Tagebuch von Victor Dondoya Aureumresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Interludium ( 1029)

Wir hatten es geschafft, wenn auch auf andere Art und Weise als ich es mir erhofft hatte. Die wenigen Feinde die noch verblieben waren befanden sich auf der Flucht, aber ich war mir sicher das alle, vielleicht außer Samar al Regilor auf ihrem Dämonenross, die Elfenwälder nicht lebend verlassen würden. Zumindest wenn die Geschichten über das alte Volk stimmten, die man sich erzählte. Aus dem Zirkel der die Globule verschlossen hatte lebten alle, bis auf die Elfe Moorlied, noch, was ich als Erfolg werten würde. Das hätte vermutlich, so wie in unserem Traum, auch völlig anders ausgehen können. Dafür hatte ich jetzt eine recht genaue Vorstellung, was die Elfen meinten, sie würden bei ihrem Tot „ins Licht gehen“, denn es war tatsächlich so, dass sich Moorlied vor meinen Augen im Zentrum der Kraft die sie gebündelt hatte, Stück um Stück vergangen war, bis sie sich selbst im wahrsten Sinne der Worte in Licht aufgelöst hatte. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Aber sie schien dabei nicht gelitten zu haben, also ist vielleicht dieser elfische Weg zu sterben nicht einmal der schlechteste.

Auch erst im Nachhinein wurde mir die Gefahr voll bewusst, in die ich mich hier fortwährend begeben hatte. Das Risiko so nah an der Globule mittels des Transversalis durch den Limbus zu springen war mir ja noch bewusst. Aber was hätte auf dem Nodix hier noch alles geschehen können. Nun war der Transversalis im Vergleich zu den sonstigen dort während der Rituale freigesetzten Kräfte vergleichsweise irrelevant, wenn auch nicht völlig risikofrei. Aber wie ich meine Kraft in das Ritual integriert hatte hätte durchaus zu einer spontanen Überschreitung der kritischen Essenz führen können! Ich habe ja schon von Magiern gehört, bei denen dies zu akuter Entleibung, vorübergehendem Aufheben der Grenzen Deres oder dauerhaftem Wahnsinn geführt hatte. Oder kannte Moorlied tatsächlich auch hier ein uraltes Geheimnis, um den Kraftfluss in der Balance zu halten mit der Umgebung? Ich werde es wohl nie erfahren…

Der Rückweg nach Donnerbach durch die Elfenwälder war eine einzige Verwirrung aus verschiedensten Grüntönen. Wir waren alle geistig und körperlich ausgelaugt und die mitzunehmenden Blutopfer erleichterten uns den Weg auch nicht gerade. Das Einzige was ich halbwegs sicher sagen konnte, da wir ja als Fixpunkt mit dem 12. Travia den Tag des Rituals kannten, war das wir noch einmal etliche Tage in den Bergen und Wäldern verbrachten und erst am 20. Travia Donnerbach erreichten. Bis wir dort ankamen war schon recht sicher, dass unser gemeinsamer Weg hier zunächst sein Ende finden würde. Sari und Faramud wollten unbedingt weiter in den Norden. Sari um mit ihrer Sippe wieder vereint zu sein und von den Schamanen ihres Volkes unterrichtet zu werden. Und Faramud erzählte irgendetwas davon den nördlich der Salamandersteine lebenden „Uralten“, damit meinte er Riesen, seine Aufwartung machen zu wollen, wenn er schon einmal ohne weitere Aufgaben hier oben war. Pamina, das konnte ich nachvollziehen, hatte ein dringendes Anliegen ihre Familie im Horasreich zu besuchen, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Und da es Surina ebenfalls zurück in ihre Heimat zog würden die beiden wohl zusammen reisen. So blieb ich also alleine zurück um ebenfalls den Heimweg anzutreten, denn ein Umweg über das Horasreich würde mich Wochen, wenn nicht gar Monate kosten auf dem Weg nach Al’Anfa.

Allerdings schien sich unser Erlebnis zumindest unter den Elfen schneller verbreitet zu haben, als wir laufen konnten, denn in Donnerbach wurden wir bereits erwartet. Wir waren am Abend, noch erschöpft von der Wanderschaft, gerad erst eingekehrt, als eine Elfe wie ich sie noch nie gesehen hatte – ich hatte ja allgemein noch nicht viele Elfen kennengelernt – an uns herantrat, ein großes, schmales Päckchen unter dem Arm. Die Elfe hatte, ich kann es nicht anders nennen, eine für ihr Volk geradezu düstere Ausstrahlung. Ihr schwarzes Haar und die ebenfalls schwarzen Augen wären einem jedem Magus meiner Zunft hervorragend gestanden und ihr kühles Wesen machte sie nicht gerade zugänglicher. Dennoch bestand sie darauf, uns den Inhalt ihres Päckchens, ein Gemälde von ebenfalls finsterer Ausstrahlung, zu zeigen und von uns aus erster Hand zu erfahren, was wir erlebt hatten.

Eigentlich wollte ich nicht jedem dahergelaufenen Elf die Geschichte auf die Nase binden. Aber nachdem ich das Bild betrachtet hatte, konnten wir gar nicht anders. Die Elfe nannte sich Morvay sieht-schwarze-Federn-fallen aus der Krähenruf-Sippe und war eine Malerin, die ihre Visionen für die Welt in ihren Bildern festhielt. Auf dem Bild war eine elfische Gestalt auf einem Hügel gesplitterten Eises zu sehen. Der Himmel dahinter war dunkelviolett und bedrohlich, das nebelweise Haar flatterte in einem nicht zu sehenden Sturm. Die Gestalt erinnerte mich frappierend an Navahon Luchsweiser. Die Arme hatte der Elf beschwörend erhoben und aus den Fingern zuckten rote Blitze in den Himmel. Die Augen leuchteten regelrecht golden und zornig aus dem Bild und schienen den Betrachter gefangen nehmen zu wollen, während zu Füßen der Gestalt schwarzer Nebel wallte. Ich schauderte, als ich die Szene sah, die mehr als nur ein bisschen Ähnlichkeit mit dem gerade erlebten hatte. Also erzählten wir ihr, was vor kurzem in dem abgelegenen Tal geschehen war. Sie sagte nicht viel dazu, nickte nur immer wieder bestätigend und wissend, was mich noch mehr irritierte, bevor sie sich von uns mit einem freundlichen Dank verabschiedete. Seltsamerweise wirkte sie dabei erleichtert. Welche Last diese Elfe wohl für sich tragen mochte?

Wir gönnten uns noch ein paar Tage Ruhe in Donnerbach, bevor wir aufbrachen, jeder in eine andere Richtung gehend. Aber ich war mir, bei allen außer Sari, relativ sicher, dass wir uns früher oder später wiedersehen würden, immerhin wartete in Al’Anfa ja noch ein unermesslicher Schatz auf sie, den sie dann in meines Vaters Kontor würden abholen wollen. Nur Sari, die sich ja nichts aus Gold machte war ich mir da wirklich nicht sicher, ob sie den langen Weg für einen Haufen Metallscheiben auf sich nehmen wollte. Aber wir würden sehen… in einer seltenen Gefühlsaufwallung umarmte ich die treuen Gefährten noch einmal zum Abschied, selbst Faramud. Sie waren mir alle irgendwie ans Herz gewachsen in den letzten Monden und bei den gemeinsam überstandenen Gefahren. Insbesondere Sari und Pamina würde ich herzlich vermissen, aber auch Faramud als sicheren Schutz an meiner Seite und selbst Surina die uns ja noch nicht so lange begleitete hätte ich lieber noch mit mir genommen, statt sie jetzt ihrer Wege ziehen zu lassen. Aber das wollte Aves mir offensichtlich nicht vergönnen.

Die entstandene Zuneigung und das Vertrauen schienen jedoch auf Gegenseitigkeit zu beruhen, zumindest bei einigen. Das eindrücklichste Beispiel dafür lieferte mir Pamina, als sie sich von mir verabschiedete. Ich meinte sogar, ein paar Tränchen in ihren Augenwinkeln zu sehen, als sie mir versprach mich bald in Al’Anfa zu besuchen. Aber dann überraschte sie mich – in zweierlei Hinsicht. Denn zum einen schien sie mir nicht nur immer wieder gut zugehört und sogar anscheinend manches verstanden zu haben. Nein, sie schenkte mir auch einen immensen Beweis ihres Vertrauens in mich, indem sie ein Taschentuch und ihren Dolch zückte, sich sacht in den Arm schnitt, das austretende Blut auffing und mir dann das Tuch reichte. „Hier, das ist für Dich. Du hast gesagt, mit so etwas kannst Du mich immer finden oder mir Nachrichten zukommen lassen.“ Dann schienen ihr die Worte zu fehlen, aber mir ging es nicht anders. Damit hatte ich am allerwenigsten gerechnet, das war wahrlich einer der innigsten Beweise von echtem Vertrauen sowohl in meine Integrität als auch meine Fähigkeiten, die mir jemals jemand entgegengebracht hatte. Ich musste heftig schlucken, um meine Rührung zu verbergen. Bei Hesinde, dieses Vertrauen würde ich niemals mehr verspielen wollen! Und sollte sie mich jemals brauchen… nun, gerade war sie in den Kreis der Personen aufgerückt, die ich wie meine Familie bedingungslos beschützen würde. Ich nickte ihr stumm zu und umarmte sie noch einmal, einfach wortlos, weil ich nicht wollte, dass sie möglicherweise die Rührung in meiner Stimme hörte, wenn ich dazu etwas sagen würde.

Sari und Faramud verabschiedeten sich bereits in Trallop von uns, während Pamina und Surina mir zumindest noch bis Trallop erhalten blieben. Aber da ihr Weg nun nach Efferd aber meiner gen Rahja führte hieß dies nun endgültig Abschied nehmen. Ich gebe zu, ich fühlte mich in den ersten Tagen schon ein wenig allein gelassen, als ich so meiner Wege ohne jegliche bekannten Gesichter ging. Ich war natürlich selten allein, denn so viele Straßen gab es hier ja nicht. Meist fand sich in den Gasthäusern und Schänken am Morgen jemand, der in die gleiche Richtung ging und mit dem man sich für einen oder mehrere Tage zu einer spontanen Reisegruppe zusammenschließen konnte. Aber das war einfach nicht dasselbe…

Über Braunsfurt nach Salthel, über einen Bergpass der schwarzen Sichel hinüber ins Tobrische und dann von Kleinwardstein über Perainefurt bis nach Vallusa führte mich der Weg, dessen länge ich offenbar unterschätzt hatte. Ich hätte gedacht, ich könnte die Küste in vielleicht einer Woche oder 10 Tagen erreichen. Das hätte ich mit einem Pferd vermutlich – ich verfluchte Faramud an dieser Stelle noch einmal herzlich – auch geschafft. So aber benötigte ich für den Weg, zu Fuß oder manchmal auf einem Karren mitfahrend, über zwei Wochen. Wenigstens hatte ich dadurch abends, und später auf dem Schiff, genügend Zeit mich mit dem in Punin erworbenen Buch „Von der Entwicklung übernatürlicher Willenskraft“ zu beschäftigen. Dabei waren in der ganzen Zeit, das Reisewetter war im Allgemeinen gut und es bildete sich auch niemand ein mich überfallen zu wollen, nur zwei Dinge wirklich erwähnenswert.

Das erste geschah, als ich, noch zwischen Braunsfurt und Braunenklamm, alleine reisend die Mittagsrast im Schatten eines Baumes am Ufer des Braunwasser machte und mir gerade ein Stück Brot mit dem herzhaften weidener Käse, der ein recht starkes Aroma hatte, einverleibte. Niemand störte die Ruhe weit und breit, als sich ein mir bereits vertrautes Kribbeln im Nacken einstellte und der wohlbekannte leicht schwefelige Geruch verbunden mit einer Woge der niederhöllischen Kälte aufwallte. Neben meinem Lager manifestierte sich, wie aus dem Nichts, im dunkelsten Schatten der Baumkrone der niederhöllische Bote Karunga mit einem leisen, irren Kichern. Ich spannte mich innerlich, denn wirklich sicher ob ich diesmal gelobt würde oder bestraft, weil ich den letzten „Auftrag“ nicht erfüllt hatte, war ich mir bei den Niederhöllischen ja nicht. Aber ich schien mir keine Sorgen machen zu müssen, denn die flüsternde Stimme des Dämons war auch nicht bedrohlicher, als sie es bisher gewesen war, soweit man bei Dämonen von „freundlich“ sprechen konnte. „Du hast meiner Herrin Iribaar ordentlich gedient, auch wenn Du ihren Willen nicht erfüllt hast, Mensch. Aber Du hast ihr Geschenk zu einem Zweck verwendet, der ihren Zielen diente und du hast die Rückkehr des sechsten Tagherrschers vereitelt. Denn dies wäre auch meiner Herrin ein Gräuel gewesen… so Empfange nun also ihr Geschenk.“ Ich wartete neugierig, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet, und entspannte mich etwas, als mir der Dämon in grünem Schimmer die letzten Buchstaben enthüllte und noch einmal zu sprechen begann. „Der Feind, den du unter dem falschen Namen Samar al Regilor kennst, heißt in Wahrheit Perizel Al’Balam Saba Mordai. Diese früher als dümmliche Novadi und jetzt Dienerin des Namenlosen verblendete treibt ihr Spiel schon viel zu lange und ist meiner Herrin ein Dorn im Auge, deswegen sollst Du nun mehr erfahren. Sie ruft die Kinder des Abgrunds, deren wahre Namen sie kennt, nach ihrem Belieben und will die Macht des Namenlosen mehren, um ihn am Ende in eure Sphäre zurück zu rufen und seine Gunst zu erlangen. Diesmal plante sie, dies mit der Rückkehr des Tagherrschers zu erwirken, aber sicher sind ihre finsteren Pläne und Ränken noch nicht erschöpft. Sie ist dem Wahn verfallen, als ihr Mann sie für eine jüngere Verstieß und hat nicht nur ihre Familie ermordet und ihr Heim angezündet, sondern dem Rattenkind all ihre Haare geopfert. In Ihren Lehren verschmilzt sie auf perfide Art und Weise den Glauben der Novadis an einen einzelnen Gott mit den Ränken des Güldenen, um sich dort eine Machtbasis zu schaffen und die leichtgläubigen Kameltreiber für ihr Zwecke zu missbrauchen oder zu ihren Lehren zu bekehren. Dort solltest Du sie suchen… meine Herrin hätte nichts dagegen, wenn dieser Dienerin des Namenlosen ein Unfall geschieht. Und falls Du mehr erfahren möchtest… Du weißt ja, wer gegen eine kleine Gabe immer bereitwillig sein unermessliches Wissen mit den Menschen zu teilen bereit ist…“ Dann kicherte der Dämon noch einmal auf seine irre Art und verschwand, genauso schnell wie er gekommen war. Natürlich würde ich diesen Köder nicht schlucken, auch wenn es verlockend war. Aber ich wusste nun erst einmal genug, um mir meine eigenen Gedanken machen zu können, wie ich meine Rache noch bekommen würde. Und ob ich Perizel dann im Tot zu den Göttern oder vielleicht doch in die siebte Sphäre als Geschenk senden würde… das konnte ich mir ja immer noch überlegen. Iribaar würde mich sicher nicht unentlohnt lassen, wenn ich dies täte. Und von den Zwölfen, dass muss man zugeben, blieben solche guten Taten ja doch meist unvergolden. Also wollte ich da einfach einmal nichts von vornherein ausschließen…

Das zweite was ich nicht unerwähnt lassen möchte, auch wenn es eher eine Randnotiz ist, war ebenfalls eine kleine Versuchung, wenn auch ganz anderer Art. Bei Kleinwardstein hätte ich von meinem Weg abweichen können, denn dort führte eine Straße gen Praios nach Yol-Ghurmak, der letzten Wirkstätte von Meister Galotta. Es juckte mich den ganzen Abend und die Nacht in der Festungsherberge über, mir diesen sagenumwobenen Ort einmal mit eigenen Augen anzusehen. Angeblich ja die größte und mächtigste Dämonenschmiede des Kontinents, voll von niederhöllischen Wundern und unermesslichen Möglichkeiten für denjenigen der stark genug wäre das Schicksal beim Schopf zu packen. Aber als ich mich am Morgen endgültig entscheiden musste, siegte meine Sehnsucht nach der Heimat und der Familie. Und der Aussicht wieder mit Visaria vereint zu sein! Bei ihr würde ich ohnehin Abbitte leisten müssen, dass ich schon wieder so lange verschwunden war, wo ich doch nur eine kurze Fahrt unternehmen wollte. Aber ich hatte mir schon überlegt, wie ich es bei ihr wiedergutmachen wollte. Zumindest wenn ihre Familie mitspielen würde. Ich müsste ja später noch ins Horasreich reisen um meine Schulden bei Fabrizio zu begleichen und mein Patenkind Miguel zu besuchen. Und nur dort würde ich wohl auch einen ausreichend kompetenten Lehrer des Aureliani finden, sei es in Bethana, Vinsalt oder gar Kuslik. In jedem Fall würde mir da noch eine Reise bevorstehen, und im besten Fall würde ich Visaria auf diese mitnehmen und sie nicht nur zum Studium, sondern gleich als gemeinsame Urlaubsreise nutzen können. Ich war mir nur noch nicht ganz sicher, wie ich ihre Familie von diesem Ansinnen überzeugen sollte. Denn die Reise mit einem zusätzlichen Anstandswauwau der Ulfharts zu verbringen käme natürlich auch nicht unbedingt in Frage…

Also setzte ich meinen Weg weiter fort um am Ende der Straße endlich Vallusa zu erreichen um mir dort eine Schiffspassage zu suchen.

Vallusa betrat ich über die tobrische Brücke und musste eine, angesichts der nähe zu den schwarzen Landen nicht verwunderlich, recht strenge Befragung und Visitation über mich ergehen lassen. Das Zutrauen in Magier jeglicher Couleur, selbst mit der Reputation eines Abschlusses und der Gilde im Rücken, schien hier nachhaltig erschüttert zu sein – oder sie sagten sich einfach, Vorsicht sei die Mutter der berühmten vallusaner Porzellankiste. Quartier nahm ich dann bis zur Abfahrt vom Hafen 4 Tage später in der Brückstube. Einem ordentlichen Haus, in dem ich mich in Ruhe meinen eigenen Angelegenheiten widmen konnte. Es gingen von hier immer wieder einmal einzelne Schiffe nach Festum und Konvois durch die blutige See gen Süden. Es war tatsächlich überhaupt kein Problem auf dem nächsten Konvoi eine Passage zu bekommen, nachdem ich erbot mich als Schiffsmagus nützlich zu machen, solange ich dafür die Fahrt samt Verpflegung unentgeltlich bekommen würde. Die Schivonella „Stern von Terubis“, die unter liebfeldischer Flagge auf dem Rückweg von Festum war nahm mich gern an Bord und so konnte ich unter Efferds wohlwollenden Augen meine Reise fortsetzen.

Unsere Passage war von wechselhaftem, aber nicht allzu schlimmen Wetter geprägt. Bei der Durchfahrt der blutigen See hatten wir mit den üblichen Unannehmlichkeiten zu kämpfen. Ein xeraanischer Pirat meinte, einen Nachzügler der Flottille überfallen zu müssen, dem wir zu Hilfe kamen und die blutrünstigen Bastarde wieder vertrieben. Einen dichten Algenteppich, bei dem ich durch Betrachtung mit dem Oculus Astralis eine Ulchuchu-Verseuchung vermutete, mussten wir umfahren und verloren etwas Zeit. Und einen nächtlich aufziehenden stinkenden Nebel überstanden wir durch das verstärken der Positionsbeleuchtung und regelmäßige Signale, die wir uns gegenseitig mit den Schiffsglocken gaben. Ansonsten bestand meine Aufgabe eher darin, leichtere Blessuren der Matrosen zu kurieren, soweit das abergläubische Seemansvolk überhaupt einen Magier an sich heranließ. Aber im Großen und Ganzen waren die 10 Tage bis Khunchom eine der angenehmeren Seereisen, die ich bisher absolviert hatte.

Eigentlich hätte ich ja einen mehrtägigen Aufenthalt in Khunchom geplant. Aber da die „Stern von Terubis“ schon in zwei Tagen nach der Löschung der Fracht und Neubeladung und einem Landgang für die Besatzung schon weiterfuhr und mich sogar noch bis Al’Anfa mitnehmen würde, stellte ich diese Pläne hintenan. Trotzdem ließ ich es mir nicht nehmen, bei Yunasia an der Akademie vorbeizusehen. Ich wollte ihr unbedingt von den letzten Erlebnissen berichten, insbesondere von meinen Erlebnissen mit dem elementaren Meister im Kalifat und der hexaelementaren Verschmelzung bei dem Ritual zur Bannung des Tagherrschers. Sie schien tief beeindruckt von den Möglichkeiten, die die Zauberwirker der Nivesen zustande brachten und ich sie fragte mir eine Nacht lang ein Loch in den Bauch, auch wenn ich nicht alle ihrer Fragen zur Zufriedenheit aufklären konnte. Mir war ja selbst das meiste davon ein Rätsel geblieben – mit ihrem Wissen um den Elementarismus wäre der Erkenntnisgewinn auf der Reise sicherlich ungleich größer gewesen. Deswegen versprach ich ihr auch, sollte ich noch einmal mit Sari in ihrer Nähe vorbeikommen, würde ich die beiden sicherlich bekannt machen. Sie würden sich bestimmt prächtig verstehen!

Und schon ging es weiter in Richtung der Heimat, ehe ich mich versah. 14 Tage segelten wir nun entlang der Küstenlinie, sogar mit dem Studium meines Buches war ich fertig bevor wir ankamen so dass ich begann mich zu langweilen, bis wir endlich die vertrauten Umrisse der schönsten Stadt Deres sahen. Ich stand schon eine ganze Zeit erwartungsfroh an der Reling, seit wir das Kap in die Bucht von Al’Anfa passiert hatten. Mir konnte es nun gar nicht mehr schnell genug gehen und ich hatte mich vom Kapitän bereits verabschiedet, als wir endlich am Kai anlegten. Die Planke hatte kaum den Boden berührt, als ich schon von Deck stürmte und mich in das geschäftige Treiben des Hafenviertels stürzte. Bereits die letzten Tage hatte ich überlegt, was ich hier in welcher Reihenfolge erledigten wollte. Und egal wie ich es drehte und wandte, es war mir alles so wichtig, dass ich mich am liebsten zerteilt hätte.

Der erste Weg, einfach weil es der kürzeste war, führte mich zu Vaters Kontor um dort zu verkünden, dass ich wieder zuhause war und mich spätestens zum Abend in der Villa einfinden würde. Ich hatte Glück, dass Vater zu einem Geschäft im nahen Phextempel war, denn sonst wäre ich sicher nicht so schnell wieder fortgekommen. So konnte ich mir aber sicher sein, dass ein Diener die Nachricht schon überbringen würde und ich den Gang erledigen konnte, der mir fast noch wichtiger war, bevor ich meine Familie wiedersehen wollte.

Auf dem Weg durch die Stadt in Richtung des Silberbergs machte ich eine ganz kurze Station bei einem Barbier um mein Haar richten zu lassen, mich bei einem Bader zu reinigen und in meine gute dunkle Robe zu wechseln. Solcherart aufgehübscht traute ich mich nun auch, bei den Ulfharts vorstellig zu werden um Visaria nach der langen Zeit meine Rückkehr zu verkünden und sie, wenn sie es denn so spontan würde einrichten können, zur heute sicher wieder stattfindenden abendlich Erzählstunde in die Villa meiner Eltern einzuladen. Es war schon seltsam, wie ich, der ich ja ansonsten wenig befangen war und mich den größten Gefahren der Welt mit sicherem Stand stellte, dem Wiedersehen mit meiner süßen Visaria mit einem Kloß im Hals, einem Knoten im Magen und leicht unsicheren Knien entgegensah als ich die Tore des ulfhartschen Anwesens durchschritt in den Sklaven hieß, mich anzukündigen.

Dieser Eintrag wurde am 27.06.2025 (10:57) verfasst und 5 mal aufgerufen.
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