eine Dualität, wie eine Waage. Was man nimmt, kann man auf der anderen Seite wieder geben. Melham flüsterte mir leise ins Ohr, er habe Bedenken, aber ich ignorierte ihn. Die Waffe müsse hier irgendwo in den Sümpfen sein. Deswegen sind wohl beide Sippen der Norbarden da, um die Waffe der Alhanier, Jahrtausendealt, zu holen. Es sei ein besonderes Bienevolk, daher der Schleier, um sich vor den Bienen zu schützen. Das was sie an Leben nehmen, spenden sie im Honig. Wir würden unsere versehrten heilen und jeden Feind wird vernichtet. Die Frau war offenbar Irre… Am Anfang  würden wir die Stadt erobern, dann das Land. Und die Leibeigenen könnten in der Stadt frei sind und von überall kommen, wenn sie das hörten. Im Laufe ihrer Rede hatte sich in meinem Kopf alles gefügt, wie ein Puzzle, dessen Teile auf einmal am richtigen Platz lagen. Jetzt ergab auf einmal so manches einen Sinn! Aber dieser Verrückten würde ich so etwas nicht anvertrauen…

Ich ließ mich zum Schein drauf ein ihr zu helfen und gab ihr die Hand. Derja war wohl auch in Verhandlungen mit Raduschka, und dann wolle sie „die verkrustete, verdreckte Welt aus den Angeln heben“. Ich ließ Melham noch ein schnelles Gute-Nacht Bierholen um den anderen noch etwas mehr Zeit zu schinden, bevor Derja dann ging. Da Melham mich recht komisch ansah redete ich schnell mit ihm. Er sollte wissen, dass ich nur zum Schein auf Derjas Werben eingegangen war. Aber jetzt wollte ich, dass er etwas für mich tat. Er sollte zur Wagenburg gehen und Kareika, Malijia und Lechandra holen und am Morgen zur Künsterkolonie bringen. Ich hatte jetzt meinen ganz eigenen Plan umzusetzen. Dann packte ich meine Sachen zusammen und legte mich erst mal noch hin. Morgen würde sicher ein anstrengender Tag werden.

Zur vierten Stunde klopfte Nadjescha an meine Tür, die Mädels waren zurück und ich wohl eingenickt. Ich erklärte ihr kurz was los war, dann weckten wir Jucho und Wippflügler. Ich sagte dem Magister, er solle alles was er für ein gefährliches Abenteuer braucht mitnehmen, insbesondere aber den Schleier. Da wir es eilig hatten würde ich ihn auch mein Pferd reiten lassen. Zu meinem Erstaunen zog er unter das Reisegewand einen richtigen Gambeson an, der deutliche Gebrauchsspuren aufwies. Von Etzel nahmen wir uns auf die Hand etwas Frühstück und verließen gen Firun die Stadt um uns eilig auf den Weg zur Künstlerkolonie zu machen. Mit dem ersten Hahnenschrei waren wir am Tor. Als Grund unseres Weggangs gaben wir „Kräuter suchen“ an. Naja, nicht die kreativste Idee, aber wenigstens nicht völlig abwegig. Ich hoffte nur inständig, Melham konnte seinen Auftrag erfüllen.

Tatsächlich trafen wir uns pünktlich in der Suhle. Malijia wollte wissen was ich weiß. Ich erzählte ihr meine Gedanken, dann setzten wir uns zum Frühstücken und sie erzählte uns ihren Teil der Geschichte. „Ein schöner Morgen. So soll es sein wenn man den letzten morgen vor sich hat.“ Ihr letzter Morgen? Sie erkannte mich als einen Hüter des Landes, so wie sie selbst einer sei. „Sumus Atem kann man einfangen, das weißt Du? Und man kann ihn übertragen. Einstmals als die Norbarden noch im Süden lebten gab es einen großen Krieg zwischen den Skorpionanbetern und den Dienern Mokoschas. Wir schufen eine einzigartige Waffe, einen Bienenschwarm, der das wahre Blut trinkt und es in den Honig speist. Wir nutzten die Waffe um die Skorpionkrieger zurückzuschlagen. Es war eine Zeit der anderen Götter, als Mokoscha und ihre Schwestern wie Asfaloth“ -ich keuchte erschrocken “- noch unter uns weilten. Die Priesterinnen nutzten den Schwarm, um die Feinde zu vernichten und die Soldaten zu heilen, mit Honig aus Sumus Blut. Aber die Priesterinnen wurden irgendwann zu gierig, verloren die Kontrolle über den Schwarm, konnten ihn nicht mehr beherrschen. Der Schwarm wütete. Die Schwesternschaft band ihn an seinen Stock, und seitdem führen sie ihn mit sich über alle Zeiten und Räume. Der Schwarm muss alle 7 Großmonde wandern, weil das Land abgeerntet ist und nur toter Boden zurückbleibt. Und heute Nacht muss es soweit sein. Und die Alte Hüterin wird hingehen, den Stock versetzen und sich dem Kaiservolk opfern. Und die junge Hüterin darf einmal den Honig nehmen und die Bienen an ihrem neuen Ort verstecken. Und dann geht der Kreis von vorne los.“ Ich sah zu Lechandra rüber und fragte, ob sie die neue Hüterin sei. Aber das verneinte die Alte. Nur Zibiljas mit dem größten Potential würden zur Hüerin, und in ihrer Generation sei dies Raduschka. Aber die wolle den Preis nicht zahlen. Daher wolle sie den Schleier, um mehr als einmal Honig zu nehmen. Sie sei gierig, aber müses trotzdem die Nachfolgerin werden, weil sie schon einige Jahre unterwiesen wurde. Es gibt keine andere und keine Zeit nach einer anderen zu suchen. Aber sie solle den Schleier nicht haben, damit sie das Gleichgewicht nicht störe. Und sie würde - hoffentlich - mit den Jahren vernünftiger. „Ein schöner letzter morgen, nicht im Kreis der Sippe, aber im Kreis von Freunden,“ meinte Malijia zum Schluss. Ich war, gelinde gesagt, schockiert. Ganz richtig lag ich mit meinen Vermutungen letzte nacht nicht, eher nur halbrichtig. Aber im Kern hatte ich es doch getroffen.

Das mit dem Geschichten erzählen über meinen „Vater“ Strobanoff würde nun wohl schwierig. Das Ritual musste also heute Abend vollzogen werden, sonst würden die Bienen verhungern. Nadjescha und Pam schien genau diese Lösung wohl die Liebste.  Aber einmal im Großmond bringen die Bienen großes Glück, das Erbe der Sippen. Und ich sah nicht, warum man den Norbarden ihr althergebrachtes Recht nehmen sollte. Malijia meinte, wenn sich der Schlangenstab wieder vereint, die zwei Szepter, was auch immer sie genau damit meinte, wird der Schwarm gebraucht. Fast wäre es bei Borbarad soweit gewesen, aber es fanden sich andere Helden die diese Gefahr abwandten. Aber wenn wie in den Skorpionkriege die jenseitigen wieder ins diesseits kriechen, würde die Waffe wieder gebraucht. Eine letzte Waffe für ein letztes Gefecht. Ich verstand, und war ihrer Meinung. Diese Möglichkeit zur Verteidigung des Landes musste erhalten bleiben, auch wenn ein Teil des Landes dadurch litt. Raduschka und Malijia mussten heute Abend bei den Bienen sein!

Ich fragte, ob Raduschka denn den Schleier von anderen Schleiern unterscheiden können würde? Malijia verneinte das. Sie mochte zwar Zauberei erkennen,  aber war nicht in der Lage sie zu unterscheiden. Daherschlug ich vor, ihr einen falschen Schleier zu geben. Wenn er irgendwie magisch wäre, sollte es wohl reichen. Das würde Wippflügler für uns erledigen, dafür erbat er sich nur aus der Ferne heute Abend beobachten zu dürfen. Bald waren wir uns einig. Und damit waren, wenn auch nicht völlig, Pam und Nadjescha zufrieden. Denn wenn Raduschka gierig werden würde und mit dem unnützen Schleier zu den Bienen ging würde sie sterben. Und damit in absehbarer Zeit das ganze Bienenvolk. Ich konnte also nur hoffen, dass die junge Norbardin das Vertrauen der Alten wert war.

Ich sollte Malijia eines versprechen. Niemand durfte Raduschka folgen, wenn sie den Stock versetzte, der neue Standort musste verborgen bleiben. Die Bienen tränken das Land leer und es dauert 3 Generationen, bis es sich erholt hat. Aber es konnte sich erholen, das war das wichtige für mich. Am Ende waren wir uns einig, so sollte es geschehen. Darauf tranken wir. Malijia hatte eine kleine silberne Flasche im Beutel aus dem wir feinsten nach Honig schmeckenden Meskines tranken der nicht einmal in der Kehle brannte. Ich fragte Malijia, was man mit dem Honig genau gemacht wurde. Sie selbst habe einmal eine Sippe von einer großen Seuche geheilt, und viele kleine Dinge. Ihre Mutter tauschte einen Teil des Honigs gegen ein Wohnrecht für ihre Sippe. Die Großmutter brachte ihn fort, niemand weiß, was genau was damit geschah. Die Hüterin bestimme, was damit geschieht. Vielleicht wird Raduschka ihn verkaufen, wenn man ihre Gier einbezog. Melham verglich den Honig mit Teriyak und war ungewöhnlich empört darüber. Ich staunte, das er so etwas seltenes überhaupt kannte. Aber Malijia meinte, niemand sagt, dass das was geschah nur gut ist. Aber es sei nichts dämonisches, sondern die Tracht der Bienen. Bei Teriyak wären die Wunden der Welt tief, brauchten viele Generationen sich zu schließen. Die Kaiserbienen hinterließen keine tiefen Wunden in Dere, für die Welt sei es nur wie ein Bienenstich für uns wäre. Ich wünschte, ich hätte diese Frau früher kennen gelernt. Was hätte ich nur alles von ihr lernen können…

Wir sollten ihren Spuren folgen, ohne das Raduschka davon wusste. Malijia würde ihr den falschen Schleier geben und mit ihr gehen. Die anderen waren was den Fortbestand des Schwarms anging immer noch skeptisch. Aber es ist das Erbe der Norbarden, seit vielen Jahren. 97 Großmonden, das dürfte etwa 5 Jahrtausenden entsprechen wie Malijia mir erklärte. Dann ließ sie Wippflügler bei Hesinde schwören, das er seinen Teil des Handels einhalten würde. Ich schnitt für Wippflügler ein Stück aus meinem Moskitonetz und gab es ihm, bevor er sich für sein Werk in die Suhle zurück zog. Angesichts dessen was wir für das Volk der Norbarden taten, bat ich Malijia um einen kleinsten Teil des Honigs. Ein Tropfen sei jedem von uns gewährt meinte sie, wollte dann aber in Ruhe ihren letzten Sonnenaufgang ansehen. Aber auch wir sollten uns auf das kommende Vorbereiten.

Malijia sah mich stutzend an, als ich mich ankleidete um für die kommenden Gefahren gerüstet zu sein. Sie betrachtete grübelnd meinen Jagdspeer und fragte mich schließlich danach. Ich erzählte ihr die Geschichte wie ich dazu gekommen war, von der Höhle der Hochelfen, der Aleza und dem entgoldeten Drachen, so dass der Elementar mir den Degen zur Speerspitze umformte. Sie meinte „die Sänger“, womit sie wohl Elfen meinte, hätten ihn mir gegeben. Dann wurde es wieder kryptisch: „Das Land ist unruhig, zornig, die Dinge verändern sich. Das Land selbst bebt. Der jüngste Sohn, Milzenis ist unruhig. Aber das ist nicht das erste Mal. Das Land ist immer wieder ruhig und immer wieder unruhig. Man muss es beruhigen. Es dauert und wird nicht von einem Vollbracht, aber wenn das Land unruhig ist kann das Böse kommen, dass das keinen Namen hat.“ Damit hatte ich ja so meine Erfahrungen. Dabei dachte ich an Zadik von Volterach, Beorn den Blender und die anderen Schergen, denen ich schon gegenüber gestanden war. „Jenseits der Knochen Sumus im Osten herrscht das Böse. In den Zeiten wenn das Land unruhig ist, mag es herüber kommen.“ Sie fragte mich, ob ich wüsste wie das Land entstanden ist, aber das musste ich verneinen. „Die Sänger wachten einst über das Land und als es unruhig war kam  das Böse aus dem Osten. Es gab eine furchtbare Schlacht. Das Land selbst wurde übel, bitter, sauer. Ein Sumpf. Dann waren keine der Sänger mehr übrig, nur einzelne kleine Posten blieben. Die Goblins haben sie gefunden als sie kamen und übernahmen die Wacht gegen das Böse. Zuletzt kamen die Güldenländer und griffen nach dem Land, als es wieder unruhig war und unterwarfen die Goblins (Sulu). Und zuletzt gingen bei der Unruhe die Theaterritter  selbst unter, wie sie sich mit dem Bösen verbündet hatten.“ Das fand ich interessant. Demnach wären, und das ließ die Ereignisse in Neuwülzen und die Geschichte des Dorfes in einem völlig anderen Licht erscheinen, die Theaterritter Diener des Namenlosen gewesen, und nicht die strahlenden Helden zu denen sie von ihren Nachfahren verklärt wurden. Mit dieser Wahrheit würde man sich keine Freunde machen…  Malijia meinte sie spüre das die Harfe vibriert, die Adern Sumus. Ich solle wachsam sein als Wächter, dass das Böse nicht wieder aus dem Gebirge kriechen würde. Ich solle meine Waffe der Sänger wie einst seine Erschaffer gegen das Böse führen. Und damit übergab sie mir ihre letzte Aufgabe – die Wacht über das Bornland. Bisher war es etwas, das ich von mir aus getan hatte. Nun drückte die Verantwortung wie eine schwere Last auf meine Schultern. Dann ging sie allein etwas nach Süden und setzte sich in eine Wiese um die Sonne zu genießen.

Später, es muss zur zehnten Stunde gewesen sein, kam Nasja aus dem Haus und fragte ob mein Angebot für den Winter noch stünde, was ich natürlich bejahte. Was könnte mir Besseres passieren, als mit dieser hübschen Frau die kühlen langen Winterabende zu verbringen! Sie meinte, Graf Tsadan wäre schon da, wir hatten ihn aber nicht gesehen. Dann lamentierte sie etwas, das ihnen das Geld  für das nötigste fehlen würde, und Krempelow grade an etwas mische, dass ich bei ihm beauftragt hätte. Das bestätigte ich, und als ich erwähnte ich hätte ihn doch dafür reichlich bezahlt, verschwand sie mit einem aufgebrachten Schnauben wieder im Haus. Ich vermute, von dem Gold hatte er ihr nichts erzählt.

Für den Ausflug in den Sumpf lieh ich Wippflügler mein Moskitonetz, weil er Bedenken hatte wegen der Mücken und Krabbelgetiere. Dafür war mir der gute Mann sehr dankbar. Malijia brach dann auf, nachdem sie den Schleier von Wippi erhalten hatte. Wir begleiteten sie alle zurück, blieben aber außerhalb des Norbardenlagers zurück, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Nur Malijia ging hinein. Dann dauerte es etwas, bis zur 4. Stunde am Nachmittag zwei Gestalten, Malijia und Raduschka herauskamen und wieder nach Norden zogen, etwas abseits des Weges den wir hergekommen waren. Wir folgten ihnen dann mit etwas Abstand durch die Wiesen und Wäldchen. Der Bewuchs wurde im Lauf des Weges spärlicher, dafür der Untergrund immer nasser. Es ging eindeutig in den Sumpf. Der Spur zu folgen wäre für uns keinerlei Problem gewesen, trotzdem ließ Malijia immer wieder Zeichen aus abgeknickten Ästen und ähnlichem auf dem Weg zurück.

Die Spur wurde im Sumpf nach und nach undeutlicher. Aber Melham lotste uns sicher durch das Gelände und schien sich im Sumpf extrem gut auszukennen. Hier draußen würde wohl niemand zufällig auf die Spur stoßen. Die Viehweiden lagen schon weit zurück, hier kam bestimmt sonst niemand vorbei. Pam sammelte auf dem Weg wieder Pilze und fand welche mit roter Kappe von denen ich lieber die Finger gelassen hätte. Aber sie meinte, das wären richtige Schamanenpilze. Ich hörte hinter mir ein seltsames feines Summen. Als ich mich umdrehte blitzt etwas Helles im Himmel auf, das schnell wieder nach unten fiel. Vielleicht ein Pfeil? Sehr seltsam. Melham meinte, als ich es erzählte, das könnte ein Zeichen für andere gewesen sein, hierher zu kommen. Von da an waren wir vorsichtiger. Melham suchte vorne nach Spuren, während Pam unsere eigenen Spuren hinter uns verwischte. Unliebsame Überraschungen konnten wir heute nicht gebrauchen.

Gegen die 6. Stunde waren wir schon ziemlich tief im Sumpf. Wippi war sichtlich nervös und hatte bereits zweimal Mücken magisch beseitigt. Hier war kaum noch Deckung zu finden. An einer etwas trockeneren Stelle stand ein kleines Gehölz. Darin hörten wir leisen Gesang. Und dann sahen wir es vor uns. Totes Land, Kreisrund, sicher 2 Meilen im Durchmesser, voll von Knochen und Skeletten, in der Mitte ein 1,5 Schritt hoher und ein Schritt im Durchmesser messender goldener Berg glänzte in der Abendsonne. An den Rändern war das Land wie mit einem Messer geschnitten, der Übergang von blühender Wiese zu totem Land scharf abgegrenzt. Zwei Frauen, eine alt, eine jung, standen neben dem Kreis. Sie schritten den Kreis ab und bemalten dabei gegenseitig ihre Kleidung mit blauer, grüner und roter Farbe. Insbesondere Malijias Kleider werden bemalt und die Zeichen wirkten auf mich Vage vertraut, so ähnlich wie in meinem Garten, Zibila Runen die ich nicht lesen konnte. Sie sangen anscheinend in altem Alaani das kaum zu verstehen war und manchmal im Duett in Isdira, immer in perfekter Harmonie. Zwischendrin wurde auch etwas gezischelt, so als ob noch andere Fremde Sprachen eingeflochten waren. Einmal flog über uns ein kleiner Schatten, ein Vogel, den etwas aufgeschreckt hatte, in das Tote Land. Auf einmal ein war da ein lautes summen und brummen, schwarze schlieren stiegen in die Luft und waberten auf den Vogel zu. Der kleine Körper wurde schwarz vor Bienen und fiel tot zu Boden. Beim Aufschlag waren schon nur noch die Knochen übrig. Pam meinte mit sichtlichem Schreck in der Stimme, das Land sei Tabu. Als Pam sich nach hinten umsah wirkte sie unruhig und schlich zurück woher wir gekommen waren. Aber sie war schnell wieder da und kündigte uns Derja und die Fürstengarde an. Verdammt, die Zauberin konnte ich jetzt absolut nicht gebrauchen. Wir versteckten uns zunächst. Ich kletterte auf einen nahen Baum um mich zu verstecken, die anderen verschwanden ebenfalls im Gehölz. Selbst Wippi war plötzlich verschwunden, ob perfekt versteckt oder auf magische Weise konnte ich nicht sagen.

Die Fürstengarde rumpelte zwischen und unter uns durch, Derja voran an der Spitze. Die Norbardinnen merkten es lange nicht, bis sie angesprochen wurden. Aber ich konnte sie nicht warnen, ohne selbst entdeckt zu werden. „Im Namen des Fürsten, haben wir es hier mit Konspiration zu tun? Ach egal, gebt mir den Schleier!“ tönte Derja. Raduschka überraschte mich: “So war das nicht abgemacht“. Derja entgegnete: „Papperlapap. Schleier her.“ Malijia sagte sanft: „Stört uns nicht, wir müssen das zu Ende bringen, sonst geschieht großes Unglück.“ Aber das war Derja egal, sie hielt fordernd die Hand in die Richtung der Norbardinnen. Nachdem beide aber nichts herausgaben gingen Derja und die Weibelin auf die beiden zu.

Von hinten kamen weitere Menschen in Rot und Blau heran, Norbarden in guten Pelzen und einfachen Woll- und Leinsachen, anscheinend aus beiden Sippen. Die hinterste Wache wurde von einer nivesischen Wurfkeule am Rücken getroffen, ging aber nicht zu Boden. Die Wachen wirbelten herum und standen gut eineinhalb Dutzend norbardischen Kriegern gegenüber. Sie forderten die Wachen auf zu gehen, die rückten aber auf Derjas Kommando auf den neuen Feind los. Wir blieben zunächst in Deckung, während sich unter uns ein Kampf entwickelte. Pam macht sich am Boden, von oben konnte ich das gut sehen, aus der Deckung auf Richtung Derja, als alle abgelenkt waren. Wir waren selbst etwa eineinhalb Dutzend Schritt von Derja und der Weibelin weg. Nadjescha stand unvermittelt auf und ging durchs Gebüsch auf die überraschte Weibelin zu. Die stieß einen Warnruf nach Derja aus. Nadjescha begann, ganz Diplomatin die sie war, sich freundlich zu unterhalten. Dabei stellte sich heraus, dass die Weibelin anscheinend nicht eingeweiht war in den Revollutionsplan. Stattdessen war sie damit gelockt worden in Gold ausgezahlt zu werden und dann nach Süden davon zu können, und das Gold wollte sie jetzt haben. Nadjescha bestärkte Derja sich den Schleier zu nehmen und zu dem Goldhaufen zu gehen, wohl wissend das das zwar unseren Plan zerstören, aber Derja vernichten würde. Ein paar Norbarden hatten sich unterdessen wohl gelöst und versuchten sich zwischen die beiden Parteien zu drängen. Walk stellt sich ihnen in den Weg. Derja, der die Lunte anscheinend immer kürzer wurde, warf einen Blitz dich find auf den vordersten Norbarden. Nadjescha rief den Norbardinnen zu „Gebt ihr den Schleier, es ist das richtige, vertraut mir.“ Malijia wollte es anscheinend auch tun, aber Raduschka zögerte. Nadjeschae versuchte weiter Raduschka zu überzeugen. „Deine Leute sterben da hinten.“ Auf dem Schleier waren schon farbige Symbole und sie gab ihn am Ende doch her. Derja lacht irre „Die Revolution kommt, wir werden Geschichte schreiben“ und schickte alle fort. „Endlich fügt sich alles. Wie lange habe ich auf so eine Möglichkeit gewartet hat!“ Nadjescha redete weiter auf Derja ein, „geht, erfüllt euer Schicksal. Holt Euch euren Lohn“. Während die beiden miteinander sprachen wurde Nadjescha unvermittelt von hinten von einem Pfeil am Arm getroffen, schrie auf und ging auf die Knie.

Von hinten kam ein weiterer Trupp Kämpfern auf das Knäul zugelaufen. Vorne weg rannte eine große Frau mit sehr langem Schwert und wehenden grauen Haaren. Die kleine Janne. Verdammt! Die Räuber von hinten trieben die Norbarden auseinander und auch die Wachen wurden dabei von ihren Gegnern gelöst. Derja rief den anstürmenden entgegen und überraschte mich erneut: „Janne, endlich, endlich. Hat verdammt lange gedauert“. Janne wollte wie die Weibelin auch wissen wo ihr Gold sei. Derja deutete auf den Haufen hinter sich. Janne nannte Derja dann „Lenija Oljanov“, wollte aber von ihrer Revolution auch nichts wissen. Aus dem Gespräch hörte ich heraus, dass die beiden früher wohl irgendwie zusammengearbeitet hatten. Derja warf Janne vor nicht groß genug zu denken, genau wie Vlaselgo, den sie ebenfalls bei einem anderen Namen nannte: Dirion vom Tale oder so. War hier überhaupt irgendwer das was er zu sein Vorgab? Aus dem nichts erschallte ein „Fulminictus“ und prallte auf Derja ein.  Sie schrie auf, ging in die Knie und wirbelte den Arm abwehrend über den Kopf. Wippi war schimmernd unter meinem Baum erschienen. Was war hier eigentlich los? Wippflügler schäumte regelrecht: „Lenija Oljanov? Ketzerin, verfehmte, dich such ich schon seit über 10 Jahren. Ich hab doch gesagt, ich werde dich irgendwann erwischen!“ Wippi ging auf Derja zu während sich nun die Weibelin mit einem der Norbarden batschte. Janne drehte sich zu Wippflüger um. „Du schon wieder, du schuldest mir noch Batzen. 60 hatten wir ausgehandelt.“ Wippi quiekte erschrocken, als sie mit dem Andergaster auf ihn losging. Er fummelte hektisch an seiner Tasche und warf eine schimmernde Kugel vor ihr auf den Boden. Es macht „plopp“ und Janne fing an unsicher herumzuwedeln und sich in der Luft zu drehen. Sie schwebte mitsamt Schwert herum und schrie nach Hilfe. „Torax!“ Von oben sah ich wie der Zwerg Wippi aufs Korn nahm, ein Bolzen schlug ein und riss seinen rechte Arm an der Schulter nach hinten und ihn zu Boden. Das sah schmerzhaft aus…

Nun mischten auch wir uns ein. Melham jagte Derja einen Pfeil in den Kopf, die schwankte gefährlich, fiel aber nicht. Bei uns standen noch Janne, der Zwerg, 4 Räuber und die Weibelin Walk. Der Zwerg hatte offensichtlich Melham gesehen und spannt seine Armbrust. Nach einem schnellen Armatrutz, lies ich mich vom Baum gleiten um den Zwerg aufzuhalten. Den Speer in vorhalte und drauf. Das este Ziel war erreicht, er ließ die Armbrust fallen, zog vom Rücken aber einen gefährlich aussehenden Kriegshammer, den er lässig und recht gekonnt herumschwang. Er blockte meinen ersten Stich. Derja bekam von Melham einen zweiten Pfeil in den Kopf und brach zusammen.

Mein nächster Stick traf, störte den Zwerg aber nicht wirklich. Es war fast schon komisch, er sah mich anerkennend an, bevor er ernsthaft auf mich eindrang. Ich schaffte es gerade so, ihn zunächst auf Abstand zu halten, aber als der Rest seiner Bande kam blieb mir nichts anderes übrig, ich drehte mich um und rannte weg. Dabei bekam ich noch einen pfeifenden Andergaster mit der breiten Seite von hinten gegen den Kopf. Ich schüttelte mich etwas benommen als ich wegrannte. Von der Seite sah ich noch, wie Janne mit Nadjescha sprach während ich in Richtung des Kreises toten Landes rannte. Derja hatte wohl Jannes alte Bande gesprengt und war mit einigen Leuten desertiert. Raduschka bot an Janne auszuzahlen. 10 Batzen für jeden auf die Hand, sie und der Zwerg das doppelte, dafür dass sie einfach gingen. Aber die Räuber wollten das Doppelte und selbst das war Raduschka bereit zu zahlen, wenn sie ihr die Fürstengarde vom Leib halten würden.

Ich kam am Totenkreis an und trat ein, mir der Gefahr durch die Bienen zwar bewusst, aber auf den Armatrutz vertrauend. Was ich spürte war…. Nichts. Nur Leere, Tot, die völlige Abwesenheit von Mutter Sumu. Das Gefühl völlig vom Leben abgeschnitten zu sein hatte ich bisher noch nie gehabt und war entsetzt. Es summte. Ich hörte wie Malijia mir zu entsetzt zurief, ich solle es nicht tun, die Bienen seien zu stark. Auf einmal spürte ich winzige Stiche, selbst durch den Armatrutz, und die Bienen starben dabei nicht einmal, wie es eine normale Biene getan hätte. Winzige rote Punkte bildeten sich auf meiner Haut die etwas bluteten. Erschrocken trat ich einige Schritte zurück aus dem Kreis heraus. In der Nähe des Stocks hatten sich Bienen zornig brummend zusammen gefunden und flogen jetzt in meine Richtung. Sie waberten bis an den Rand des Kreises, flogen dann aber wieder davon als sie dort kein Opfer mehr fanden. Ich hatte bis sie heran waren genug Zeit gehabt mich außerhalb des Kreises zu konzentrieren und wirkte einen Herr über das Tierreich. Ob es mir wohl möglich war diese Waffe selbst gegen einen Feind zu senden? Aber der Widerstand dieses Schwarms war schier Atemberaubend. Der Zauber versagte, obwohl ich mit schierer Kraft versuchte seine Wirkung zu erzwingen. Mit diesen Bienen sollte ich mich wirklich nicht anlegen und das den Zibiljas überlassen. Malijia nickte mir zu als ich den Kreis verlies, zum Glück wusste sie nicht was ich versucht hatte. Janne war anscheinend mit ihrem Handel zufrieden und zog sich zurück. Dabei nahm sie einige der Wachen mit, der Eindruck das die sich nur ihrer alten Anführerin wieder angeschlossen hatten drängte sich stark auf, so gut wie sie auf sie hörten. Die Zibiljas scheuchten zuletzt die noch anwesenden Norbarden fort um ihr Werk endlich verrichten zu können. Dann waren wir wieder allein. Das hätte deutlich schlimmer enden können…

Wir blieben wie vereinbart zurück, um das Ritual zu beobachten. Und hielten zur Sicherheit trotzdem weiter Wache. Es dauerte bis Sonnenuntergang und umfasste im Wesentlichen mehr vielsprachigen Gesang den wir nicht verstanden und weitere Bemalung. Raduschka, die ich als zwar bezaubernd hübsches, aber kaltes und berechnendes Miststück kennen gelernt hatte, nannte Malijia ungewohnt sanft „große Mutter“ und fragte sie verzweifelt, ob das wirklich sein musste? Malijia entgegnete, „Ja, so wie ich meine Mutter vor Jahren gehen sah, wirst du mich jetzt gehen sehen. Benutze die Macht und das Wissen weiße, suche eine starke Schülerin.“ Dann strich sich Malijia über ihre bemalten Kleider. Die Glyphen leuchteten auf, dann betrat sie den Kreis. Die Bienen umschwärmten sie, aber anscheinend wurde sie nicht gestochen. Ich sah Raduschka still weinen. Am Bienenstock des Kaiserschwarms angekommen legte Malijia die Hände auf das Gold. War es überhaupt Gold? Auf diese Entfernung war das nicht zu erkennen. Die Zauberglyphen und das leuchten gingen dabei auf den Stock über, der nun selbst bunt strahlte, das Tsa ihre wahre Freude daran gehabt hätte. Alles leuchtete. Als Malijias leuchten verblasste, leuchtete nur noch der Stock und sie wurde in wenigen Augenblicken schwarz bis nur Knochen von der alten Hüterin übrig blieben. Sie war gegangen und hatte sich selbst dem Schwarm geopfert, so wie sie es angekündigt hatte. Auch ich hatte jetzt ein paar Tränen in den Augen. Warum gingen die besten immer zuerst? Raduschka nickte uns bedrückt zu. Jetzt war sie nicht mehr keck, neckisch und übermütig. „Folgt mir nicht, ich werde den Stock versetzen und morgen zu den meinen zurückkehren. Dort werdet ihr euren Lohn erhalten – und ich den Schleier.“ Sie selbst leuchtete nur schwach als sie den Kreis betrat, aber es waren auch nur noch vereinzelte Bienen in der Luft. Beim Stock angekommen hob sie das Riesending mit einer Hand an,  wie einen Diener einen leichten Teller beim Servieren von unten hielt und ging in die herabfallende Dunkelheit davon. Damit hatten wir unseren Teil des Handels erfüllt, und ich hatte kein Bedürfnis ihn zu brechen und ihr zu folgen. Sollte sie ihr Geheimnis waren. Genau betrachtet waren wir nun Schicksalsgefährten, da ich in dieses Wissen eingeweiht war. Und wer weiß, wann ich Sie und den Schwarm brauchen würde wenn dem Land der Feind drohte? Und da Malijia es vor ihrem Tot erwähnt hatte… ich muss mich wohl auch zu diesen Schlangenstäben kundig machen, von denen sie gesprochen hatte. Irgendetwas hatten die wohl auch damit zu tun. Die Frage war nur, wen konnte man zu so etwas befragen?

Wir fanden uns in der Dunkelheit wieder zusammen. Der alte Wippflügler war mittlerweile eingeschlafen, nachdem es nichts mehr zu sehen gab, blutete aber auch nicht mehr.  Ich weckte ihn. Dann durchsuchte ich einmal kurz Derjas Kadaver, aber sie trug nichts Besonderes bei sich, nicht mal Geld. Wir kehrten noch in der Nacht nach Ouvenmas zurück. Als wir am Tor klopften tat uns niemand auf, nach dieser Nacht schien akuter Wächtermangel zu herrschen. Also mussten wir doch über die Mauer klettern. Wieder bei Etzel legte ich mich direkt ins Bett und schlief tief und fest. Am späten Vormittag des nächsten Morgens schallten laute Hochrufe durch die Stadt, Graf Tsadan von Norburg kam endlich an. Am späten Nachmittag besuchte uns Raduschka mit 5 kleinen Tontiegelchen und forderte den Schleier von Nadjescha. Sie gab ihn ihr und wünschte ihr viel Freude damit. Das Weib war eine verdammt gute Schauspielerin, man merkte ihr nicht im geringsten an, dass sie Raduschka gerade ein für sie wertloses Stück Stoff überreicht hatte. Ich musste mich allerdings wegdrehen, damit man meinen Gesichtsausdruck nicht sah. Ich fragte Raduschka dann, wie wirksam der Honig eigentlich sei? Sie meinte, mit einem solchen Tiegelchen könne man selbst abgetrennte Gliedmaßen wieder anheilen. Nun, ich würde es wohl selbst herausfinden müssen und ließ mir von Etzel Brot und Butter bringen. Die entsetzten Gesichter der anderen waren fast zu komisch, als ich mir ein Honigbrot schmierte und genüsslich verspeiste. Ich konnte es spüren, wenn auch nur kurz. Die Kraft Sumus erfüllte mich, pulste regelrecht in mir. Ich fühlte mich ihr und dem Land verbunden wie selten in meinem Leben. Das Land begehrte auf und kämpfte gegen seine Fesseln an. Es war wie ein stummer Schrei des Landes, der meinen Körper schüttelte und nach mir rief. Ja, diese Aufgabe würde ich nicht wieder abgeben können. Und da war kein Hauch des Bösen, des Verderbens oder etwas Dämonisches in diesem Wirken, das spürte ich. Nein, diese Bienen waren nicht böse oder verdorben, sie waren ein Teil des lebenden Landes, hatten von Sumu eine eigene Aufgabe erhalten. Aber mit dieser Erkenntnis stand ich wohl allein. Als die Kraft mich durchströmte fühlte ich, wie sich alte Schwächen und Wunden schlossen, die meinen Körper seit dem Kampf gegen das namenlose Grauen vor und in Simyala schwächten. Es war fast, als kehrte ein Teil meiner Jugend und Kraft zu mir zurück. Diese Macht war unglaublich. Das man damit ein Land erobern konnte schien mir auf einmal gar nicht mehr abwegig – und erschreckend in seiner Konsequenz. Ich konnte nur hoffen, dass keine Zibilja je ein rachsüchtiges Miststück wäre, die ein eigenes Reich errichten wollte. Die Verantwortung die Raduschka nun trug war genauso wenig erstrebenswert wie die meine. Wir waren wirklich Schicksals- und Leidensgefährten. Ob ihr das wohl genauso bewusst war wie mir?

Auch Raduschka sah mich seltsam an, dann fragte sie: „Das war nicht unüberlegt, oder?“ Ich antwortete ihr „Nein, sehr überlegt,“  führte es aber nicht weiter aus. Dann erneuerte ich meine Einladung, mich über den Winter auf dem Schloss zu besuchen. Sie schien verwirrt aber noch viel mehr schien sie sich vor mir zu fürchten, was ich wiederum überhaupt nicht verstehen konnte. Sie dankte mir und meinte sie würde darüber nachdenken. Auch Wippi ließ sich aufklären, was der Honig eigentlich sei. Alhanisches Teriak nannte er es dann. Nadjescha, die vor dem Honig eine regelrechte Abscheu zu empfinden schien bot ihm an ihren Tiegel zu kaufen. Er bot ihr 130 Batzen in Wechsel der Nordlandbank, die sie dankend annahm. Sie wollte sich wohl lieber ein Pferd in Festum kaufen. Dann meinte Nadjescha, ich solle über meine Profession nachdenken, wenn ich so etwas das gutheißen kann, und ging dann einfach ohne ein weiteres Wort des Abschieds. Ich war sehr überrascht, als sie einfach so verschwand, damit hatte ich nicht gerechnet. Sie hatte es nicht verstanden, da war ich mir sicher. Sollte ich die Gelegenheit noch einmal bekommen, musste ich es ihr unbedingt erklären. So sollten wir nicht auseinandergehen.

Am Abend gab es ein improvisiertes Festmahl im ehemaligen Tsatempel beim Fürsten. Der war nur etwas knapp mit Personal. Der Stuhl neben ihm wo Derja gesessen hatte blieb leer. Graf Tsadans Frage nach der Hofmagierin war Vlaselgo sichtlich unangenehm. Pam, die wie immer ihren Mund nicht halten konnte meinte: „Die liegt Tot im Sumpf“. Der Fürst wand sich etwas, wie eine Schlange die man fest gepackt hatte und meinte dann, sie sei öfter allein in die Sümpfe gegangen. Er würde wohl in Zukunft auf die Dienste einer Magierin verzichten. Aber ein schlechter Mann war er wohl nicht, denn er bat, dass wir ihn hinbringen sollten damit er sie holen und ordentlich bestatten konnte. Aber wir konnten natürlich nicht riskieren, dass noch mehr Leute das tote Land sahen, also boten wir an, sie direkt auf den Boronsanger zu bringen.

Die Auktion fand am nächsten Mittag statt. Die rasierende Nivesin ging am Ende für 90 Batzen an Graf Tsadan. Die Kassen der Künstler waren bei allen wieder gute gefüllt, es wurden zu meiner Überraschung von allen viele Bilder gekauft. Ich konnte das Vierblatt und das Wirselkraut für jeweils 6 Batzen ersteigern. Nasja kam danach mit einem Lächeln auf den Lippen zu mir. Die Kolonie würde über den Winter eine „Schaffenspause“ einlegen, daher würde sie gern zu mir aufs Schloss kommen. Jenora wollte nach Festum gehen und Fredo sich bei Graf Tsadan in Norburg einquartieren. Im Frühjahr wollten sie dann einen Neustart in der Kolonie wagen.

Ich tippte Fredo auf die Schulter. Der war schon wieder voll zugedröhnt. Er versprach mir die Farbe morgen zu bringen und lächelte weiter glücklich die Wand an. Aber er brachte mir die Farbe aber am nächsten Morgen wirklich vorbei, also hatte ich nichts zu klagen. Eine leuchtend rote Farbe mit einem faszinierend Glitzern darin, in einem schweren Steintiegelchen. Er wünschte mir und der nutzenden Künstlerin gutes Gelingen damit, ich solle Nasja nur im Frühjahr wieder zurück schicken. Sie seien ein Dreieck, das sich gegenseitig bräuchte. Das Schaffen bestand aus seiner Inspiration, Nasjas Handwerk  und Jenoras Talent und wäre sonst unvollständig. Wenn er meinte… das würde Nasja sicher selbst entscheiden. Ich war ja nicht der Typ, der jemand zu etwas gegen seinen Willen zwang… meistens jedenfalls.

Wir erhielten noch unseren Lohn in Gold von Herrn Wippflügler, jeder 10 Batzen weil er noch eine kleine „Erfolgsprämie“ drauf legte. Der Kerl hatte anscheinend einen unerschöpflichen Dukatenbeutel. Trotzdem musste ich mich, bevor wir uns verabschiedeten, noch unter vier Augen sprechen. Da er ja nun wusste, dass ich ein Hüter des Landes, und nicht nur ein einfacher Bronjar war, bat ich ihn, dies für sich zu behalten. Gerade er müsse verstehen, dass die Wacht über das Land, aber auch über das Schloss und seine Kraftquelle für alle von Bedeutung seien. Da aber der bornische Adel in dieser Hinsicht wohl etwas rückständig in seinen Ansichten sein dürfte, dürfen diese weder von meiner Aufgabe, noch von meiner waren Natur erfahren. Die Magister in Festum hätten das Verstanden, sie waren nicht umsonst die Leumundszeugen bei meiner Erhebung in den Adelsstand (was natürlich eine Lüge war, die wussten es ja tatsächlich nicht…), aber nun sei es umso wichtiger, das er mit niemandem, auch nicht mit den Kollegae, darüber sprach. Aber ich denke, ich würde mich was seine Verschwiegenheit in dieser Sache anging auf Wippflügler verlassen können, falls es ihn überhaupt richtig interessierte. Und natürlich wäre er mir jederzeit auf dem Schloss willkommen, um sich den dort gelegen Nodix anzusehen. Nur beim Zaubern darin sollte er etwas Vorsicht walten lassen… mal sehen ob er wirklich irgendwann dort vorbei kam. Aber wenn, vielleicht würde Argaal, falls er da wäre, endlich zu seinem Ring kommen!

Als wir abreisten meinte Nasia, sie würde ein paar Wochen später nachkommen. Die drei Künstler müssten erstmal das Haus winterfest machen bevor sie es verließen und ihre wichtigsten Sachen zusammenpacken bevor sie aufbrechen. Das konnte ich gut nachvollziehen. Ich hoffte, das Schloss hatte nicht zu sehr gelitten, aber so konnte ich selbst erst einmal etwas Ordnung schaffen, bevor sie kam. Insgeheim hoffte ich natürlich auch, dass Argaal wieder zuhause war. Ich muss zugeben, ich vermisste den kleinen Pelzkopf ein wenig.

So lebhaft wie diesen Winter war es sicher schon lange nicht mehr auf Strobanoff zugegangen. Argaal war leider nicht da, keine Ahnung wohin sich der beleidigte Miesepeter verzogen hatte. Dafür blieben Melham und Jucho einige Zeit da. Ich war mir aber nicht sicher, ob die beiden sich nicht einfach nur das Geld sparten, das sie für eine Überwinterung in der Stadt hätten ausgeben müssen. Egal, ich war ganz froh das die beiden da waren und etwas mithalfen. Dann kam auch Nasja an. Die erste Verzückung über das prächtige Schloss legte sich schnell, als sie die Abwesenheit einer Dienerschaft und seinen Zustand sah. Ihren Aufenthalt hatte sie sich wohl etwas luxuriöser vorgestellt. Aber sie stellte sich erstaunlich schnell auf die neue Situation ein und kam dann recht gut damit zurecht. Sie schien im Grunde eine recht bodenständige junge Frau zu sein. Im und ums Schloss gab es auch genug für sie zu entdecken, dass ihr nie langweilig wurde. Bilder mit denen ich nichts am Hut hatte sie aber umso mehr gab es im Schloss ja genug, und ihre Begeisterung für den Seemond war umwerfend. Am Anfang wohnten wir noch zusammen im Schloss, solange es nicht richtig kalt war. Ich hatte bis zu ihrem Eintreffen Strobanoffs Zimmer und für sie einen der Gästeräume hergerichtet. Aber nachdem es zunehmend kälter und regnerischer wurde und schließlich Väterchen Firun grüßte, zogen wir doch wieder in die alte Schmiede. Die ließ sich einfach besser beheizen. Was nutzt es, wenn man noch so schön wohnt, aber dabei friert wie ein armer Schneider? Ehrlich, in einem Land mit dem Klima wie hier war so ein Schloss wirklich eine unpraktische Sache… außer natürlich man hatte genug Diener die es einem darin schön machten. Das gute an dem lausekalten Wetter war, das Nasja irgendwann auch nichts dagegen hatte, das wir uns des nächtens gegenseitig wärmten. Ein wunderbarer Winter! Und über die Farbe, die ich ihr zum Mitwinterfest schenkte, freute sie sich wie ein kleines Mädchen dem man ein Pony geschenkt hatte. Ich war gespannt, in was für einem Bild sie diesen besonderen Farbton verwenden würde. Als sie im Frühjahr ging viel mir der Abschied sehr schwer. Das wäre eine Frau, die ich gern dauerhaft an meiner Seite hätte. Aber sie hatte versprochen zu den anderen zurück zu kehren, und ich hatte noch eine Aufgabe zu erfüllen. Dabei sollte sie nicht in Gefahr kommen. Trotzdem lud ich sie natürlich ein, den nächsten Winter wieder bei mir zu verbringen. Und falls ich durch Ouvenmas kommen sollte, würde ich sie natürlich besuchen.

Auch die Norbarden kamen tatsächlich aufs Schloss und folgten meiner Einladung, was besonders Jucho freute, der sich davon weitere Erkenntnisse beim Kutschenbau versprach. Apropos, meine Kutsche war tatsächlich repariert, als wir von der Reise zurückkamen. Jetzt würde ich nur noch ein  oder zwei weitere Zugtiere benötigen, um das Ding auch zum Fahren zu bringen. Wen ich allerdings vermisste war Raduschka, die hatte sich anscheinend von der Sippe getrennt und verbrachte den Winter lieber woanders. Warum nur? Ich hatte ihr doch nichts getan? Dafür war Lejandra da, die ihre Meisterin schmerzlich vermisste. Ich zeigte ihr die Runensteine, die ich im Garten aufgestellt hatte. Sie bestätigte mir, dass es sich um Runen der Zibilja handelte und aktivierte sie, um die Bienenkörbe dazwischen zu stellen. Die Wirkung war faszinierend. Auch wenn im Winter das Leben ansonsten unter einem weisen Tuch schlief, in diesem Bereich konnte man zu jeder Zeit den Hauch Sumus fühlen. Im Frühjahr brachen die Triebe der Pflanzen so früh und kräftig durch die Schneedecke, wie ich es noch nie gesehen hatte. Und als Lejandra die Bienenstöcke öffnete waren im Gegensatz zu sonst die Völker stark und es mussten viel weniger tote Bienen aus den Körben gekehrt werden als sonst. Sie musste die Tiere sogar beruhigen, damit die nicht zu früh anfingen zu schwärmen, wo noch gar keine Blüten zu finden waren. Den Sippen erlaubte ich natürlich, dass sie in den Wäldern um das Schloss jagen durften, irgendetwas mussten sie ja auch Essen. Ich denke, sie hätten es so oder so gemacht, aber das ein Bronjar ihnen offiziell das Jagdrecht gab, das waren sie nicht gewohnt. Dran hindern hätte ich sie ja eh nicht können. Ich bat sie nur, kein Holz zu schlagen, aber ungenutztes Bruchholz der letzten Jahre lag so viel um das Schloss herum, dass daran auch kein Bedarf bestand. Insgesamt konnte man sagen, dass wir eigentlich sehr gut miteinander auskamen, insbesondere da ich mich ja gut mit ihnen unterhalten konnte. Das der Bronjar ihre Sprache beherrschte wussten bald alle. Etwas Geheimes belauschen würde ich wohl nicht mehr können. Aber egal. Langsam wurde das Schloss das, was ich wollte. Eine Zuflucht. Für jeden, der eine suchte oder benötigte. So schlecht wie die Norbarden vielerorts gelitten waren, konnte auch sie eine Zuflucht über den Winter gebrauchen, in der ihnen nicht ständig vorgeworfen wurde schlechte Menschen und Diebe zu sein.

Im Spätherbst tauchte auch Väterchen Melcher wieder auf. Der hatte sich zu dem neuen, etwas entfernten Platz zurückgezogen, zu dem die Kraftquelle mäandert war. Aber auch dort war sie nicht lange geblieben und weitergezogen. Anscheinend war der Fluss der Kraft nach wie vor in ständiger Bewegung, wie er meinte. Deswegen kam er zunächst zurück, würd aber auch wieder der Quelle folgen, wenn er sie wiedergefunden hatte. Als ich ihm die Geschichten dieses Sommers erzählte meinte er, ich hätte die Aufgabe meines Lebens wohl endlich verstanden. Hätte ja auch lange genug gedauert. Aber da ich nun wusste, dass nicht jedes Nutzen der Kraft Sumus schlecht sein musste, sei es, auch um mich auf die kommenden Aufgaben und Gefahren vorzubereiten, an der Zeit ein weiteres Geheimnis der Bruderschaft zu erlernen. Wir Diener Sumus würden ja seot jeher ihre Kraft für uns nutzen und das Leben direkt aus dem Boden in uns aufnehmen können. Das sei, im Kleinen, eigentlich nichts anderes, als es die Bienen nur in viel größerem Umfang und über längere Zeit taten. Dann zeigte er mir, wie ich vermittels meines Dolches das Leben aus dem Boden der großen Mutter direkt in mit aufnehmen konnte, indem ich mein Blut mit ihr direkt verband. Er hatte Recht. Das Gefühl, dass ich verspürte als ich das erste Mal selbst Leben aus dem Land zog war dem nach dem Verzehr des Honigs nicht unähnlich, wenn auch unendlich schwächer. Aber trotzdem spürte ich die Verbundenheit mit dem Land, der Erdkraft und die Unruhe, die alles erfasst hatte. Aber wenn ich das dabei spürte hieß das wohl, dass viele meiner Brüder und Schwestern diesen Hilferuf des Landes bereits erhalten hatten. Ich glaube, ich muss dringend im kommenden Jahr den Zirkel des westlichen Bornwaldes aufsuchen und zusammenrufen, auch wenn die Gefahr im Osten lauert. Wohin mich das Land wohl als nächstes Rufen wird? Aber nun war es erst einmal an der Zeit den Winter zu genießen. Väterchen Melcher würde ihn wohl wieder, um seine alten morschen Knochen zu schonen, in Baumgestalt verbringen, sobald er Sumus Ader wiedergefunden hatte. Ich würde mir irgendwann von ihm zeigen lassen müssen, wie er das machte… aber alles zu seiner Zeit.

 

Abenteuer: Schleier der Unwissenheit
Dieser Eintrag wurde am 6.06.2022 (09:47) verfasst und 147 mal aufgerufen.
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