Tagebuch von Anjon Belletor von Gareth
von den Verlockungen des Splitters, dem Tod und dem brennenden Gareth (29. Peraine 1027 BF)

mit letzter Kraft zog ich mich ans Ufer des Sees, in den die Difars-Mandel abgestürzt war. Dieser lag ein paar hundert Schritt gen Firun von Gareth. Gareth brannte. Man konnte die Hitze bereits hier spüren. Lebte Tareka noch? lebte meine Familie noch? Ich wusste es nicht, konnte nur hoffen. Der Splitter der Dämonenkrone war ebenso in den See gefallen. Das Wasser schien sich nicht mit ihm zu vertragen und eine Art Kampf der Elemente tobte. Die Auswirkungen bekamen wir alle zu spüren, als wir ans Ufer schwammen, entzog es uns doch rasch die Lebenskraft. Ein Blick zurück zeigte ein schauriges Bild. Das Wasser war nicht mehr da, der Splitter hatte gesiegt. Ich war müde, erschöpft, dankbar der Löwin, dass sie auch diesemal ihre schützende Hand über mich gehalten hatte und sehnte mich nach Borons Armen. Doch musste der Splitter in Obhut eines Tempels gegeben werden, solch ein mächtiges und böses Artefakt konnte hier nicht verweilen. Die Sache duldete keinen Aufschub. Der hochgelehrte Herr Fringlas kümmerte sich zunächst um die kaum noch atmende Dame Jurga, anschliessend gab er auch mir etwas Lebenskraft durch Madas Gaben zurück. Ich fühlte mich nur noch halbtot. Canku und Nuri hatten es besser überstanden als wir und bedurften keiner Heilung. Der Novadi wandelte sich von seiner Mandrakenform wieder zurück in eine menschliche Gestalt. Nachdem man sich wieder aufgerafft hatte, nahm ich wahr, dass auch Leonardo überlebt hatte. Dieser alte Zottel ist mir unheimlich. Ich bin mir nicht sicher, ob die langen Jahre der Gefangenschaft und die Kontrolle durch den Wurmdämon nicht tiefgreifende geistige Schäden hinterlassen haben. Bei dem, was er sprach, kam man nicht umhin, zu überlegen, ob er nicht bei den Noioniten besser aufgehoben wäre. Diese Mischung aus Größenwahnsinn, Genie und Verwirrtheit war gefährlich. Ich werde ihn im Auge behalten müssen.

Nachdem man sich soweit gesammelt hatte, gab es unterschiedliche Meinungen, wie mit dem Splitter zu verfahren wäre. Fringlas wollte damit zum Hesinde-Tempel, der Praios-Tempel war auch eine Option, ich plädierte für Rondra. Ich entschloss mich, den Rucksack mit dem Splitter zu nehmen, nachdem Fringlas diesen wieder mit den Resten der Halterung aus der Krone des kürzlich dahingeschiedenen "Kaiser" Galottas eingefangen hatte. Kaum ward der Rucksack auf meinem Rücken fühlte ich es. Etwas Dunkles, Mächtiges, Bösartiges versuchte, Besitz von meinem Geist zu erlangen. Macht versprach die Stimme, Ruhm verlockte das Wispern. Es weckte etwas in mir, was ich lange Zeit schon tief verschlossen halte. Meine dunkle Seite der Seele. Zorn. Rache. Doch unter Aufbietung all meiner Selbstbeherrschung widerstand ich dem Zugriff. Doch es war nicht weg. Nein, es begab sich in Lauerstellung. Der nächste Angriff war nur eine Frage der Zeit. All dies musste sich in einem Augenblick abgespielt haben, doch kam es mir wie eine Ewigkeit vor. So machten wir uns auf den Weg ins brennende Gareth. Der Anblick ward furchtbar. Alles stand in Flammen. Ein Teil der fliegenden Festung war in die Stadt des Lichts gestürzt. Soweit man es von hier aus überblicken konnte, waren dort gewaltige Schäden entstanden. Je näher wir der Stadt kamen, desto intensiver wurde die Hitze. Die Stadt selbst war das pure Chaos. Überall Trümmer, Ruinen, Leichen, Zerstörung und Tod. Doch irgendetwas war anders, als sonst. Der Anblick löste in mir keine emotionale Berührung aus. War der verdammte Splitter daran Schuld? Ich wusste es nicht. Was noch mehr beunruhigte, war die Tatsache, dass die Intensität des Leuchtens langsam aber stetig zunahm. 

Ich fasse die anschliessenden Ereignisse nun zusammen. Der Rondra-Tempel ward verlassen von der Priesterschaft, im Tempel selbst lagen dutzende Tote und ein verwirrtes altes Mütterchen erzählte, dass er zu einer Städe des schwarzen Gottes umfunktioniert wurde. Beim Hesinde-Tempel hatten wir mehr Erfolg. Die Diener der allweisen Schlange waren damit beschäftigt, Ihre Bibiliothek zu retten. Fringlas konnte den Erzwissensbewahrer jedoch die Situation und das Problem mit dem Splitter schildern. Dieser verwies uns an die Praiotie. Der Erwissensbewahrer und zwei Priester begleiteten uns und stimmten einen Gesang an. Dieser sollte wohl auf den Splitter einwirken. Auf dem Weg zu den Resten der Stadt des Lichts schlossen sich immer mehr Priester an, die in den Sing-Sang einstimmten. Das Singen und das beständige Wispern in meiner Kopf machten mir immer mehr zu schaffen. Ich fühlte eine Wut schlagartig in mir aufsteigen, und verspürte den Wunsch, diese Pfaffen alle niederzumetzeln. Erschrocken von diesen Gedanken, gab ich das Schwert zur Verwahrung an Fringlas. Bei den Praioti angekommen, ward der Hüter des Lichts gerade bei einer Ansprache an das gemeine Volk. Nachdem dieser in Kenntnis gesetzt wurde, sollte ich den Rucksack auf einen Altar legen. Wollte ich das wirklich? Gehörte der Splitter nicht eigentlich .... MIR. Wieso sich mit dem Gründen einer Schwertschule begnügen und dem Greifenthron dienen, wenn man nicht ein ganzes Kaiserreich haben kann? Mit dem Splitter würde das durchaus möglich sein. Der mittelreichische Hochadel war durchsetzt von Schwächlingen und Intriganten, die schnell beseitigt wären. Bei Rondra, was denke ich da. Schnell nahm ich den Rucksack ab und legte ihn auf den Altar. Sofort kehrte wieder etwas Ruhe in meinen geschundenen Geist ein. Doch fühlte ich noch immer nichts. Zwei Praioti versuchten den Splitter dann mittels eines speziellen Gefäßes zu bändigen, doch schien der Splitter durchaus dem etwas entgegen zu setzen. Diese Artefakt war einfach mächtig.

Wir kehrten nach Alt-Gareth zurück. Die Erschöpfung forderte mehr und mehr den Tribut, so musste ich Canku tragen, obwohl ich selber kaum noch gehen konnte. Jurga beschloss, die Gabe der Mada zur Beeinflussung des Wetters einzusetzen. Der Erzwissensbewahrer stellte ihr dazu eine schwarze Perle zur Verfügung, die als "Kraftspeicher" bezeichnet wurde. Was auch immer das sein soll. Der Zauber gelang, und wenigstens ein kleines Gebiet konnte mit Dauerregen überzogen werden. Ich schaute nun endlich beim Anwesen meiner Familie vorbei. Dies sah zwar beschädigt aus, vor allem im Bereich des Daches, doch der Rest war noch intakt. Ich ging hinein. Mutter, Vater und meine Schwester waren noch am Leben, doch sichtlich mitgenommen von den Ereignissen. Meine Amme war in Borons Reich eingefahren. Ich versprach, nach meinem Bruder zu schauen, der bei der Verteidigung der Stadt geholfen hatte. Dann ging ich zu den Rebakkens. Deren Anwesen war voll getroffen worden und bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Allen Göttern zum Dank war Tareka noch am Leben. Leider ihre Mutter nicht mehr. Ich spendete Trost und wies sie alle an, in das Haus der Belletors zu gehen. Wir werden uns zu gegebener Zeit alle zusammensetzen und die weiteren Schritte planen. Dann schaute ich nach meinem Bruder. Ich fand seine Leiche in einem Hauseingang. Er war tot, die Waffe noch in der Hand. Ich habe gegenüber meinen Bruder nie so etwas wie Respekt empfunden, war er doch das exakte Gegenteil von mir. Phexisch, verschlagen, wortgewandt. Doch als ihn da fand, änderte sich dies. Er hatte sein Leben für die Verteidung von etwas gegeben, was ihm lieb und teuer war. Seine Heimat. Ruhe in Frieden, Bruder, möge Boron Dir gewogen sein. Ich packte seinen Leichnam über die Schulter und ging zurück zu unserem Anwesen, bevor die Leichfresser kamen, um sich seiner zu bemächtigen. Der Anblick seines toten ersten Sohnes und Nachfolgers der Geschäfte brach Vater sichtlich das Herz. Ich appelierte an die ganze Familie, dass dies eine dunkle Stunde sei, doch wir nicht aufgeben werden. Aus Asche wird wieder etwas Neues entstehen. Ich konnte leider nicht mehr länger verweilen, da ich zurück zur alten Residenz musste. Dort angekommen, machte sich gerade Canku schlaftrunken auf dem Weg zur Nekropole, warum auch immer. Ich hies Fringlas, mich in einer Stunde zu wecken zur Zusammenkunft des Rats der Helden. Dieser alte Zausel Leonardo wuselte auch noch umher und sprach wirres Zeug über Spiegel und Splitter. Auch das war mir egal, ich wollte einfach nur noch schlafen, wenn auch nur ein Stundenglas.

Abenteuer: Jahr des Feuers - Aus der Asche
Dieser Eintrag wurde am 5.08.2016 (12:18) verfasst und 683 mal aufgerufen.
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