Tagebuch von Victor Dondoya Aureumresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Der sechste Namenlose ( 1029)

Aus dem verschreckten Diener war kaum eine vernünftige Auskunft herauszubekommen, während wir in den Garten eilten. Sei es echte Sorge oder die Furcht vor einer Strafe, auf jeden Fall waren seine alten Knochen noch zu erstaunlich schnellen Bewegungen fähig, wenn es darauf ankam. Trotzdem ließ ich ihn schon auf den ersten Schritt um das Haus herum hinter mir, spornte doch auch meinen Lauf die Sorge beträchtlich an. Das Bild das sich mir im Rosengarten bot war zunächst nicht schockierend, aber nichtsdestotrotz höchst unerfreulich. Die kleine Ulmjescha lehnte in Tränen aufgelöst und mit einer blutenden Wunde am Kopf an einem Baum. Sie hatte mit Nandurin im Garten verstecken gespielt und ihn noch im Gebüsch lachen gehört. Aber als sie ihn überraschen und erschrecken wollte und um die Hecke herumgesprungen war, wurde sie offensichtlich niedergeschlagen. Und als sie wieder zu sich kam, war Nandurin fort. Während sie dies berichtete sah sie mich furchtsam an, so als würde sie erwarten das ich jederzeit meinen Zorn an ihr auslassen würde. Und zornig war ich, das will ich gar nicht verneinen. Aber was hätte es für einen Sinn gehabt Ulmjescha zu dessen Ziel zu machen? Die Wächter unseres Anwesens, vielleicht. Aber in erster Linie doch diejenigen, die es wagten sich zutritt zu verschaffen und so töricht waren, Hand an Nandurin zu legen! Diese, und niemand anderen würde mein gerechter Zorn und die unvermeidliche Strafe treffen…

Die Wunde an Ulmjeschas Kopf blutete noch, also konnte das Verbrechen noch gar nicht so lange her sein. Pamina eilte von dannen um Saba zu holen und die Spur aufzunehmen, wozu sie sich auch noch von der Dienerschaft eines von Nandurins Stoffspielzeugen bringen ließ.  Ich sah mich etwas ratlos um, im Umkreis fand sich, untypisch für unseren ordentlichen Garten, nur ein abgebrochener Ast, mit dem Ulmjescha wohl niedergestreckt worden war. Vermutlich hatte die Kleine noch Glück gehabt, das sie nur niedergeschlagen und nicht gleich erstochen worden war. Pamina führte uns dann, als Saba die Spur aufgenommen hatte, zur Mauer unseres Anwesens, über welche die Schurken wohl geklettert waren. Auf der anderen Seite der Mauer nahm sie die Fährte erneut auf und folgte ihr in die Stadt. Ausgerechnet den Berg hinunter mitten in das pralle Leben hinein. Mir schwante nichts Gutes… eigentlich hätte ich sofort zurückgehen und einen Thalon auf die Sache ansetzen sollen… aber Faramuds und Saris Einwände hielten mich zunächst davon ab. Hätte ich diesmal nicht auf sie gehört, wir hätten uns einige Stunden unnütze Arbeit erspart. Aber sie hatten sich mein Vertrauen zuletzt ausreichend verdient, um ihnen zunächst zu vertrauen.

Es dauerte nicht übermäßig lange, bis wir im Gedränge und auf den Straßen in der Hafengegend die Spur verloren. Saba mochte vielleicht ein hervorragender Jagdhund sein, aber was hatte ich erwartet? Al’Anfa war einfach kein Wald wo man einem Häschen in Ruhe folgen konnte… An der Stelle wo sich der Hund schließlich nur noch unentschlossen im Kreis drehte saß ein betrunkener Bettler, dem ich in der Eile einen Silberling in den Rachen stopfte, dafür das er uns den Weg Richtung Hafen hinunter wies, wohin seiner Aussage nach ein Mann mit einem Kind auf dem Arm gerannt war. Dort versuchten wir die Spur wieder aufzunehmen, prüften insbesondere die Stege, die auf die Schiffe führten um eine Entführung Nandurins aus der Stadt hinaus zu unterbinden. Aber Saba schien sich angesichts der Massen an Menschen und des Trubels nicht mehr auf ihre Aufgabe konzentrieren zu können. Unnützes Vieh!

Sari, die wohl auch in Sorge war, erbot sich mit ihrem Geisterblick eine Spur Nandurins aufzunehmen, wenn er denn so wie ich von der Sternenkraft durchdrungen war – was ja unleugbar der Fall ist! Wir eilten zum nicht allzu weit entfernten Lagerhaus meines Vaters, wo sie die nötige Ruhe und vielleicht einen erhöhten Aussichtspunkt haben mochte, um ihre Geister anzurufen. Während sie sich noch daran machte das ihre zu tun wollte ich eigentlich auf meine Art und Weise in einer ruhigen Ecke nun doch einen freundlichen Thalon um Hilfe bitte. Aber wieder wandten Sari und Faramud etwas dagegen ein, als ich begann einen Fünfstern zu zeichnen und Kerzen aufzustellen – und Vater, der mittlerweile dazugekommen war, unterband meine Ausführung im Lagerhaus direkt, weil er „die Werte Dame aus dem Norden“ nicht vor den Kopf stoßen wollte. Also packte ich meine Sachen unverrichteter Dinge wieder ein, nicht ohne einen Disput mit Vater geführt zu haben, der mich zurechtwies, warum wir nicht die Wache und die Kontakte der Familie nutzen würden, um das Problem zu lösen. Als wenn ich auf die Hilfe irgendwelcher tumben Stadtgardisten angewiesen wäre! Aber da kamen unsere Meinungen nicht zusammen… Ich hatte nur den Eindruck, dass insbesondere Pamina ein Vergnügen daran fand, wie Vater mich zurechtwies und ich dies geschehen lassen musste. Sollte sie sich nur nichts einbilden… dieses Vorrecht hatten genau zwei Menschen auf Dere – Mutter und Vater, und zwar genau in dieser Reihenfolge. Und vielleicht noch die Spektabiliät der Akademie. Aber mehr auch nicht!

Sari gelang es tatsächlich, eine Spur aufzunehmen. Ihre arkanen Sinne mussten ausgesprochen fein sein, wenn sie die Reststrahlung einer Präsenz solcherart wahrnehmen konnte – andererseits war Nandurins Astralleib natürlich auch etwas besonderes. Wir folgten ihr also durch das Gedränge bis zu einer Seitengasse und einem Laden, der von einem Schild als „Raswans Antiquitäten“ ausgewiesen wurde. Ich zögerte nicht, und Riss die Tür auf. Wenn das der Unterschlupf der Schurken war, würde ich kurzen Prozess mit jedem machen, der sich uns in den Weg stellen wollte. Wir überraschten einen alten Kerl, wohl den Inhaber, im Gespräch mit einem grauberobten Kollegen der Sehgläser auf der Nase hatte. Ich insistierte darauf, sofort gehör zu finden, aber beide wussten offensichtlich nicht worum es ging. Und Sari gestand kleinlaut ein, dass sie vielleicht einer falschen astralen Spur gefolgt sein könnte. Also hatten wir erneut Zeit vergeudet!

Auf dem Rückweg zum Lagerhaus gingen wir nun doch bei der Wache vorbei und erstatteten Anzeige. Ich beschrieb Nandurin und seine Kleidung, ein besticktes Wams und eine Hose im Festumer Schnitt, die ihn recht einfach erkennbar machen würden. Aber ich hatte nicht den Eindruck, auch wenn er es versicherte, dass der Weibel übermäßige Strebsamkeit an den Tag legte. Wie ich es mir dachte, meine Art das zu Regeln wäre wohl dich die aussichtsreiste Variante! Wenn man etwas dringliches erledigt haben wollte, musste man sich einfach am besten sofort selbst darum kümmern! Als wir zurück zum Lagerhaus gingen erwartete mich allerdings schon die nächste Standpauke von Vater, als er erfuhr, dass ich der Wache bei der Anzeige nicht auch noch einen Beutel mit Dublonen über den Tisch geschoben hatte. Stimmt, das hätte man tun können… andererseits sollte man wohl meinen die Wichtigkeit meiner Person und unserer Familie wären diesen uniformierten Lakaien Ansporn genug, oder?! Faramud, der überrascht schien das solche Dinge hier ähnlich wie in seiner Heimat geregelt werden konnten, machte sich noch einmal auf den Weg zurück zum Turm und kam kurz darauf wieder mit der Nachricht, dass dieses Versäumnis bereinigt sei, während ich mich noch im Streitgespräch mit Vater befand. Und er hatte sich bei diesem „Motivationsgeld“ wohl auch nicht lumpen lassen. 20 Marawedi hätte er den Wächtern zugesteckt, wie er meinte, die er von Vater direkt wieder ersetzt bekam und auch noch ein Lob dafür einstrich „ein so umsichtiger Mann zu sein, im Gegensatz zu dem verkopften und verstudierten Sohn, der wohl die Jahre in der Lehre nichts richtiges gelernt hätte“. Pah! Als ob! Wäre es nach mir gegangen und hätte man mich einfach machen lassen, hätten wir Nandurin schon längst wieder zurück gehabt! Meine Wut und mein Zorn kochten unter der nach außen ruhigen Oberfläche.

Wie ließen uns dann in Sänften zurück zum Anwesen tragen. Nun hatte ich die Nase endgültig voll. Von wegen, warten darauf das die Wache uns Nachricht zukommen ließ oder die Entführer uns ihre Forderungen schicken würden. Diese hasenherzige Passivität kam überhaupt nicht in Frage. Wofür hätte ich den jahrelang studiert, wenn ich mich dann im entscheidenden Moment wie ein hilfloses Opfer auf die Zuarbeit anderer verlassen musste? Während sich alle auf ihre Zimmer zurückzogen machte ich mich nun in meinen Räumen daran, dass zu tun was ich schon längst hätte machen sollen. Pentagram und Schutzkreise gezeichnet, die Beschwörerkerzen aufgestellt und wenig später manifestierte sich ein Thalon, der unbarmherzige Jäger vor mir. Gut, es stank nach Schwefel und Chaos, das hatte ich in meinem Zimmer eigentlich nicht so gern, aber das nahm ich diesmal in Kauf. Die form des Wiesels war zwar recht ungewohnt, eher eine giftgelbe Wolke als eine feste Form, aber ich brachte den Dämon mit eisernem Willen unter meine Kontrolle. Genau für solche Fälle hatte ich Nandurins Nabelschnur aufgehoben. Mit einem Stück davon als Spur schickte ich den Thalon los, Nandurin zu finden und zu mir zurückzukehren und mir seinen Aufenthaltsort mitzuteilen – und natürlich sonst nichts zu tun, blablabla… das übliche Eben, wenn man einen sorgfältig formulierten Dienst von einem Dämon forderte.

Als zum Abendessen gerufen wurde blieb ich vorsorglich auf meinem Zimmer unter dem Vorwand, auf Grund der Geschehnisse keinen Appetit zu haben. Es wäre dann doch etwas unerfreulich gewesen wenn der Dämon zurückgekommen wäre und mich aufgesucht hätte, während wir gerade bei Tisch saßen. Und das war wohl auch gut so. Als das Wiesel zurückkam, es roch anders und sah auch anders aus als bei seinem Aufbruch, hatte es genau das erfahren, was ich wissen wollte. Nandurin sei in einem Bordell zu finden, dem „Garten der Lüste“. Sofort schossen Bilder in meinen Kopf, die mich seit den letzten Namenlosen Tagen begleiteten. Dieses Haus kannte ich nur zu gut! Ich raffte meine Sachen zusammen, schickte den Dämon zurück in seine Sphäre und eilte die Treppe zum Ausgang hinunter.

Anscheinend machte die Wache meinem Vater gerade ebenfalls ihre Aufwartung mit einer gleichlautenden Information. Als ich an der Familie vorbei eilte, die anderen aufforderte mir zu Folgen und dabei erwähnte, dass ich dieses Haus kannte hörte ich noch während ich zur Tür hinaus eilte die Stimme meiner Mutter hinter mir „Sohn, woher kennst Du so ein Etablissement?“ Ich hatte keine Zeit zu verlieren, rannte direkt los und verzichtet auch darauf erst die Sänften fertig machen zu lassen. Das wäre Zeitverschwendung gewesen. Die Anderen folgten mir nach und nach, weil einige von ihnen zunächst ihre Waffen von den Zimmer holen mussten. Draußen war es bereits Dunkel, aber ich entzündete den Stab zur Fackel, während ich durch die Straßen meiner geliebten Heimatstadt eilte. Oh ja, an diesen Weg erinnerte ich mich – trotz des Zustands, in dem ich mich beim letzten mal befunden hatte, als ich ihn gegangen war. Im Bereich des Hafens waren wir wenige Stunden zuvor gar nicht einmal so verkehrt gelegen. Hätte dieser dumme Hund doch nur nicht kurz vor dem Ziel die Spur verloren! Hoffentlich erwartete uns keine allzu große magische Bedrohung, das rufen und beauftragen des Dämons hatte mich doch einen beträchtlichen Teil meiner Kraft gekostet.

Als ich vor der Tür des Bordells ankam, die Anderen hatten mich derweilen eingeholt, knallte ich fordernd an die Tür. Der Schläger der uns öffnete und süffisant angrinste fragte nach unserem Begehr, da das Haus in vollem Betrieb zu sein schien. Ich versuchte ihn zu Seite zu drängen und verwies darauf, dass mein Sohn hier sei, was ihn angesichts meines eigenen Alters zu verwirren schien. Erst später verstand ich, dass er wohl davon ausgegangen sein musste, das er meinen Sohn als einen der Kunden der örtlichen Damenwelt einzuordnen versuchte, was natürlich keinen Sinn ergab. Aber das verstand ich in meinem aufgebrachten Zustand an der Tür noch nicht. Da meine Statur nicht ausreichte um sich Zutritt zu verschaffen übernahm Surina dankenswerter Weise diesen Part und war sich nicht zu schade, den Schläger dabei mit der Spitze ihres Degens dazu zu bringen den Weg freizumachen.

Ich schlug direkt den Weg hinunter und in die verwinkelten Gänge ein, die ich schon kannte. Wo sonst hätten sie meinen kleinen Schatz auch sonst verstecken sollen? Ich ging nicht davon aus, das ihn eine der Huren gerade an ihrem Busen säugte während sie arbeitete… und wenn doch würde ich das Weib in Stücke reisen! Aber natürlich hatte ich recht. In dem Kellerraum, in dem mich damals die unheimliche Gestalt empfangen hatte fanden wir Nandurin. In der linken hinteren Ecke lag er auf einer Decke, achtlos zurückgelassen. Sofort eilte ich zu ihm und nahm ihn hoch. Dabei musste wohl ein Blatt Papier zu Boden gefallen sein das mir zunächst entging, aber von Surina aufgenommen und gelesen wurde, bevor sie mir es gab. Während ich mich umsah, der Raum hatte viel von seiner bedrohlichen Atmosphäre eingebüßt, eines der Kohlebecken lag in einer Ecke, das andere Stand noch an seinem Platz und war noch etwas warm, legte sich meine Aufregung langsam.

Nach diesem Schreiben wäre es notwendig gewesen Nandurin körperlich hier zu haben, um seine Bindung an den Namenlosen zu lösen, auch wenn „er“ sonst etwas oder jemand nicht mehr hergebe, das ihm einmal gehörte. Aber der Handel wäre nun damit endgültig eingehalten und Nandurin nun freigegeben. Ich Verstand den Ansatz der dahinter stand. Natürlich, auch ein Artefakt das man entzaubern wollte musste man vor sich liegen haben und das mochte sich hier so ähnlich verhalten. Aber war ich deswegen mit dem Vorgehen und der Entführung einverstanden? Natürlich nicht! Ein weiterer Affront gegen mich und meine Familie, die gesühnt werden musste. Und zwar mit Blut. Mit viel Blut! Ich würde diesen Kerl erwischen. Und dann diejenigen die hinter ihm standen. Und wenn danach immer noch jemand dahinter stand würde ich auch diesen erwischen… Darüber hinaus wurde ich in dem Schreiben auch noch verhöhnt, dass es ja sowieso nur eine Frage der Zeit war, bis ich mich umbenennen und ebenfalls ein Diener des Güldenen werden würde. Als ob! Eher würde ich mich der Praios-Inquisition anschließen, als diesen Idioten! Als Beweis meines Vertrauens zeigte ich den anderen den Brief ebenfalls und erklärte ihnen ein wenig zu den Hintergründen. Sie sollten ja verstehen warum wir als nächstes nach Rashdul musste um diesen Priester zu jagen.

Dennoch war ich beruhigt, Nandurin wieder sicher in den Armen zu haben. Als wir zurück ins Haus meiner Familie kamen war auch Ulmjescha sichtlich glücklich und wollte gar nicht mehr von seiner Seite weichen. Das gute Kind hatte sich ernsthaft um meinen kleinen Prinzen gesorgt. Und auch Nandurin schien glücklich zu sein sie wieder zu sehen. Sie schlug sogar ihr Lager direkt neben seinem Bettchen auf um den Rest der Nacht bei ihm zu sein. Und auch ich machte es mir im Sessel in seinem Zimmer gemütlich.

Bevor ich mich allerdings zu Bett begab suchte ich noch einmal Pamina auf. Ich empfand es nun an der Zeit, sie von Atzina zu unterrichten. Hier würde ihr dadurch nun keine Gefahr mehr drohen, und auch Pamina hatte sich dieses Vertrauen jetzt redlich verdient. Ihre Überraschung wurde von gemischten Gefühlen wie Schock, Freude und Ärger außen vor gelassen zu sein durchmischt, aber am Ende überwog doch ihre Erleichterung. Sie nahm mir dann noch das Versprechen ab, auch Faramud nicht mehr länger im ungewissen zu lassen, und da ich das sowieso vorgehabt hatte unterrichtete ich ihn am nächsten morgen. Außer mir war er wahrscheinlich sowieso der einzige Mitwisser, der das Geheimnis auch unter Folter für sich hätte behalten können.

Bevor sich mein Geist in Borons Traumlande verabschiedete geschah es wieder. Die Welt schien vor meinen Augen zu verschwimmen und eine underische Stimme säuselte mir zu. „Die Herrin ist sehr zufrieden mit Dir. Weiter so…“ Inmitten meines Zimmers glomm für einige Augenblicke ein waberndes grünes „A“ auf. R-L-P-A. Mir wollte allerdings partout kein Dämon einfallen, weder im Zahyad noch Garethi oder Tulamidia, bei dem sich diese Kombination an Buchstaben aufdrängte. Und das war das schlimme daran, denn meine Neugier zehrte doch gewaltig an mir. Am Anfang wäre meine Vermutung in Richtung Amazeroth oder einen ihrer Diener gefallen, das hätte irgendwie Sinn ergeben. Aber das würde ich angesichts der nun gestellten Buchstaben ausschließen. Auch der Namenlose selbst und seine dämonischen Diener, die vielleicht hätten versuchen können mich zu hintergehen… keiner davon passte in das Schema. Auch Blakharaz, der vielleicht versuchen könnte sich meiner Rachegelüste zu bedienen schied nach allem was ich wusste mittlerweile aus. Aber welche Entität war es, deren Aufmerksamkeit ich geweckt hatte? Ich hasse es, im Nebel zu stochern. Mit Sicherheit stand die Lösung im Arcanum, das wohlgehütet im doppelten Boden meines Schrankes ruhte. Ich müsste endlich die Zeit finden dieses unsägliche Aureliani zu lernen, dann würde sich die Lösung vermutlich förmlich aufdrängen! Mit diesen Gedanken glitt ich in Borons Arme und einen unruhigen Schlaf…

Pamina indes versetzte mich einmal mehr in Erstaunen. Wir hatten ja noch den Teil der Beute, den wir zunächst zum aufteilen des Geldes in Al’Anfa hätten versetzen müssen. Eine Arbeit, die auch noch Zeit in Anspruch genommen hätte und die ich daher gern auf nach unserer Rückkehr verschoben hätte. Pamina meinte jedoch, wir könnten diese Aufgabe doch meinen Vater übertragen, solche Dinge seien ja sein Beruf. Womit sie natürlich recht hatte. Das hatte ich bisher nicht in Betracht gezogen, bevorzugte ich es doch, Dinge lieber selbst zu erledigen. Aber sie hatte natürlich recht… einzig was mein Vater als Provision verlangen würde stimmte mich etwas skeptisch. Aber meinen Vorschlag, sie könnte seine möglichen Forderungen ja etwas drücken, indem sie ihr Dekolleté bei den Verhandlungen gezielt in Szene setzen könnte, verwehrte sie sich mit Hinweis auf meine Mutter. Aber im Grunde blieben wir bei dem Plan und auch Vater schien offen dafür – und neugierig, was wir denn alles gefunden hätten. Wir breiteten unsere Beute dann auf dem Tisch vor ihm aus, die er mit Kennerblick inspizierte. Für einige Dinge, die er als recht leicht verkäuflich einstufte, wollte er uns direkt das Gold noch vor unserer Abreise geben – immerhin 240 Dukaten für jeden! Anderes, wie die Barren der magischen Metalle und ähnlich teure Gegenstände, würde er veräußern und uns den Erlös nach unserer Rückkehr auszahlen. Dabei sprach er gar nicht an, das er am Verkauf beteiligt werden wollte, was mich erstaunte. Aber schlafende Hunde soll man ja nicht wecken…

Seltsam erschien mir, dass Sari nicht da war um ihren Anteil zu nehmen und Faramud diesen für sie einsteckte. Er meinte, sie sei noch in der Nacht überhastet aufgebrochen, weil sie wohl mit meiner Art der Problemlösung, die am Rande zur Sprache gekommen war als wir durch die Stadt eilten, nicht einverstanden war. Und auch er selbst war dies nicht und ließ sich auch nicht durch meinen Hinweis auf das rechtmäßige Vorgehen nach dem Codex Albyricus und das niemand zu schaden gekommen war überzeugen. Ja er drohte mir für den Wiederholungsfall sogar den Tod an. Aber das kannte ich ja schon von ihm… wir würden sehen, und ich müsste vielleicht beim nächsten mal einfach noch etwas vorsichtiger sein. Aber das Sari einfach so abgereist war enttäuschte mich schon ein wenig. Ich hoffte inständig, wir würden sie trotzdem bald wieder sehen. Sie war mir doch recht ans Herz gewachsen!

 

Unser Plan war es nun mit dem Schiff über Kunchom nach Rashdul zu reisen. Hier bot Vater sich an, für uns eine Passage organisieren zu können. Das dürfte für ihn ein leichtes sein, er ging ja beim Hafenmeister quasi täglich ein und aus. Aber natürlich ließ er auch keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen. Denn er hatte ein Dokument für einen seiner Handelspartner in Kunchom, dass ich doch bitte wenn wir eh dort vorbei kämen gleich überbringen könnten. Nun, das sollte dann doch kein Problem sein.

Dann schickte Vater die Diener hinaus, er wollte noch wegen dem Haus der 1000 Lüste mit mir sprechen. Ihm und Mutter kam es seltsam vor, dass ich dieses Haus kannte und nach allem was er gehört hatte recht zielgerichtet ansteuern konnte… Natürlich ging es ihm hierbei nicht um mich. Sondern vielmehr um den guten Ruf seines Hauses, den er ernsthaft in Gefahr sag, wenn ruchbr würde, dass ich in einer solchen Kaschemme verkehren sollte. Ich versicherte ihm aber, dass dafür keine Gefahr bestand. Ich hatte nie, und auch nicht vor, dort jemals mit irgendwem zu verkehren oder Verkehr zu haben. Mein Interesse an diesem Haus war rein geschäftlicher Natur. Allein bei dem Gedanken an die sicherlich syphilitischen Huren über die jeden Tag Dutzende Seeleute rutschen mochten juckte mir schon das Gemächt. NIEMALS! So verzweifelt konnte ich gar nicht sein… bevor ich eines dieser Weiber an mich heranließe, würde ich mir eher dutzendfach selber die Palme wedeln…

Nun brachen wir aber wirklich auf. Erst einmal würden wir die örtlichen Tempel besuchen und den ein oder anderen Einkauf tätigen. Anfangen wollten wir mit Phex, weil Pamina Pfeile braucht und der Tempel selbst ja ein Handelshaus war. Zu Fuß gingen wir los, ich hatte keine Lust an die Sänften und Träger gebunden zu sein, sollten sich unsere Pläne spontan ändern oder etwas Unvorhergesehenes geschehen. In der offenen Hand herrschte, wie immer, reges treiben und Handel. Ich ging zuerst zur Opferschale um dort 8 Dukaten als Phexens Anteil an meinem letzten Verdienst und als Tempelzehnt darzubringen. Einer der graugewandeten Geweihten nickte mir dankend zu. Bei allem was ich noch vor hatte konnte es nicht schaden, das Wohlwollen der Götter auf meiner Seite zu wissen, und dazu gehörte nun einmal, dass sie ihren Anteil erhielten.

Pamina wollte unterdessen schon einkaufen, bevor wir uns wieder treffen würden, kam aber unverrichteter Dinge zurück. Immerhin hatte man ihr am Markt einen Händler gewiesen, der ihr wohl Pfeile und die von ihr gewünschte Irianlederrüstung würde verkaufen können. Bevor wir uns aber dorthin begaben, gingen wir noch in das hintere Zimmer, wo wir den Mondschatten-Bibliothekar wie zuletzt antreffen. Verwundert es irgendwen, dass er uns äußerst gewogen war? Wir unterhielten uns zunächst etwas, bevor ich zum Kern meines Anliegens kam und ihn nach dem Szepter fragte, welches mir im Dschungel abhandengekommen war. Leider wusste er dazu auch nichts zu sagen, aber einen Versuch war es ja Wert. Irgendwer musste über das vermaledeite Stück doch etwas wissen! Wir verabschiedeten uns in Richtung des Marktes und Pamina und Faramud decktes sich mit Pfeilen für ihre Bögen ein. Es waren wohl besondere Pfeile, aber mit derlei Dingen kenne ich mich nun wirklich nicht aus. Und interessieren tat es mich, das gebe ich zu, eigentlich auch nicht… Faszinierender war da schon die Rüstung, die Pamina in Auftrag gab und die ein besonderes Aussehen haben und eine spezielle Machart haben sollte. Die Farbwünsche waren recht dezidiert und für eine Söldnerin auch nicht wirklich ungewöhnlich. Schwarz und Rot sah man ja doch immer wieder, wirkte die Kombination doch bedrohlich auf den Feind. Und irgendwas mit Sternbildern wollte sie noch hineinpunziert und gefärbt haben. Aber für die anstehende Reise nahm sie doch erst einmal ein Stück von der Stange zum sofort anziehen. Unterdessen fand auch Faramud noch etwas, das seine Aufmerksamkeit weckte. Einen Satz Kettenbeinlinge gönnte er sich, um unten herum etwas besser geschützt zu sein. Anscheinend taten ihm insbesondere die Treffer auf Schenkel und Waden besonders weh, wenn es denn jemand schaffte an seinem Schild vorbei zu kommen. Nun, warum auch nicht? An den finanziellen Mitteln für solche Dinge fehlte es uns ja nicht mehr. Ich würde mich trotzdem nicht in irgend so ein steifes Korsett zwängen. Im Schrank daheim hätte ich ja sogar eine Tuchrüstung hängen. Aber wo kämen wir denn dahin… das ist einfach keine Gewandung für einen ordentlichen Magus!

Als nächstes gingen wir zum Hesindetempel St. Argelion. Es war gerade zur Mittagszeit, die meisten Gläubigen machten sich soeben auf den Weg nach Hause und der Tempel stand kurz vor der Schließung für die heißen Tagesstunden. Der verbliebene Tempeldiener meinte, wir kämen etwas zu spät, worauf ich ihn freundlich darauf hinwies, dass ein Magier niemals zu spät kommt, sondern immer genau dann eintrifft, wenn er es für richtig hält…  Aber die 8 weiteren Dukaten die ich auch hier in den Opferstock legte sorgten schon dafür, dass der junge Priester seine Mahlzeit noch etwas nach hinten verschob. Auch ihn fragte ich nach dem Szepter, leider mit dem gleichen Ergebnis wie im Phextempel. Die Aufmachung, meinte er der Geweihte aber, deutete auf die Zuordnung zu einem Siebtsphärigen hin. Mochte das vielleicht die Lösung des Rätsels sein? Ein Dämon der dem Namenlosen zugeordnet ist? Davon gab es ja einige, nicht zuletzt die Tagherrscher der namenlosen Tage. Diese Spur musste man zumindest in Erwägung ziehen…  wenn es nicht unserem nächsten Ziel genau entgegen gelegen wäre, ich hätte gute Lust gehabt diesbezüglich einmal in Brabak nachzufragen. Dort hätte man sicher auch etwas dazu zu sagen gewusst… Leider gab es den dämonologischen Zweig an der Pentagramm-Akademie in Rashdul seit geraumer Zeit nicht mehr, sonst hätte ich dort sicherlich auch Hilfe erwarten können. Aber dieser war ja vor einem halben Dutzend Götterläufen oder so aufgelöst worden von seinen Neidern.

Unser nächster Weg führte, etwas unerwartet, und genau deswegen war es besser auf die Sänften verzichtet zu haben, zum Firuntempel mitten im Schlund, dem schlimmsten Viertel Al’Anfas. Das war zwar keines meiner Ziele gewesen, aber als ich erwähnte das es hier auch ein Haus Firuns gäbe, wollte Pamina sich partout nicht davon abbringen lassen dorthin zu gehen. Normalerweise würde ich keinen Fuß in den Schlund setzen. Aber tagsüber und für uns als wehrhafte Gruppe sollte es dennoch keine übermäßige Bedrohung sein. Der Schlund war, und ich warnte die Anderen vor, ein Viertel von verbrannten Ruinen voll von Bettlern, Rauschkrautsüchtigen und vom Hunger aufgedunsenen Kindern. Selbst der größte Schatz Aventuriens mochte nicht ausreichen, um all das Elend hier zu lindern. Und natürlich erweckten wir die Aufmerksamkeit der Strauchdiebe und Bettelkinder. Surina zog schon beim ersten Diebstahlversuch die Waffe blank um sich den nötigen Respekt zu verschaffen – aber das war in diesem Viertel auch die einzige Sprache, die das Gesindel verstand. Selbst wenn sie einen der Impertinenten einfach an Ort und Stelle niedergestochen hätte... es hätte hier niemand interessiert und die Stadtwache betrat den Schlund ohnehin nicht freiwillig. Wir hätten hier ein Blutbad anrichten können, und im schlimmsten Fall hätte uns das Schweigen der Leute ein paar Oreal gekostet. Am Rande erwähnt… was denkt ihr, wo wir an der Akademie die „Freiwilligen“ für unsere Experimente herbekamen? Sklaven waren zwar allzeit verfügbar aber teuer… und Leute aus dem Schlund hingegen… für ein bisschen Geld das ihnen das nächste Rauschkraut sicherte, ließen die fast alles mit sich machen!

Wie ließen uns dann von einem der Bettler zum Tempel führen, musste ich doch eingestehen dessen genaue Lage nicht zu kennen – In den Schlund verirrte ich mich sonst nicht. Der Tempel war ein einfaches Gebäude, ebenfalls nicht in bestem, sondern eher in einem ziemlich bedauerlichen Zustand. Wir wurden mit einem „Verschwindet, Bettelgesocks“ wenig freundlich empfangen. Der Geweihte meinte, als er seinen Fehler bemerkte, selbst der Tempel würde wie von den Raben, wobei er einen entschuldigenden Blick zum Visar hinüber war, beklaut. Der Geweihte wirkte auf mich recht verbittert und desillusioniert. Der Tempelraum war schmucklos, nur wenige verblichene Wandteppiche zeigten Szenen aus dem Norden und wirkten hier in Al’Anfa irgendwie deplatziert. Nur der kleine Altar aus dunklem Holz schien gut geölt und gepflegt. Pamina gab dem Priester 10 Dukaten und wir wohnten tatsächlich einem Gottesdienst bei, der nun extra für uns gehalten wurde. Ich vermutete, dass diese Menge an Gold mehr war, als der Geweihte sonst im ganzen Mond von seinen Gläubigen zu sehen bekam. Faramud wirkte erstaunlich interessiert an dem Ritus, so als wäre es auch für ihn etwas völlig Neues. Ich konnte leider nicht viel damit anfangen was hier geschah, die Jagd war einfach nicht meine Passion und von Schnee und Eis hatte ich seit dem Bornland die Nase voll. Aber der Geweihte selbst wirkte nach dem Götterdienst deutlich glücklicher und zuversichtlicher als zuvor, so als sei eine Verbindung zu seinem Herrn wiedergekommen, die mit der Zeit hier im Süden immer schwächer geworden war. Ich gönnte es ihm und ich vermute, Pamina könnte hier nicht das letzte Mal gesehen worden sein. Dann ließen wir uns von dem Bettler der auf uns wartete wieder zurückführen.

Jetzt ging es aber endlich zum Rahjatempel, der Halle der 1000 Lüste. DAS war mal ein Tempel! Ein rosa phallusförmiger Bau in dem alle nackt herumliefen. Auf diesen Besuch hatte ich mich am meisten gefreut – und versprach mir noch einiges mehr davon. Eine Frau mit kurzer Neunschwänziger kam energischen Schritts auf uns zu. Da ich die Gepflogenheiten des Hauses kannte zog ich mich ebenfalls aus und legte meine Sachen in eines der Fächer. Die Dame Karianna Klippstein hatte nicht nur einen energischen Schritt, sondern auch einen sehr bestimmenden Ton. Ich folgte ihr, sonst kam aber keiner meiner Begleiter mit. Sie waren von der Präsenz der Geweihten vermutlich eingeschüchtert, entsprach es doch kaum einem der Auftreten von Geweihten im alten Reich oder der Tulamidenlande. Nun ja, wir waren hier eben in Al’Anfa. Da waren die Dinge eben etwas anders… und intensiver! Die Geweihte führte mich in einen abgedunkelten Raum mit Kerzen und Holzbalken an der Wand. Dort wurde ich von ihr angebunden bevor sie mir Öl über den Rücken schüttete das nach Kräutern roch. Wenn ich es nicht besser wüsste, und natürlich wusste ich es besser, hätte das Ambiente genauso gut zu einer Belkelel-Herbeirufung gepasst. Noch so etwas, was ich unbedingt auch irgendwann einmal ausprobieren wollte… aber den Gedanken verdrängte ich angesichts des Ortes an dem ich mich befand schnell wieder. Ich vernahm die drohende Stimme der Priesterin: „Wenn ich einen Ton höre, nur einen Ton…“ ließ sie die Drohung unfertig ausklingen, bevor mich ihre Peitsche am Rücken traf. Ich verkniff mir einen Schrei – Rahja sei gedankt für meine eiserne Selbstdisziplin! Ich spürte die Blutstropfen über meinen Rücken perlen. Dann riss sie mir an den Haaren, blickte mir ins Gesicht und fragte mich süffisant lächelnd, ob ich mehr wollte. Als wenn so ein kleiner Hieb alles wäre, was ich vertragen konnte! „Ja, Herrin, mehr“, presste ich zwischen meinen Lippen hervor, bevor ich die Zähne wieder zusammenkniff. So wiederholte es sich mehrfach. Sie schlug weiter auf meinen Rücken ein, dann auf mein Gesäß. Schließlich langte es mir dann, noch ein Schlag, bevor ich mich vom Balken lösen ließ. „Mach mir im Separee bloß nicht schlapp, sonst binde ich dich wieder fest,“ hauchte ihr mir ihre jetzt rauchig-heißer erregte Stimme dabei ins Ohr. Der Akt danach war wild, zügellos und manchmal auch etwas schmerzhaft, aber mehr als leidenschaftlich. Und ich danach tatsächlich völlig erschöpft. Vielleicht war diese Frau genau die, die mir weiterhelfen konnte? „Meine dornenreiche Rose,“ säuselte ich in ihr Ohr, „ich hätte da noch eine Frage. Ich bringe einen Gruß der Hierophantin von Belhanka und wollte dich Fragen, ob Du hier vielleicht ein Gänseblümchen kennst das du mir vorstellen könntest…“. Ich benutzte bewusst den Verweis auf das Schreiben, dass ich kürzlich erhalten hatte. Aber sie wusste von nichts und führte mich stattdessen zur ältesten Geweihten des Tempels. Leider war die Tempelälteste, sie war nach Aussage der erhabenen Klippstein schon weit über 70 Götterläufe, derzeit unpässlich. Nun gut, dann vielleicht wann anders. Dieses „Gänseblümchen“ kennen zu lernen hätte mich ja wirklich interessiert, aber wenn die Geweihten noch nicht bereit waren, sich mir zu offenbaren, dann wollte ich das auch respektieren. Die Geweihte verabschiedete sich mit einem leidenschaftlichen Kuss und einem erneuten Griff in meine Wunden von mir – was für ein heiliges Miststück! Ich grinste in mich hinein, auch wenn ich völlig fertig war. Ich spendete weitere 8 Dukaten, als ich mit steifen Schritten und leicht gekrümmten Rücken zu meinen Gefährten zurück ging, die sich faul auf Liegen fläzten und Wein, Früchte und eine Massage genossen. Sie wussten ja gar nicht, was ihnen Entging!

Da es schon abends war gingen wir nun nach Hause, aßen noch ein spätes Mahl mit der Familie und begaben uns dann zur Ruhe. Ich schäme mich nicht zu sagen, dass ich mir ein wenig Salbe auf die wund geschlagenen Stellen meines Körpers strich. Da hatte mir mancher Strauchdieb weniger übel mitgespielt, als die Geweihte.

Vater buchte uns die Passage auf einem schnellen Schiff, dass am 1. Peraine ablegen sollte, also übermorgen. Bis dahin war ich im Beschlag durch meine Familie und Visaria, mit denen ich die schönen Seiten der Stadt vor meiner erneuten Abreise genoss. Nicht zuletzt wollte ich ja den Mädchen die mitgebrachten Geschenke aus dem Schatzhort überreichen. Was brächten mir den die schönsten Mitbringsel, wenn ich es versäumte sie auch herauszugeben.

Anfangen wollte ich mit Liliana am Morgen des 29 Phex. Mir blieb auch kaum eine andere Wahl, weil sie mich selbst direkt in Beschlag nahm. Ich sei so lange fort und hätte gar keine Zeit mehr für sie. Das gedachte sie nun zu ändern, solange sie die Gelegenheit dazu hatte. Wir wollten eine kleine Flussbootsfahrt in der Mündung der Hanfla machen. Vorher aber gab ich Liliana den Ring. In ihren Augen sah ich, dass er ihr gefiel. Sie verstand auch ohne Erklärung die symbolische Bedeutung der silberblauen Blüte. Und sie wäre nicht die Tochter ihres Vaters, wenn sie den Wert nicht erkennen würde. Es war ja kein billiger Tand, den ich ihr gerade überreicht hatte, sondern der Ring mochte gut und gerne 400 oder 500 Dukaten wert sein. Damit würde sie sich auch vor ihren Freundinnen nicht schämen müssen… Ein verschmitztes Lächeln, wie immer wenn sie sich freute, stahl sich in ihr Gesicht. Sie steckte sich den Ring direkt an den Finger und wollte ihn gleich Mutter zeigen. Sie so glücklich zu sehen füllte mein Herz mit Wärme und Stolz. Bisher war ich nie in der Lage gewesen, ihr ein angemessenes Geschenk zu machen. Es war auch zwischen uns nie nötig gewesen, wir waren auf andere Art als durch Materielles miteinander verbunden. Trotzdem fühlte es sich gut an, ihr auch so einmal meine Liebe und Zuneigung beweisen zu können. Sie wollte sich dann nur schnell zum Ausgehen fertig machen - was eine gefühlte Ewigkeit dauerte. Aber in diesen Dingen war sie eben schon eine richtige Dame. Als sie die Treppe herunter kam sah sie aus wie eine junge Herrin. Ich würde ein wachsames Auge auf sie haben müssen, dass ihr keines dieser verwöhnte Grandensöhnchen irgendwelche unpassenden Avancen machte. Hoffentlich konnte ich bald wieder länger zuhause sein! Sie war sichtlich stolz mit mir unterwegs zu sein, den Ring präsentierte sie subtil, aber so, dass jeder ihn sehen konnte und musste. Während wir uns den Hügel hinunter tragen ließen erzählte ich vom Kampf mit der Drachenchimäre und ließ auch die Verdienste von Faramud und Surina nicht außen vor. Gerade zu Surina schien sie zu interessieren, ob diese einen Mann hatte. Als ich sie fragte, wie sie darauf käme meinte sie, Surina wirke unzufrieden und frustriert, geradezu vernachlässigt, und solle doch einmal in den Rahjatempel gehen und sich entspannen. Ich grinste dabei nur. Der Mann, der es mit Surina aufnehmen konnte wäre sicher nicht leicht zu finden. Wir buchten uns auf einem der Vergnügungsschiffe für 2 Dublonen für jeden ein, die ich aber gerne zahlte. Den halben Tag fuhren wir mit dem Schiff durch die Mündung der Hanfla bei bester Unterhaltung und recht exklusiver Gesellschaft. Als wir danach noch in eines der Kaffehäuser gingen um noch mit etwas süßem unseren Ausflug zu beenden konnte ich mir nicht verkneifen sie mit hoffnungsvoller Stimme zu fragen, ob Visaria uns morgen vielleicht begleiten würden. Ihr glockenhelles Lachen und das Versprechen, ihrer Freundin eine Nachricht zukommen zu lassen ließen mein Herz schneller schlagen.

Am Nachmittag ging ich dann zu Ulmjescha, die wie immer mit Nandurin spielte. Seltsam. Ich kannte das kleine Mädchen gerade einmal ein paar Götternamen, aber sie war mir bereits so sehr ans Herz gewachsen, dass ich sie wie jeden anderen meiner Familie gegen Bedrohungen bereit war mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen. Und immerhin war ich es gewesen, der sie aus dem hohen Norden hinunter in den tiefen Süden geführt hatte, weg von allem was sie kannte in die Fremde. Ulmjescha war, wir mir jetzt überraschend bewusstwurde, der erste Mensch, für den ich aus freien Stücken und aus eigenem Antrieb die volle Verantwortung übernahm. Und dieser würde ich, bei allen Zwölfen, mit all meiner Kraft nachkommen, wenn es nötig war. Als ich ihr mitteilte, dass sie für mich nun Teil meiner kleinen Familie, dabei deutete ich auf mich und Nandurin, war, traten ihr Tränen in die Augen. Mir wurde auch bewusst, dass ich über das Mädchen eigentlich so gut wie gar nichts wusste. Was hatte sie in Festum erlebt? Was war mit ihrer Familie? Ich nahm mir vor, sie bei Gelegenheit einmal nach ihrer Vergangenheit zu fragen… aber nicht jetzt. Ich gab ihr die Goldkette mit dem Anhänger daran. Vermutlich das wertvollste, was sie in ihrem Jungen leben je besessen hatte. Ich taxierte das Schmuckstück auf nicht weniger als 200 Dukaten. „Gib gut darauf acht, Ulmjescha. Mit diesem Zeichen unserer Verbundenheit und dem Schutz der Zwölf unter dem Du nun stehst ist besiegelt, dass Du nun zu uns gehörst,“ sagte ich zu ihr, als sie mir um den Hals fiel. Als sie mit Freudentränen in den Augen den Anhänger Nandurin zeigte funkelten seine Augen. Die Kommode ruckelte, aber er bekam sie nicht hoch und schien deswegen zornig zu werden. Als er merkte das es nicht klappte, rauschte ein Apfel auf mich zu und traf mich an der Schulter. „Für Dich finde ich auch noch etwas Besonderes, mein kleiner Schatz, aber nicht von diesem Ort,“ sagte ich, als ich ihm durchs Haar wuschelte. Warum hatte er es nicht geschafft die Kommode zu bewegen? Ich grübelte versonnen, während ich noch bei meinen beiden Kleinen saß. Hat das verschwundene Band ihn auch seine besondere Kraft gekostet? Und welche Möglichkeiten konnte es geben, sein Potential wieder zu steigern? Oder war es am Ende gar nicht seine Kraft gewesen, die solche Wunderstücke ermöglicht hatte, sondern das Werk eines versteckten Dämons der in ihm geschlummert hatte? Nandurin spielte mit Uljescha und dem Anhänger. Ich musste wieder lächeln. Es war so schön zu sehen, wie die beiden so schnell gute Freunde geworden waren. Mein kleiner Zornbold, der endlich jemand hatte, der sich nicht vor ihm fürchtete. Und Ulmjescha, die meinen kleinen Prinzen so annahm wie er war, ohne die abergläubische Furcht, die alle anderen Diener hier im Haus gepackt hatte. Manchmal konnte das Schicksal auch gütig sein. Ich dankte stumm den Göttern für ihre Gnade. Während ich noch die schönen Stunden genoss, kam ein Hausdiener und klopfte an der Tür. „Herr, ich soll Euch von Eurer Schwester ausrichten, die Dame Visaria hat sich heute Abend zur 8. Stunde angekündigt.“ Konnte der Tag überhaupt noch besser werden?

Allerdings würde ich mich in meiner jetzigen Verfassung kaum Visaria gegenüber wagen. Die Geweihte im Tempel hatte doch ganze Arbeit geleistet, und Visaria Fragen nach den Wunden auf meinem Rücken oder meinem Hintern zu beantworten hatte ich tatsächlich keine Lust… Ich heilte mich daher vorher noch schnell mit einem Balsamsalabunde um die Striemen verschwinden zu lassen. Nicht auszudenken wie sie es auffassen würde, wenn sie mir vielleicht über den Rücken strich und ich unabsichtlich vor Schmerz zurückzuckte. Nein, da wollte ich kein Risiko eingehen… wir wollten uns zu einem Spaziergang am Abend im Rosenpark treffen. Ein angemessener Zeitvertreib für junge Leute aus gutem Hause. Die Sänfte mit der Visaria gebracht wurde war deutlich prächtiger, als diejenige welche Mutter mir zur Verfügung gestellt hätte. Kein Wunder, jemand wie sie der aus der Familie Ulfhart stammt würde sich natürlich nicht zurückhalten, wenn sie gekommen war um Eindruck zu hinterlassen. Dabei hätte sie sich gar keine Mühe geben müssen… selbst im einfachsten Leinenkleid wäre sie das wundervollste Mädchen gewesen, das ich jemals kennengelernt hätte. Ich hatte es schon bei Liliana gesehen, aber es traf genau so auch auf Visaria zu. Aus dem jungen Mädchen das gerade erst erblühte war, seit ich mich auf meine vielen Reisen begeben hatte, schon eine richtige kleine Frau geworden, der selbst Rahja ihre Schönheit neiden würde. Sie war jetzt 14 Götterläufe alt, aber ich schwöre bei der göttlichen Stute, in meinen Augen gab es keine Frau, die begehrenswerter hätte sein können. Ihr dunkles, langes Haar, ihr anmutiger Hals, die zarten blassen Arme, die schlanke Taille, um die herum sich gerade die ersten Rundungen einer heranwachsenden Frau entwickelten… niemand könnte je wundervoller sein als sie!

Wir wurden mit ihrer Sänfte in die Stadt getragen. Als die Vorhänge der Sänfte zugezogen wurden gab ich ihr den Anhäger. Es kam nicht oft vor, dass mir die richtigen Worte nicht einfach aus dem Mund flossen, aber in ihrer Gegenwart fühlte ich mich manchmal wie ein dummer kleiner Junge, der staunend einer Götting gegenübersteht. Ich versuchte ihr unbeholfen zu erklären, was die beiden Raben, der schwarze und der weiße, und das grüne Herz bedeuten mochten und machte ihr mit einem Flim Flam Licht, damit sie die Kette besser betrachten konnte. Wenn sie damit zu ihrer Familie zurückkam, würde sie sich nicht schämen müssen, ganz im Gegenteil. Ich hatte Vater gefragt, der hatte für solche Dinge ein besseres Auge als ich. Er hatte geschockt gekeucht, als ich ihm sagte wem ich das Stück schenken wollte und mich gefragt, ob das mein Ernst sei. Bei einem der örtlichen Juweliere hätte ich wohl um die 1200 Dukaten für diese Kette auf den Tresen legen müssen. Aber das war nun alles nebensächlich. Jetzt war eindeutig sie es, die alle Fäden in der Hand hatte. Ich sah das glitzern in ihren Augen, keine Gier sondern pure Freude. Sie hob ihr seidiges Haar etwas an und ich durfte ihr die Kette umlegen. Der leichte Duft von Orchideen stieg mir in die Nase, als ich mich ein wenig über sie beugte und sie mir danach einen sanften Kuss auf die Wange gab. Kurz schien sich die Welt um mich zu drehen, so glücklich war ich in diesem Augenblick. Dann setzte sie sich wieder hin, ließ aber ihre Hand in meiner liegen und lächelte mich an, während ich ihr von der Reise in den Dschungel erzählte. Trotzdem fühlte ich mich beobachtet. Natürlich, das hätte ich nicht vergessen sollen. Neben der Sänfte ging ihre Anstandsdame her, die auf uns achtete, damit es später kein unanständiges Gerede geben würde. Wir gingen nach dem Besuch im Rosenpark auf der Flaniermeile zwischen anderen Gutbetuchten spazieren und kehrten in ein Teehaus ein, wo wir zusammen an süßem Gebäck knabberten. Wie gern hätte ich in diesem Augenblick stattdessen an ihren Lippen geknabbert oder die kleinen Krümelchen von ihrem Mund geküsst. Aber der stechende Blick ihrer Anstandsdame verhieß mir die Niederhöllen, sollte ich es auch nur im Entferntesten wagen mich ihr unziemlich zu nähern. Ich würde wohl kaum umhin kommen, mich den Altvorderen der Familie Ulfhart zu stellen, wenn ich wieder da wäre. Visaria bedauerte aufrichtig, dass ich schon wieder gehen wollte und wir nicht sofort mehr Zeit zusammen haben konnten. Aber ich versicherte ihr, dass ich diesmal nur kurz fort sein würde. Ihre Eltern hätten, so meinte sie und das war der Lichtblick des Abends für mich, sich anscheinend damit anfreunden können, einen Abgänger der hiesigen Akademie für ihre Tochter zu haben. Was für ein Glück! Denn mein familiärer Stand als Bastard meines Vaters wäre ansonsten sicher kaum ausreichend gewesen, um mir einen Weg zu ihren Eltern zu Bahnen, auch wenn sie weit abseits der eigentlichen Erblinie der Familie stand. Die Ulfharts würden sicher nicht jeden in ihre Nähe lassen. Es war ein mehr als angenehmer Abend, bevor wir dann zurückgetragen wurden. Ich wünschte nur, er hätte ewig dauern können. Auch Visaria konnte sich ein paar Tränen beim Abschied nicht verkneifen. Es schien für sie mittlerweile mehr als nur eine Schwärmerei zu sein, die sie für mich empfand, und mir ging es nicht anders. Aber mehr als ein flüchtiger Kuss hinter dem Vorhang der Sänfte blieb uns nicht, als wir uns verabschiedeten. Unsere Lippen hatten sich kaum getroffen, als schon das vernehmliche Hüsteln der Anstandsdame keine zwei Schritt entfernt zu vernehmen war. Konnte das Hexenweib denn im dunklen durch den Vorhang sehen, oder was? Aber diesen kurzen, honigsüßen Moment schmeckte ich noch den Rest der Nacht auf meinen Lippen…

Dann brachen wir am 1. Peraine auf. Faramud schien froh zu sein das wir Al’Anfa verließen. Anscheinend hatte er die Schönheit der Stadt immer noch nicht verstehen können. Die Reise dauerte auf Grund einer ausgedehnten Flaute etwas länger als erwartet, aber das focht uns wenig an. Wir kamen zu später Stunde in Kunchom an und suchten uns eine ordentliche, aber nicht überteuerte Unterkunft. Kein Vergleich mit dem Goldenen Mahanadi, aber für heute ausreichend. Mit einem Lächeln dachte ich an Melissa und ihre schier unerschöpfliche Geldbörse. Was sie wohl gerade tat? Sicher war sie schon in Chorop und hatte es ihrer Familie unter die Nase gerieben, geschafft zu haben was niemand für möglich gehalten hätte. Es gab ja nur zwei Möglichkeiten. Entweder hatte sie nun den uneingeschränkten Respekt ihrer Familie verdient und gute Chancen, später deren Oberhaupt zu werden. Oder ein Missgünstiger Verwandter mochte sich daran machen, ihr den Verdienst streitig zu machen und sie verschwinden zu lassen. So wäre es zumindest in Al’Anfa gelaufen… sollte ich nichts von ihr hören wenn wir zurückkamen, müsste ich wohl selbst nach Chorop reisen um nach ihr zu sehen und sicherzugehen, dass es ihr gut ging. Wir bekamen noch ein spätes Essen und am nächsten Morgen gingen wir zuerst Vaters Brief abgeben und dann zur Drachenei-Akademie um Junasia zu treffen. Wir wurden zügig zu ihr geführt. Sie residierte in den Räumlichkeiten Magister Rakoriums und Empfing und im Voyer. Faramud übergab ihr Echs-Kalibur als Lohn für ihre Arbeit, so wie wir es versprochen hatten. Als sie uns in die Räume des Meisters bat trafen wir einen alten, unfreundlichen Zausel der überaus verwirrt wirkte. Sie stellte uns vor, aber er schien uns zu ignorieren und war auf das Schwert fixiert. Und trotzdem wirkte er sehr verwirrt, so als ob sein geist bereits schwach werden würde. Ich war froh, dass wir recht schnell wieder entlassen waren. Hoffentlich war das, was Junasia sich davon versprach die Mühe wert. Ich beneidete sie nicht, tagaus tagein mit diesem Greis verbringen zu müssen. Eine schreckliche Vorstellung…

Faramud meinte, eine schnelle Karawane gen Rashdul wäre das Beste, von hier nach dort gingen ständig welche. Die nächste würde in 3 Tagen gehen und 6 Tage bis Rashdul brauchen. Um die profanen Dinge wie die Reise sollte er sich gern kümmern, ich wollte solange in einem Teehaus warten. Als er zurück kam mit der Nachricht, dass er eine Passage auf einem Flusssegler gebucht hatte, gab es wohl einen neuen Plan. Aber so verloren wir keine Zeit, denn der Segler fuhr direkt am nächsten Morgen weiter und der Wind bliess günstig vom Meer her. Wir zahlten 3 Silber pro Tag für unsere Kabine, die Fahrt mochte wohl 4 Tage dauern unter diesen Bedingungen. Der erste Tag führte uns durch ein Delta und Gewirr von Flüssen und Seitenarmen. Am zweiten Abend kamen wir nach Jaiban. Am Rand der Stadt war eine neue große neue Arena errichtet worden, in der nach Auskunft unseres Kapitäns in Lebensgröße Rote und weiße Kamele mit echten Kamelen gespielt würde. Heute leider aber anscheinend nicht, denn die Arena lag dunkel und verlassen dar. Schade, das hätte ich mir gerne einmal angesehen. Das nächste Stück des Flusses war von Wäldern gesäumt und wies viele Sandbänke auf, die die Fahrt verlangsamten und komplizierter machten.

Nach einigen Stunden wurden wir von einem kleineren, schnelleren Segler überholt, der sich plötzlich vor uns in der Fahrtrinne mit gerefften Segeln quer stellte. Am Ufer eilten Bogenschützen herbei, die uns unter Beschuss nahmen. Wohl ein Überfall einer Horde dummer Flusspiraten. Faramud schoss einen Brandpfeil ins Segel des anderen Schiffes und Pamina nahm einen Mann unter Beschuss, der das Feuer löschen wöllte. Aber auch wir wurden vom Ufer aus unter Beschuss genommen und direkt in der ersten Salve wurde ich von einem feindlichen Pfeil getroffen. Das würde ein heißer Tanz werden!

 

Zwischen dem ganzen Geschrei, das wirr durcheinander hallte, übernahm ich das Kommando und legte meine lauteste Befehlsstimme auf. „Kappt die Segeltaue, Ruder hart Backbord, dreht, rammt die dreckige Pinasse, zurück und weg von ihnen.“ Erst war ich mir nicht sicher, ob die Schiffer auf mich hören würden, aber anscheinend hatte ich genug Autorität in meiner Stimme gelegt. Nach und nach nahmen die Seeleute, der Kapitän, ja selbst der Rudergänger den Befehl auf. „Er hat recht, die Segel ab, herum mit dem Kahn!“ Wieder einmal durfte ich feststellen, dass meine schärfste Waffe nicht aus Stahl, sondern mein Verstand war. Jetzt zahlte es sich aus, dass ich nicht zum ersten Mal auf einem Schiff unterwegs war und an meiner Akademie auch die Seefahrt gelehrt wurde. Wenigstens verstand ich wie ein Schiff funktionierte und konnte eine Sprache sprechen, die auch diese Schiffer verstanden. Trotzdem war ich mit der Geschwindigkeit, mit der sie meine Kommandos umsetzten nicht zufrieden.

Pamina erwiderte unterdessen unverdrossen das Feuer der Schützen am Ufer, Faramud zog seinen Kunchomer und das Schild, Surina Buckler und Rapier, um die enternden Piraten in Empfang zu nehmen. Ich erinnerte mich noch an die Hummerier die uns in der blutigen See entern wollten… diese Piraten mochten gleich ihr blaues Wunder erleben. Die Ruderboote kamen unterdessen näher, während die Männer und Frauen im feindlichen Segler darauf warteten das wir nah genug herankamen, damit sie eine Enterplanke auf unser Schiff legen konnten. Beim Drehen unseres Schiffs hörte ich ein unschönes schaben vom Bug auf dem sandigen Grund des Flusses, aber unsere Fahrt führte immerhin nicht mehr direkt auf das feindliche Schiff zu, dass nun in der Engstelle verharrte, so dass wir etwas Abstand gewannen.

Surina löst den auf ihrem Buckler applizierten Favilludo aus – ich glaube der korrekte Name für das Artefakt, das sie aus dem Schatzhort mitgenommen hatte war „Grandenretter“ - und begann zu glitzern und zu schillern. Und das so stark, das ich vermutete, wer auch immer dieses Stück geschaffen hatte war ein wahrer Meister der Illusionsmagie. Pamina feuerte immer weiter gegen die Schützen auf der Sandbank, erzielte auch Treffer, brachte aber niemand zu Fall. Links und rechts geschah es dann, wir wurden von den Besatzungen der kleinen Boote geentert. Faramud, der mittlerweile Mittschiffs Position bezogen hatte, durchschlug geistesgegenwärtig auf der rechten Seite eines der Enterseile, so dass die beiden Piraten zurück ins Wasser fielen. Surina nahm auf der anderen Seite den ersten Gegner auf, der an Deck kletterte und einen großen Sklaventot zog, aber noch bevor er sich kampfbereit gemacht hatte direkt einen sicherlich schmerzhaften Stich von Surinas Rapier abbekam.

Gleich darauf traf sie ihn noch einmal am Arm, worauf die Memme wimmernd zu Boden stürzte und die Waffe fallen ließ. Unsere Fahrt war unterdessen fast völlig zum Erliegen gekommen und das oberhalb im Fluss liegende Boot lenkte die Strömung etwas von uns weg. Da wir zu steuerbord hin anscheinend feststeckten änderte ich nun das Kommando: „Ruder hart Backbord, schwenkt die Richtung, anders herum“. Diesmal folgte der Rudergänger, der direkt bei mir oben auf dem Heckaufbau stand, sofort auf meine klare Ansage. Trotzdem was es eine träge Angelegenheit, bis unser Boot endlich begann sich in die andere Richtung und in den Flusslauf hinein zu drehen.

Auch die Matrosen unseres Schiffes gingen nun in den Kampf und die wenigen Feinde die es bisher zu uns geschafft hatten wurden zügig erschlagen, trotzdem hatten wir noch nicht genug Abstand gewonnen, so dass nach einiger Zeit die restlichen Feinde vom anderen Schiff über eine 5 Schritt lange Enterplanke im Gänsemarsch herüberzukommen versuchten. Surina hatte unterdessen einerseits ein wenig Pech und wurde an der Brust tödlich getroffen, das Blut sprudelte aus ihr wie aus einem Springbrunnnen im Stadtpark. Auf der anderen Seite hatte sie unverschämtes Glück… nämlich das ich dabei war. Eigentlich hatte ich gerade versucht vom Heckaufbau her mit seinem Bogen hinter Faramud herzueilen. Zuerst wollte ich ihm eigentlich einen Armatrutz angedeihen lassen, aber da war er schon davongelaufen. Dann wollte ich ihm folgen, damit er mit einem seiner Pfeile eine Ladung Phosphor auf das feindliche Schiff schießen mochte. Und nun brach ich meine Verfolgung, Faramud war mittlerweile am Bug des Schiffes angekommen, ab, um mich mittels Balsam um Surina zu kümmern und sie zu retten. Mir war durchaus bewusst, dass ich ein gewisses Risiko einging, denn meine Beherrschung des Balsam mochte man zumindest noch als „ausbaufähig“ bezeichnen. Und das Loch in Surinas Brust verhieß keine leichte Aufgabe. Dennoch gelang es mir glücklicherweise unter Zuhilfenahme aller Konzentration derer ich fähig war, und ich holte sie von der Schwelle des Todes zurück. Dafür war es mir, die Hand auf ihrer Brust, nun nicht mehr möglich mich auf andere Weise an dem Geschehen zu beteiligen.

Es dauerte gefühlt eine Ewigkeit, bis mein letzter Befehl umgesetzt war und sich unser Schiff mit einem Ruck losriss, wobei sich die Planke löste nachdem nur zwei Mann des feindlichen Schiffs es zu uns aufs Deck geschafft hatten und der Rest platschend ins Wasser fiel. Ich vernahm ein gedämpftes Krachen als wir eines der kleinen Ruderboote rammten. Registrierte es aber in meiner Konzentration kaum, standen mir doch vor astraler Anstrengung die Schweißperlen auf der Stirn. Der Feind war mit seinem Segler in der engen Fahrrinne gefangen die er nutzen wollte, um uns eine Falle zu stellen. Schrittweise entfernten wir uns langsam in der Strömung des Mahanadi, bis wir auch die Schützen am Ufer soweit zurückgelassen hatten, dass wir die gekappten Seile ersetzen konnten um wieder die Segel nutzen zu können als auch an Deck die letzten Feinde geschlagen wurden. Faramud schoss noch einige Brandpfeile zum Abschied auf das andere Schiff in der Hoffnung das Piratenproblem endgültig zu lösen. Wir fuhren nicht ganz ein Stundenglas zurück zur letzten Anlegestelle, wo wir uns in Sicherheit wähnten. Währenddessen verband Faramud einige der Matrosen notdürftig, an denen das Gefecht ebenfalls nicht Spurlos vorübergegangen war. Surina, die ich mittlerweile wieder Ansprechbar bekommen hatte, war mir natürlich dankbar – und wollte um nicht noch einmal so unglücklich getroffen zu werden bei nächster Gelegenheit dem Herrn Phex Opfern. Als wir endlich die Zeit fanden etwas Ruhe zu finden meinte der Kapitän, die Strecke wäre sonst vollkommen sicher, der Überfall sei ungewöhnlich für diese Gegend. Allein, was brachte uns diese Aussage? Zwischen Kunchom und Rashdul gäbe es sonst seit langer Zeit keine Flusspiraten mehr, das ginge sonst erst südlich von Rashdul ab dem Schuboch los. Was Wunder… das Konzeot der Flusspiraterie war ja an sich schon recht dämlich. Zum einen konnten sie sich mit ihren Booten kaum verstecken. Und wenn doch gab es hier magische Potentaten, die auch einfach einen Djinn schicken konnten, wenn das Unwesen Überhand nahm und die Handelsrouten gefährdete. Ich war mir ziemlich sicher, das sich jemand wie Sultan Hasrabal von solchem Pöbel nicht seine Bilanz verderben und die Schatzkammer würde leiden lassen. Bei diesen Gedankengängen wurde ich von Faramud auf dem Weg noch verbunden, die beiden Pfeile die mich getroffen hatten waren schmerzhafter Körperschmuck, den ich nicht länger als notwendig tragen wollte.

Von hier aus waren es noch etwa 2 und einen halben Tag bis Rashdul. Der Kapitän wollte bis morgen noch ein paar wehrfähige Männer anwerben um auf dem Rest der Fahrt sicher zu sein. Am Anlieger erwarteten uns nur einige wenige Häuser und Hütten, dennoch nahmen wir hier Quartier in der Karawanserei und speisten und tranken mit dem Kapitän. Das mindeste, das er uns für die Rettung seines Schiffs schuldete waren wohl einige Karaffen Dattelwein und ein gutes Essen, während ein paar Boten mit der Kunde über die Piraten gen Kunchom gesandt wurden.

Am nächsten Morgen ging es meinem Arm schon besser, ich war aber noch nicht bei voller körperlicher und geistiger Kraft. Das würde wohl noch ein oder zwei Nächte Dauern. Wir fuhren im Morgendunst weiter, erneut den Weg den wir schon kannten. Nach einer Stunde erreichten wir wieder die Engstelle. Kein Feind war mehr zu sehen, nur ein ans rechte Ufer gedrücktes, manövrierunfähiges kleines Schiff erinnerte an die Tat. Ihr Boot hatten die Piraten anscheinend nicht mehr flottbekommen, der Bugsprit war brandig und einzelne Glutnester glommen immer noch auf den Planken. Die Hylailer-Feuer-Pfeile Faramuds hatten sich eindeutig bewährt. Dafür dauerte es etwas, bis wir die Stelle passiert hatten, wurde die Engstelle doch noch etwas schwieriger zu durchfahren mit dem neuen Hindernis. Wie der Mund einer jungen Edeldame den man küssen möchte, der aber teilweise von einer Federmaske verdeckt war. Danach aber kamen wir wieder zügig voran.

Der weitere Weg verging zum Glück deutlich ruhiger und in der eigentlich erwarteten friedvollen Weise. Die nächste Rast legten wir in Temphis ein und fuhren dann weiter nach Rashdul. Der Fluss floss hier recht gemächlich, träge und breit mit wenig Schleifen, während der Wind uns gut vorantrieb. Als wir endlich in Rashdul ankamen war ich wieder gut erholt. Den Kapitän fragte ich, ohne große Hoffnung, nach dem Prediger den ich suchte, aber er kannte ihn wie erwartet nicht. Es war kurz nach der Mittagsstunde als wir in den Flusshafen einliefen. Als wir uns verabschiedeten versicherte der Kapitän, er würde sich freuen uns auf der Rückfahrt wieder mitnehmen zu können. Das glaubte ich ihm gern, eine bessere kostenlose Schutztruppe konnte er ja auch kaum finden!

Am Flusshafen wollten wir die Hafenwache nach einer annehmbaren Unterkunft fragen– ich war mir unschlüssig, ob ich luxuriösen tulamidischen Flair oder das dunkle innere einer Karawanserei erwarten sollte. Aber Rashdul war ja hier so etwas wie eine Metropole, alos würde sich sicher etwas Annehmbares finden lassen. Die Stadt war aus und auf rotem Kalksandstein gebaut und zog sich Stufenweise einen Berg hinauf, oben thronte ein gleißend weißer Palast. Das erinnerte mich fast etwas an daheim, nur das bei uns in Al’Anfa mit dem Visra und dem Silberberg natürlich ein etwas dunkleres Farbspiel vorherrschte. Aber die Grundarchitektur vom Hafen hinauf zu den Villen und Palästen der Wohlhabenden war sich recht ähnlich. Am Tor ließ sich allerdings keine Wachen finden, den als wir eintraten wand sich uns eine prächtig behauene Basaltstatue zu, musterte uns und ließ uns schließlich ein. Das war etwas befremdlich. Allerdings auch faszinierend. Eine Art Wächtergolem, oder ein Artefakt? Mir blieb jedoch kaum Zeit, darüber nachzugrübeln. Wir schlenderten eine große, baumbestandene Straße entlang in die Stadt hinein bis zu einem noch größeren zentralen Platz. Ein Gebäude, vor dem etliche Menschen knieten und zum Götzen Rashtulla beteten dominierte diesen Ort. Das singsangartig-heruntergeleierte Gebet in diesem typisch-weinerlichen Tonfall den nur die wirrköpfigen Novadis zustande brachten quälte meine Ohren. Der Vorbeter trug ein fließendes Gewand, ähnlich dem Faramuds, aber es war nicht blau, so dass er vermutlich nicht der von uns gesuchte Spinner war. Etwas weiter fand sich – das gefiel mir schon deutlich besser - ein großer Hesindetempel, davor ein kunstvolles Brunnenbecken aus dessen Mitte Wasser in einer lebhaften Fontäne gen Himmel sprudelte. Ich war in Betrachtung dieses Kunstwerks versunken, als ich meinte auf der Wasseroberfläche ein Gesicht zu erkennen, dass uns musterte und mit einem glucksen in den leichten wellen verschwand. So machten sie das also mit der Fontäne, ein Wassergeist! Sari hätte das sicherlich gefallen. Schade, dass sie jetzt nicht bei uns war. Wo die kleine Nordländerin sich wohl gerade herumtrieb? Ich hatte ja noch Blut vom verbinden ihrer Wunden, aber ich glaube, weder sie noch Faramud wären damit einverstanden, wenn ich sie jetzt aufspüren lassen würde um sicherzugehen, dass es ihr gut ging. Vielleicht musste ich mich doch bei ihr für irgendetwas entschuldigen, sollte ich ihre Gefühle verletzt haben. Faramud begann unterdessen, sich mit dem Wasser zu unterhalten und pustete darüber, so als würde er ein Atemopfer bringen. Das Wasser spritzte ihn fröhlich mit einem gischtigen Nebel etwas nass, gar so, als würde es ihm Antworten. Dabei hatte ich bisher den Eindruck, er hätte es eher mit Sturm und Blitz, als mit Wasser. Oder ging seine Verehrung der Naturgeister darüber hinaus? Das würde ich ihn einmal Fragen müssen.

Ich blickte mich suchend nach der örtlichen Magierakademie um, diese waren üblicherweise ja in der Nähe von Hesindetempeln zu finden. Durch eine Lücke zwischen zwei Häusern konnte ich sie ausmachen. Ein imposantes, von einer hohen Mauer umgrenztes und von zahlreichen verspielten Türmen gekröntes Bauwerk. JA, genau so stellte man sich in den Geschichten eine tulamidische Akademie vor. Faramud meinte, er würde auch gern die Akademie sehen, also gingen wir zu zweit direkt dorthin, während sich Surina und Pamina um die Unterkunft kümmern wollten. Wir standen vor einer 4 Schritt hohen Mauer, zu der ein Aufgang hinaufführte und dann vor einem verschlossenen Tor, vor dem ein alter Mann stand, der aber ganz offensichtlich weder Portikus noch Wächter sein konnte. Ich tat das naheliegende und klopfte vernehmlich am Tor, nachdem ich den Alten freundlich gegrüßt hatte. Aber niemand reagierte auf mein Klopfen. Stattdessen sprach mich der Alte von der Seite her an. „Junger Herr aus fremden Landen. Mein Name ist Johas, und ich werdet keinen Zugang zur ehrwürdigen Panjashtra finden, nicht auf diesem Wege. Nur auf magische Art und Weise ist diese Stätte der Gelehrsamkeit zugänglich. Ich könnte euch aber behilflich sein…“ ließ er sein Angebot ausklingen. Faramud nahm das Angebot mit blumigen Worten direkt an. Ich hatte ja noch meine Zweifel, verfügte ich doch selbst über arkane Möglichkeiten mir Zutritt zu verschaffen. Aber wieder wäre mir dabei Farmamud im Weg, und ich meinte mich zu erinnern, dass auch die hiesigen Kollegen einen Zwist mit Dämonenbeschwörern pflegten. Zumindest in jüngerer Zeit. Also ließ ich mich von Faramud überreden, die Dienste des Alten anzunehmen. Er hatte, welch ein Klischee! einen fliegenden Teppich mit dem er uns hinein bringen würde für nur einen Marawedi je Flug für jeden. Zwar versuchte Faramud zu feilschen, aber er schien sich aber an dem Alten die Zähne auszubeißen, da der sich seines Monopols durchaus bewusst zu sein schein. Der Teppich hieß Djahaba und wirkte recht temperamentvoll und feurig, war aber anscheinend ein weibliches Exemplar, da er sich von Faramuds sanftem Gesülze einlullen ließ und ihn, Gipfel der Unverfrorenheit, bei der Frage wer nun zuerst in die Akademie zu bringen wäre, daher gnadenlos bevorzugte.

Ich sollte beim Sahib al Babim drinnen vorstellig werden, um mich des Weges zu vergewissern, wie man hinaus und hinein gelangen könnte, riet der Alte. Aber an seinem Ton hörte ich schon, das er der Meinung war ich würde seine Dienste erneut benötigen. Ha! Nicht mit mir! Der Ertrag der Flüge flösse wohl in die Pflege des Teppichs, dem er nur das beste angedeihen ließ. Und zumindest das glaubte ich ihm, da das Textilstück wirklich einen außerordentlich ordentlichen Eindruck machte. Faramud und dem Alten hinterher blicken, für zwei war es doch etwas eng auf dem Teppich, sah ich wie dieser auf das Tor zuglitt und dann anscheinend einfach hindurch flog. Das verschwand, als er es mit seinen Troddeln berührte und schien direkt danach wieder zu materialisieren. Mir war absolut schleierhaft, wie diese Magie funktionieren mochte, aber es war mit Sicherheit äußerst potentes arkanes wirken. Ich war, zugegebenermaßen, beeindruckt.

Als ich an der Reihe war zog ich die Schuhe aus, bevor ich auf den Teppich aufstieg. Ich brauchte keinen Wortschwall, um dem Geist des Teppichs meine Ehrerbietung zu zollen! „Der Herr hat Anstand und Respekt,“ war der wohlwollende Kommentar des Alten zu seinem Fluggerät. Auch ich wurde in das Torhaus gebracht. Ein abgehängter Kronleuchter, der nur auf den ersten Blick Kerzen zu tragen schien, fiel mir als erstes auf. Ein genauerer Blick offenbarte, dass sich auf dem Leuchter eher eine ganze Ansammlung kleiner Elementare versammelt hatte. Auch so etwas hatte ich noch nie gesehen… Ein Grollen ging durch das Torhaus, dann ertönte eine tiefe, hallende Stimme. „He, Feuergeistlinge, macht mal etwas heller, Besuch.“ Der Tonfall erinnerte mich an den tiefen bass eines Zwergen, der hallte weil er in einem leergetrunkenen Bierfass feststeckte. Oder an das grummeln von massivem Geröll. Eine zweieinhalb Schritt große schwarze Steingestalt aus Obsidian wuchs aus dem Boden und stand dann vor uns. Sahib al Bahim, Meister der Tore. Ich stellte mich vor, schließlich hatte ich ein legitimes anliegen diese Hallen zu betreten, ich wollte mich ja nur anmelden. Aber als ich meinen Namen nannte gähnte der Felsklotz recht unhöflich. Stein polterten aus ihm heraus, so als ob er alt und gebrechlich würde. Dann fragte er in seiner unverkennbaren Stimme: „Habt ihr mit Dämonenzeug zu tun?“ die Frage brachte mich natürlich, da davon auszugehen war das ihm das nicht recht wäre, ein wenig in die Bredouille. „Nicht in letzter Zeit“, formulierte ich vorsichtig und definierte diesen Zeitraum für mich als „Seit wir aus Al’Anfa abgereist waren“. Faramud, der einer derjenigen war, denen ich dies umgehend attestiert hätte, gab zu Protokoll, er beseitige nur Dämonen. Dem Djinn, denn um einen solchen handelte es sich offensichtlich, war langweilig, seit die Dämonen weg waren, weil er keine mehr zerhauen konnte, wie er nun meinte. Ich war mir nicht sicher, ob er dies so meinte, dass ich ihm einen Dämon beschwören sollte an dem er sich austoben konnte. Aber das würde Faramud wieder nicht gefallen und den warnenden Blick den er mir zuwarf kannte ich mittlerweile nur zu gut. Dafür war der Djinn an den Steinen unserer Heimat interessiert und ich erzählte ihm vom wunderschönen Basalt des Visra. Er hatte wohl einmal eine Djnnendame gekannt, die aus Basalt war. Aber auch daran verlore er bald das Interesse und wollte dann in die Sonne gehen um sich zu wärmen. Ich sollte für einen anderen Weg hinaus die Erlaubnis der Magister einholen, verabschiedete er sich von mir. Da musste ich wohl einen der örtlichen Kollegen fragen. Dann öffnete er uns eine große Flügeltür in die Akademie hinein.

Faramud meinte auf dem Weg, der Gründer der Akademie wäre ein gewaltiger Krieger, Rashdul selbst. Er beherrschte angeblich die Sternenkraft genauso wie das Kriegshandwerk. Ein muskelbepackter Magier? Eine seltsame Vorstellung, die ich auch weniger mit den Tulamiden, als vielleicht den grobschlächtigen Thorwalern in Verbindung brachte, die ja angeblich auch dritt- und viertklassige Magier hervorbrachten. Im Innenhof wurden wir von einem Scholaren der etwas jünger als ich selbst war Empfangen, der sich als Rasfan vorstellte. Er ignorierte Faramud, der sich suchend umblickte, während wir parlierten. Rechterhand führte er mich sodann in ein Geschäftszimmer, in dem ich mich in das Buch der Akademie einschreiben konnte. Als ich ihm mein Anliegen schilderte, die Suche nach einem blau verhüllten Prediger, der vielleicht den Deckmantel des Rastullah-Glaubens nutzte um seine Irrlehren zu verbreiten, wusste er natürlich von nichts. Aber wir sollten auf der Suche in den Bethäusern fragen, oder den Antiquitätenhändler Gaftar ben Asaf, einen betagten Mann, der an Rashtulla glaubte. Dort habe er auch einmal ein höchst interessantes Buch gekauft, das sei aber Zufall gewesen es dort zu finden. Auch das Teehaus von Abu Zucham könnte eine lohnenswerte Station sein um Erkundigungen einzuziehen. Nun, das waren zumindest einige Hinweise, denen man nachgehen konnte.

Ich fragte ihn auch nach einem anderen Weg als der Teppich und was mich daran hindern sollte auf meinem Weg zu gehen? Er lächelte überheblich und meinte nur, ich solle es doch probieren. Einen anderen Weg gäbe es wohl nur, wenn ich von einem Magister geladen worden sei oder mich zur Lehre hier einschreiben wollte. Das war zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber gerade weder in meinem Zeitplan vorgesehen noch von aktuellem Interesse für mich. Faramdu hatte er geflissentlich weiter ignoriert, bis dieser seine Neugier auf eine kleine Akademieführung bekundete, die er für 3 Marawedi auch bekam. Allerdings nur, nachdem ich mich für ihn verbürgt hatte. Unterdessen unternahm ich einen Versuche mich  aus der Akademie hinaus zu teleportieren. Der Transversalis gelang mir recht ordentlich, daran hatte ich keinen Zweifel, wurde aber in der Mitte des Dachs auf Höhe des Firsts unterbrochen. Ich polterte über die Dachschräge und stürze die letzten 4 Schritt herunter in den Innenhof auch, wenn ich mich reflexartig an einigen Dachziegeln halten konnte und dadurch den Fall dämpfte. So im Staub zu liegen empfand ich als würdelos, also rappelte ich mich schnell auf bevor es jemand bemerken konnte und versuchte, mir den roten Sand von der Robe zu wedeln. Der Obsidiandjinn stand erneut vor mir und meinte, mir fehle die Erlaubnis diesen Weg zu gehen…  aber immerhin half er mir dann auf. Der Teppich wartete bereits auf uns… Ein anderer zulässiger Weg, waren wohl nur Elementare. Dämonen, wurde mir gesagt, funktionierten heutzutage wohl nicht mehr, weil ein Kerl namens Hasrabal – das kam mir aus irgend einer Geschichte wage bekannt vor - das nicht mehr zu ließe.

Der Alte empfahl uns auf meine Nachfrage als Herberge die Karawanserei am Basar oder das Haus Festum, es gehörte den Stoerrebrands, sei aber eher beengt. Oder den „feurigen Shadif“, oder die Karawanserei Mahanadi. Am besten sei aber der Shadif, firunwärts außerhalb der Stadtmauer. Dort gingen wir gemeinsam hin um Quartier zu nehmen. Auf irgendeine verlauste Absteige hatte ich keine Lust, und rein monetär hatten wir das ja auch nicht nötig. Auf dem Weg passierten wir einen Platz mit zwei Borontempeln. Einer davon dem Al’Anfaner Ritus, also der richtigen Religionsauslegung zugehörig. Das sich die beiden Häuser allerdings in anscheinend friedlicher Eintracht gegenüberstanden hatte ich so auch noch nicht gesehen. Morgen würde ich unbedingt einmal den Tempel besuchen und mich erkundigen müssen, was es damit auf sich hatte. Wir kamen zu vorgerückter Stunde an der Karawanserei an. Ein feister Kerl mit vom Dattelwein roter Nase nahm uns in Empfang. Der Schmierling stellte sich als Djerdam ibn Aram, erster Vorsteher des Hauses, vor, der in der bedauerlichen Abwesenheit des Besitzers diesen Vertreten durfte und uns herzlich willkommen hieß. Heute Abend sei der Tanz einer Sharisad um Kurzweil zu bieten geplant, und das wollte ich mir dann doch nicht entgehen lassen. Wir ließen uns Zimmer für uns und noch ein Bad für die Damen geben. Das Dampfbad war aber, und ich hörte in Gedanken surina schon wieder toben, lediglich für die Herren. Die Damen bekamen nur einen warmen Zuber und Kernseife. Wir hingegen noch Rosenöle und Massage. Ich hoffte für den Concierge, dass Surina das nicht gehört hatte. Man war recht Stolz auf das kunstvoll gestaltete Dampfbad, welches wohl vom Obsidiandjinn der Akademie geformt worden war, bevor er dort seinen Dienst antrat. Diese Stadt hatte auf jeden fall Überraschungen zu bieten.

Auf die Zimmer bekamen wir Schalen mit Zitronenwasser, das aber zum Waschen, nicht zum Trinken gedacht war. Es gab auch eine kleine leichte Speise vor dem Dampfbad, Datteln, helles Brot und Honig. Das Bad war zwar klein, aber exklusiv in der Bauart und ich genoss seine Vorzüge mit allen Sinnen. Die Alabasterfließensteinchen und der schwarze Obsidian wirkten sehr edel. Danach folgte das richtige Essen und der bezaubernde Tanz der Sharisad, bevor wir uns für eine ruhige Nacht auf die Zimmer zurück zogen.

 

Nach einem typisch tulamidischen Frühstück lenkten wir unsere Schritte zunächst zum Phextempel, da es Surina ein dringliches Anliegen war sich dort von einigen Dukaten zu trennen. Ihren Beinahe-Tot auf dem Schiff schien sie weniger mit mangelnden eigenen Kampffähigkeiten, denn mit übermäßigem Glück ihres Gegners in Verbindung zu bringen, weswegen sie nun den Fuchs der Götter darum bitten wollte, doch das nächste Mal mehr auf ihrer Seite zu stehen. Der Tempel war in der Oberstadt gelegen, die von einer Mauer geschützt war und einigen Wachen mit schlangenförmigen Speeren bewacht wurde. Aber für mich als Mann von Stand – und mein Gefolge – war der Tempelbesuch ein ausreichender Grund ohne weiteres höflich durchgewunken zu werden. Ich muss sagen, dass die Leute dieser Stadt einem standesgemäß auftretendem Magus gegenüber genau das richtige Maß an Ehrerbietung und Respekt an den Tag legten. Das war überaus angenehm. Gegenüber dem Phextempel fand sich auch der Rahjatempel, der für mich -aus rein professionellen Gründen - von größerem Interesse war. Und da ich nach relativ kurzer Zeit und einem kleinen Disput mit dem örtlichen Phexgeweihten der sich um Dämonen drehte, gebeten wurde den Tempel zu verlassen, wand ich mich lieber dem Haus der Rahja zu.

Dort fand ich allerdings zur frühen Stunde nur eine junge Novizin vor, die von den Fließen die Überreste der letzten Nacht fortfegte und mich darauf verwies, ab der Mittagsstunde wiederzukehren, wenn die Geweihten ihren Schlaf beendet hätten. Das würde ich wohl tun müssen, war mein Anliegen doch kaum als so eilig zu bezeichnen, das es getaugt hätte die Erhabenen wecken zu lassen. So fand ich mich auch hier nach kurzer Zeit wieder auf dem Platz vor den Tempeln, wo einige Zeit später auch der Rest unserer Reisegruppe erschien.

Dann würden wir wohl den Vormittag über mit unseren Recherchen beginnen, und das taten wir als erstes Schule der hohen tulamidischen Kampfeskunst, deren Vorsteher Rashij ben Surkan ein glühender Anhänger Rashtullas sein sollte und vielleicht etwas über den von uns gesuchten wissen könnte. Nun war ich natürlich genau der richtige Mann, um Wissen an einer Magierakademie zu erlangen, aber an einer solchen Einrichtung für Kämpfer war ich sicherlich nicht der geeignetste Wortführer. Und Surina, die da andernorts in Frage gekommen wäre und ja auch nicht aufs Maul gefallen war, würde als Frau von einem Rashtula-Verehrer wohl nur wenig respektiert werden. Also würde Faramud diese Konversation übernehmen müssen. Wie ich bald erfuhr wurde hier der Kampf mit dem Säbel und einer kurzen Reiterlanze namens Dschadra gelehrt. Interessant anzusehen, wie konzentriert und diszipliniert sie dies durchführten, aber am Ende waren es eben nur Kämpfer, die ohne einen geeigneten Feldherrn der ihre Fähigkeit richtig einzusetzen wusste, auch nichts zustande bringen würden. Vielleicht sollte ich mich einmal mit dem Thema Taktik und Kriegskunst befassen, das war ein Teil dieses Geschäfts, für den man Intellekt und nicht rohe Kraft benötigte, also die wahre Herausforderung. Um es kurz zu halten, der Besuch lohnte sich, den Faramud erfuhr tatsächlich von einem Rastullah-Anhänger der eine recht krude Auslegung der 99 Gesetze vertreten solle, aber dessen derzeitiger Aufenthalt außerhalb der Stadt nicht bekannt sei. Immerhin hatten wir einen Namen: Samar al Regilor, was ja schon ein bedeutender Fortschritt war.

Als wir die Akademie verließen trugen draußen zwei mächtige Gestalten aus Lehm eine verhangene Sänfte vorbei. Das Volk um uns herum warf sich in den Staub und Pries eine Shanja Eshilia. Bei mir siegte die Neugier und ich versuchte einen Blick durch die Vorhänge der Sänfte zu werfen, konnte aber nur eine verschleierte Frau erkennen. Wie mir einer der Bürger danach furchtsam erzählte, er meinte auch ich solle nicht die Aufmerksamkeit des Sultan Hasrabal auf mich lenken, wäre dies die Frau des Sultans und zweite Tochter des Fürsten von Unau. Was mir gefiel war die Unterwürfigkeit, mit der das einfache Volk vor Hasrabal kroch. Der Mann war ja in Magierkreisen kein unbekannter, ganz im Gegenteil. Er war so etwas wie die Blaupause für einen erfolgreichen Magokraten in diesem Land. Also jemand, den ich als Vorbild bezeichnen würde! Ich hätte gar nichts dagegen seine Aufmerksamkeit zu erregen und mich bei einer Tasse Tee mit einer solchen Berühmtheit zu unterhalten. Aber auf so viel Glück konnte ich vermutlich nicht hoffen… und eine Aufgabe hatten wir ja auch noch zu erledigen.

Unsere nächste Station war dann der ODL, das örtliche Ordenshaus der Grauen Stäbe. Für übernatürliche Umtriebe waren diese sicherlich immer eine gute Ansprechstation, war es doch ihre Aufgabe einen Blick auf solche Dinge zu haben. Auch hier wurde ich als Magier gern vorgelassen und der Leiter des Ordenshauses Kamar ibn Suleiman ließ als wir unser anliegen schilderten den Ältesten Nemhar rufen. Dieser war zwar schon etwas tattrig und nicht mehr gut zu Fuß, aber sein Gedächtnis schien noch hervorragend zu funktionieren. Er erinnerte sich an den Verhüllten, konnte aber nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handeln würde – was sich mit meiner eigenen Erfahrung ja durchaus deckte. Er erzählte eine Geschichte, dass dieses Weib im Streit um die Auslegung der 99 Gesetze erst ihren eigenen Mann und dann dessen Anhänger erstochen hätte, bevor sie als Eremit (oder Eremitin) in den Süden gegangen sei. Man sage, sie (oder er) lebe nun auf einem markanten Tafelberg in der Nähe des Flusses Schuhob, der N’Bel Ganum genannt wurde, da auf seinem Plateau ein Gipfel wie der Docht einer Kerze aufrage und vom Fluss aus sogar zu sehen wäre. Das war ja schon einmal ein recht konkreter Anhalt. Konnte es wirklich so einfach sein? Und warum, fragte ich mich ohne eine Antwort zu erhalten, ließen diese Wickelköpfe ein Mörderweib einfach von dannen ziehen, anstatt sie vor den Kadi zu zerren und hinzurichten? Das ging ja wohl kaum mit rechten Dingen zu!

Unterdessen war es Mittag geworden, so dass ich mein Glück noch einmal im Rahjatempel versuchte. Ich wollte ja nur eine vertrauliche Nachricht nach Belhanka senden, damit die Kirche dort über unseren Fortschritt informiert war. Und bat die Tempelvorsteherin zugleich, noch eine Nachricht zu senden, sollten wir nicht binnen einer Woche zurückkehren, damit jemand anderes unsere Arbeit dann vollenden konnte. Pamina hatte sich anscheinend in die kleine fegende Novizin verguckt und wollte gar nicht mehr mit zurück in unsere Herberge, weswegen ich mich am Abend gezwungen sah den Tempel noch einmal aufzusuchen um sie dort wieder abzuholen – und natürlich den lokalen Gepflogenheiten folgend vorher an einem Rahjadienst teilzunehmen. Faramud wollte sich unterdessen wieder um solche profanen Dinge wie Proviant und eine Reisemöglichkeit kümmern.

Den späteren Abend nutzte ich mit Faramud, um auf dessem magischen Astrolabium die Sternenkonstellationen der nächsten Namenlosen Tage zu prüfen. Anscheinend saß sein misstrauen tief, denn er wollte zuerst von mir wissen wozu das dienen sollte und ich musste ihm schwören, dass es mir hier nicht um die Beschwörung eines Dämons ging – also nicht von mir. Ich wäre ohnehin nicht so verrückt, während dieser Tage einen Sieptsphärigen zu rufen. Das wäre ein völlig unverantwortliches und unkalkulierbares Risiko, da müsste ich ja schon entweder sehr blöd oder sehr verzweifelt sein! Mit dieser Erklärung konnte Faramud seltsamerweise jedoch gut leben, soweit traute er meinem Wort dann doch. Leider fanden wir im Schein des Sternenlichts und der fast vollen Mada in der Sternkonstellation, nachdem wir sie auf diesem faszinierenden Apparat aufgerufen hatten, keinerlei Besonderheiten, die uns einen Hinweis gaben. Das schwäche rund stärker werden der Wandelsterne um die Sternenleere herum in diesem Zeitraum war für uns beide ein gewöhnliches Ereignis. Schade, ich hatte mir mehr davon erhofft.

So kam es, dass wir am nächsten Tag mit einem kleineren Boot den Shuhob hinauffuhren. Eine ruhige Flussfahrt, dies diesmal nicht von irgendwelchen Piraten gestört wurde. Am ersten Abend machten wir, schon in Sichtweite des Tafelbergs der tatsächlich sehr markant war, an einem Anleger halt und übernachteten dort, bevor wir uns am nächsten Tag sehr früh zu Fuß in Richtung des Berges aufmachten. Der von uns anvisierte Gipfel lag in einem ganzen massiv von Tafelbergen und die Gegend war überhaupt nicht so unbelebt wie ich erwartet hätte. In den Seitentälern abseits des Weges schienen Bauern ihrer Arbeit nachzugehen und es war überall wunderbar grün, der Landstrich war fruchtbarer, als ich es erwartet hätte.

Es dauerte gerade einmal 2 Stunden, bis wir den Fuß des Berges erreichten und nach kurzer Suche eine Treppe fanden, die in eine Felsspalte geschlagen war. Wieder konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das alles viel zu einfach war. Gut, auch ein Eremit oder Leute die ihn aufsuchten würden nicht jedesmal herumklettern wollen… aber trotzdem. Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Der Berg war insgesamt nur etwa 150 Schritt hoch, aber der Aufstieg nahm trotzdem einige Zeit in Anspruch, da sich der Weg in zahlreichen Windungen an der Außenseite des Bergs hinaufwand. An einer Stelle war der Pfad auf 2 Schritt Länge sogar weggebrochen, so dass wir gezwungen waren hinüber zu klettern. Ich war keine Bergziege, deswegen musste ich mich hier auf die helfende Hand Faramuds stützen, aber das konnte ich verschmerzen. Das Plateau erreichten wir schließlich in etwa 100 Höhenschritt ohne Zwischenfälle. Der Anblick hatte etwas Idyllisches. Die Hochebene war bewachsen, in einer Senke hatte sich Regenwasser gesammelt und bildete einen natürlichen Teich. An den „Docht“ angelehnt stand eine gut gearbeitete Holzhütte, zu der wir hinüber gingen.

Ich klopfte an die Tür. Auch wenn ich hier in grundsätzlich mordlüsterner Absicht erschien hieß das nicht, dass man die Formen der Höflichkeit außen vorlassen sollte. Es erfolgte jedoch keinerlei Reaktion. Ich drücke die Tür nach Innen auf, mich bereits in Gedanken auf Abwehrmaßnahmen einstellend, aber wieder geschah nichts. Die Hütte war klein und leer. Hinten rechts ein einfaches Bett, darauf eine gefaltete Decke und ein Strohkissen. Eine leere Truhe und ein Regal vervollständigten die Einrichtung. Offensichtlich war die Hütte verlassen und auch eine schnelle Suche im Raum bestärkte den Eindruck. Die Asche in der Kochstelle war kalt.

Unterdessen hatte Pamina sich in der Umgebung umgesehen und hinter der Hütte im Gebüsch einen Spalt gefunden, der in den „Docht“ hineinführte. Bevor wir dort hinein gingen sah ich verwundert, wie Faramud eine Decke nass machte und Wasserschläuche füllte – sein verhalten erklärte sich aber schnell. Er hatte mir anscheinend gut zugehört als ich von meiner letzten Begegnung mit dem Verhüllten und den beiden Ivash erzählt hatte und wollte auf die mögliche Anwesenheit von Feuerdämonen vorbereitet sein. Man konnte über Faramud sagen was man wollte, aber er dachte sowohl logisch als auch pragmatisch. Das gefiel mir so an ihm. Hätte er nur nicht diese strikte Aversion gegen Dämonen, er wäre der perfekte Begleiter auf meinem Weg zur Herrschaft gewesen. In dieser Gegend war man es ja gewöhnt, dass ein Magus über das Land herrschte, vielleicht sollte ich mir einfach ein kleines tulamidisches Dorf suchen und mich dort zum Potentaten ausrufen, so wie Hasrabal es in Rashdul gemacht hatte. Man kann ja durchaus klein anfangen, wenn man sich dann hocharbeitete. Diesen Gedanken sollte ich im Kopf behalten… ich müsste nur darauf achten, dabei keinem anderen Magier der schon da war uns Ansprüche erhob auf die Zehen zu treten. Oder zumindest nur einem, den ich im arkanen Duell besiegen konnte.

Der schmale Stieg war aus dem Felsen geschlagen, oder falls er natürlich war erweitert worden und der Boden machte den Eindruck bearbeitet zu sein. Kurz hinter dem Einfang löste der Trampel Faramud eine Falle aus. Leider hatte er das Glück der Dummen und der heranschießende Armbrustbolzen traf mich statt ihm am Arm. Das tat niederhöllisch weh, so dass ich mich mittels Balsam zunächst um mich selbst kümmerte, während die anderen nun vorsichtig geworden weitere Fallen fanden und sogar ohne größere Zwischenfälle entschärften. Hier war tatsächlich einmal Paminas Erfahrung als Großwildjägerin von Nutzen, die ihre Beute ja auch hin und wieder mit Fallen fing. Noch ein Stück weiter den Gang hinunter wurde der Weg von einer flammengefüllten Grube versperrt, an derem Grund glühende Eisenstangen auf ihre unglücklichen Opfer wartete. Vorsichtig geworden, warfen wir zunächst einige Steine hinüber, die auf der anderen Seite aber kollernd verschwanden. Daher machten wir uns nacheinander daran, das Hindernis zu überspringen. Faramud zuerst, dann ich. Ich blieb irgendwie mit dem Fuß an einem Hindernis hängen und wäre gestürzt, hätte Faramud mich nicht schon wieder gehalten. Trotzdem hingen meine Beine über dem Abgrund – und standen erstaunlicherweise auf festem Boden! Eine Illusion! Und auch noch eine verdammt gut gemachte… hier gab sich wirklich jemand Mühe seinen Unterschlupf zu sichern.

Da wir festgestellt hatten, das keine Gefahr drohte, konnten wir weiter gehen bis sich der Gang zu einer Art Wohnkammer erweiterte. Sofort waren wir in Habacht, als wir voraus ein leises vernehmbares Wimmern hörten. Kistenstapel, Stühle, ein Tisch und Regale vermittelten den Eindruck eines dunklen Wohnraums, eine Stufe führte zu einem leicht erhöhten Podest. Das Wimmern stammte von einem Kind, das auf einem weiteren Tisch angebunden war. Mögen die Götter diesen Frevler vernichten – wenn sie denn schneller wären als ich! Was auch immer er mit dem Kind vorhatte, es konnte nichts gutes sein.

 

 

 

Ich ging nach hinten in Richtung des Kindes. Das Opfern von Kindern war in den Kreisen die ich jagte ja anscheinend gängige Praxis, und ich wage zu behaupten bei manchen meiner Kollegen auch. Aber das bedeutete ja nicht, dass ich das gutheißen musste. Das Kleine, ich schätzte es auf vielleicht 8 Götterläufe, war mit schwarze-silber durchwirkten Kordeln an den Tisch gefesselt. Faramud, der sich das Podest zur Linken besehen hatte rief nach mir, ich solle doch einmal einen Blick auf seinen Fund werfen, hier sei ein Stern auf den Boden gezeichnet. Das war natürlich genau meine Fachrichtung… deswegen tauschten wir nun einfach den. Er kümmerte sich um das jammernde Kind, ich um das offensichtliche Pentagramm, dass ich mir nun in Ruhe ansah. Es war vollständig gezeichnet mit Bannkreis und allem, auch nicht verwischt oder auf andere weiße beschädigt. Grundsätzlich eine solide Arbeit, wie mir schien. Aber seltsamerweise konnte ich den verwendeten Zeichen keine Wesenheit zuordnen, obwohl ich ja in der Kunst der Bannkreiserstellung durchaus bewandert war. Ich hatte mir dieses Wissen ja nicht umsonst in Brabak angeeignet! Eine Wesenheit die ich kannte war damit schon einmal auszuschließen. Es wurde wirklich höchste Zeit, dass ich die entsprechenden Sprachkenntnisse erwarb um das Arcanum zu studieren, dort hätte sich sicherlich eine passende Referenz gefunden. Wieder ärgerte mich die bisher nicht aufbringbare Zeit.

Unterdessen hörte ich das Kind weiter jammern. Sein, oder in diesem Fall wohl eher ihr Name war Mila, wie sie Faramud erzählt der die Fesseln löste. Sie war kaum in der Lage, vernünftig auf Fragen zu Antworten, so dass er nur wenig aus ihr herausbekam. Eine böse Person mit blauem Gewand mit etlichen Handlangern hatte sie entführt, damit sie noch „einen dienst erfüllen“ sollte. Dabei machte sie nur hilflose, schwache Bewegungen während sie dies erzählte. Als Surina dazukam, die es mit ihrem Gewn Petryl beleuchtete wand sich das Kind ab. Paminas Hund schien sich in dem Raum ebenfalls nicht wohl zu fühlen, daher stellte Pamina die Lampe ab und sicherte mit ihrem Bogen den Gang nach hinten ab. Vielleicht gar nicht verkehrt, denn irgendwer musste ja wohl ab und an vorbei kommen, um das Kind zu versorgen, sonst wäre es sicherlich schon längst gestorben. Wobei, und das schien mir seltsam, wenn es hier an den Tisch gefesselt war, und das vermutlich schon länger, wo waren die eigentlich zu erwartenden Spuren von Exkrementen und der damit verbundene Gestank? Gerade als ich diesen Gedanken äußern wollte, das Pentragram fesselte meine Aufmerksamkeit nicht mehr, geschah es.

Als sich Surina  dem Kind näherte um es genauer anzusehen drehte dieses sich zu ihr um. Es spannte sich im Licht des Gwen Petryl, fauchte Surina an und griff nach ihr. „Nimm es weg“, war undeutlich zischend zu vernehmen, die Stimme hatte nicht mehr viel Menschliches. Surina wich dem Griff gewandt aus und das Kind sprang zu Boden wo es sich erneut abhockte und anzuspannen schien. Es zwinkerte wegen des blauen Lichts, das ihm anscheinend Unbehagen verursachte und Geifer rann von auf einmal hervorstehenden überlangen Eckzähnen. Als Surina, wenig eingeschüchtert wie mir schien fragte „Was bist Du?“ war die lapidare Antwort des Kindes „Dein Tot“, bevor es mit auf einmal an den Händen befindlichen Krallen nach ihr schlug. Surina zog ihre Waffe, erstaunlich schnell, wie ich anmerken musste. Sie hatte ihr Rapier vom einen auf den anderen Augenblick in der Hand, kaum das ich der Bewegung mit den Augen hatte folgen können. Dann begann ein ungleicher und nur kurzer Kampf. Faramud und Surina schlugen das Kind mit wenigen Hieben zu Boden und Faramud dann in guter Tradition wider alles Unheilge am Ende den Kopf ab, noch bevor ich zur Untersuchung heraneilen konnte. Meine Rufe, es nicht kaputt zu machen ignorierte er einfach. Dieser Ignorant!

Faramud hielt den abgeschlagenen Kopf hoch, aber spitze Zähne waren keine mehr zu erkennen. Der Korpus blutete auch erstaunlich wenig, dafür das der Kopf vom Rumpf getrennt war. Da hätte ich eigentlich eine ordentliche Fontäne Lebenssaft erwartet. Faramud vermutete einen Vampir, einen Nachtschleicher. Und auch wenn ich nicht viel über diese Wesen wusste außer ein paar Gruselgeschichten schien es mir angesichts des Namenlosen Hintergrunds dem wir folgten auf mich plausibel. Nun, Spekulationen später, das praktische zuerst… ich füllte eine kleine Flasche mit dem Blut des Vampirs. Wer konnte schon sagen, wofür man dies einmal würde brauchen könnte? Pamina hießen wir auf Leichnam aufzupassen, während sie in ihrem Buch der Kreaturen des Namenlosen nach einer Referenz suchte, die sie uns kurz darauf präsentierte. Vampire wurden wohl von anderen Vampiren geschaffen, was natürlich die Frage aufwarf, wo sich diese „Anderen“ aufhielten. Ich sah mich verstohlen um…. Faramud begann aus einem Löffel einen Holzpflock zu schnitzen da er meinte gehört zu haben, das wäre ein probateres Mittel als pure Waffengewalt. Wobei die Waffengewalt hier ja tadellos funktioniert hatte. Also vielleicht nur ein Märchen, das mit den Pflöcken?

Als nächstes wurde der Wohnbereich weiter hinten untersucht. Dieser wirkte verlassen, war aber ebenso wie die Hütte draußen ordentlich hinterlassen. Dann rief Surina nach mir. Sie hatte dort anscheinend etwas gefunden und Pamina folgte mir ebenfalls dorthin. Saba sträubte sich sichtlich selbst an dem Leichnam der Kreatur vorbeizugehen. Das sollten wir uns merken, anscheinend konnte man den Hund, wenn man die Zeichen richtig deutete, als eine Art Vampirdetektor einsetzen. Man durfte nur nicht den Fehler machen gleich ohne weitere Prüfung jeden zu erschlagen, dem gegenüber Saba eine ängstliche oder widerstrebende Reaktion zeigte. Als ich ankam deutete Surina auf eine Bodenplatte die irgendwie anders war als die übrigen. Ich strich mit den Fingern darüber. Fester Stein, aber ich spürte eine leicht wackelnde Stelle und schaffte es mit den Fingern in einen Spalt zu kommen.

Es war nicht ganz einfach, aber mit Surina zusammen gelang es mir, die Platte anzuheben. Sie lag auf einer Ausschachtung, an deren Boden wir ein Kistchen sahen. Dunkles Holz, ein silbriger Rand umlief den Deckel. Pamina war zögerlich als wir sie aufforderten die Kiste herauszuheben und inspizierte vorher argwöhnisch den Schacht. Sie schein angesichts der bisherigen Erfahrung hier unten mit Fallen ein wenig Angst zu haben. Andererseits war es ja nicht unvernünftig und ich mochte es eher wohlwollend als angebrachte Vorsicht sehen. Sie fand aber nichts Verdächtiges und hob die Kiste heraus. Dann zuckte sie kurz, blickte sich hektisch um und rannte auf einmal in Richtung des Ausgangs, wobei sie mit einer Hand den Speer zog. „Das ist meins, alles meins“, rief sie uns noch zu, bevor sie im Dunkel verschwand. Ich ließ die Platte fahren, während Pamina flüchtete. Nun, natürlich, magische Sicherungen hatte sie nicht erkennen können… ich seufzte. Da es sich aber um eine non-letale Falle zu handeln schien, immerhin war uns kein Feuerball um die Ohren geflogen, würden wir genauso gut das das Ende der Wirkungsdauer abwarten können. Das war ja das Gute an solchen Dingen… kein noch so potenter Zauber der zur Verhaltensänderung führte, währte in der Regel ewig, sondern hatte immer eine begrenzende temporale Auswirkung, die man gemütlich aussitzen konnte, es sei denn der betroffene Schlug gerade wild auf einen ein, was ja hier nicht der Fall war. Aber ich kam gar nicht dazu, diese Gedanken zu äußern, da alle anderen schon wild hinter Pamina her hetzten. Geduld war ja eh offensichtlich weder Surinas noch Faramuds herausragende Tugend.

Also folgten wir Pamina, die mangels anderer Alternativen Richtung Ausgang gerannt war und dann auf das Plateau hinaus hetzte in Richtung der Treppe über die wir hinaufgekommen waren. Surina rannte etwas schneller hinterher als Faramud und ich. Das lag vermutlich einfach daran, dass ich noch nie ein besonders guter Langstreckenläufer gewesen war und Faramud an seinem Kettenzeug schwerer zu schleppen hatte. Surina holte sie am Rand der Ebene ein, was Pamina dazu veranlasste ihren Speer zu ziehen und sich zu stellen. Dabei musste sich aber das Kästchen ablegen, um die Waffe richtig greifen zu können. Ein einhändig geführter Speer war ja doch recht wenig effektiv. Surina, die es erst noch einmal mit guten Worten versuchte, stach bald wild auf Pamina ein, traf sie aber nicht. Ob das Absicht oder Unvermögen war vermochte ich jedoch nicht zu beurteilen. Immerhin drängte sie sie dabei aber Stück für Stück zurück. Pamina im Gegenzug stach Surina zweimal recht treffsicher in Arm und Bein. Dann kam Pamina unvermittelt wieder zur Vernunft und warf den Speer beiseite. Hatte ich nicht vorhin erst über die zeitliche Begrenzung von Magica Controllaria referieren wollen? Genau das meinte ich! Sie schien ihr zwanghaft hervorgerufenes Verhalten ehrlich zu bedauern. Surina dagegen schimpfte wie ein Gossengör mit Worten, die ich so noch nie aus ihrem Mund vernommen hatte und verpasste Pamina eine Backpfeife das man den Handabdruck in ihrem Gesicht sicher heute Abend noch sehen konnte. Auf der Schule für Töchter der besseren Gesellschaft hatte sie solche Wörter sicher nicht gelernt… dazu würde ich sie in einer ruhigen Minute einmal befragen müssen, dahinter steckte sicher eine interessante Geschichte!

Bevor wir uns erneut an dem Kistchen zu schaffen machten sprach ich einen kurzen Odem Arcanum darauf, sicher war sicher. Allerdings konnte ich nur noch sich schnell verflüchtigenden Restspuren astraler Strahlung mit dem Merkmal Einfluss erkennen, eine aktive Verzauberung schien nicht mehr vorhanden zu sein, so dass ein Öffnungsversuch gefahrlos möglich sein sollte. Ich äußerte dies gerade, als Faramud einen Brandpfeil auf die Kiste schoss. Der Narr! Wollte er etwa dem Feind helfen und unsere beste Spur vernichten? Hastig zog ich den Pfeil aus dem Holz und versuchte die Kiste zu öffnen, verbrannte mir aber dabei die Finger.  Ein weiterer Pfeil von Faramud flog heran und steckte in der Kiste, wobeim ich ein paar brennende Tröpfchen erwischten. Surina versuchte mich vor Faramud zu schützen und stellte sich in den Weg. Gutes Mädchen, manchmal hatte ich den Eindruck, sie war die einzige vernünftige Person außer mir in diesem Haufen! Beim zweiten Versuch bekam ich die Kiste, die kein Schloss hatte, geöffnet, ohne mir weiter weh zu tun. Ich sah einige Dokument, die ich zügig aber vorsichtig heraus nahm bevor sie ein Raub der Flammen werden konnten.

Dann zogen wir, nicht ohne Faramud auf die Dummheit seines Handelns Hinzuweisen hinauf auf das Plateau zurück. Ich fing direkt an zu lesen während mir Faramud über die Schulter sah und sich den Inhalt der Schriftstücke ebenfalls zu gemüte führte, während Pamina derweil eher schlecht als recht versuchte Surinas Wunden zu verbinden.

Es schien sich um das Tagebuch der von uns verfolgten Person zu handeln, zurück bis in das Jahr 1024 BF. Die Anhängerschaft zum Namenlosen war nun eindeutig bestätigt, nicht das ich daran irgendwelche Zweifel gehabt hätte. Über das uns bereits Bekannte Gedicht schien sie auf das Szepter gestoßen zu sein, wobei nun klar war, das es gebrochen war und ich nur den oberen Teil aus dem Hort geborgen hatte und der Feind bereits vorher über das zweite Stück verfügte. Das war nicht gerade beruhigend… Anscheinend gehörte es dem dämonischen sechsten Tagherrscher des Namenlosen, der, allgemein soweit mir bekannt überhaupt niemandem ein Begriff war, derzeit als gebannt gelten musste und mit diesem Objekt wieder herbeizurufen war. Keine besonders schöne Aussicht! Die verbündeten unseres Feindes scheinen eine Anzahl Anhänger zu sein die er um sich geschart hatte, vielleicht ebenso Vampire, da er sie als „mit Intelligenz und Kraft von unserem Herrn ausgestattet“ bezeichnete, sowie einem Kultistenzirkel, die er „Kreis der Wissenden“ nannte und die die Geheimnisse des Namenlosen zu hüten schienen. Diesen Zirkel würde ich mir direkt nach unserem Feind vornehmen. Der Schlange konnte man gar nicht genug Köpfe abschlagen! Leider fand sich kein Hinweis darauf, wo man diese Narren finden konnte, aber das würde sich sicherlich noch ermitteln lassen… Die Rückholung des Tagherrschers sollte bei einer bestimmten, leider nicht näher bezeichneten Sternenkonstellation stattfinden. Ich hasste es, wenn solche Schriften immer meine Neugier anregten aber am Ende so Vage blieben, dass man nichts konkretes darauf erfuhr! Auch Anspielungen auf Saris blauen Zahn fanden sich in dem Schriftstück, der eine zentrale Rolle dabei spielen sollte. Was im Umkehrschluss bedeutete, dass meine kleine Sari sich in akuter Gefahr befand, da sie ja jetzt alleine unterwegs war und nichts davon wusste. Wir mussten sie so schnell es ging wiederfinden! Ich würde nicht zulassen, dass ihr diese Trottel ein Leid zufügten würden! Aber da die Nivesen anscheinend die Bannung des Tagherrschers zustande gebracht hatten würden wir ihr Wissen sicher auch benötigen, um dessen Rückkehr zu vereiteln. Interessanterweise musste ich in immer wieder gewählte Formulierungen hinein interpretieren, dass diese verblendete Priesterin des Namenlosen selbst, zumindest noch, kein Vampir war, da sie sich „die Gabe“ erst noch vom Namenlosen wünschte um ihre Horden anzuführen. Es folgten lästerliche eine Ausführungen zu meiner Person an denen ich erkennen konnte, wie gnadenlos ich vom Feind unterschätzt wurde. Gut so, soll sie sich in Sicherheit wiegen… ich werde wie der Zorn der Götter über sie kommen und das Gegenteil beweisen! Nun klärte sich auch, warum ich beim Kontakt mit dem Szepter hinaus zum Feind gezogen worden war. Ein Teil des anderen Bruchstücks war in dem Ring den ich erhalten hatte und der die Teile dann zueinander gezogen hatte. Sehr perfide! Es folgte noch eine kurze Ausführung zu dem Kind-Vampir, das anscheinend ein Forschungsobjekt gewesen war, dann endeten die Schriftstücke mit dem Datum 06. Phex 1028. Also noch keine Ewigkeit her. Nun mussten wir aber erst einmal dringend Sari finden… ich war ziemlich überzeugt, das der Feind dann ohnehin zu uns kommen würde, ohne das wir ihn aktiv suchen würden müssen!

Ich las erst fertig, bevor ich die ständig herumnörgelnde Surina dann mit einem Balsam heilte. Pamina würde wohl an ihren Künsten als Feldscher noch ein wenig arbeiten müssen. Pamina wollte noch ihren Bogen aus der Höhle wieder holen, traute sich aber nicht allein zu gehen… Faramud begleitete sie. Als sie zurück kamen erzählten sie, ein grüner Wabernebel hätte über dem Tisch ein kleines Fläschchen mit einer dunklen, rötlich-braunen Flüssigkeit fallen lassen. Faszinierend! Nachdem ich es zuerst olfaktorisch und dann mit der Zunge probiert hatte war ich mir recht sicher, dass es sich um Blut handelte. Ich nahm einen Gegentest mit dem Blut an meiner Hand vor, das Surina gehörte die ich ja gerade erst geheilt hatte. Ich konnte keinen Unterschied erkennen, also war es vermutlich menschliches Blut. Das würde erklären wie der Vampir zu seinen regelmäßigen Blutrationen gekommen war um ihn am Leben zu erhalten. Ein dämonischer Kurier vermutlich minderer Art, deswegen vielleicht auch das Pentagramm auf dem Podest. Zumindest von der Logik her ergab dies alles einen perfiden Sinn. Dann machten wir uns an den Abstieg, überzeugt hier oben nichts weiteres Aufschlussreiches finden zu können. Ich bestand darauf den Körper des Kindes mitzunehmen um ihn im Borontempel zur Bestattung abzugeben. Wir wickelten es in Bettzeug ein, damit es keine dummen Fragen gab. Faramud meinte, dies wäre hier ohnehin die übliche Begräbnissitte.

Von Rahja her drohten uns dunkle Wolken, als wir uns an den Abstieg machten. Wir schafften es wieder nach unten und gelangten mit einsetzendem Regen wieder zur Anlegestelle. Dort mieteten wir uns für die Nacht ein. Der neugierige Wirt war wegen dem Toten Kind nach unserer Erklärung, wir verheimlichten ihm fast nichts, nur minder beruhigt, es war anscheinend nicht aus der Gegend. Er wollte es nur nicht im Haus haben, sondern in einem Schuppen nahebei. Das konnte ich ihm nicht einmal verübeln. Die Details unserer Erlebnisse auf dem Plateau schienen für die Einheimischen aber eher verstörend zu sein, so dass man uns bald wieder in Ruhe lies.

Am nächsten Morgen fuhren wir den Fluss mit einem Schiff hinunter nach Rashdul, und waren dank der Strömung flott unterwegs. Nach unserer Ankunft suchten wir zuerst den Borontempel des Al’Anfaner Ritus auf. Die Tür stand einen halben Schritt breit offen, von innen grüßte uns der schwere Duft von Räucherwerk. Eine angenehme Stille im Vergleich zur abendlich hektischen Stadt umfing uns. Im Inneren war es düster, trotz der großen Öllampen die in Reihen von der Decke hingen. Ich sprach den nächsten Diener des Raben an, der uns hieß den Leichnam zu einem der Bestattungstische zu bringen. Natürlich fragte er wegen dem abgeschlagenen Kopf… Die Erklärung ersetzte ihn zwar in Staunen, aber nicht in Entsetzen. Wir hätten das Herz mit einem Pflock von Ebenholz oder Mohagoni durchbohren sollen, war seine Meinung, denn Vampire schienen ihm nicht unbekannt zu sein. Den Fluch der auf diesen Wesen läge erkenne man aber erst, wenn man mit der Kreatur zu tun habe. Praios Sonnenlicht bereite ihnen üblicherweise Unbehagen und von Efferd verfluchte hätten Probleme im Wasser oder wie im vorliegenden Falle im Angesicht des Efferdsteins den Surina trug. Natürlich… mein Stab aus Zedernholz hätte dann in diesem Fall beim Pflocken tatsächlich auch geholfen, immerhin war er aus dem Holz des heiligen Baums Efferds. Man lernte nie aus… Nun war es aber Zeit den Leichnam ordentlich zu bestatten, damit wirklich nichts mehr passieren konnte.

Aber man lernt ja bekanntlich nie aus… und so erfuhr ich hier sogar, dass die erste Vampirin Marbo gewesen sei. Ich kannte sie nur als Heilige unserer Kirche, das mit dem Vampirismus musste mir bisher entgangen sein! Boron hielt den Namenlosen Fluch der seine Tochter getroffen hatte zurück, verlor sie am Ende aber trotzdem und nur ihr Kind konnte gerettet werden. Seitdem war in der Kirche Bekannt, dass eine allgemeine Schwäche der Nachwandler war, wenn sie mit Holz aus dem Baum der Gottheit, von der sie verflucht und der sie in ihrem Vorleben gedient hatten ins Herz gepflockt wurden. Die meisten Kenntnisse hätte man wohl bei der Hesindekirche im Lieblichen Feld, das war nun aber ein wenig weit weg um spontan nachzufragen. Dennoch, eine recht einfache Lösung lag ja nun Nahe… wir würden uns jeder wohl 12 Pflöcke aus den verschiedenen Hölzern besorgen müssen, auch wenn das dann ein wenig seltsam auf Dritte wirken mochte. Aber was sollte man machen, wenn diese Diener des Namenlosen seine Kämpfer im neuen Zeitalter sein sollten? Pamina mischte sich ein und gab dem Geweihten das Pamphlet, welches sie in Fasar erworben hatte. Der schien, ich war erstaunt die Streitschrift sogar zu kennen! Der Namenlose schwächte also über das geraubte Sikarian die göttlichen Zwölf, da dieses auch deren göttlichen Funken nährte, so die anscheinend allgemeingültige Theorie. Das hieß wohl im Umkehrschluss, ich musste dem Namenlosen seine Sikarian-Versorgung entziehen, wenn ich ihn schwächen und töten wollte. Nun, das war zumindest ein Ansatz…

Fürs erste bat ich aber um einen Satz Mohagonipflöcke damit wir boronverfluchte Vampire töten konnten. Die sollten wir auch bekommen bis zum nächsten Tag. Zu Samar al Regilor wusste der Geweihte zu sagen, dass sie mit Sicherheit eine FRAU war! Als er selbst Jünger war hatte er die Gerüchte über den Männermord ebenfalls gehört und meinte sich zu erinnern, dieser geschah weil sie von ihrem Mann mit einer Jüngeren betrogen worden war, obwohl dies bei den Rasthulahelis ja normal sei. Was uns dazu brachte, wie denn ein ehemals an Rastullah glaubender Vampir zu verletzen sei, denn das würde ja schlecht in die Theorie der zwölfgöttlichen Kirchen passen. Dazu sollte Faramud morgen einmal bei den Wickelköpfen nachfragen…. Wir waren uns aber einig, das sie vermutlich die Schöpferin des Vampirs auf dem Berg gewesen sei und das übergeordnetes Ziel verfolgte den „Sechsten“ wieder herbeizurufen um als Belohnung die Anführerin der Vampirarmee im kommenden Äon zu sein. Der Vampirfluch, so der geweihte, würde üblicherweise weitergeben indem ein Opfer das Blut des Vampirs zu sich nehme, wenn es vorher ausreichend geschwächt aber noch nicht tot war. Interessant… hieß das, ich würde einen meiner Gefährten mit der Flasche Vampirblut die ich bei mir hatte von der Schwelle des Todes zurückreisen können, wenn meine sonstigen Versuche ihn zu heilen versagten? Zu dem Preis, dass er dann ein Nachtwandler wurde? Und würde er dann automatisch dem Namenlosen anheimfallen? Oder vielleicht auf den Pfaden Etilias wandeln können? Das war ein faszinierender Gedanke… Pamina, der ich anbot diese Theorie zu testen verneinte aber rundheraus. Nun gut, ohne Not sollte man ein solches Experiment vielleicht nicht machen… aber im Hinterkopf behalten würde ich dies auf jeden Fall! Wie oft hatte ich die Anderen schon von der Schwelle des Todes zurückgeholt? Irgendwann mochte ich auch einmal versagen, und dann war es immer gut, noch einen zweiten Plan bei der Hand zu haben. Lieber eine Vampir-Pamina, als gar keine Pamina, oder nicht?

Morgen zur 10. Stunde wollte ich noch an der Bestattung des Kindes teilnehmen und dann auch die Pflöcke bekommen. Dann gingen wir wieder zum Shadif um dort zu schlafen. Für den nächsten Tag nahmen wir uns noch vor unser Wissen um Vampire Hesindetempel und beim ODL zu ergänzen, das würde ich tun. Pamina wollte in die Magierakademie um ein Artefakt das sie zwar besaß aber noch nicht nutzen konnte analysieren zu lassen und dort ebenfalls Erkundigungen einzuziehen. Und Faramud würde sich um die Rastulahelis zum gleichen Thema kümmern. Das war doch ein Plan, mit dem ich beruhigt in den Schlummer gleiten konnte…

 

 

Nach einem gemütlichen Frühstück begannen wir, die Pläne in die Tat umzusetzen und trennten uns dafür. Kurz bevor wir gehen wollten kam ein Bote und übergab mir eine gesiegelte Nachricht aus dem Borontempel. Die Beisetzung des Kindes würde nun erst in der Nacht zur 10. Stunde stattfinden, da es für eine so außergewöhnliche Beisetzung wohl angemessen sei die borongefällige Dunkelheit abzuwarten, die zu dieser Jahreszeit erst recht spät eintrat. Also würden wir wohl doch noch ein Tag länger als geplant in der Stadt bleiben müssen, immerhin hatte ich mich ja bereit erklärt dem Ritus beizuwohnen, da wohl sonst niemand dem armen Ding die letzte Ehre erweisen würde. Und da sollte noch einmal jemand behaupten, Schwarzmagier hätten kein Gewissen und keine Moral… Dann brachen wir aber doch endlich auf zu unserem Tagwerk. Ich stellte Pamina vor der Akademie ab und bat sie, Bescheid zu geben, dass ich die Stadt morgen verlassen wollte. Den Weg hinein würde sie schon alleine finden, es gab ja nur einen, und ging selbst zum Hesindetempel hinüber. Wenn es die Zeit erlaubte, würde ich wirklich dringend auch noch den Analys Arcanstrucur erlernen müssen. Ich wollt gar nicht wissen, was Pamina nun würde bezahlen müssen, aber ich hätte ihr da sicher einen Haufen Dukaten sparen können für diese magische Dienstleistung, wenn ich diese Fortbildung etwas früher angegangen wäre. Nunja… wenn es Pamina grade an etwas nicht mangelte war es ja Gold. Trotzdem… diese Lücke in meinem Repertoire würde ich bald einmal schließen müssen.

Ich betrat die große Halle, verneigte mich vor der Statue der Allweisen Herrin und wandte mich an einen herumstehenden Geweihten, der sein Gespräch mit einer anderen Gläubigen unterbrach, als er mich sah. Ich bat ihn höflich, mich als einen Wissensuchenden zu erhellen, was das Thema Vampire und deren Vernichtung anging. Allerdings erfuhr ich nicht übermäßig viel Neues, dieses Thema war offenbar bei den meisten Institutionen eher ein Randthema, mit dem sich wohl nur einige ausgewiesene Experten tiefergehend beschäftigten. Vampire nähmen den Hauch des Lebens, das Sikarian durch ihren Biss und saugten des Blutes ihrer Opfer, die dabei nicht nur das Leben, sondern auch ihre Seele verlören. Allerdings verlören Vampire angesichts von Blut oder Lebenskraft die Kontrolle über sich, soweit ihr Hunger nicht gestillt ist. Das war ein Punkt, den wir uns wohl zunutze machen konnten in der Zukunft. Ein Gegner im Rausch oder der Gier würde wohl weniger planvoll agieren und leichter zu besiegen sein, als einer der auf der Hut war und sich beherrschte. Darüber hinaus verwies mich der Geweihte auf mehrere schriftliche Quelle, die er für einschlägig hielt, aber leider nicht vor Ort zur Verfügung hatte. Ich solle im Bestiarium von Belhanka nachlesen, dort gäbe es wohl einen längeren Eintrag dazu. Dann nannte er noch die Encyclopedia Magica, die Wege ohne Namen und die Trollzacker Manuskripte. Vermutlich waren, wohl bis auf die Encyclopedia, von der Ausrichtung her keines dieser Werke an der örtlichen Akademie vorhanden. Und ich hatte, nach der letzten Erfahrung dort, nur bedingt Lust, mich jetzt zu den Kollegen zu begeben. Dann verwies mich der Geweihte noch darauf, dass auch die Boronkirche nach dem Puniner Ritus Wissen über die Vampire gesammelt hätte, vielleicht sogar etwas mehr… Naja, seien wir ehrlich, was sollte dieser abgespaltene Zweig vom richtigen Weg zum Herrn Boron über die Diener des Rabens aus Al’Anfa hinaus schon beizutragen haben? Eben. Nichts. Ich denke, diesen weg würde ich mir guten Gewissens sparen können. Ich meine, nichts gegen die Puniner, sie dienten ja auch dem Herrn Boron, nur eben auf eine etwas fragwürdigere Weise, als wir das im Süden taten. Deswegen musste man den Priestern natürlich trotzdem den zustehenden Respekt zollen, aber wenn ich schon die Wahl hatte, würde ich mich natürlich an die richtigen Vertreter der Kirche wenden. Ich erlaubte mir aber, den Hesindegeweihten  zur Bestattung des Kindes einzuladen. Ich konnte mir gut vorstellen, das er einer Vampir-Bestattung bisher noch nicht beigewohnt hatte und dies durchaus seine Neugier erregen dürfte. Und da er mein Ziel ja nun eh schon kannte fragte ich zuletzt noch höflich nach einem Pflock aus Blutulmenholz. Er führte mich nach hinten in den weitläufigen Tempelgarten, wo tatsächlich eine Blutulme in voller Pracht stand. Ich war hocherfreut, denn einen Baum hatte ich hier nicht erwartet, da diese Pflanzen üblicherweise eher in den Mittellanden gediehen. Dieser Baum war wohl extra einmal gepflanzt und hier unten irgendwie am Leben erhalten worden. Vielleicht mithilfe der örtlichen Elementaristen und ihrer Fähigkeiten mit dem Humus? Der Geweihte erlaubte mir für meinen hesindegefällige Zwecke einen Pflock davon schneiden, den er am Ende auch segnete. Die Holzbearbeitung gehört nicht gerade zu meinen Stärken. Um genau zu sein war das letzte Mal, das ich mich darin versucht hatte, als ich vor Jahren meinen Zauberstab gefertigt hatte. Daher dauerte es auch den größten Teil des Tages, bis ich ein zufriedenstellendes Ergebnis zustande gebracht hatte. Ich ließ mir lieber Zeit, als mehrere Versuche zu benötigen und den heiligen Baum mehr als nötig zu verletze. Aber am Ende war ich mit dem Ergebnis durchaus zufrieden. Nun befanden sich schon drei den Göttern zugeordnete Hölzer in meinem Besitz, ich konnte mich also statistisch schon einem Viertel aller Vampire erfolgreich erwehren. Für den Anfang nicht schlecht.

Danach ging ich zurück in den Shadif um mich auszuruhen und mit den anderen austauschen. Surina ging am Abend ein Duell mit einem der örtlichen Krieger ausfechten, den sie irgendwie im Laufe des Tages aufgetan hatte, wollte sich aber im Anschluss daran bei den Boronis einfinden – was, wie ich vorwegnehme, nicht geschah. Vermutlich hat sie sich nach dem Gefecht mit der Waffe noch im Nahkampf geübt, aber da mische ich mich lieber nicht ein… Ich ging später mit Pamina und Faramud in den Borontempel um der Beisetzung beizuwohnen. Im Tempel war deutlich mehr Betrieb als tagsüber, die Gläubigen standen nach persönlicher Präferenz vor beiden Tempeln auf dem weitläufigen Platz. Wir wurden von dem gleichen Geweihten in Empfang genommen, dem wir schon das Kind übergeben hatten – alles war vorbereitet. Der Leichnam des Kindes war gewaschen und in ein weißes Leinengewand gekleidet, ein Sarg aus dunklem Holz stand bereit um den Körper aufzunehmen. Gemeinsam hoben wir respektvoll den Leib in den Sarg. Der Körper war auf unheimliche Art kalt, regelrecht unnatürlich. Einen Odem Arcanum zu sprechen ob dies der Hauch der Niederhöllen war verkniff ich mir allerdings im Tempel. Die Geweihten wussten sicher, was sie taten. Wenn es Anlass zur Besorgnis gegeben hätte, hätten sie sich sicher darum gekümmert. Pamina bekam ein Fläschchen mit Weihwasser der Efferdkirche um es über Sarg und Kind zu sprenkeln, da nach der Reaktion des Vampirs dies wohl seinem früheren Glauben entsprochen hätte. Was es wohl gewesen war? Vielleicht das Kind eines Flussschiffers oder Fischers? Wir werden es wohl nie erfahren… dann wurde der Sarg geschlossen. Ein Novize kam als vierter Träger dazu, dann verliesen wir den Tempel in Richtung der Felsengräber. Mit diesem kleinen Geleit zogen wir zum Boronanger. Der Hesindegeweihte erwartet uns dort bereits mit zwei weiteren Boronis. Mit dem Grabsegen wurde das Kind dem Schutz Borons anempfohlen, ich empfand die Zeremonie als sehr bewegend, auch wenn ich das Kind gar nicht gekannt hatte. Es war deutlich, dass die Würde des verstorbenen Kindes hier im Mittelpunkt stand, nicht das zuletzt entweihte Leben. Das gefiel mir. Der Herr Boron fand immer einen Weg, die Toten zu Ruhe und Vergebung zu führen. Auch uns baten die Geweihten, ein paar Worte zur Vergebung und Erlösung zu finden, die wir dem Kind auf seinem Weg über das Nirgendmeer mitgeben wollten. Pamina war sichtlich überrascht und etwas überfordert, etwas passendes zu finden und Faramud, auf seine manchmal barbarische Weise, sagte etwas mir unverständliches und spuckte Blut auf das weiße Leinen des Totenkleids. Fasst hätte ich erwartet, dass er dafür eine Schelte von den Geweihten bekommen würde, aber diese wirkten nicht überrascht. Ich sammelte mich, und gab dem Kind ein Versprechen mit auf den Weg: „Wenn Du Uthar durschreitest wird Rethon zu Deiner Seite ausschlagen, denn im Leben warst Du unschuldig, und für dein Unleben tragen andere die Verantwortung. Für diesen Frevel schwöre ich, Rache an Deinen Verderbern zu nehmen.“ Ein zustimmendes Nicken der Geweihten bestätigte mir ihr Einverständnis. Der Geweihte legte 3 schwarze Rosen auf dem Sarg nieder und sprach den Segen, bevor sich der Sarg in den Boden senkte. Das Grab wurde mit einer Platte ohne Namen verschlossen. Um den Namen des Kindes zu erfahren hätte ich seine Seele im Totenreich suchen können, den Nekropathia hatte ich ja kürzlich erst erlernt. Aber ich wollte die Priester nicht unnötig provozieren, die meisten Diener des Borons würden dies als unnötige Störung der Totenruhe betrachten, und damit sollte man keine Spiele treiben, wenn es die Not nicht gebot. Dann kehrten wir in den Tempel zurück, wo uns der Geweihte in einem Nebenraum noch einmal dankte und dann die geweihten Pflöcke übergab, die uns versprochen waren.

Zurück ins Gasthaus kamen wir erst gegen Mitternacht. Es war nicht mehr viel Betrieb und ich ging direkt auf mein Zimmer, allerdings nicht um sofort zu schlafen. Ich versuchte mich zu erinnern, was im „Wege ohne Namen“ über Vampire stand, dieses hatte ich ja zufällig im Bornland gefunden und auf dem Heimweg studiert. Hesinde und meinem guten Gedächtnis sei dank… es noch einmal nachzulesen wäre sicher besser gewesen, denn einen Fokus auf dieses Thema hatte ich natürlich bei der Erstlektüre nicht gelegt, dennoch bekam ich noch einige Dinge zusammen. Die Kirche nach dem Puniner Ritus hätte auch nach dieser Quelle eine andere – wohlgemerkt nicht Bessere! - Wissensbasis dazu als andere Kirchen. Sollte ich dort noch vorstellig werden? Nur zur Sicherheit? Darüber würde ich doch eine Nacht schlafen müssen. Es gäbe gute und böse Vampire, manche seien sogar magisch wirkmächtig. Wenn ein Vampir sein Sikarian verlor würde er zum minderen Vampir und verliere dabei auch seine besonderen Fähigkeiten wie die Magie. Diese Dinge erzählte ich noch schnell den Anderen, auch wenn diese sich gerade zur Ruhe gelegt hatten. Faramud, wo wir schon einmal dabei waren, hatte bei den Rastulahelis nichts herausbekommen. Bei diesen gab es wohl nichts, was gegen Vampire insbesondere helfen sollte. Sind bezeichneten sie als nicht ganz Tote, die bösen Seelen würden zu Vampiren, weil sie nicht sterben dürften, also eine Art Fluch. Wenn man diese Theorie zugrunde legte musste es bei den Wickelköpfen ja eine schier unüberschaubare Anzahl an Vampiren geben! Trotzdem war man sich einig, dass auch diese Vampire als Strafe nicht weiterleben gelassen werden konnten, sondern trotzdem getötet werden müssten. Dann brachte mich Faramud noch auf einen spannenden Gedanken. War es möglich, Diener des Namenlosen in Gefäße zu bannen? Ähnlich der mythischen Rohalsgefäße? Vielleicht war der sechste Tagherrscher genauso in die Schamanensteine gebannt worden, von denen wir jetzt wussten? Interessanter Gedanke, der nicht nur eine Erklärung für unser aktuelles Problem bot, sondern mir auch einen möglichen Weg aufzeigte, den Namenlosen entscheidend zu schwächen! Man stelle sich vor es gelänge mir, auch die übrigen fünf Tagherrscher in Gefängnisse zu bannen und den unheilvollen Einfluss der Namenlosen Tage zurückzudrängen und diese Tage den Zwölfen zu schenken? Ich würde in die Geschichte als einer der großen Helden der Kirchen eingehen! Und so geschwächt würde es den Zwölfen vielleicht wirklich gelingen, den Widersacher endgültig zu vernichten? Aber vielleicht erst nach meinem späteren Tod. Ich könnte mir vorstellen, dass ein neuer Götterkrieg zu meinen Lebzeiten eine recht unangenehme Sache sein könnte. Mit solchen Gedanken ging ich dann wirklich ins Bett.

 

 

Die Nacht war, wie immer in diesem Gasthaus, eine recht ruhige und entspannte Angelegenheit, auch wenn Faramud auf der Nachbarliege gelegentlich seltsame Geräusche von sich gab. Vermutlich träumte er von irgendwelchen Stürmen, durch die er nackt hindurch tanzte. Da ich recht bald erwachte machte ich mich schon zeitig fertig für den Tag. Wir wollte ja heute wirklich los und ich hatte den Entschluss bei den Puniner Boronis vorbeizusehen nun endgültig gefasst. Pamina würde in der Akademie schon nicht trödeln, und da wollte ich nicht der Grund für eine weitere Verzögerung sein. Also gönnte ich mir ein schnelles Frühstück aus Datteln, Hirsebrei, süßem Tee und etwas Gebäck, bevor ich mit Surina im Schlepptau zum Tempel eilte.

Die Geweihten schienen, bis auf eine junge Frau in schwarzem Gewand welche die Treppe fegte, noch ihrem Herrn zu huldigen, sprich zu schlafen. Nachdem wir uns kurz gegenseitig vorgestellt hatten kam ich, ohne große Hoffnung in diese Nachwuchsgeweihte zu setzen, direkt zum Kern meines Anliegens. Umso erstaunter war ich, als sie sich als erstaunlich bewandert zeigte. Auch sie verwies mich zwar an die Tempel der Hesinde in Bethana und Belhanka, was ja zufällig meine beiden Lieblingsstädte im Horasreich sind, um dort unsere Erlebnisse vorzubringen. Aber sie wusste auch selbst einige Dinge beizutragen nachdem ich unsere Geschichte in einer etwas gekürzten Fassung vorgebracht hatte. Das Kopfabschlagen so wie Faramud es praktiziert hatte war wohl ein probates Mittel um die Wiederauferstehung der Blutsauger zu verhindern – denn wenn man sie nicht dermaßen behandelt hätten sie wohl die Kraft sich zu regenerieren und wiederzukehren.  Eine weitere Möglichkeit der finalen Beseitigung des Problems sei dann auch das Pflocken, wobei dies grundsätzlich mit jedem Holz möglich sei, aber eine besonders tödliche Wirkung habe dies nur mit dem richtigen Holz ins Herz. Was bei einem noch kämpfenden oder zappelnden Exemplar recht schwer werden dürfte, es sei denn man schlug oder rang es vorher nieder oder schlich sich vielleicht von hinten überraschend heran. Ich war auf die ersten Versuche an einem lebenden Exemplar nun erst recht neugierig. Das Vampire ohne Zugang zu frischem Blut mit der Zeit an Stärke und Kräften einbüßten und immer „menschenähnlicher“ wurden hatten wir auch schon gehört. Interessant fand ich, dass es auch Vampire, die dann „Kinder der Nacht“ geheißen wurden, in den Diensten der Boronkirche stünden. Sie würden als Gefallene aber Bemühte gelten und sich selbst als Söhne und Töchter Etilias bezeichnen. Auserwählte Borons zum ewigen Leben verflucht, deren Ziel es war die Menschen vor den „Kindern der Finsternis“, also quasi den bösen Vampiren, zu schützen. Um darüber mehr zu erfahren müsste ich aber zum Haupttempel nach Punin reisen, was jetzt nicht gerade auf meiner geplanten Route lag. Im Horasreich, so erzählte sie weiter, gäbe es sogar eine Vampirloge von Dienern des Namenlosen, deren Einfluss bis in die höchsten Kreise reiche und von denen manche sogar im Sonnenlicht des Herrn Praios wandeln könnten. Letzteres fand ich sehr beunruhigend, ersteres gab mir für die Zukunft ein langfristiges weiteres Ziel. Wenn ich das Übel weiter bekämpfen wollte war es nützlich zu wissen, wo ich danach suchen sollte… Und bot sich da nicht eine ungeahnte Möglichkeit? Was wäre, wenn man sich erst einem Erzdämon zuwandte und Macht in den Kreisen der Verdammnis sammelte, sich dann zum Vampir machen ließ und deren erstaunliche Fähigeiten dazu erwarb so dass sich Dämonen und Namenloser um die Seelte zankten und am Ende Vergebung in den Armen der Boronkirche fand, die dafür sorgte das man beim Ableben doch keine Probleme mehr mit Uthar und Rethon bekam? Oh Hesinde, führe mich nicht in Versuchung…

 

Das Gespräch dauerte etwas länger als gedacht und ich sorgte mich schon, dass wir nicht mehr rechtzeitig loskommen würden. Das hätte ich mir allerdings sparen können, denn Pamina trödelte noch viel mehr herum und kam erst nach Stunden aus der Akademie zurück. Sie hatte dort die im Schatzhort gefundenen magischen Artefakte analysieren lassen um sie nutzen zu können und jammerte jetzt herum, dass der Dienst so unverschämt teuer gewesen sei. Was erwartete sie denn? Das die Magier ihre speziellen Dienste wie Wasserträger auf dem Basar verramschten? Natürlich ließ man sich den Gebrauch seiner Kraft angemessen entlohnen. Gerade wenn man nicht wusste, wann der nächste unbedarfte Abenteurer vorbei kam der mal wieder etwas gefunden hatte und mit damit nichts anfangen konnte. Da musste das Geld vielleicht auch einmal für einen längeren Zeitraum die, manchmal beträchtlichen, Lebenshaltungskosten eines studierten Magus decken. Was mich noch einmal daran erinnerte dringend den Analys zu erlernen. Dann würde ich das selbst erledigen oder eben auch meine Kunst für gute Münze anbieten können. Hoffentlich fand ich dafür bald einmal Zeit… Dann ging es endlich los um Sari zu finden.

Wir fuhren erneut den Schuboch hinauf bis Bakir, was uns nur 2 Silber für jeden kostete und übernachteten dort wieder im Gasthaus, bevor wir am nächsten morgen zu Fuß weiter gingen. Ich setzte nach wir vor darauf, dass Sari weder Lust hatte durch die Wüste zu ziehen oder über See zu reisen. Also würde sie nur eine recht überschaubare Anzahl an Wegen einschlagen können auf der Reise in den Norden. Da die Küstenlinie entlang zwar eindeutig war und funktionieren würde, aber auch ein beträchtlich längere Strecke bedeuten würde, war ich recht zuversichtlich sie hier irgendwo wieder zu finden. Die Suche mittels Dämon verkniff ich mir nach wie vor, um sie nicht wieder zu verschrecken, das arme Ding. Das würde ich mir für den Notfall aufheben, wenn wir gar keinen Anhaltspunkt zu ihr finden sollten. Viereinhalb Tage reisten wir so gen Praios, vorbei an zahlreichen Dörfern die sich entlang der Straße zogen aber allesamt wenig spektakulär waren. Rab El’Dash, Al’Eamur, Khalim und weiter Richtung Sameach. Zumindest hatten wir jederzeit ein Dach über dem Kopf. Die Straße war ein gut ausgebauter Handelsweg, auf dem man ordentlich voran kam und die eine reiche Kulturlandschaft von Reisterrassen, Feldern und Obsthainen Durchschnitt.

Den ersten, leider beunruhigenden, Hinweis auf meine kleine Nivesin fanden wir in einem Kaff von gerade einmal 4 Häusern und einem kleinen Gasthof in dem wir einkehrten, weil es unangenehm regnete. Gerade einmal 30 Plätze bot der Gastraum, am Tresen waren sogar nur 3 Stühle aufgestellt und mehr als 10 Tiere hätte man in den angebauten Unterstand sicher auch nicht bekommen. Dafür führte der Wirt das Haus im Namen von Travias Gastfreundschaft und war kein Wickelkopf. Es gab sogar Bier! Wir zuvor erkundigten wir uns auch hier nach Sari indem wir sie und Wala beschrieben. Zwar war sie nicht durch den Ort gekommen, aber wir wären nicht die ersten, die nach ihr fragten. Er hieß seine Magd kommen, ein junges schüchternes Ding das zwar ein niedliches Gesicht hatte aber dafür recht drall um die Hüften war. Aus den beiden bekamen wir heraus, dass zwei Magier in Begleitung von gut eineinhalb Dutzend Söldnern anscheinend hinter Sari her waren. Ein ganz ordentliches Aufgebot will ich meinen, für eine einzelne Nivesin. Und es wären wohl, so hatten sie aus der Unterhaltung gehört, noch weitere Trupps unterwegs um die verschiedenen Pfade abzudecken. Das war beunruhigend… sahen sie Sari als so große Gefahr an, sie mit solch einer Meute zu jagen, oder was der Gegenstand den Sari besaß von solcher Wichtigkeit, dass sie alles daran setzten ihn zu bekommen. Oder beides? Der Wirt zeigte uns die möglichen Wege auf einer ausgeblichenen Karte. Ich entschied mich für einen Karrenweg der südlich von Sameach durch die Hügel nach Nabatil hinunterführte. Der andere Weg südlich des Stierbuckels hätte uns einen gehörigen Umweg gekostet, und Sari ging ja eh lieber die etwas einsameren Pfade als von Menschen überrannte Hauptstraßen. Die Magd meinte noch, einer der Krieger hätte eine recht markante Stimme gehabt. Und der ältere Magier hätte zum Jüngeren einen komischen Satz gesagt, aber nicht zu Ende, als er sie bemerkt hatte. „“Eligor hat recht, der Auftrag ist unmissverständlich, die Wilde finden und…“. 18 Söldner und zwei Magier… das nenne ich einmal eine Herausforderung. Aber nun war ich sicher, das Sari in konkreter Gefahr war, und da hieß es nicht zaudern, sondern handeln.

Am nächsten Morgen brachen wir zeitig auf, es sah aus als hätten wir tatsächlich keine Zeit zu verlieren. Wenigstens hatte der Regen aufgehört und es war bestes Reisewetter. Vier Stundengläser später erreichten wir Sameach, einen größeren Dorf mit Palisade am Ongalo, einem respektablen Fluss. Die Wache am Tor verwies uns, außer zu einem Gasthaus, dem „ehrwürdigen Khomkrieger“, für das Mittagessen, zu dem Karrenweg auf der anderen Seite des Ortes rechts ab. Beim Essen erfuhren wir vom Wirt, dass auch andere Gäste nach dem Weg gefragt hatten und erst heute morgen weitergezogen waren. Ein halbes Dutzend Söldlinge, erst waren es vier, dann seien noch zwei dazu gekommen, in schwarzen Rüstungen. Anscheinend hatte sich der Feind geteilt um mehr Pfade abdecken zu können. Das mochte uns zumindest eine kleine Chance verschaffen sie aufzuhalten.

Nach dem Essen folgten wir dem Karrenpfad in die Hügel hinein. Rechts von uns waren in der Ferne die deutlich höheren Unauberge zu sehen. Pamina nahm die Spuren auf, der Feind verfügte wohl über Pferde, lies sich aber auch von umgefallenen und quer über dem Weg liegenden Bäumen nicht aufhalten. Wir gingen stramm bis Abends weiter und machten das erste mal seit wir aufgebrochen waren ein Lager unter freiem Himmel. Nur Surina hatte ein kleines Zelt dabei und wollte partout nicht teilen… zum Glück blieb es trocken. Am Morgen trödelten wir nicht lange herum und brachen schnell auf. Ich war hungrig, wir hatten keinen Proviant mitgenommen da wir ja bisher immer irgendwo eine Herberge gefunden hatten. Aber das war egal, irgendwo würde sicher ein Gehöft kommen und eilig hatten wir es ohnehin. Es dauerte gute 3 Stundengläser, als ich vor uns auf dem Weg und hinter einer Biegung das Schnauben eines Pferdes zu hören meinte. Der Pfad zog sich hier durch ein Waldstück und wir versteckten uns, nur Pamina sollte sich einmal leise nach Vorne begeben um die Lage zu erkunden. Nun ja. Das mit dem Anschleichen hatte ich schon besser gesehen… und leider auch besser gehört. Sie war ein gutes Stück voraus, als sie mit einem vernehmlichen „Heda“ angerufen wurde. Ich seufzte… so viel zu unserem Überraschungsmoment.

 

 

Pamina, die anscheinend keinen Sinn darin mehr sah sich zu verstecken, begann freistehend auf ihren Hund Saba einzuschimpfen und beschuldigte sie, keine Fährten finden zu können. Dabei improvisierte sie etwas über einen Hirsch, dem sie schon seit Stunden folgte und begann, die Söldner zu beschwätzen. Auf mich wirkte das, wie das billigste Schmierentheater in der Havener Unterstadt -niemand würde ihr das abnehmen. Aber sie war anscheinend noch der Überzeugung, dass man aus dieser Begegnung friedlich herauskommen konnte. Armes Ding… eine gewaltfreie Option die nicht mit dem Tod dieser Schergen enden würde stand überhaupt nicht zur Debatte!

Auch oberhalb des Lagers knackte es im Gebüsch, und das veranlasste den Feind endgültig in Bereitschaft zu gehen. Aus meinem Versteck vernahm ich ein scheppern, wie von zerbrechendem Glas oder Ton, dem Wald jenseits des feindlichen Lagers, das ich nicht zuordnen konnte. Wir waren doch alle hier? Da der Feind nun seine Aufmerksamkeit endgültig in die Umgebung richtete, dauerte es nicht mehr lang bis wir entdeckt waren und der Feind ohne zu zögern seine Waffen zog. Verhandlungen waren damit auf jeden Fall schon einmal obsolet, gut so. Ein erneutes Scheppern aus dem Wald war zu hören und kurz darauf stießen zwei Wirbelwinde durchs Laub, die sich jeder einen Feind schnappten und diese nach kurzer Gegenwehr begannen in die Luft zu zerren. In der Zwischenzeit hatte ich noch flux einen Armatrutz auf Surina appliziert, nicht das ich sie nach dem Kampf wieder würde zusammenflicken müssen. Dann stürzten wir uns nach vorne, dem Feind entgegen. Ich stellte mich hinter Pamina, der ich ebenfalls noch einen Armatrutz gönnte, und Faramud auf. Dann begann ein wilder, wenn auch recht einseitiger Kampf, da die Söldner nun mehr auch keine Überzahl mehr hatten. Den letzten Armatrutz sprach ich für Faramud, allerdings waren da schon zwei Gegner gefallen und nur noch zwei auf den Beinen. Die Kraft hätte ich mir vermutlich sparen können. Aber sei es drum, so anstrengend ist ein kleiner Armatrutz ja auch nicht. Nach kurzer Zeit und ohne dass wir mehr als ein klein wenig getroffen worden wären lagen die Schurken bald im eigenen Blut am Boden. Aus dem Himmel hörte ich sich näherndes Geschrei, bevor zwei gerüstete Gestalten auf den Boden klatschten und starben. Was für eine Sauerei!

Und dann sahen wir die Ursache dieser seltsamen Erscheinung. Sari kam aus dem Gebüsch. Wir begrüßten sie freudig, Pamina rannte sogar auf sie zu und umarmte sie. Ich hatte meine Gefühle da schon besser im Griff und nickte ihr wohlwollend zu, auch wenn ich mich selbstverständlich ebenso freute, sie wohlbehalten wieder zu sehen. Allerdings wirkte sie mir gegenüber doch etwas reserviert. Pamina versuchte dann direkt wortreich, Sari von unseren guten Absichten zu überzeugen und am Ende war sie dann zumindest soweit, uns als Begleitung bei ihrer Reise in den Norden zu akzeptieren. Von den Reittieren der Söldner waren noch 4 da, zwei hatten sich bei dem Überfall wohl losgerissen und waren weggerannt. Aber das war ja ausreichend. So mussten wir wenigstens den Weg von hier ab nicht zu Fuß fortsetzen und Sari würde eh wegen Wala auf kein Pferd steigen wollen.

Eine Frage die mich aber noch brennender interessierte war, ob es sich bei unserem Gegner um bloße Schergen, oder echte Anhänger des Namenlosen handelte. Ich begann daher bei ihnen nach fehlenden Fingern, Zehen oder ähnlichen Anzeichen zu suchen. Aber sie schienen alle noch vollständig zu sein und damit keine Kultisten sondern lediglich einfache, gedungene Söldner. Ob ich das jetzt allerdings als Gutes oder schlechtes Zeichen werten sollte, war ich mir nicht sicher. Als nächstes verband ich Surinas Kopfwunde, die zwar nicht allzu schwer war, aber trotzdem stark blutete. Da der Verband die Blutung aber nicht zu meiner Zufriedenheit stoppte griff ich schließlich doch zu einem kleinen Balsamsalabunde, damit uns hier nicht noch weitere Verzögerungen aufhalten würden.

Wir waren gerade noch dabei zu diskutieren, wie nun mit den Kadavern der Toten zu verfahren wäre, insbesondere da wir keine Schaufeln dabei hatten, als ein fröhlich pfeifender Jäger des Weges kam. Er war sichtlich schockiert als er des Massakers ansichtig wurde. Und Sari schien er zu erkennen, denn er wurde schlagartig kreidebleich und stammelte etwas von der „Waldhexe die böse Rituale mit entführten Kindern macht“. Die Furcht ums eigene Leben war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, auch wenn wir überhaupt keine Anstalten machten ihm gegenüber bedrohlich aufzutreten. Als wir ihn fortschickten, er solle doch bitte die nächsten Boronis zwecks einer ordentlichen Bestattung benachrichtigen und hierherführen sah man von ihm nur noch eine Staubwolke auf dem Weg. Ich vermutete, oder befürchtete eher, das der arme Mann heute Abend ziemlich schreckliche Dinge in der Taverne zu erzählen hatte.

Daher machten wir uns auch umgehend aufbruchbereit. Von hier an ritt ich auf einem der erbeuteten Pferde. Einem, zumindest soweit ich das beurteilen konnte, einfachen Braunen, dessen Stammbaum wohl genauso kurz war wie der eines durchschnittlichen Sklaven. Sollte ich das Tier länger als ein paar Wochen behalten, würde ich mir vielleicht sogar einen Namen dafür einfallen lassen müssen. Schneller kamen wir aber auch nicht voran mit Sari als Fußgängerin, eben nur etwas bequemer. Am Abendlager übernahm ich die erste Wache, damit ich noch bei Feuerschein wach war und zumindest ein wenig sah. Jetzt ärgerte ich mich, dass ich kein Buch als Lektüre für solche Stunden mitgenommen hatte. Die Wache war eintönig und langweilig! Aber dafür verlief die Nacht ungestört, auch wenn der Boden etwas zu hart war, um als bequem gelten zu können. Der nächste Tag und die folgende Nacht verliefen ebenfalls Ereignislos, während wir uns vorsichtig und meist abseits der Wege gen Firun begaben. Als es darum ging mit den Pferden nicht in völlig unwegsames Hügelland zu müssen stellte sich heraus, dass wir auf der falschen Seite des Flusses waren und diesen nun überqueren mussten. Pamina fand zum Glück eine Stelle, die sich als halbwegs passierbar herausstellte. Ich ritt durch die Furt, wobei das Wasser den Pferden trotzdem bis zum Bauch ging, da ich keine Lust hatte den Weg klitschnass fortzusetzen. Hier mit einem Wagen durchzufahren wäre sicher nicht möglich gewesen. Das folgende Abendlager lag etwas ungünstig zwischen Fluss und Bergen, aber anscheinend war es schon spät genug das wir die letzten Reisenden waren und am Morgen brachen wir so früh auf, dass uns niemand überraschen konnte. Von hier an wand sich der schmale Pfad über den Berggrat, daher schickten wir Pamina etwas voraus, falls uns jemand auflauern oder entgegenkommen sollte. Wir hatten den halben Weg schon geschafft, als von hinten lautes Hufgetrappel zu hören war. Hastig sahen wir uns um und fanden gerade noch rechtzeitig eine Stelle zwischen zwei größeren Findlingen, wo man auch die Pferde außer Sicht vom Weg unterbringen und hinter den Felsen verstecken konnte, ein gutes Stück ab vom Weg. Es dauerte nicht lange, dann passierte eine große Reiterschar unser Versteck, sicherlich zwei Dutzend Reiter, die sicher dem Feind angehörten. Genau für solche Situationen hätte ich ja die perfekte Lösung. Einen Shruuf in die Gruppe hinein, und der Feind hätte sich in Streit und Zweitracht selbst in Stücke gehauen. Aber ich war mir recht sicher, das Faramud dann wieder böse gewesen wäre, und Sari, die sich gerade wieder an meine Anwesenheit gewöhnte, hätte ich damit sicher auch verprellt. Also ließ ich den Feind ziehen…

Pamina und Surina gingen im nächsten Dorf, Khalim, für uns Vorräte besorgen und blieben über Nacht dort in der Herberge. Wir anderen standen extra früh auf, um das Dorf zu umgehen bevor die Bauern auf die Felder gehen würden. Sie brachten uns nicht nur Essen mit. Auch die Geschichte von der Waldhexe mit dem Wolf, die jetzt auch von gedungenen Mördern, also uns, begleitet würde, breitete sich offensichtlich aus. Mittlerweile gäbe es ganze 25 Dukaten als Belohnung für Hinweise zu Sari, was mir nur bewies wie verzweifelt der Feind mittlerweile war. Wir gingen daher weiter abseits des Weges. Wir waren ja nicht gerade eine unauffällige Truppe und mehr Aufmerksamkeit als nötig sollten wir wohl nicht auf uns lenken. Abends sahen wir auf der Straße eine größere Gruppe, bestimmt ein halbes Banner, in einer Staubwolke wieder Richtung Süden reiten. Der Feind schien den Weg auf und ab zu patrouillieren. Das mochte aber auch bedeuten, dass wir hinter dem nächsten Dorf vielleicht wieder auf die Straße gehen könnten. Je nachdem, wie weit sie ihr Gebiet schon fassten. Sari und Faramud befragt, welchen Weg nach Norden sie zu nehmen gedachten und was am besten wäre, entschieden wir uns zunächst einmal gen Merwed zu gehen. Von dort aus würden uns dann verschiedene Möglichkeiten offenstehen.

Es war der 1. Ingerim, als wir uns nördlich eines Dorfs namens Rabe el Dash wieder auf die Straße trauten, da vom Feind nun nichts mehr zu sehen gewesen war. Pamina, mit der ich fruchtlos versuchte einen Diskurs über die 12 den Göttern heiligen Gehölze zu führen und wo man diese am besten finden mochte, hatte mir zumindest mittlerweile einen Rosenholzpflock geschnitzt, da hier an den Feldrainen durchaus gelegentlich Wildrosenstöcke wuchsen. Aber woran mochte man wohl einen Rahjaverfluchten Vampir erkennen? Waren diese dauerläufig? Eine interessante Frage… die ich aber hintenanstellen musste. Die Lösung wäre ja rein theoretisch und nicht überprüft. Ein solcher Vampir wäre vielleicht die einzige Möglichkeit des halbwegs konstruktiven Beischlafs mit einem Untoten, auch wenn man dabei vielleicht besser einen eisernen Kragen um den Hals tragen sollte. Eine seltsame Vorstellung…

An diesem Tag begegneten wir einem Bauern mit seinem störrischen Esel auf der Straße. Ein Wickelkopf, wie er im Buche stand, der beim Thema Frauen und Magier starke Vorbehalte hatte und eher das Gespräch mit Faramud als mit uns anderen suchte. Dieser versuchte sogar, den Bauern auf die Fährte zu locken das wir in Richtung Kunchom unterwegs waren, falls er uns doch verpetzen würde. Ansonsten war für mich diese Begegnung eher eine Randnotiz. Viel interessanter war ein Diskurs, den ich mit Sari und Faramud zum Thema Untote führte, da mich interessierte wie die beiden hierzu standen. Immerhin waren Untote keine Dämonen. Faramud war, wenig verwunderlich, strikt gegen das erheben von Untoten, egal in welcher Form. Sari, die Anfangs ähnlich vehement war, weil bei ihr ja alles auf Geistern und in diesem Fall wohl bösen Geistern, beruhte, brachte ich im Gespräch soweit, dass die Erhebung von Tieren, also keinen Menschen, doch in Ordnung sein könnte. Zunächst war die Frage für mich rein hypothetisch, den Skeletarius beherrschte ich ja nur, soweit ich mir die Grundkenntnisse aus dem Buch des Nekromanten im Bornland angeeignet hatte. Aber weiterführend mochte mir da ein Schlupfloch in der Interpretation meiner Gefährten später vielleicht einmal zum Guten gereichen, ohne ein erneutes Zerwürfnis heraufzubeschwören.

Als es schließlich darum ging bei Mherwed den Mhanadi zu überqueren trennten wir uns. Sari und ich, immerhin die auffälligsten in unserer kleinen Gruppe, würden den Fluss mit einem von ihr beschworenen Windgeist im Morgengrauen überqueren. Der Rest würde mit meinem Pferd am Zügel ganz profan die große Brücke nehmen, die bei der Stadt den Strom überspannte. Dann wollten wir uns am anderen Ufer, wo die Straße gen Fasar verlief, ein gutes Stundenglas nördlich der Stadt wieder treffen.

Als wir im morgendlichen Nebel am Rand des Stroms standen, er mochte hier gute 200 Schritt breit sein, so genau konnte ich das nicht sagen, da die Sicht nach einigen Dutzend Sicht im grau verschwamm, war es zwischen Sari und mir wieder, als wäre nie etwas vorgefallen. Die friedliche Stimmung des Morgenerwachens an ihrer Seite konnte ich richtiggehend genießen. Kein Zweifel, ich würde für ihre Sicherheit sorgen, ob sie das nun wollte oder nicht. Bedauerlich nur, dass dies anscheinend bedeutete, dass ich wieder länger von zuhause fort war als gedacht. Ich hatte mich ja verabschiedet, nur eine kurze Reise nach Rashdul machen zu wollen. Das würde wohl doch mehr Zeit in Anspruch nehmen, als ich gedacht hatte. Der Luftgeist den sie rief brachte uns ohne große Umstände hinüber. Nur Wala schien von dieser Art des Reisens wenig angetan zu sein – ihre jaulen und jappen hörte man weit durch die morgendliche Stille hallen.

Da wir davon ausgingen, dass die Anderen deutlich länger als wir brauchen würden, beschlossen wir noch auf Entenjagd zu gehen, um ein Frühstück zu haben. Mich packte die Neugier, deswegen begleitete ich Sari, auch wenn ich nicht einmal in der Lage war ihren Kurzbogen halbwegs zu spannen. Nun, meine Waffen waren ja sowieso eher geistiger Natur – wenn ich in der Lage war mit einem Cantus einen Feind zur Strecke zu bringen, würde das mit einer Ente sicher auch funktionieren, oder? Also schlichen wir gemeinsam am Ufer entlang, bis wie eine Gruppe Enten fanden, die auf einem Altarm trieben. Auf dem letzten Stück Weg das wir uns näherten blieb ich jedoch mit dem fuß hängen, und das schreckhafte Federvieh wollte davon stieben, bevor Sari einen Schuss auf die schwimmenden Tiere abfeuern konnte. Ich rief in aller Eile einen Fulminictus auf, bevor die Enten zu weit weg waren und erwischte eine, die zuckend wieder ins Wasser fiel und ihr Leben aushauchte. Sari sah mich ungläubig an und kann nicht leugnen, dass sich ein gewisses Hochgefühl meiner bemächtigte. Das erklärt vielleicht auch, warum ich nun meine übliche Vorsicht fahren ließ. Da Sari keine Anstalten machte die Beute aus dem Wasser zu holen entkleidete ich mich und wollte die paar wenigen Schritt hinüber schwimmen die Ente zu holen. Dabei merkte ich recht schnell drei Dinge. Ad primo war der Untergrund des Flusses recht sumpfig und rutschig. Ad secundo konnte ich mitnichten weiter hinauslaufen, da das Ufer schnell steil abfiel. Und ad tertio war Schwimmen keines der Dinge, die ich besonders gut beherrschte – nach wie vor nicht. So kam es, das ich recht unwürdig begann unterzugehen und Wasser zu schlucken, aber nicht in der Lage war die Ente zu erreichen. Ich will mir gar nicht ausmalen, was das für ein unwürdiges Bild vom Ufer aus war, als am Ende es Wala war, die mich aus dem Wasser zog. Zum Glück war Sari, die anscheinend Verständnis für mich aufbrachte, die Einzige, die diesen Anblick zu sehen bekam. Da ich aber nicht bereit war mit den Jagderfolg zunichtemachen zu lassen, bastelte ich mir aus meinen beiden Wasserschläuchen, die ich mit Luft aufpustete, Schwimmhilfen für die Arme und paddelte dann damit hinaus aufs Wasser und wieder zurück. Sicher nicht besonders elegant anzusehen, aber es funktionierte zumindest. Kaum war ich mit der Ente am Ufer zurück und hielt diese triumphierend hoch, schnappte sich allerdings Wala die Beute und verschwand damit hinter den nächsten Busch. Üblicherweise hätte ich mich darüber unbändig geärgert. Aber angesichts der Tatsache, dass mich der Wolf vorhin aus dem Wasser geholt hatte, mochte ich ihm die Ente auch als verdient zugestehen. Davon wollte ich mir den Tag nicht verderben lassen!

Während wir dann warteten, dass die anderen endlich kommen mochten plauderte ich noch ein wenig mit Sari. Sie erklärte mir den Unterschied zwischen Zähnen und Fängen der Wölfe und ich versuchte zu verstehen, wie es ihrem Volk wohl möglich gewesen sein mochte, eine solch mächtige Wesenheit wie einen Tagherrscher zu bannen. Leider schien auch sie noch nicht besonders tief in diesen Geheimnissen eingeweiht zu sein. Aber das es wohl nichts war, was ein einzelner Schamane ihres Volkes allein vollbrachte, sondern es davon einer Gruppe bedurfte, schien am Ende recht klar. Aber die Möglichkeiten, die sich damit nun boten! Wer weiß, vielleicht sogar in der weiteren Zukunft alle fünf verbliebenen Tagherrscher des Namenlosen von Dere bannen zu können? Das war ein Magnum Opus, dem ich mich gerne widmen würde!

Als Faramud, Surina und Pamina endlich kamen waren sie nicht allein. Vielleicht erklärte dies, warum sie so getrödelt hatten. Sie wurden von einem halbelfischen Mann begleitet, der sich als Sterndeuter Alfun ibn Nimar vorstellte und uns zum Mittagessen und Tee in seinen Turm einlud. Zunächst wunderte ich mich darüber, dass Faramud, der ja sonst eine eher misstrauische Seele war, sich so leichtfertig auf einen Fremden einließ. Es stellte sich aber heraus, dass der Sterndeuter, so wie auch unser Freund Hablet in Fasar übrigens und anscheinend auch Faramud, einer Gruppe von Sternkundlern angehörte, die sich untereinander an irgendeinem geheimen Zeichen erkennen konnten. Und da Faramud ihm sein Vertrauen schenkte entspann sich im Turm angekommen schnell ein interessanter Gedankenaustausch, den wir recht offen führten. Es stellte sich heraus, dass er noch einige Wissenslücken schließen konnte, die wir hier hatten. So waren es wohl nicht nur die Schamanen der Nivesen, die die Bannung des Tagherrschers vollbracht hatten, sondern sie hätten wohl Hilfe von einigen Elfen oder Hochelfen gehabt. Wie lange mochte das Ereignis denn dann nun schon her sein? Sogar mit Faramuds magischen Astrolabium befassten wir uns, dass aber nach seiner Beurteilung unvollständig war. Es fehlten wohl zwei Schnüre aus magischem Metall, weswegen es vielleicht in seiner Nutzbarkeit eingeschränkt war. Allerdings funktionierte es soweit, dass man einen Gegenstand oder einen Körperteil hineinlegen konnte und dann etwas angezeigt bekam. Beispielsweise die Sternkonstellation zur Geburt eines Menschen. Oder ein bestimmtes Datum, zu dem ein Gegenstand mit einem besonderen Ereignis verknüpft war. Er hatte sich wohl mit Niobaras Schriften befasst, denn er versuchte den Anderen die Grundlage der karmalen Kausalknoten zu erläutern – stieß dabei aber, wenig verwunderlich, auf nur geringes Verständnis. Er schien die Theorie sogar soweit zu verfolgen, dass es nicht nur große Knoten in der Geschichte geben würde, sondern sogar jede Geburt eines Menschen ein wenn auch nur verschwindend kleiner Knoten war. Auch interessant. Das verfolgend bat ich ihn, für Nandurin mittels des Astrolabiums ein Geburtshoroskop zu erstellen, wenn denn nachher Zeit wäre.

Nach der tulamidischen Zeitrechnung würden sich die Äonen, und damit die Sternkonstellationen alle 2808 Jahre wiederholen. Und er kannte sogar die Streitschrift, die sich mit dem Namenlosen, den Zeitaltern und den reißenden Zähnen die er im 12.Äon senden wollte befasste. Wobei wir uns nun unsicher waren, ob es genügen würde die nächsten Namenlosen Tage zu überstehen ohne das Sari und der Zahn dem Feind in die Hände fiel, oder das erst in der Zukunft passieren würde. In ersterem Fall war der Zeitraum den wir noch auszustehen hatten ja recht überschaubar. Als Sari den blauen Zahn herausholte und ich, nur um zu sehen ob etwas geschehen würde, den Amethystring aus dem Gepäck fischte, entlud sich erneut ein Blitz von dem Zahn her und verpasste mir einen kleinen Schlag. Aua! Aber den Zahn legten wir dann ins Astrolabium, nur um festzustellen, das es wohl ohne die Schnüre nicht funktionierte. Vermutlich war seine Funktion ohne diese limitiert und das Ereignis lag zu weit zurück. Allerdings hatte der Sterndeuter einen bekannten, der sich gerade auf der Suche nach einem hochelfischen Kloster befand, in dem Faramud sogar schon einmal gewesen zu sein schien, und wo sich vielleicht solche Ersatzteile finden mochten. Wir kannten also das Ziel, irgendwo am nördlichen Rande der Khom. Und auf dem Weg in den Norden würde dies, außer wir wollten später durch die Heptarchien reisen, gar keinen so großen Umweg bedeuten. Und der Sterndeuter würde uns sogar begleiten wollen. War das nun ein Glücksfall, oder schon wieder verdächtig? Ich solle mich dessen vorsichtshalber später vielleicht doch einmal mit magischen Mitteln versichern….

 

Zunächst aber, wenn wir schon bei all dem Blicken in die Zukunft und Vergangenheit waren, wolle Sari wieder einmal mit Knochen herumorakeln. Da ich in der Vergangenheit schon erlebt hatte, wie gut das manchmal funktionierte, hatte ich auch nichts dagegen. Allerdings benötigte sie dazu wieder „weise Vögel“, also Eulen. Und da ich immer Eulengewölle für meine Tinkturen benötigte und es in einem Hain in der nähe zufällig sogar solche Tiere geben sollte, machten wir uns gemeinsam auf die Jagd. Langsam fand ich gefallen daran, mit meiner kleinen Sari durch die Landschaft zu streichen, zumindest solange die Landschaft in der Nähe war und nicht zu wild.

Auf dem Weg dorthin, es war wirklich sozusagen um die Ecke, gingen wir ein Stück den Weg entlang und winkten freundlich einem vorbeireitenden Reisenden zu, der auf der etwas weiter entfernten Straße unterwegs war – wohl ein Fehler, wie sich im Nachhinein herausstellte. Zunächst aber suchten wir die Bäume in dem Hain nach auffälligen Löchern in den Stämmen ab, in denen Eulen wohl den Tag verschliefen, und den Boden darum herum nach ausgewürgten Gewöllen. Es dauerte nicht lang, bis wir einen vielversprechenden Baum fanden. Während Sari ihren Bogen schussbereit machte sammelte ich 3 Gewölle am Boden ein und klopfte dann beherzt mit dem Stab an den Stamm, um das Federvieh herauszuscheuchen, allerdings ohne Erfolg. Dann versuchte ich ein halbes Dutzend Steine in die Öffnung zu werfen, aber Zielen und Werfen von Dingen war ja noch nie meine besondere Stärke gewesen. Nur einer der Steine landete überhaupt in der Nähe der Höhlung, der Rest flog in weitem Bogen an dem Baum vorbei. Es tat sich immer noch nichts und Sari meinte, die Jahreszeit würde passen, das die Vögel vielleicht gerade brüteten und nicht herauskommen wollten. Also machte ich mich, es sah ja zum Glück außer Sari niemand zu, daran, mit ihrer Hilfe den Baum hinauf zu klettern, nachdem sie mir bis zu den untersten Ästen mit einer Räuberleiter geholfen hatte. Ich mühte mich ein wenig, denn auch das Erklettern von Bäumen war nichts, was man auf der Akademie lernte, aber zum Glück war das Loch gerade einmal in 4 Schritt Höhe, so dass ich bald ausreichend genug heran war, um mit meinem Stab darin herumzustochern. Das schien die Vögel nun tatsächlich ausreichend aufzuschrecken, denn mit einem erbosten kreischen kamen die Bewohner des Nests nun heraus.

Saris erster Pfeil ging noch fehl und steckte auf einmal neben mir im Baumstamm, während die Eule begann flügelschlagend auf meinem Stab entlang zu laufen um nach mir zu hacken. Weit kam sie aber nicht, denn mit dem nächsten Schuss setze Sari der Eule ein Ende. Ich zog mich noch ein Stückchen weiter hinauf um in das Loch zu blicken und sah dort drei Jungsvögel mit aufgerissenen Schnäbeln hocken. Gerade wollte ich Sari fragen, ob sie diese auch bräuchte, da hörte ich von hinten ein rauschen herankommen und einen weiteren heißeren Eulenschrei, bevor mich ein scharfes Paar Krallen in den Rücken traf. Ich biss die Zähne zusammen und zog meinen Dolch, aber bevor ich reagieren konnte hatte Sari die grantige Mama-Eule schon mit zwei weiteren Pfeilen vom Himmel geholt. Die Babyeulen, nur der Vollständigkeit halber, holte ich aus dem Nest und warf sie für Wala hinunter – sie dort oben verhungern zu lassen wäre ja auch nur ein unnötig grausamer Tod gewesen. Dann kletterte ich wieder hinab und Sari versorgte sogar noch kurz die Kratzer auf meinem Rücken, bevor wir uns auf den Rückweg zum Turm machten und dort ein recht schmackhaftes Abendessen erhielten. Kochen konnte dieser Sterngucker anscheinend sehr ordentlich.

Während wir den Hammel mit Reis genossen und uns unterhielten, hörte ich das erste mal von Saris Geburtstag. Und das konnte im aktuellen Zusammenhang ja wohl kaum ein Zufall sein… es war laut ihrer Aussage der 1. Praios, und damit ja, im Umkehrschluss, der 6. Namenlose. Einer meiner Lehrmeister hatte einmal gesagt, Zufälle sind nur die unergründlichen Wege der Götter, für die wir sterblichen noch zu dumm sind um sie zu erkennen. Und nach all den Erfahrungen der letzten Jahre würde ich ihm da mittlerweile zustimmen. Auch dieses Puzzleteil musste etwas bedeuten. Nur was? Das Problem mit solchen Rätseln war leider, dass man sie oft erst verstand, wenn es bereits zu spät war… da Sari sich jetzt aber an die Vorbereitung ihres Orakels machen wollte, nahm der Rest von uns sich das Orbitarium vor, um die Sterne nach Dingen zu befragen, die uns interessierten.

Mich interessierte ja zuförderst die Zukunft Nandurins. Also versuchten wir, da seine Hand ja zuhause in Al’Anfa weilte, diverse Dinge der Reihe nach durch, ob eines davon die Sternenkarte auslösen könnte. Faramud hatte noch Nandurins Kreisel dabei, der allerdings nichts brachte. Auch das Kindspech, das ich wohlverwahrt immer mit mir führte und beim Astrologen heftiges Stirnrunzeln auslöste – „Wie könnt ihr annehmen, dass ein Haufen Scheiße hier funktionieren soll?“- brachte uns nicht weiter. Erst mit Nandurins Nabelschnur – ich musste Faramud zunächst einmal erklären was das überhaupt war – erzielten wir ein Ergebnis. Nun ist die Sterndeuterei ja, ähnlich wie die Rechtspflege, keine eindeutige Wissenschaft. Frag 3 Astrologen zu ihrer Interpretation der Sterne, und Du erhältst, mindestens, 5 verschiedene Aussagen. Oft noch abhängig davon, aus welchem Kulturkreis sie stammen. Allein die Interpretation der Mada, die hier im Tulamidenland kursierte war eine fundamental andere, als zum Beispiel Sari sie auslegen würde. Aber sei es drum, ich fand das, was der Halbelf zum 16. Peraine 1027 BF, Nandurins Geburtstag, zu sagen hatte, sehr interessant.

Interessant, seht ... das nenne ich einmal eindeutig! Die volle Mada (Rad) zieht über das Schwert. So wisset, Praiosgestirn und Mada sind die einzigen Himmelskörper die in der Lage sind andere zu verdecken bzw. zu überstrahlen. Wenn das geschieht, wird das gemeinhin als Vorrang der Eigenschaften des Praiosgestirns bzw. der Mada gegenüber den Eigenschaften des verschwindenden Gestirns ausgelegt. Dass die volle Mada sich über das Schwert schiebt, kann z.B. bedeuteten, dass im Leben dieses Kindes, die Magie eine größere Rolle spielen wird als z.B. der Kampf. Im Übrigen Fürsorge und Pflege, die Attribute des Storches, dürften angesichts des Standes des Praiosgestirns eher eine, sagen wir einmal, nachgeordnete Rolle im Leben dieses Menschen spielen. Aber das mag nur eine Randnotiz sein, denn die Eigenschaften, welche die Zukunft eines vernunftbegabten Wesens bestimmen, werden, so sagt es zumindest die Lehre von den Sternen, maßgeblich durch die Wandelsterne vorgegeben. Sie heißen so, da sie sich aus unserer Sicht unvorhersehbar, nicht planbar bewegen. Deswegen wird ihrer Position zur Geburtszeit viel Gewicht beigemessen. Konkret: Stehen Sie für sich alleine oder nicht. Wenn nicht, welche Art von Einhegung erfahren sie. Welcher steht zentral. Wichtig ist insbesondere auch ob sie sich innerhalb des Zwölferkreis befinden oder außerhalb. Nun wollen wir einmal sehen, ... Nandus nimmt innerhalb der Wandelsternanordnung die zentrale Position ein... also ist Intelligenz die Leiteigenschaft, was ja vordergründig betrachtet zunächst nicht von Nachteil ist. Die starken Prägungen geben sich durch die Wandelsterne außerhalb des Zwölferkreises. Aah sehr selten ... Ucuri innerhalb des Greifen, mmmh... . Der Greif hegt Ucuri ein. Gesetz und Ordnung werden den Ucuri zugeschriebenen Bewegungsdrang, also die Bewegungsfreiheit des Kindes deutlich einschränken. Mmmh ... Hinsichlich der vollen Mada und des vom 12er Kreis eingehegten, wenn auch alleinstehenden, Nandus könnte hier wahrscheinlich die geistige Bewegungsfreiheit gemeint sein. Dieser Aspekt ist umso bedeutender deshalb, da Ucuri eigentlich außerhalb des Zwölferkreises befindlich ist und direkt auf der Nord-/Süd Scheide steht, was widerum sehr selten vorkommt und explizit als „Freiheit ohne Grenzen“ interpretiert werden kann. Oooh, misslich.... Aves steht an der Stirn der Stute – möglicherweise wird es im Leben des Kindes des Öfteren passieren, dass Leidenschaft und Gefühl die von Aves gegebene Entschlossenheit konterkarieren. Soll heißen, wenn die Hitze in den Lenden aufsteigt könnten sehenden Auges offensichtliche Nachteile durch das abweichen von den eigenen Vorsätzen, hingenommen werden. Naja, zumindest muss man hier hinsichtlich des schwachen Storches noch nicht die Hoffnung aufgeben. Nun die Ucuri und Aves Konstellationen deuten doch sehr auf stärkere Einhegungen hin, lasst es uns ein ... Korsett im Leben des Kindes nennen, das über die Zeit auch ein Gefühl der Unzufriedenheit, möglicherweise sogar Widerstand erzeugen kann. Ja, jaaaa... unbedingt, dass Kor, dem Aggression zugeschrieben wird, komplett uneingehegt, außerhalb des Zwölferkreises steht, lässt den Widerstand realistischer erscheinen als sich in einer dauerhaften Unzufriedenheit einzurichten. Nun .... vielleicht macht es ein Blick auf die grundsätzlich eingehegten Wandelsterne wieder etwas besser. Ungewöhnlich, ... gleich zwei Wandelsterne in einem Sternbild hier ... Horas und Simia, also Ausstrahlung und Geschicklichkeit im Sternbild Drache. Mmhh... normalerweise wird der Drache mit Macht, Sieg und Triumph assoziiert, wozu Ausstrahlung und Geschicklichkeit ja wunderbar passen würden ... aber .... angesichts der Einhegung von Ucuri und Aves ... fraglich, ob von diesem Kind Großes zu erwarten sein wird ... möglicherweise steht der Drache hier als Symbol des Teils der Schöpfung der den anderen Teil stets herausfordert, was wiederum als ein Dauerhaftes sich Abwenden gedeutet werden könnte. Vielleicht aber auch nicht ... denn Marbo, die für Beharrlichkeit, Levthan der für Einfühlung und Nandus der für Intelligenz steht, sind zwar vom Zwölferkreis grundsätzlich eingehegt, haben aber ansonsten größtmögliche Bewegungs- bzw. Entfaltungsfreiheit. Marbo und Nandus stehen zudem Kor am nächsten, das heißt ihre Aspekte kommen am ehesten noch in Frage, wenn es darum geht ein Gegengewicht zu bilden, das es dem Kind ermöglicht innerhalb der gesetzten Grenzen zu bleiben und dennoch viel zu erreichen.

Ich will nicht sagen, dass ich bereit war allen seinen Auslegungen zu folgen, aber an einigen Stellen hatte er Punkte angesprochen, denen ich durchaus bereit war zuzustimmen. Was mich besonders interessierte und dann beruhigte war die Tatsache, das Nandurins Sterne alle weit weg von der großen Leere, also dem Namenlosen waren. Diesem Einfluss wollte ich ihn ja gerade entziehen, und das schienen die Sterne zu begünstigen. Wobei ich, gerade bei diesem Thema, einen schnellen „Blick in die Gedanken“ des Sterndeuters war, nur um sicher zu gehen, dass er uns nicht hinterging. Aber da war nichts, was über seine wissenschaftliche Interpretation hinaus ging, keine Hintergedanken oder bösen Absichten, die er nicht in Worte fasste. Das beruhigte mich schon einmal. Nein, meinem Jungen war zweifellos großes Vorherbestimmt!

Der Vollständigkeit halber legten als nächstes Faramud und dann ich die Hand in das Orbitarium und wir beobachteten fasziniert, wie die Sterne zu wandern begannen. In der Kurzfassung blieb zu sagen, dass die Sterne es bestätigten. Der loyale Faramud wurde von seinen Impulsen gesteuert und war nicht die hellste Kerze auf der Torte – wobei ich da schon erstaunliche Ausnahmen in der Vergangenheit festgestellt hatte. Und bei mir stand die Macht der Mada dermaßen zentral, dass an meiner Bestimmung zu einem der größten Magiewirker Deres aufzusteigen kaum ein Zweifel bestehen konnte – vom Praiosgestirn war da weit und breit nichts zu sehen…

Wir hatten darüber ein wenig die Zeit vergessen, als Sari schließlich mit ihren Vorbereitungen fertig war. Die eine überzählige Eule verspeisten wir – ein zähes Vieh, das kaum als Delikatesse taugte – während die Andere von ihr in einem heißen Feuer kremiert wurde, bis nur noch die Knochen und der Schnabel übrig waren. Für mich lagen da nun wieder einmal ein Haufen verkohlter Knöchelchen – aber auch Sari schien sich nicht sicher, wie sie diese Anhäufung von Gebeinen diesmal interpretieren sollte und machte einen eher betrübten, oder vielleicht nachdenklichen Eindruck. Eine eindeutige Hilfe, wie es früher schon einmal der Fall war, brachten uns die Knochen aber diesmal nicht bei der Frage, was wir nun tun sollten. Dafür wurden wir mit einem mal rüde unterbrochen. Surina, die sich gelangweilt nach draußen verabschiedet hatte, kam aufgeregt herein, da sich Leute dem Turm nähern würden.

Wobei das eine Untertreibung war, als wir einen Blick nach außen warfen. Was dort heran kam war ein veritabler Mob von mehreren Dutzend Männern mit Fackeln und Forken, der lautstark forderte die Hexe und ihre Handlanger auszuräuchern. Wie konnten die uns nur finden? Hatte der einsame Reiter heute Nachmittag etwas damit zu tun? Jemand anderes hatte uns hier in der Gegend ja nicht gesehen… Hesinde sei’s geklagt! Am meisten von allen Reaktionen – Faramud machte sich kampfbereit, Surina begann einen Ausweg zu suchen – überraschte mich Sari. Der platzte anscheinend der Kragen, dass hier unten im Süden jeder Lügen über sie verbreitete und ihr ans Leder wollte. Mit den Worten „Tu Dein schlimmstes“ erlaubte sie mir sogar, einen Dämon herbeizurufen, um das Problem zu lösen. Und ich hatte da genau das richtige… Ein Shruuf würde das Volk in heilloses Chaos stürzen und dazu bringen, sich gegenseitig zu massakrieren! Ich begann schon ein Heptagramm zu zeichnen, während ich nach meiner verbliebenen Kraft fühlte – so eine Beschwörung eines Gehörnten war ja nicht grade ein entspannter Spaziergang und dauerte auch seine Zeit, als mich die Erkenntnis eiskalt erwischte und ich fluchte. Die Entenjagd und die Hellsicht auf den Sterndeuter hatten mich zu viel Kraft gekostet. Ich würde es nicht schaffen, alleine ein so mächtiges Wesen herbeizuzitieren und zu beherrschen. Und Hilfe war keine in Aussicht… resigniert steckte ich die Kreide wieder ein. Einmal hatte man die Chance, etwas Großes zu tun, und dann scheiterte es an dem profanen Tagewerk – es war zum Verzweifeln!

Mittlerweile hatte der Mob, es müssen auch mindestens ein oder zwei Magier dabei gewesen sein, das Dach des Turms in Brand gesteckt – und uns damit ohne es zu wissen einen Gefallen getan. Sari, in ihrem Zorn, warf jegliche Zurückhaltung von sich und Beschwor ein Wesen, wie ich es noch nie zu sehen bekommen hatte. Einen Titan aus Feuer, der sich am brennenden Turm nährte und dessen Hitze und Wut über uns hinwegfegte, als sie ihm befahl alle die sich dort draußen versammelt hatten um uns zu Schaden einzuäschern. Die Macht die ich dabei spürte ging über einen Djinn, und von denen hatte ich mittlerweile ja mehrere erlebt, bei weitem hinaus. Sollte meine kleine Sari tatsächlichen den Meister des Feuers zu ihrer Rettung gerufen haben?

Das Element verzehrte derweil auf spektakuläre Art den Turm, das oberste Geschoss und Dach wurden regelrecht davongesprengt und in der Umgebung verteilt. Anfangs wirkte das Wesen noch unwillig, Saris bitte zu folgen, ihre Haare verschmorten und der Zorn war fast körperlich zu spüren, bis sie ihm darlegte, dass die dort draußen Diener des Namenlosen oder zumindest unter seinem Einfluss standen, und das Ziel am Ende wäre, der Schöpfung einen weiteren Tag zu entreißen, wenn wir sie nicht aufhalten konnten. Ich spürte, wie sich die Wut der elementaren Gewalt von uns abwandte, sich auf ein neues Ziel richtete und mit einem Zischen wie ein glosender Waldbrand hinaus vor den Turm vor. Aus den ungläubigen Rufen wurden Schreie der Angst und dann das Geheul der Totgeweihten. Ich muss gestehen, dass der Schweiß der mir am Körper herab ran nicht ausschließlich von der monströsen Hitze gestammt hatte…

Sari verlor schließlich das Bewusstsein, und ich fing sie auf. Ich hatte die freigesetzte Kraft gespürt. Ein Meisterstück der Magie, das sie hier gewirkt hatte, aber was mochte sie das gekostet haben? Wir verloren nun keine weitere Zeit, packten unsere Habseligkeiten und die Packtaschen der Pferde und flohen Hals über Kopf durch einen unterirdischen Tunnel, der wie durch den Felsen gewachsen aussah, hinaus in die Ferne. Der Tunnel erstreckte sich 2 Meilen unter der Erde entlang und zu meinem erstaunen erfuhr ich, das der Elementar der ihn angelegt hatte vom Sterndeuter selbst damit beauftragt worden war. Wer war dieser Kerl, und was verheimlichte er mir? Das würde ich noch ergründen müssen!

Ein unrühmlicher Abgang, ja, aber immer noch besser als massakriert zu werden oder im brennenden Turm selbst zu vergehen. Als wir den Tunnel verließen, er endete in einer kleinen Höhle, versorgte ich erst einmal Saris Brandverletzungen mit einem Balsam, damit wir direkt weitergehen konnten. Und soviel natürlich zu unseren Pferden… die hatten nicht durch den Tunnel gepasst und waren sich selbst überlassen worden – also jetzt entweder friedlich grasend in irgendeinem Nebental, oder zu Röstfleisch verwandelt vor dem Turm. In jedem Fall hatte ich recht… es lohnt sich nur einem neuen Pferd frühestens zwei Wochen nach dessen Akquisition einen Namen zu geben. Alles vorher war vergebene Liebesmühe. Nach übersteigen der 14-Tages-Schwelle stieg jedoch meiner Meinung nach die Chance auf eine längerfristige Verfügbarkeit des Reittiers überexponentiell an. Wir jedoch machten uns jetzt jedoch zu Fuß auf den Weg...

Faramud führte uns nach Norden, abseits der Wege, da wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nun nicht mehr besonders gut in diesem Landstrich gelitten waren. Wenn die hiesige Obrigkeit sich um den Fall erst einmal kümmern würde, dürfte auch das ausgesetzte Kopfgeld sich noch einmal deutlich erhöhen. Immerhin hatte Sari soeben das äquivalent eines mittelgroßen Dorfes ausgelöscht. So einen Schwund an Arbeitskräften mochte üblicherweise keiner der leidigen Dorfdespoten ohne nach Vergeltung zu rufen hinnehmen. Die Landschaft war hier sehr kulturell geprägt, selbst neben den Straßen zogen sich allenthalben Feldwege durch die Gegend und wir mussten wiederholt der arbeitenden Landbevölkerung ausweichen. Bis zum frühen Nachmittag trieb uns Faramud voran, ehe wir eine Ras bis in die Nacht in einer geschützten Senke einlegten. Den Weg bis dahin nutzte ich, um den Halbelf mit einem kleinen Odem zu taxieren – seine Aura war etwa so stark ausgeprägt wie bei Sari, und damit ungefähr die Hälfte der meinen. Umso verwunderter war ich über die Dinge, die er angeblich vollbracht haben wollte. Erst hinter Borbra wagten wir es, wieder auf der Straße zu gehen um weiter Richtung Samra zu kommen. Allerdings trennten wir uns zur Sicherheit, da man ja entweder die Waldhexe oder, alternativ, sie in Begleitung ihrer Mördertruppe, suchen würde. Nicht jedoch vereinzelte Reisende, die es in dieser Gegend ansonsten ja ausreichend gab. So zumindest unsere Hoffnung. Allerdings trennten wir uns nur soweit, das wir auf der Straße immer jemanden voraus und oder hinter uns in Sichtweite hatten, um uns im Notfall beistehen zu können.

Auch durch Samra gingen wir getrennt, um dann die Brücke über den Fluss zu nehmen. Ich ging als erster und allein voran, als ich selbst. Ich war respektabler Magus, da brauchte es keine Verkleidung. Das graue Reisegewand eines Magiers stand ja auch jedem Gildenangehörigen, nicht nur denen der Linken Hand. Surina ging als Edeldame mit Sari, die sich mittels Paminas Rüstung als Söldnerin und Surinas Leibwächterin ausgab. Pamina gab erneut das gefolgsames Weib Faramuds und Alfun hatte schließlich Wala dabei, die ihm erstaunlicherweise nahezu aufs Wort folgte.

Das Tor Samras wurde von 2 Gardisten bewacht, die wissen wollten wohin ich unterwegs war. Ich gab an den Fluss hinauf über den Raschtullsturm nach Punin unterwegs zu sein – ohne zu ahnen, dass dies später tatsächlich unsere Richtung sein würde. Dann bezahlte ich die obligatorischen 2 Heller pro Bein und schlenderte über den Markt wo ich einen Apfel aß und ging endlich über die Brücke, welche nur Richtung in die Stadt hinein erneut bewacht war. Auf der anderen Seite des Flusses sah ich zwischen den Flüssen Gadang und Mahanadi ein Ruinenfeld liegen. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trog, ich hatte da eine Vorlesung über die Historie der aventurischen Magie Hinterkopf, lag dort eine alte Siedlung der Leviatanim Namens Zamorra. Versonnen blieb ich stehen und betrachtete die Ruinen, während ich darüber nachdachte, ob sich vielleicht ein kurzer Abstecher dorhin lohnen mochte. Allerdings war, vermutlich zumindest, alles Interessante in den vergangenen paar hundert Jahren bereits von ruchlosen Räubern geplündert worden, über das man eher zufällig stolpern konnte.

Von hinten kamen derweil Sari und Surina, gingen aber ohne auf mich zu achten an mir vorbei. Alfun und Wala waren die nächsten und der Sterndeuter riet mir nicht dorthin zu gehen, da die Ruinen noch von irgendwelchen Rondra-Kultisten bewacht würden. Daher ging ich mit ihm weiter. Die Zeit nutzte ich heute, um mit einem Blick aufs Wesen ein wenig weitere Erkenntnisse zu ihm zu erlangen, mit dem ich aber gerade so gegen seine geistigen Barrieren ankam. In Teilen war er wohl sehr fähig, vermutlich was seine Gelehrsamkeit anging, aber das hatte er ja schon in seinem Turm gezeigt. Dazu in guter körperlicher Verfassung, was sich auf der Reise als hilfreich erweisen sollte, gerade wenn es in die Berge oder die Wüste gehen würde. Und durchschnittlich kompetent was sein Zauberwirken und den Umgang mit dem Bogen anging. Es wäre jetzt nur noch spannend, ob er den Wegen des Elfenvolkes oder der Gildenmagie folgte, was sein Zauberwirken anging. Aber das würde ich sicher noch erfahren…

Eine halbe Stunde flussauf trafen wir wieder aufeinander. Surina berichtete uns von einem Boten, der in Samra Hilfe gegen die böse Hexe suchte, die angeblich den Turm des Sterndeuters, dessen Leib bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war, abgefackelt hätte. Wieder gingen wir dann getrennt aber in Sichtweite zueinander weiter. Die Straße war hier sehr gut ausgebaut und wir kamen zügig voran bis an eine Ortschaft namens Ivrinno. Dort lagerten wir aber noch außerhalb abseits der Straße zur Übernachtung, nur zur Sicherheit. Als ich am Morgen erwachte fühlte ich mich endlich wieder gut erholt.

Am Morgen gingen wir um die Stadt herum und in loser Abfolge weiter. Am späten Nachmittag vor Bagfua hieß es erneut eine Brücke über einen Zufluss des Mhanadi zu überqueren. Zwei weitere Gardisten und schon wieder 6 Heller Zoll später setzte ich meine Reise fort. Die örtlichen Herrscher schienen eine wahre Freude an ihren Zolleinnahmen zu haben – die reinsten Brückentrolle, dieses Raubgesindel! Aber immerhin waren wir nun wieder in zwölfgöttlichen Landen wie es schien. Der Ort hatte zwei Gasthäuser und schon vor dem ersten blieb ich stehen und wartete, denn es roch lecker nach Hammelbraten. Surina und Alfun gingen dann mit mir hinein, als sie vorbei kamen, der Rest ging weiter um draußen zu lagern. Endlich wieder einmal eine ordentliche Unterkunft, gepflegtes Essen und Wein. Für 6 Silberne erhielten wir eine fürstliche Behandlung, verbrachten einen guten Abend und eine ruhige Nacht in der Herberge. Als wir am nächsten Tag früh loszogen waren die Wachen noch recht verschlafen, aber das sollte mir nur recht sein.

Unsere Reise ging so unbehelligt weiter bis Selicum. Anscheinend waren wir weit genug aus dem Einflussbereich unserer Feinde und der Herrscher in Mherwed heraus. Unterwegs verzauberte ich Pamina wieder einmal ein Brot mit dem Delicioso Gaumenschmaus, weil sie sich ohne Tier essen zu müssen nach dem Geschmack von Hühnchen sehnte. Weiter ging es nach Erkenstein um über die Berge zu gehen, denn Faramud meinte, wir könnten auch einen Weg von der nördlichen Seite der Berge her zu unserem Ziel gehen. Für diesen Teil schlossen wir uns als Bedeckung einer Karawane über die Berge an, die zwei Tage später aufbrechen wollte. Aber außer einem kleinen Felsrutsch der den Weg schon am Anfang des Passes versperrte geschah nichts Bemerkenswertes. Schade, ich hätte ja gehofft auf Ferkina-Berserker oder Koramsbestien zu treffen, von denen ich wieder etwas für die Alchemie gebraucht hätte. Alfun sah mit Sari auf der Passhöhe am Abendlager einmal in Faramuds Orbitarium nach deren Geburtsterne. Auch spannend, aber weit weniger Eindeutig als zum Beispiel meine, Nandurins oder Faramuds. Die restliche Übersteigung des Passes bis Then hinauf verlief unspektakulär und auf der anderen Seite der Berge waren wir nun in der Region Almada des Mittelreichs. Eigentlich wäre ich jetzt wirklich gerne auf einen Abstecher nach Punin, das musste gar nicht weit von hier sein. Aber die anderen konnte ich mit der Aussicht auf die wahrscheinlich größte Magierakademie Deres nicht locken. Wir verbrachten die Nach in Then und genossen dort einen Wein in der Taberna „Zum almadinenen Auge“. Dann führte unser Weg weiter die Reichstraße 4 hinunter gen Westen. Nach 8 Tage waren wir in Brig-Lo angekommen, dem Ort der zweiten Dämonenschlacht. Wieder so ein historisch bedeutsamer Platz, den ich mir jetzt aber wirklich auf jeden Fall ansehen wollte!

 

Es war der 20. Ingerimm 1029 am Abend, als wir Brig-Lo erreichten. Nach einem kurzen Plausch mit der Wache wurde uns das Gasthaus „Kaiser Selindian“ empfohlen. Ich war ja wirklich kein großer Kenner der Mittelländischen Herscherdynastie. Aber ein Kaiser Selindian war mir trotzdem unbekannt. Hieß die derzeitige Herrscherin nicht Rohaja? Oder war das vielleicht einer der Kaiser, die ansonsten im grau der Geschichte vergangen waren? Wir kehrten dort ein und bestellten ein Essen. Es gab Hirschragout mit Wein, aber beides war so mäßig gut, dass Surina beschloss andernorts zu speisen und zu nächtigen. Das viele Gold hatte ihren Geschmack ganz schön verwöhnt. Zumindest klärte sich der Name rasch auf, da der aufdringliche Wirt nicht damit hinter dem Berg hielt, dass er sein Haus wohl einfach einmal umbenannte, wenn ihm der politische Wind danach erschien. Und dieser Selindian war auch gar kein Kaiser, sondern nur König von Almada – trotzdem sahen ihn viele der örtlichen Patrioten als rechtmäßigen Anwärter auf den Thron, was wiederum das Geschäft des Wirts förderte. Nun ja, wenn die Küche nicht die Leute anlockte, musste er sich wohl etwas überlegen. Viel Zeit wollte ich in diesem Haus ja eh nicht verbringen.

Als es schon dunkelte gingen wir, also alle außer Surina, hinaus zum Schlachtfeld der Dämonenschlacht. Ein wohliger Schauer lief mir über den Rücken, als wir das große Gräberfeld erreichten! Majestätische Monumente ragte in der Dämmerung um uns auf und es war im wahrsten Sinne des Wortes grabesstill. Einen besseren Ort um einen Geist herbeizurufen konnte ich mir gar nicht vorstellen. Sari hatte dabei ein wachsames Auge auf mich, sie schien mir da noch nicht ganz zu trauen. Aber da hatte sie wohl recht, immerhin waren meine Kenntnisse der Formel bisher rein theoretischer Natur. Dennoch gelang es mir erstaunlich einfach mit dem Rauch einer Fackel einen durchscheinenden Geist herbeizurufen. Wohl einer, den die Boroni bisher nicht erwischt hatten – aber der Puniner Ritus gilt ja allgemein als nachlässig, was das angeht. Das wäre unseren Priestern daheim sicher nicht passiert. Dafür schien der Geist einiges an Gesprächsbedarf zu haben, die letzten 1000 Jahre mussten ihm wohl recht einsam gewesen sein.

Es war ein tulamidischer Krieger, der sich hier der Horas entgegengestellt hatte in der zweiten Dämonenschlacht. Sein Verhängnis, bevor die Götter das Schlachtenglück gewendet hatten, war wohl der Beschreibung nach ein Shruuf, der ihn und seine Kameraden in Stücke gerissen hat. Wir unterhielten uns recht gut mit ihm und gerade meine anfangs furchtsamen Kameraden schienen recht Freude an dem Palaver mit dem Geist zu haben. Tatsächlich waren wir bald soweit, dass uns der Geist lieber Richtung Gerasim, also Saris Heimat, begleiten statt zu Boron gehen wollte. Das änderte sich allerdings, als Sari ihm das tatsächlich anbot, er dazu aber in eine Flasche oder ein ähnliches Gefäß hätte fahren müssen. Dann lies er sich doch lieber von uns helfen in Borons Hallen zu gehen, was dann auch nicht mehr lange dauerte, nachdem er uns gezeigt hatte wo seine Gebeine lagen. Bedauerlich war dabei nur, dass ich auf diese Art den Geisterbann nicht mehr ausprobieren konnte. Aber was solls, die Gelegenheit würde sicher wieder einmal kommen.

Dann gingen wir zurück in die Stadt, wo eine bestochene Wache schon darauf wartete uns wieder hinein zu lassen. Die Zimmer waren kaum besser als das Essen und nach einem mäßigen Frühstück zahlten wir die Zeche, bevor wir uns auf den Weg weiter Richtung Amhala machten. Dort verließen wir die Reichstraße und bogen ab nach Süden über die Berge. Der Weg führte am Ende zu einer Oase Virinlassih, aber Faramud meinte, bis dort wollten wir gar nicht gehen. Am Fuß der Berge, vor dem Aufstieg, deckten wir uns im Dorf Shinadra noch mit dem nötigsten ein. Insbesondere war das wohl passende Kleidung für einige meiner Gefährten und noch mehr Wasserschläuche. Der Pass war hier erfreulich flach, so dass selbst unser altersschwacher Esel diesen überwinden konnte. Wir hatten kaum die andere Seite des Gebirgsrückens erreicht, als uns Faramud schon in einem unbeobachteten Moment herunter vom Pfad gen Osten führte.

Ich muss sagen, hier auf der Seite war es, am Rande der Wüste, schon sehr unangenehm heiß. Eine trockene Hitze, die einen wie eine Dattel auszudörren schien. Ich gönnte uns hin und wieder die Erfrischung eines mit Caldofrigo auf Eiseskälte heruntergekühlten Wassers – was wiederum Faramuds Unmut erregte, weil er meinte, davon würde man nur noch durstiger. Humbug! Ich fühlte mich danach erquicklich erfrischt.

Da fernab jeglicher Zivilisation war die Reise hier weit weniger komfortabel als bisher, besonders Surina beklagte sich deswegen fortlaufend. Drei Tage zogen wir so am Fuß der Berge entlang, bevor wir begannen ins Gebirge selbst vorzudringen und des dauerte nicht lang, als wir an einer ersten Steilwand aufgehalten wurden. Diese war zwar nur sechs Schritt hoch, aber es ließ sich nicht umgehen dort hinauf zu klettern. Ich selbst benötigte zwei Versuche, aber das größere Problem war unser Maultier „Salami“. Faramud wollte es aber nicht zurücklassen und machte sich an eine Seilkonstruktion, um das zentnerschwere Tier dann mit vereinten Kräften hinauf zu ziehen. Müßig zu erwähnen, dass Salami davon wenig begeistert war und das alles ewig dauerte.

Wir setzten unseren Weg fort und sahen beständig nur den hohen Gebirgszug vor uns, aber Faramud schien sich des Pfads recht sicher zu sein. Als er stunden später einmal anhielt begann er an einem Obelisken, der dort mitten am Weg stand, seltsame Gesten mit der Hand zu vollführen und dann sahen wir es. Wir aus dem nichts erschienen hohe Türme zwischen den Felsen vor uns. Von einer Bauart, wie ich sie noch nie vorher gesehen hatte. Filigran und doch anscheinend so fest gefügt, das sie Äonen überdauern konnten. Es dauerte eine weitere halbe Stunde bei leichtem Anstieg, gelegentlich sogar über Treppenstufen, bis wir die Türme erreichten. Ich fragte mich gerade, wie wir wohl in die Türme hinein gelangen wollten, die mächtigen Tore schienen verschlossen, da öffneten sich die Torflügel wie von Zauberhand und eine hochgewachsene Person trat heraus.

Der Fremde begrüßte Alfun den Sternkundler wie einen alten Freund, und dieser stellte uns dann dem Mann, einem Elfen von schlankem Wuchs vor. Navahon Luchsweiser war sein Name, und als wir die Begrüßung offenbar zu seiner Zufriedenheit erledigt hatten bat er uns herein. Wir schrieben den 28. Ingerimm, als wir das lange verlassene Bauwerk betraten. Ich hatte irgendwie düstere Katakomben mit Toten erwartet, aber das erfüllte sich nicht. Das Bauwerk hatte eine ganz eigene, am besten als nicht menschlich zu bezeichnende Ästhetik und war trotz seiner Bauweise erstaunlich freundlich im inneren. Luchsweiser erzählte uns von vergangenen Zeiten, als wäre er selbst dabei gewesen.

Vor mehr als 5.000 Jahren offenbarte sich meinem Volk ein Geschöpf namens Pyr. Den Wissenden unter euch Kurzlebigen vielleicht bekannt unter dem Namen Pyrdacor. Pyr gab uns tiefreichendes Wissen über die Elemente und befahl uns die elementaren Städte zu erbauen. Viele von uns gaben in Folge dessen ihre bisherige freie Lebensweise auf und liesen sich in den Städten nieder – keine gute Idee – den Städte engen die Sinne ein, manche sagen sogar sie machen verrückt. Fast zeitgleich mit dem Bau der elementaren Städte begannen, von Nordosten kommend, die Angriffe der Namenlosen Horden auf mein Volk. Nach und nach vergingen die elementaren Städte. Die letzte von Ihnen, Tie'shianna fiel nach langer Belagerung vor 3.000 Jahren den Namenlose Horden anheim. Medarion Vergangenheitssucher verlies in den Wirren des Untergangs mit Gleichgesinnten die Stadt. Sie führten Wissen und Artefakte von unvergleichlichem Wert mit sich, gingen hierher, schufen dieses Refugium. Leider mussten Sie vieles zurücklassen, dass dann den Siegern zur Beute wurde, oder verging. Interessant, dass ihr hier seid, denn das Refugium ist nur für jene auffindbar, deren Lebensweg die Geschichte von etwas das sich im Refugium befindet, kreuzt.“

Nachdem wir eine großzügige und helle Halle erreicht hatten wo er uns hieß Platz zu nehmen und wir eine kleine Erfrischung bekamen, erzählte er weiter. „Zur Zeit der größten Machtentfaltung meines Volkes, kurz nachdem sich Pyr uns offenbarte gewann das DASA an Kraft und setzte die freien Völker zunehmend unter Druck. Als die Not der Völker des Nordens größer wurde, hat man den Gedanken entwickelt, dass DASA nachhaltig schwächen zu können, wenn es gelänge, den noch verbliebenen Tagherrscher zu bannen. Da unsere Macht nicht im Ansatz ausreichend war, Aswa Djalihd in der Ordnung habhaft zu werden, sollte er aus der Sphäre der von den Göttern geschützten Ordnung in das Diesseits gelockt werden. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Dieser Tagherrscher könnte kein Leid mehr verursachen und die für einen sechsten prophezeite Wiederkehr würde verunmöglicht - Allein die Idee zur Umsetzung fehlte. Dann trat euer Volk auf den Plan.“

Es war die Geschichte, wie die Götter die Ordnung geschaffen hatten und die Tagherrscher in diese Ordnung gezwungen wurden, alle außer dem Herrscher des sechsten Tages, dem Bringer der eisigen Kälte - Aswa-Djalihd wurde er geheißen. Dieses Wesen war also unser Ziel… Ich bin ja was Dämonen angeht nicht sonderlich empfindlich, aber dieser Name jagte mir seltsamerweise einen Schauer über den Rücken. Dann meinte er, das was folgte wäre eine sehr lange Geschichte, und es wäre wohl einfacher für uns, wenn wir diese selbst sehen, statt aus seinem Mund hören würden. Ich war gespannt. Vielleicht ein magisches Theater?

Nach dem Essen gingen wir in einen der Türme, unter dessen Kuppel ein großes Astrolabium stand. Ähnlich das von Faramud, aber größer und auf seine eigene Art wirkte es… vollständiger. Der Elf Sprach etwas in einer Zunge, die ich nicht verstand und ein Eisstrahl brach aus Saris Zahn hervor, als er meinte, dieses Astrolabium könne die Geschichte eines Gegenstands erzählen, wenn man ihn hineinlegte. Wir sollten uns setzen und es uns bequem machen. Als Sari den Fang auf eine kleine Vertiefung platzierte ging von dem Astrolabium ein regenbogenfarbener Wirbel aus, der und regelrecht verschluckte. Ich hatte gleichzeitig das Gefühl zu fallen, bewusstlos zu werden und in die Vergangenheit zu stürzen. Das war… verstörend.

Als wir erwachten, war ich in einem fremden Körper. Gehüllt in Felle und Leder. Es schien, als wären wir alle nun Teil einer Sippe von Saris Volk. Deren leben war für mich, gelinde gesagt, befremdlich. Primitiv im eigentlichen Wortsinn, waren sie Jäger und Sammler die den Tag früh begannen um jagt auf Mammuts und Grimmbären zu machen, während sie die Frauen und Alten um das Lager und die Kinder kümmerten. Mein Stammesname war Takoda’kon, der Bärensohn, ein Jäger. Obwohl auch die Gefährten fremde Namen trugen und anders aussahen erkannte ich ihr Wesen doch unter diesem Trugbild. Surina war ein Bursche Namens Akira’to, der Sohn des Morgenlichts. Pamina hatte ein Baby auf dem Rücken gebunden und wurde Namarie’la, das Schneemädchen gerufen. Faramud war der Krieger Kanaq’sin, das Herz des Sturms und Sari schließlich Sola’ni, das Kind der Sonne, der Lehrling der Schamanin und die Schwester von Namarie’la.

So vergingen gefühlt zahllose Tage im stetig gleichen Trott und die Handgriffe, die es zum überlegen in der Wildnis mit einfachsten Mitteln brauchte gingen mir in Fleisch und Blut über. Gefühlt konnte ich diese Dinge bald im Schlaf ausführen, während Sari von der Schamanin lernte die Naturgeister zu ehren. Eines Tages, der morgen war gerade angebrochen, waberte ein Neben von Nordosten in unser Lager und brachte eine bittere Kälte mit sich, die nicht nur körperlich zu spüren war sondern sich auf die Herzen legte. Unsere Gefühle änderten sich, grimm ergriff von uns allen Besitz. Bald begann der Stamm sich gegeneinander zu wenden, aber auch gegen die Wölfe, die uns bisher als treue Gefährten begleitet hatten. Es war, als wäre Gift in unser aller Seelen gedrungen. Erst als Sola’ni auf Bitten der Schamanin zwei Geister der Luft herbeirief um den Neben zurückzutreiben begannen sich alle wieder, normal zu verhalten.

Gerade waren wir dabei die Toten zu betrauern, als eine Rotte Orks aus dem Unterholz stürmte um die Überlebenden anzugreifen. Auch diese schlugen wir zurück, aber bei dem Angriff erlag die Schamanin ihren schweren Verletzungen. Ein schlimmer Verlust für den Stamm. Mit den letzten Worten wies sie Sola’ni den nächsten Weg. „Geht zu den Langohren... sie sind die Einzigen die die Macht haben um zu helfen, ... erzählt vom Nebel, vonden Naturgeistern ... sucht Thari'lun Luchsschatten.“

Die nächsten Tage, oder waren es Wochen, waren eine gefährliche Wanderung durch Schluchten, über Berge, Gletscher, bis wir einen Elfen fanden der sich Thari’lun nannte und uns versprach zu helfen, nachdem er unsere Geschichte gehört hatte.

Die Szene wechselte, und wir sahen 4 Elfen, die um einen Tisch saßen, auf dem sich reinstes Element befand. Nur wenig konnten wir verstehen, gerade einmal Fetzen ihrer Worte, die sich anscheinend an das Eis selbst richteten. „Herr des Eises, wir bitten Dich darum einen geringen Teil deiner Urform zu geben, um das Ungeschaffene bekämpfen zu können und dauerhaft zu bannen“

Wieder wechselte das Bild und nun Übergab der Elf dem Stamm eine Kiste mit vier Fangzähnen in verschiedenen Farben. „Dies ist der Fang geschaffen mit der uns vom Gottdrachen Pyr gegebenen Macht über die Naturgeister. Sola'ni, suche drei weitere Träger, die über deine Macht verfügen, ihr sollt die Hüter sein. Macht Euch mit der Kraft der Zähne vertraut. Ich werde Dich nun lehren und bald wiederkommen um mit Euch das Ritual durchzuführen“. Also machten wir uns wieder auf den Weg um die übrigen Träger der Fänge zu finden.

Erneut wechselte das Bild, diesmal erneut zu den Elfen, die sich über eine Karte beugten und miteinander sprachen. Wieder waren nur Fetzen zu verstehen. Anscheinend suchten sie einen Ort, der von ausreichender Kraft für das Vorhaben durchdrungen war. Mein eigenes selbst regte sich, als ich die Karte und die darauf verzeichneten Linien und Knoten der Kraft sah und klammerte sich mit aller Macht an diese Erinnerung. Einer der Elfen zeichnete einen Ort auf der Karte ein, wo sich zwei Linien kreuzten. „Hier müsste es gehen. Dort muss der sechste, wenn die Sterne richtig stehen, versucht werden. ... Hast Du es ihnen gesagt? Nein, wenn ich es tue, kann ich es auch von Ihnen erwarten ... zieht meinen Sohn Navahon Luchslaib auf ... lehrt ihn und erzählt ihm von der Bedingung der Elementarherren, damit er sich nicht grämt. Der unsterbliche Fokus ist eine Notwendigkeit“. Sollte Navahon, der uns im jetzt begleitete tatsächlich damals schon als Kind gelebt haben? Das würde bedeuten, er wäre nun wohl an die 6000 Jahre alt. Unter dem Traum regte sich mein Geist, der dieses Geheimnis ergründen wollte.

Das nächste Bild das wir sahen war ein in allen Farben des Regenbogen schillerndes Hexagramm auf einer Lichtung, während die Stimme des Elfen zu hören war, das er im Inneren stehen würde. Daraufhin erschien eine Kreatur, von der ich instinktiv wusste, dass es der Dämon Aswa-Djahlid sein musste. Ein eisiges, wurmartiges gehörntes Wesen auf Beinen, aus dessen Maul beständig ein schwarzer Nebel Quoll. Und der Gegenstand, den ich immer als Szepter bezeichnet hatte thronte als fünftes Horn mitten auf der Stirn des Unwesens! Meine Treu! Wer hätte gedacht, dass es sich dabei um ein manifestiertes Körperteil eines Dämons, gar eines Tagherrschers handelt? Darüber hinaus war ich vermutlich seit über 5000 Jahren einer der ersten Menschen, die einen Blick auf das Abbild des Dämons werfen konnte, denn sein Name war nicht mehr als eine Legende unter denen die die Invocatio pflegten. Der Elf bündelte die Kraft der nun versammelten Schamanen in sich, um den Dämon in eine Globule zu bannen deren Tor sich wie ein Riss in der Realität aufgetan hatte.  Kurz bevor sich der Spalt vollständigen schloss um den Dämon in der elementaren Globule einzuschließen riss sich der Aswa-Djahlid sein Horn vom Haupt und schleuderte es auf Dere. Dabei zerbrach es in ein großes und ein kleines Teil. Die Globule schloss sich endgültig, verschwamm langsam und war schließlich völlig entrückt. Nach der Entrückung brachen der Elf und die Träger des roten und des grünen Fangs leblos zusammen.

Völlig entkräftet erwachten wir in unseren eigenen Körpern wie aus einem langen Traum. Aber die Erinnerung an das was wir gesehen hatten verging nicht wie bei einem Traum sondern war so lebendig in mir, als wäre ich tatsächlich dabei gewesen. Navahon saß neben uns, anscheinend hatte er wacht über uns gehalten. Mein Mund war völlig ausgedörrt und ich trank erst einmal ein Glas Wasser. Kein Wein schien mir je so köstlich gewesen zu sein wie dieser einfache Schluck. Das Astrolabium im Raum zeigte das Sternbild so wie es wohl vor über 5600 Jahren gewesen sein muss und nun bald wieder sein würde. Schwindlig wurde mir allerdings, als ich den Elfen fragte, wie lange wir im Traum gelegen hatten. Ich hätte mit Stunden, vielleicht einem Tag gerechnet. Und war erschüttert, als er uns eröffnete das in unserer Zeitrechnung heute der 23. Rondra war. Drei Monde hatten wir verträumt!

Man kann sich vorstellen, dass uns unzählige Fragen plagten, nachdem wir erst einmal wieder halbwegs bei Kräften – und gepflegt – waren. Ja, er sei der Sohn des Elfen, der sich damals geopfert hatte und selbst an diesem Tag dabei gewesen. Dann begann er fast wie von selbst zu erzählen.

„Meine Vorfahren nahmen die Teile mit und liesen den Fang beim Volk der Nivesen. Sie fanden heraus das der Sechste einen Fokus geschaffen hatte über den wieder eine Verbindung hergestellt werden konnte, also seine Rückkehr möglich wäre. Alle Versuche den Fokus zu zerstören mißlangen. Man kam zu dem Schluss, dass das Horn mit der Kraft des Fangs zerstört werden könne, wenn sich die Sternenkonstellation des Bannungstages wiederholen würde. Es kann allerdings nur dann zerstört werden, wenn während des Rituals die Verbindung mit seinem zugehörigen Körper kontrolliert wiederhergestellt wird. Das Horn würde in dem Moment in dem es als Fokus fungiert und eine Verbindung mit Aswa-Djalhid herstellt, seine eigene Struktur schwächen, während dieser Zeit kann der Fokus mit der Kraft des Fangs zerstört werden. Bei Gelingen wird der Sechste wieder in die elementare Globule gebannt. Das Ritual birgt allerdings auch die Gefahr, dass er bei einem Misslingen wieder mit voller Macht zurückkehren kann.“

„Nun bevor wir die Sternenkonstellation erörtern, macht es Sinn ein paar Worte über den Fang zu verlieren. Mit Hilfe des Fangs wurde ein elementares Gefängnis geschaffen in das der 6. Tagherrscher gebannt wurde. Hierzu bedurfte es der Elemente in Ihrer reinsten Form, auf die wir in jener Zeit Zugriff hatten. Euer Fang, der erste, war - für den giftigen Geist, den Eisigen Bringer der Seelenkälte, den Herrn des schwarzen Eises, den – Der – Nichts – fühlt – der Grund sich ins Dieseits zu begeben. Der Norden Aventuriens war immer sein bevorzugter Raum. Der erste Fang enthält die Urform des Elementes Eis. Stellt euch vor was der Besitz für Ihn bedeutet hätte. Der zweite Fang ist für das Entstehen und das schnelle Wachstum der elementaren Globule zuständig. Er beinhaltet die Reinform der Elemente Humus und Wasser. Der dritte Fang war dafür Aswa-Djalidh in die Globule zu treiben. Luft beschleunigt und verstärkt das Feuer. Der vierte Fang diente der Versiegelung der Globule. Die Kraft verstärkt hier das Erz.“

Dann betrachteten wir gemeinsam die Sterne, die weiter geduldig in die Luft projiziert waren. „Madas Frevel war komplett abwesend, ein gut gewählter Tag für das Volk der Fang-Träger. Der Eisbär, in Eurem Glauben Firuns Sternbild, steht der Leere immer gegenüber, hier allerdings exakt der Länge nach von der Himmelsscheide geteilt. Gorfang, der Maulstern liegt direkt auf ihr. Alle Acht Wandelsterne sind uneingehegt, sehr interessant hinsichtlich der Zähne des Fangs: Marbo, das Eis steht für sich allein, der Sechste verkörpert viele Aspekte von Eis nur pervertiert, weswegen dieser Fangzahn, dieses Element größter Widersacher ist. Simia und Nandus also Humus und Wasser, Kor und Aves also Feuer und Luft sowie Levthan und Madas Frevel also Erz und Kraft, sie liegen alle nahe beieinander.“ Dann errechneten wir von dem was das Astrolabium anzeigte den kommenden Ritualtag. Wir kamen gemeinsam zum Schluss, dass was auch immer uns erwarten mochte am 12. Travia 129 BF stattfinden würde.

Das Wissen, das wir nun erlangt haben und das Horn mochte dem Daza, also den Schergen des Namenlosen beim Fall Tie’Shianas in die Hände gefallen sein. Auch der Feind, der ja nun das Horn als Fokus für eine Anrufung besaß, würde einen unsterblichen Fokus für sein eigenes Ritual benötigen. Ich spekulierte, das es in diesem Fall vielleicht kein Elf sein mochte, sondern ein Vampir, die ja auf ihre eigene Weise auch eine Art von unsterblichen waren. Navahon würde uns begleiten und sich bei der endgültigen Bannung selbst als Fokus anbieten. Dann sollten wir auch in der Lage sein mit den Fängen das Horn, das letzte Bindeglied des Dämons an Dere, zu zerstören, wenn die Sterne richtig stehen. Unsere Aufgabe würde es sein, ihn, Sari und andere aus Saris Volk zu schützen. Allerdings würden uns nur 49 Tage bleiben um den Ort des Rituals zu erreichen und alles vorzubereiten. Nach dem was wir im Traum gesehen hatten musste dies irgendwo in den Salamandersteinen sein, also auch nicht gerade in nächster Nähe.

Da uns nicht viel Zeit blieb ruhten wir nur einen Tag, bevor wir schließlich zurück gen Punin und darüber hinaus aufbrachen. Wobei uns ein wenig Sorgen machte, das wir unser Ziel nur ungefähr kannten. Selbst der Elf Navahon wusste anscheinend nicht ganz exakt, wohin er uns führen würde. Daher erbot ich mich, verbunden mit einem kurzen verweilen in Punin, den Zauber Oculus Astralis zu erlernen, mit dem ich sicher in der Lage sein würde den im Traum gesehenen Madas Haaren zu folgen und den Nodix aufzufinden. Als mich die Gefährten fragten, ganz abgeneigt schienen sie von der Idee nicht zu sein, wie lange ich denn dafür bräuchte, erwiderte ich, dass es mich allein um die Grundzüge der Matrix zu erlernen sicher vier oder fünf Tage kosten würde, in denen ich mich nichts anderem widmen konnte. Das schien ihnen allerdings auf Grund unserer Eile zu lang - und an dieser Stelle überraschte mich Faramud wieder einmal. Er erbot sich, mich in Punin mit Elixieren zu versorgen, so dass ich mich nicht nur am Tag, sondern auch in der Nacht und das durchgehend meinen Studien würde widmen können. Nun wusste ich zwar, dass dies meiner Gesundheit kurzfristig nicht unbedingt zuträglich sein würde, aber wir hatten ja ein Ziel auf das auch ich eingeschworen war. Also willigte ich ein, solange wir einen Magister finden würden der dem Vorhaben positiv gegenüberstand.

In Punin angekommen trennten sich also unsere Wege und jeder nahm sich etwas anderes vor. Ich ging stracks zur Akademie der hohen Magie – selbst für mich eine Institution die ich zwar bisher nur aus Erzählungen kannte aber ob ihrer offensichtlichen Kompetenz doch stark respektierte. Nach einem kurzen Geplänkel mit dem Diensthabenden Adeptus bezüglich der üblichen Formalitäten schilderte ich mein Anliegen und bat darum, bei einem dafür geeigneten Magister vorsprechen zu dürfen. Man brachte mich zu Xaron Mendurian von Punin, der sich wohl als auf den von mir gewünschten Zauber ausreichend verstehen sollte. Wir kamen uns Gespräch und zunächst schien er meinem Vorhaben eher skeptisch gegenüber zu stehen – ein solches Intensivstudium würde wohl seine eigenen Zeitpläne stark durcheinanderbringen. Als ich ihm jedoch, als wir auf meinen Namen zu sprechen kamen, auf das höhere Ziel das ich verfolgte zu sprechen kam, und im weiteren, dass wir in Begleitung eines uralten Elfen unterwegs wären, war seine Neugier geweckt. Der Magus schien ein Faible für alles was mit Elfen zu tun hatte zu haben, weswegen er am Ende einwilligte mich zu unterweisen, was mich zwar einige Dukaten kostete, aber weniger als befürchtet, als ich ihm versprach, ihn mit Navahon bekannt zu machen.

Surina hatte ich unterdessen mit einer besonderen Bitte ausgesandt, da ich mich nicht selbst würde darum kümmern können. Ich bat sie, in den örtlichen Buchhandlungen für mich nachzusehen, ob dort zufällig ein "Von der Entwicklung übernatürlicher Willenskraft" irgendwo zu erwerben wäre. Ich meine, wenn nicht in Punin, wo dann? Nach diesem Buch war ich ja seit meinem ersten Aufenthalt in Bethana auf der Suche! Wirklich viel Hoffnung machte ich mir zwar nicht, aber wenn man es nicht wenigstens versuchte, hätte man ja schon verloren. Und bei Phex, ich konnte es kaum glauben, sie war tatsächlich erfolgreich, sogar deutlich schneller als ich gedacht hatte. Innerhalb eines Tages hatte sie nicht nur ein Exemplar aufgetrieben, sondern sogar mit dem Händler einen zwar hohen, aber akzeptablen Preis ausgehandelt. Natürlich dauerte mich schon etwas um das viele Gold, aber wann hätte ich wohl sonst das nächste mal die Gelegenheit meine Finger an dieses Schriftwerk zu bekommen? Ich zahlte also, mit dem Widerwillen des Sammlers, der unbedingt etwas bestimmtes Besitzen wollte, den unverschämten Preis von 80 Dukaten. Aber der Schmerz war vergessen, kaum das ich das Buch in Händen hielt, Surina brachte es sogar zu mir in die Akademie, und wich einer unbändigen Vorfreude darauf, mich dem Studium dieses Werkes widmen zu können. Was freilich noch bis nach der Erfüllung unserer Aufgabe dauern dürfte, aber Vorfreude war ja eine der schönsten Freuden, nicht wahr?

So sah ich also während unseres Aufenthalts in Punin nichts, außer die Mauern der Akademie und vergrub mich ins Studium des Oculus. Zweimal am Tag besuchte mich Faramud und versorgte mich mit einem Wachtrunk, den er irgendwo in der Stadt erwarb, damit mich die Müdigkeit nicht übermannen mochte. Und auch das Versprechen den Magus mit Navahon bekannt zu machen, sie unterhielten sich angeregt während ich am zweiten Tag in die Bücher vertieft war, lösten wir ein. Es kostete mich 2 Tag und 3 Nächte, die elementaren Kenntnisse des Cantus zu meistern. Als ich Punin am dritten Tag verlies konnte ich mich zwar noch nicht als Meister der Formel bezeichnen, aber ich würde sie, zumindest wenn ich ungestört war und vielleicht auch einmal zwei oder drei Versuche unternehmen konnte, einsetzen können, um magische Geflechte in der Umgebung nachzuspüren. Die Anderen hatten unterdessen eine Postkutsche aufgetrieben, die uns Richtung Gareth bringen sollte. Ich hatte mich kaum in das Gefährt gesetzt als wir Punin verließen, da übermannte mich Borons segensreicher Schlaf, der mir nun bereits über 70 Stunden vorenthalten worden war. Ich glaube, ich wäre nicht einmal aufgewacht, wenn die Kutsche von Orks überfallen worden wäre – aber sowas passierte ja auf der Reichsstraße glücklicherweise unter normalen Umständen nicht. So lange ich wach gewesen bin, so lange holte sich mein Körper wohl auch den Schlaf zurück. Ich meine mich dunkel zu erinnern, dass man mich ein oder zwei Abende aus der Kutsche hinaus in ein Gasthaus verfrachtete, aber sicher bin ich mir da nicht.

Am 06. Efferd 1029 erreichten wir am Abend Eslamsgrund und langsam war ich auch wieder Herr meiner Sinne. Im Vergleich zu Punin was Eslamsgrund ein kleines Städtchen umgeben nur von einer niedrigen Mauer. Aber warum auch mehr? Es sollte ja seit Jahrtausenden keine Gefahr drohen hier im Kernland des Reichs. Eine prächtige Burg im Firun der Stadt ragte dominierend auf. Die lange Fahrt saß uns trotz der weichen Bänke der Kutsche in den Knochen. Egal wie, es gab angenehmeres als tagaus tagein auf der Fahrt durchgeschüttelt zu werden. Reichstraße hin oder her, auch das Pflaster sorgte nicht dafür, dass es komplett ruckelfrei in dem Gefährt zuging. Wir stiegen am Kaisermarkt aus und mieteten uns direkt im Gasthaus Eslamsruh ein. Die frisch geschmorte Wildsau zu Abend und die Doppelzimmer bezahlten wir gleich Bar in Silber, denn wir sollten zum Sonnenaufgang schon wieder an der Kutsche sein.

Als wir schließlich nach Gareth kamen sah die Stadt deutlich anders aus, als ich es in Erinnerung hatte. Das erlittene Leid der letzten Jahre war der ehemals stolzen Metropole deutlich anzusehen. Schon auf der Anfahrt warnte uns der Kutscher vor der grassierenden Armut und allgegenwärtigen Beutelschneidern. Wir machten daher auch erst in Neu-Gareth halt und uns wurde empfohlen dort zu bleiben und die übrigen Stadtteile möglichst zu meiden. Die Weiterfahrt am nächsten Tag würde vom Haupthaus der Beilunker Reiter abgehen. Was mich positiv überraschte war, dass ich mich sogar direkt am Stadttor in die örtlichen Rollen eintragen konnte. Dafür hatten die örtlichen Gilden haben einen Magus vor Ort, so dass ich nicht extra noch die Akademien aufsuchen musste. Aber selbst hier und vor der weißen Gilde schien die Bettelei keinen Halt zu machen. Ich spendete, fast freiwillig, 3 Silber zugunsten bedürftiger Scholaren. Soweit war es also mit diesen sogenannten Reichsakademien schon gekommen… sie waren nicht einmal selber, und anscheinend die Schatztruhe der Kaiserkrohne ebenfalls nicht, ihre eigenen Stipendiaten zu unterhalten! Mit dem Reich ging es wahrlich bergab. Aber was sollte man von diesen engstirnigen Weißmagiern auch anderes erwarten? Geschäftssinn um sich selbst zu finanzieren würden sie kaum haben, natürlich hingen sie am Tropf und Rockzipfel von Gönnern und Wohltätern. Eigentlich taten sie mir fast leid. Da war der Heller, den ich dem Bettler auf dem Rückweg zur Kutsche in seine Schale legte schon ein vernünftigeres Almosen.

Wir nahmen erneut ein Gasthaus direkt an der Kutschstation. Heute fand ein Fest zum Wiederaufbau des Traviatempels statt, weswegen wohl die meisten Häuser belegt und ausgebucht waren. Natürlich hätte ich nun doch eine der Akademien aufsuchen und ein Zimmer für die reisenden Kollegen in Anspruch nehmen können. Aber dann wäre ich sicher erneut angebettelt worden, wie schon am Tor. Und mich von den anderen vor der Weiterfahrt trennen wollte ich auch nicht. Deswegen nahmen wir nur mit einem Schlafsaal mit abgetrennten Abteilen vorlieb, was Surina dann doch dazu veranlasste sich eine andere Bleibe zu suchen. Sie war da wirklich sehr eigen und hatte in ihrem Leben bisher wohl kaum irgendwelche Entbehrungen erleben müssen. Den Abend über und nach dem Essen übte ich mit Pamina wieder einmal etwas lesen und schreiben, auch erneut das Zahyad. Sie machte erfolgreiche Fortschritte, wenn man bedenkt, dass es noch gar nicht so lange her war, dass sie keinen einzelnen Buchstaben entziffern konnte. Sari und der Elf Navahon zogen lieber weiter vor die Tore der Stadt, ihnen war Gareth einfach zu groß. Aber die beiden hatten uns ja bisher immer wieder gefunden, da machte ich mir keine Sorgen.

Uns blieb ohnehin nicht viel Zeit, etwas in Gareth zu unternehmen, das verschob ich auf den nächsten Besuch. Schon am folgenden Tag fuhren wir weiter Richtung Wehrheim und verbrachten die nächste Nacht im Hotel Füllhorn im Städtchen Puleth. Es war nicht zu leugnen. Je weiter wir uns von Gareth Richtung Norden entfernten, umso unangenehmer wurde die Fahrt. Die Straße war teilweise wirklich in schlechtem Zustand und schien zuletzt nicht nur stark gelitten zu haben, sondern auch nicht mehr regelmäßig instand gesetzt zu werden. Ein weiteres Zeichen des Verfalls, dem das Mittelreich gerade anheimfiel. Wahrscheinlich würde es nur noch ein oder zwei Generationen unter derart unfähigen Herrschern dauern, dann war von dem einstmals stolzen Kaiserreich nur noch ein Haufen Trümmer übrig. Zum Glück war meine Heimat das schöne Al’Anfa, deswegen würde mich dieses Trauerspiel nur am Rande tangieren, oder im besten Fall sogar neue Chancen bieten. Wie Vater immer sagte: Die besten Gelegenheiten boten sich doch immer beim Konkurs eines Konkurrenten! Vielleicht war hier ja bald günstig Land zu erwerben oder gleich eine kleine Herrschaft zu übernehmen?

Die weitere Fahrt ging nun deutlich langsamer als auf dem Weg nach Gareth hin. Zwei Tage später erreichten wir trotzdem Wehrheim. Der Zoll an der Dergelbrücke war unverschämt teuer und am Südtor wurden wir gleich noch einmal zur Kasse gebeten. Aber vermutlich bekamen Sie hier, wenn man sich die quasi vernichtete Stadt ansah, nicht viele Gelegenheiten Zoll einzutreiben. Alle Wachposten an denen wir vorbei kamen waren gut bewacht. Vier Mann mit Löwenwappen auf dem Rock standen dort und hatten wachsame Augen auf uns. Da wunderte es kaum, dass es keine vernünftigen Herbergen gab, sondern nur Häuser mit Schlafsälen. Und diese hieß man uns, sollten wir nachts besser nicht verlassen – außer Untoten und nervösen oder betrunkenen Söldnern würden wir auf den Straßen eh nichts finden. Überhaupt lastete eine hochgradig aggressive Spannung über der Stadt, bei der man bedenken haben musste, das ohne jeglichen Anlass jemand die Waffe ziehen mochte. Das einst stolze Wehrheim, zumindest kannte ich es so aus Erzählungen, war mehr zerstört als intakt. Halb oder ganz verfallene Gebäude säumten die Straßen, Gräben und Spalten durchzogen die Stadtviertel, so als ob sich die Erde selbst aufgetan hatte um sie zu verschlucken, es sich dann aber auf halbem Wege anders überlegt hätte. Die Taverne in der wir unterkamen hieß „Höhle des Löwen“, was wohl auf die örtliche Garde zurückzuführen war. Denn der Großteil der Besucher waren Söldner und eben die Gardisten. Nur wenig Zivilisten wie wir schien sich hierher zu verirren, falls es sie denn überhaupt noch in der Stadt gab. Vermutlich waren die meisten im Krieg nach Gareth geflohen. Das konnte ja ein heiterer Abend werden… ich war gar nicht unglücklich, dass unser Aufenthalt in der Stadt nur so kurz wie möglich sein sollte.

Das Publikum in der Taverne waren ausschließlich grobe Leute, ein ruhiges Essen war kaum möglich. Ein hünenhafter Lustmolch schien sich ausgerechnet Pamina als Ziel ausgesucht zu haben. Zum Glück hatte die Kleine auf unseren Reisen anscheinend einiges dazu gelernt, so dass ich mir keine ernsthaften sorgen mehr um sie machen musste. Sie machte ein kleines Spielchen mit dem Grobian und verschwand dann klammheimlich. Das erregte zwar seinen Zorn, aber den mochte er in der kalten Nachtluft abregen. Ich schickte ihn hinaus, Pamina in der Stadt zu suchen, was er nach einigem grollen auch tat, und ich war ihn an meinem Tisch damit los. Meinen Platz im Schlafsaal reinigte ich vor der Nachtruhe noch mit einem Fulminictus. Die Welle der Reinigung würde zumindest dafür sorgen, dass ich in den nächsten Tagen noch von unliebsamen Krabbeltieren belästigt wurde. Wehrheim… was für ein Loch! Hier würde ich freiwillig sicher nicht noch einmal herkommen. Zumal mir ein Besuch auf dem Schlachtfeld, um dort nach Souvenirs zu suchen, wie immer von den Anderen abgelehnt wurde.

Hinter Wehrheim war die Straße quasi nicht mehr existent als wir weiter gen Norden gingen, denn die Kutsche fuhr hier nicht weiter. Oft waren durch den reinen Gebrauch gebildete Karrenpfade neben der alten Straße die bessere Wahl, weil das zerstörte Pflaster der Straße selbst zu einem unüberwindlichen Hindernis geworden war. Kaum ein Wunder, dass hier nur wenig Leute unterwegs waren, wenn das Vorwärtskommen so beschwerlich war. Die Landschaft wirkte still und ruhig, ein weitestgehend entvölkerter Landstrich mit mehr niedergebrannten Gehöften und Burgruinen als intakten Bauwerken. Nur eine größere Burg zur Mittagszeit auf einem höheren Berg machte den Eindruck, dass sie vom Krieg verschont geblieben war. Aber auch diese umgingen wir lieber. Wer mochte schon wissen, was für ein Raubritter sich dort einquartiert hatte? Am Abend erreichten wir glücklicherweise das kleine Örtchen Waldsend, das sich hinter fadenscheinigen Palisaden verschanzte, aber immerhin ein Gasthaus hatte und damit die bessere Wahl als eine Übernachtung im Wald darstellte. Auch hier riet man uns, wir sollten uns stets beeilen und abends feste Unterkunft suchen, denn Räuberbanden, Söldner, Untote machten das Land noch mindestens bis Galbenburg unsicher. Als wenn es dieses Ratschlags bedurft hätte… aber beherzigen würden wir ihn wohl trotzdem.

Am folgenden Tag kamen wir zunächst nur etwa 5 Meilen weit. Navahon wollte ab vom Weg in die Hügel hinein um etwas zu erledigen. Er durfte das natürlich wieder, im Gegensatz zu mir, wenn ich eine kleine Verrichtung vorschlug. Hier wurde eindeutig mit zweierlei Maß gemessen und ich unfair benachteiligt! Daher schmollte ich das nächste Viertelstundenglas mit den anderen. Daran würde ich sie erinnern, wenn wieder einmal einer meiner Vorschläge Grundlos abgelehnt wurde! Wir gingen eine gute Stunde in den Wald hinein. Nebel waberte um uns aus Nordost über den Boden. Der Elf wollte wohl einen ihm wichtigen Ort aufsuchen, weil er damit rechnete das sein Leben bald enden würde. Hier hätte er vor langer Zeit den Körper seiner verstorbenen Gemahlin hergebracht und er wollte von uns später auch hier beigesetzt werden. Sari setzte sich ein magisches Wegzeichen, damit sie später in der Lage sein würde den Ort wiederzufinden. Vermittels Oculus betrachtet, was ich schnell nebenbei tat, war es wohl so eine Art magisches Leuchtfeuer, zu dem sie eine dauerhafte, dünne arkane Verbindung hatte. Sehr faszinierend. Navahon bezeichnete sich hier als Diener Zerzals, des Herrn von Vergehen und Sterben. Er hätte selbst viele Tote an diesen Ort gebracht und wir mussten ihm Versprechen, den Platz nicht zu verraten. Anscheinend war er so etwas wie ein elfischer Boroni und hier ein Boronanger, eine andere Interpretation des gesagten kam kaum in Frage. Wieder faszinierend, hatte ich bisher doch immer angenommen, die Elfen würden keinen Göttern huldigen. Da hatte ich mich wohl geirrt. Auf Grund dessen wurde mir auch nahegelegt, das Navahons Körper hierhergebracht werden musste und nach seinem Ableben nicht selbst hierher laufen sollte… Die Bestattung wäre dann aber wieder recht simpel. Wir sollten den Körper einfach herbringen und in die Äste eines Baumes legen, mehr wäre nicht erforderlich

Und dann geschah etwas äußerst Spannendes. Aus einem der Gräber schienen sich Krallen zu heben und aus dem Nebel kam ein 2 Schritt hoher und 3 Schritt langer, somit riesiger, weißer Luchs auf uns zu. Wohl ein Wächtergeist dieses Ortes, der diejenigen verfolgte, die die heiligen Ruhestätten Schändeten. Ich spürte die Eiskalte Macht und Kraft von dem Wesen regelrecht pulsieren. Das war ein Feind, mit dem man sich nicht anlegen wollte. In Navahons Begleitung, meinte er, würde uns keine Gefahr drohen. Und um erneut Zugang zu diesem Platz zu erhalten prüfte der Geist nun unsere Seelen, indem er einfach durch uns hindurch glitt. Ein kalter Schauer jagte mir dabei über den Rücken. Nicht niederhöllisch kalt, eher das unheimliche Gefühl, wenn man abends bei Kerzenschein im Dormitorium mit anderen Scholaren Gruselgeschichten erzählte. Am Ende beschied uns Navahon, dass der Geist uns dulden würde, solange wir nichts Böses hierherbrächten. Von hier ab sollten wir allein weitergehen, er würde uns vor Trallop auf der Straße wieder treffen. Dann verschwand er im Nebel und ließ uns etwas ratlos zurück, bevor wir mangels Alternativen wieder zur Straße gingen.

Also setzten wir den Weg ohne Navahon Luchsweiser fort. Die Straße war hier quasi nicht mehr existent, aber an ihren verfallenden Überresten konnten wir uns gut orientieren. Über einige andere Bereiche kamen wir irgendwann auf das Thema der Untotenerhebung und auf welche weise diese erfolgen konnte. Ich dozierte der wie immer neugierigen, wenn auch bei dem Thema etwas entsetzten Pamina sowohl die Möglichkeiten der simplen Erhebung mittels Zauer, der gehobenen Erhebung vermittels Dämonen bis hin zur komplexen Erhebung per Pakt und Magnum Opus. Dabei geriet ich wohl etwas zu sehr ins Schwärmen, denn unversehens hatte ich ihr sogar von meiner Unterredung mit Thargunitot höchstselbst im Unheiligtum droben im Bornland berichtet. Am Ausdruck in ihren Augen erkannte ich erst das ungläubige Staunen und direkt nach dem Einsetzen der Erkenntnis ihr entsetzen, als ihr gewahr wurde, dass ich in direktem Kontakt mit Wesen stand, die an Macht wohl den Göttern gleichkamen. Vielleicht hätte ich das lieber nicht erwähnen sollen… deswegen unterlies ich es auch lieber, ihr von den wiederkehrenden Besuchen des Karunga zu erzählen der mir die Buchstaben und das Lob seiner Herrin brachte… das würde ja früher oder später auf dasselbe hinauslaufen. Mit dieser Eröffnung würde ich ihren fragilen Geist wahrscheinlich endgültig überfordern.

Am Abend erreichten wir einen niedergebrannten Gasthof am Straßenrand und beschlossen, auch weil Sari nicht weitergehen wollte, uns einen Platz in der Nähe zu suchen. Trotz der Warnung, dass wir stets feste Unterkunft beziehen sollten. In dem Gemäuer, das vermutlich sowieso von Geistern heimgesucht wurde, drängte es uns aber nicht zu übernachten. Kaum 200 Schritt entfernt fanden wir am Waldrand eine Halblichtung, die unseren Wildniskundigen als geeigneter Rastplatz erschien und daher auf bewährt Art und Weise für die Übernachtung vorbereitet wurde. Sari legte zur Sicherheit ihre Knochen aus, wir schürten ein schönes Feuer, richteten die Lager… nichts, was wir nicht schon dutzende Male getan hätten. Ich begab mich zur Ruhe und schlummerte friedlich ein. Bis meine Träume unsanft gestört wurden. Die Wache, ich tippte wie so häufig auf Pamina, musste eingeschlafen sein, denn das was uns weckte war kein verstohlenes Rütteln an den Schultern, sondern Saris lautstarkem Geschrei und einem unerfreulich nah klingenden, mehrstimmigen unheimlichen Geheul. Furcht schlich sich in meinen ansonsten starken Geist, zudem es stockdunkel war. Das Feuer war niedergebrannt und kaum noch ein glühen in der Nacht, so dass wir erst einmal auf die schnelle für Licht sorgen mussten. Ich tat meinen Teil und entzündete den Stab.

Hätten wir das in Hesindes Namen lieber nicht gemacht. Wobei es natürlich keine andere Option gab, als uns bei hellem Schein einen Überblick zu verschaffen, wollten wir nicht blind wie die Höhlenschrate dumm dastehen. Aus der Nacht schälte sich eine gut vier Schritt hohe Monstrosität die aus ineinander verwachsenen, toten Leibern in verschiedensten Verwesungsstadien zu bestehen schien. Ein grotesker und abstoßender, aber gleichzeitig faszinierender Anblick. Ich meinte, mich an eine lange zurückliegende Vorlesung zu erinnern, die Lektion hieß glaube ich „Ausprägungen der gehobenen Nekromantie – was über Skelete, Zombis und Leichname hinausgeht“. Dabei behandelten wir, in der Theorie und nur mit Skizzen aus einem Buch zur Ansicht, solche herrlichen Errungenschaften wie Todesritter, Brandleichen, Plagenbringer und ewige Grabwächter. Aber auch aus verschiedenen Leichenteilen zusammengesetzte Untote Homunkuli und eben so etwas, das hier leibhaftig vor uns stand. Eine waschechte Kadaverbestie, zusammengesetzt aus ich würde schätzen eineinhalb Dutzend Leibern. So etwas einmal in Echt zu sehen war zwar ein grausiger, aber auf seine morbide Art für mich äußerst beeindruckender Anblick, den ich sicher nicht so schnell vergessen werde. Der Nekromant, der dies geschaffen hatte, musste wahrhaft kompetent gewesen sein! Ich erlaubte mir einen schnellen Blick vermittels Odem Arcanum, um die Struktur zu erfassen. Es stimmte, ich konnte tatsächlich eine Beseeltheit erkennen. Das Konstrukt wurde von drei Nephazzim zusammengehalten, die im Verbund das Wesen in seiner Gesamtheit belebten. Äußerst erstaunlich!

Ich wurde allerdings aus meiner faszinierten Betrachtung gerissen, als mich ein Strahl heißen, säurebrennenden Blutes am Arm traf, der mitten aus den verknoteten Leibern herausspritzte. Bei Boron, da hatte ich wohl in meiner Begeisterung ein wenig die Gefahr vergessen. Irgendetwas aus der Vorlesung hallte in meinem Geist nach… multiple Angriffe, verspritzt seine Flüssigkeiten über die Distanz, bildet erratisch Tentakel aus, absorbiert die Lebenskraft seiner Opfer… ich hatte leider nur nicht die Zeit meine Gefährten zu warnen, denn Faramud, Pamina und Surina hatten sich der Bestie schon in den Weg gestellt und erfuhren genau diese Unbillen gerade am eigenen Leib. Die Monstrosität schien jedoch von den Hieben und Stichen recht unbeeindruckt und begann, unsere Kämpfer recht schnell niederzumachen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass wir hier im Kampf würden bestehen können.

Dieser Meinung musste wohl auch Sari gewesen sein. Wala stand schützend zwischen ihr und den Kadavern, als sie, den blauen Fang nutzend, zwei Geister des Eises rief und ihnen befahl, das Wesen einzufrieren und bewegungsunfähig zu machen. Eine hervorragende Idee, im Grunde genommen, denn so hatten wir Zeit Surina und Faramud, die schon reichlich lädiert waren, aus dem unmittelbaren Gefahrenradius zu entfernen. Leider würde uns dies aber nur eine kurze Verschnaufpause verschaffen, denn Untote waren in ihrer Zielstrebigkeit unaufhaltsam, wenn sie einmal ein Opfer im Blick hatten. Wir mochten zwar fliehen, aber spätestens, wenn die Kadaverbestie wieder aufgetaut war, würde sie uns unerbittlich weiterverfolgen und vermutlich spätestens nächste Nacht wieder einholen. Es blieb also nur, sie irgendwie zu vernichten. Doch wie? Selbst wenn Surina und Faramud auf den Eisklotz einhacken würden, der das Ding nur noch widerstandsfähiger gemacht hatte, würde das kaum genug Schaden verursachen, von dem sich der Untote wieder erholen konnte. Zum Glück hatten die Gefährten ja mich, auch wenn ich nun ein großes Risiko einging.

Ich sammelte meinen Geist in sicherer Entfernung von dem Biest, und erinnerte mich zurück – praktisch hatte ich das noch nie probiert. Das Wesen war von Nephazzim beseelt. Und über die Kenntnis dessen Wahren Namens verfügte ich glücklicherweise. Rein in der Theorie müsste es mir möglich sein, die Kontrolle über diese Dämonen zu übernehmen. Kadaverbestien entstanden nicht als freie Untote, sondern wurden, soweit ich wusste, ausschließlich gezielt von einem Nekromanten zusammengefügt – vulgo waren die darinsitzenden Nephazzim beherrschte Dämonen, die ich ihrem Beschwörer würde abspenstig machen können. Zumindest, wenn meine Macht und Überzeugung stärker sein würden als die des Beschwörers. Eine vage Hoffnung, ja, ein verzweifelter Versuch, der meine Seele beim misslingen dem dämonischen Verfall preisgeben könnte. Aber eine Chance, die ich zu unserer Rettung ergreifen wollte. Ich würde nach diesem Erlebnis hier dringend daran gehen müssen, das Bannschwert welches ich im Bornland erbeutet hatte, zu weihen… das hätte jetzt sicher geholfen. So kratzte ich nur alles andere an Hilfsmitteln zusammen. Beschwörerrobe, Kreide, Kerzen, als Donarium einen Oberschenkelknochen eines der gehängten aus dem Albernischen vom Anfang unserer Reise… dann streckte ich meinen Geist aus zu den Dämonen.

Ich fühlte es. Nicht nur der chaotische, dämonische Präsenz der Nephazzim, sondern auch der Befehl und der Geist, der sie in das Wesen bannte und zum Dienst auf Dere zwang. Ein kalter, grausamer Wille, dem anscheinend nichts mehr heilig war. Ich konnte seine Macht spüren, wenn auch nicht seine Persönlichkeit erkennen. Gut, wie auch, ich konnte ja nicht jeden dahergelaufenen Nekromanten in dieser wilden Ödnis kennen. Aber unfähig, das spürte ich sofort, war dieser Kerl nicht – sonst hätte er ja auch kaum eine Rudelbeschwörung geschafft und diese untote Kreation vollbringen können. Schmeichelnd, lockend und drohend näherte sich mein Wille den Dämonen und begann, das Geflecht der Kontrolle die der andere Magus über sie ausübte zu lockern. Es war, als würden wir im körperlichen Ringen miteinander unsere Kräfte messen, nur dass wir hier ausschließlich unseren Geist benutzten. Macht gegen Macht. Kraft gegen Kraft. Wille gegen Wille. Und er war nicht bereit, loszulassen. Stück für Stück zupfte ich die Fäden seiner Beherrschung lose, lockerte hier, entflocht da. Die Matrix seiner Invokation lag wunderschön und dominierend wie ein klares, geometrisches Muster über allem, welches das chaotische Wesen der Dämonen umspannte und einhegte, in eine Form zwang und sie seinem Willen gefügig machte. Ich öffnete die Matrix an einem peripheren Ausläufer, ließ meine eigene Macht langsam hineinsickern. Von drinnen spürte ich, wie die Dämonen gegen die Kontrolle rebellierten und musste daher an den Kanten, an denen sich unsere Willen miteinander maßen gleichzeitig darauf achten, keinen Bruch zu erzeugen die den Dämonen ein entkommen ermöglichen würde. Kalter Schweiß rann mir vor Anstrengung über den Rücken. Dann fand ich sie. Die Lücke, die in fast jeder Matrix irgendwo war, wenn auch häufig nur verschwindend klein bei guter Ausführung. Er hatte bei der Erhebung Blutmagie genutzt, Opfer gebracht. Kein Wunder, wenn man den erforderlichen Kraftaufwand bedachte und dass er dieses Großwerk anscheinend allein geschaffen hatte. Das geopferte Leben selbst schwächte seine Kontrolle über die Dämonen. Ich begann, die Schwachstelle zu weiten und gleichzeitig die Nephazzim davon zurückzudrängen. Erst langsam, dann wurde unser Ringen immer aggressiver, bevor ich mit einem letzten Vorstoß unter Aufbietung meiner reinen Kraft die kontrollierende Matrix der Invokation mit meiner Macht schlagartig flutete und seinen Geist herausdrängte. Die zurückgewichenen Dämonen, die einen erneuten Anlauf zu ihrer Befreiung gerade in diesem Moment vornahmen, stieß ich zurück in den Leib der Bestie, hegte nun selbst das Chaos ein. Nach einem kurzen Verschnaufen und dem ungläubigen Glücksgefühl, das mir dieses Vabanque gelungen war, sammelte ich mich erneut. „Verlasst diese Körper, und kehrt in die Niederhöllen zurück“. Ein simpler, einfacher Befehl, der uns von dem Schrecken befreien mochte. Aber mehr hatte ich ja nie gewollt. Das kreischen, mit dem die Schatten der Nephazzim aus der Kadaverbestie fuhren um in die siebte Sphäre zurückzukehren, hörten sogar meine Gefährten und schreckten von ihren Verrichtungen auf. Es war vollbracht! Ich gebe zu, ich war ob meines Erfolges, der nicht gänzlich erwartet kam, durchaus etwas euphorisiert, hatte mich aber zügig wieder im Griff. Mein zufriedenes Grinsen muss aber noch einige Zeit in meinem Gesicht gestanden sein…

Sari hatte unterdessen Pamina geheilt, die wirklich übel zugerichtet war, und ich unterstützte das im Anschluss noch mit einem Balsamsalabunde. Wir würden uns flott aufmachen müssen, denn wenn der Eisklotz aufgetaut war würden hier vermutlich einige Untote zwar unbeherrscht, aber dennoch mordlüstern als einzelne Wesen durch die Gegend taumeln. Und uns ging es nicht mehr so gut, es mit der schieren Masse aufzunehmen. Die anderen hatten zwischenzeitlich das Lager abgebaut, so dass wir nun eilenden Fußes aufbrachen.

Am frühen Morgen, es waren nur noch 3 Stunden Weg gewesen – wären wir am Abend doch einfach weitergelaufen! – kamen wir in Galbenburg an. Hier legten wir eine Rast ein und blieben dann auch über Nacht, um uns zu erholen, unterrichteten aber die örtlichen Behörden davon, dass sich südlich der Stadt wohl einige Untote herumtreiben mochten. Weiter ging es dann über die Straße, die langsam wieder besser wurde, Richtung Barken. Den nächsten Abend verbrachten wir in einem einfachen Bauerngehöft, wo ein Ehepaar mit seinen vier Kindern ein kärgliches auskommen hatte. Das einfache Volk hier wurde wohl von einem Wolfsrudel geplagt, um dass Sari versprach sich zu kümmern. Sie brauchte dafür nur ein Schaf aus der Herde des Bauern, der gutherzige Faramud dem Landvolk dann sogar noch bezahlte. Als wäre unsere Hilfe nicht Lohn genug… aber sei es drum, er konnte mit seinem Gold, so ein Schaf kostete anscheinend 8 Goldstücke, ja machen was er wollte. Damit aber nicht genug der Probleme, trieb sich hier doch auch noch eine Räuberbande herum, die den Landleuten das Leben schwer machte. Diese Räuber waren nun aber ein Glücksfall für uns, denn es hieß, sie hätten Pferde. Und da wir ja eigentlich schnell reisen wollten, wäre das wohl die einfachste und günstigste Möglichkeit, an Reittiere zu kommen… also beschlossen wir spontan, uns völlig uneigennützig auch dieses Problems anzunehmen und die Räuber auszurauben.

Im Morgengrauen führten uns Saris Wölfe, mit denen sie noch in der Nacht vermittels des Opferschafs verhandelt hatte, zum Versteck der Räuber drei Stunden in den Wald hinein. Wir schlichen gerade einen Hinterhang hinauf, als wir schon Pferdewiehern und Stimmen von vorne hörten. Pamina und Sari, die wir als Späher vorausschickten, berichteten uns von sechs Räubern in einem ärmlichen Lager, die vier Pferde und einen Esel hatten. In einem der Bäume hatten sie eine Plattform zur Wache eingerichtet auf der jemand saß, ein breiter Bach floss zwischen unserem Hügel und dem Lager. Ihre Tiere hatten sie in einem Pferch auf der anderen Seite des Lagers. Im aufziehenden Morgennebel beratschlagten wir, wie wir den anstehenden Kampf am besten angehen sollten.

 

Nach kurzer Beratung, bei der ich mir tatsächlich vorkam wie ein kleiner Feldherr, auch wenn Faramud anscheinend die meiste Erfahrung in solchen Überfällen hatte und Surina am liebsten einfach ehrenhaft den Feind überrant hätte, war ein Plan gefasst. Faramud, Surina und Sari würde oben vom Hügel das Lager mit ihren Bögen unter Feuer nehmen, angefangen mit dem Ausguck im Krähennest. Ich würde mit Surina das Lager rechterhand umgehen bis zur Pferdekoppel. Dort sollte ich zur Ablenkung die Illusion eines Ritters mit seinem Gefolge erzeugen, um einerseits von den Schützen abzulenken und ihnen etwas mehr Zeit zu verschaffen und andererseits den Feind davon abhalten sich zur Koppel zurückzuziehen und möglicherweise mit den Pferden zu fliehen, die ja unser eigentliches Ziel waren. Ich sollte mich dann aber mit Surina zur Sicherheit trotzdem zurückziehen, um nicht dem Feind in die Hände zu fallen. Ein solider Plan, würde ich meinen. Leider scheiterte er schon im Ansatz an der Umsetzung…

Ich schlich mit Surina ein Stück unterhalb der Lichtung den Hügel hinab zum Bach und setzte mit einem Panthergleichen Sprung leise und gekonnt über mehrere Steine hinüber. Surina versuchte es mir gleichzutun, aber für ihr Schuhwerk schienen die Steine zu schlüpfrig. Bereits beim zweiten geriet sie ins Taumeln, konnte sich gerade noch mit den Händen abfangen und verhinderte so einen uneleganten Sturz ins Wasser, bildete mit ihrem Körper allerdings nun eine seltsam anmutende Brücke von Stein zu Stein. Sie spannte sich, stieß sich ab um das letzte Stück zum Ufer noch im Hechtsprung zu überwinden, und rutschte erneut aus, so dass sie mit dem Gesicht im Uferschlamm und den Beinen ab dem Knie unterhalb dennoch im Wasser landete. Wäre die Situation eine andere gewesen, ich hätte ja ob dieser Darbietung laut lachen mögen – was ich mir natürlich wegen der nahen Räuber dann doch verkniff. Trotz der Geräusche die Sie dabei machte wurde niemand auf uns Aufmerksam, Phex sei‘s gedankt. Dann schlichen wir weiter, wobei man deutlich merkte, dass Surinas beruflicher Werdegang auf Heimlichkeit bisher wenig Wert gelegt hatte. Und mit der leisen Fortbewegung durch Wälder hatte sie wohl auch noch nicht viel Erfahrung sammeln können. Ich glaube, es gab auf unserem Weg keinen trockenen Ast am Boden den sie nicht zerbrach, keine Wurzel über die sie nicht stolperte und kein Geäst, das sie nicht zum rascheln brachte. Eigentlich hätten wir genausogut auch laut rufend durch den Wald laufen können. Und so kam es, wie es musste… die Räuber bemerkten uns, und als wir dann flinkes Fußes Reißaus nahmen, machten sich drei der Knechte daran uns zu verfolgen, tiefer in den Wald hinein und im Bogen um das Lager herum. Wir stellten allerdings bald fest, dass sie langsamer zu Fuß waren, als wir. So konnten wir nach belieben den Abstand halten und sie ungeplant vom Lager weglocken, in dem bald wildes Geschrei einsetzte. Vermutlich hatten unsere Schützen nun auch so das Feuer eröffnet.

Einer der Räuber war anscheinend etwas schlauer als seine Gefährten, denn da wir im Bogen das Lager umrundeten gelang es ihm, uns grob schon fast auf der anderen Seite der Lichtung den Weg abzuschneiden, während seine Freunde uns noch in wilder Hatz hinterhersetzten. Aber genau dadurch war Surina nun in ihrem Element, sah sie doch ihre Gelegenheit gekommen, sich einem Gegner zum gleichen Kampf zu stellen. Der Bursche schwang will einen Morgenstern, während er auf uns zukam. Mit dem Ersten vor uns machten wir kurzen Prozess. Noch während er herankam schleuderte ich ihm einen kräftigen Fulminictus entgegen und sofort danach streckte ihn Surina mit einem gezielten Stich nieder. Der dreckige Räuber hatte nicht einmal die Gelegenheit, nach ihr zu schlagen, so blitzschnell schlangengleich kam ihr Stich. Dann setzten wir unseren Weg eilends in das Lager fort, von dem bereits das klingen von Stahl auf Stahl zu hören war. Vermutlich Faramud, der sich schon ins Gefecht geworfen hatte.

Als wir kurz danach auf die Lichtung traten war eigentlich schon alles vorbei. Der Späher auf der Kanzel war von vier Pfeilen durchbohrt vom Baum gestürzt, ein weiterer Feind lag aus Schnitten und Pfeilwunden blutend am Boden und der Dritte hatte sich schon ergeben. Diesem Beispiel folgten dann auch unsere Verfolger… ein Sieg auf ganzer Linie würde ich meinen, auch wenn das natürlich kein besonders herausfordernder Gegner gewesen war. Faramud, sein Ehrenkodex erschloss sich mir manchmal einfach nicht, begann sogar die Wunden des Mannes zu versorgen, den er niedergeschlagen und der sich ergeben hatte. Die Räuber lamentierten herum, dass sie doch selbst arme Schlucker waren und ja keine andere Wahl gehabt hätten, als sich diesen Lebensunterhalt zu suchen… das übliche eben. Kein Fünkchen Stolz im Leib, der Pöbel. Wir nahmen ihnen noch das Versprechen ab, egal was das Wert sein mochte, die Bauern in der Gegend nicht mehr zu behelligen, aber Faramud weigerte sich tatsächlich, dem erbärmlichen Leben der Räuber ein Ende zu setzen! Er faselte irgendetwas davon, dass er sich nicht an einem Feind vergehen würde, der sich ergeben hat oder so ähnlich. Verstehe einer diesen Bergbewohner, das war ja fast als hätte ihm Rondra selbst ins Gewissen geredet. Aber sei es drum…. Unser eigentliches Ziel hatten wir ja erreicht.

Als wir zur Straße zurück gingen hatten wir auf jeden Fall die vier Pferde und das Maultier unter uns aufgeteilt. Glaubt es oder nicht, ich ging sogar soweit, mich zu Saris Gunsten die unbedingt das Reiten lernen wollte, mit dem Grautier zu begnügen um ihr die Möglichkeit zu geben auf einem richtigen Pferd zu lernen. Ich konnte ja bereits reiten, sie allerdings tat sich doch reichlich schwer. Es half vermutlich nicht dabei, dass sie ziemlich nach Wolf roch, was die Pferde recht unruhig machte. Lediglich eines schien damit kein Problem zu haben und wurde nur zappelig, wenn Wala in seinem Blickfeld auftauchte. Vielleicht war das Tier ja Geruchsblind? In jedem Fall hatte es kein Problem damit Sari zu tragen. Im Gegensatz zu Sari, die durchaus Mühe hatte sich im Sattel zu halten. Aus den letzten Erfahrungen mit unserem Besitz von Reittieren schlug ich eine Wette vor, wie lange wir denn diesmal im Besitz der Tiere bleiben mochte und nach einiger Diskussion ließen sich alle darauf ein, einen Silbertaler einzusetzen. Surina war die optimistischste und vermutete zwei Wochen, ich kam kurz dahinter mit 11 Tagen gefolgt von Sari die auf 10 Tage tippte. Nur Faramud war da weit pessimistischer und nahm an, dass es die Tiere gerade einmal 4 Tage mit uns aushalten würden.

Mit dem Esel musste ich mir erst einmal einige werden. Beim ersten Versuch war er wohl vom Kampfe her noch zu unruhig und schüttelte mich ab, beim zweiten Versuch überstieg ich das Tier, das einfach kleiner war als die Reitpferde, die ich gewohnt war. Erst im dritten Anlauf kamen wir dann zusammen und ich fand einen sicheren Sitz, wenn auch mit etwas angezogenen Knien. Und das, obwohl ich ja wahrlich kein Riese war. Aber immerhin konnte auch ich solcherart den Rest des Tages reiten.

Am Abend erreichten wir die Tore der kleinen Wehrstadt Barken, an denen wir vorsichtig, aber nicht unfreundlich begrüßt wurden. Rasch entspann sich mit den Wächtern ein kleines Gespräch, da wir ja Kunde von den Untoten und Räubern die Straße hinunter brachten. Faramud, der Depp, anders kann ich es leider nicht ausdrücken, machte doch tatsächlich die Wachen auf die Brandzeichen der Pferde aufmerksam. Und oh Wunder, natürlich kannten sie dieses – das Zeichen des Bernfried von Nierenfeld – und wurden nun deutlich unleidiger, wollte gar wissen wie wir zu den Pferden gekommen waren und unterstellten uns gar selbst, diese geraubt zu haben. Um eine lange und unerfreuliche Geschichte abzukürzen, blieb uns nur zu Protokoll zu geben, dass wir selbstverständlich nur eingeschritten waren, um die Pferde hier ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben, der dummerweise auch noch der örtliche Baron zu Meidenstein war. Hätten wir die vermaledeite Stadt doch einfach umgangen! Und schon waren die schönen Pferde wieder weg, nach nicht einmal 24 Stunden. Was natürlich bedeutete, das Faramud die Wette von heute morgen auch noch gewonnen hatte. Zerknirscht zahlte ich ihm den Taler. Nur den Esel, dessen Besitzer sich anscheinend nicht ausmachen ließ, durften wir behalten. Insbesondere Sari war recht traurig darüber, hatte sie sich doch von dem Pferd das sie trug einiges erhofft. Immerhin brachte Faramud sie auf den Gedanken, das Ross möglicherweise beim Baron und Besitzer käuflich auszulösen.

Das einzig Gute an der unerfreulichen Entwicklung war, dass wir auf Kosten des Barons im örtlichen Gasthaus „Zur Armbrust“ bei freier Kost und Logis untergebracht wurden, die nicht nur eine recht ordentliche Küche sondern auch eine passable Auswahl an Getränken und bequeme Zimmer vorzuweisen hatte. Dennoch schlugen wir nicht über die Stränge, würden wir doch am nächsten Tag nun wieder zu Fuß weiterreisen müssen und hatten so auch noch einige Zeit verloren. Zum Frühstück erhielt Sari dann die Nachricht von der Schwester des Barons, Hita von Nierenfeld, die ihren Abwesenden Bruder gerade vertrat, dass sie das Pferd für stolze 180 Dukaten würde erwerben können. Was soll ich sagen? Sari hatte das Geld, und an den Goldscheiben war ihr ja eh nichts gelegen, weswegen sie voll Freude auf den, in meinen Augen völlig überteuerten, Handel einging und nun zu dem Pferd auch noch einen Besitzschein erhielt. Man mag es kaum glauben, aber von hier fuhr tatsächlich eine Kutsche weiter ins Weidensche hinauf. Diese Gelegenheit nahmen wir natürlich dankbar an um unsere Reise etwas zu Beschleunigen. Die nächsten zwei Tage bis nach Baliho, dass wir am 18. Efferd zzum Abend hin erreichten verliefen ohne weitere Zwischenfälle. Schon auf der Straße fielen mir die vielen Bauern auf, die ganze Rinderherden aus der Stadt trieben. Baliho, dass muss man sagen, war ein rauhes, ungemütliches Drecksloch. Zwar besser als Wehrheim, aber um nicht viel will ich meinen. Sitte uns Anstand schienen aber auch hier so etwas wie Fremdwörter zu sein. Auf der Straße konnte man kaum einen Schritt gehen, ohne in Kuhscheiße zu treten oder von Rindern niedergetrampelt zu werden. Die Balihoer waren laut, pöbelhaft und ungehobelt. Ich war froh, das wir hier nur eine einzige Nacht verbringen mussten, bevor es am nächsten Tag weiter nach Trallop ging.

 

Von Baliho nach Trallop verlief die Reise mit der Kutsche ebenfalls ruhig. Man merkte nun wieder deutlich, dass man im befriedeten Teil des Mittelreichs unterwegs war. Zwar etwas wild-romantischer und unkultivierter als die zentralen Lande zwischen Punin und Gareth, aber vom Krieg unberührt. Erst kurz vor Trallop wurde unsere Fahrt unerwartet unterbrochen, als die Kutsche abrupt stoppte und man ein Fluchen vom Kutschbock her vernahm. Surina und ich waren schonganz der Vorfreude, dass wir es vielleicht erneut mit ein paar Kutschenräubern zu tun bekommen könnten, die uns im besten Fall wieder Pferde spenden würden. Aber es war nichts dergleichen. Mitten auf der Straße saß seelenruhig Navahon Luchsweiser, die Hand in Richtung der Zugpferde ausgestreckt, die stocksteif dastanden, bevor er nun zu uns einstieg um wie angekündigt wieder mit uns weiterzureisen. Kurz darauf nahmen wir in Trallop das erstbeste Gasthaus, das so unbedeutend war, dass mir sogar der Name schon wieder entfiel, kaum das wir es am nächsten Tag wieder verlassen hatten. Sari und Navahon nahmen ihre übliche Routine außerhalb der Stadt zu übernachten wieder auf, was mich aber ebenfalls nicht wirklich verwunderte, und sich mit uns am nächsten Tag an der Straße wieder trafen. Mir bleibt auch nicht viel über Trallop zu sagen, da wir uns nur kurz innerhalb der Mauern aufhielten. Lediglich die schwerfällige Zunge des örtlichen Menschenschlags, ein recht fieser Dialekt der nicht dazu geneigt war sich mit den südlicheren melodischeren Sprachfärbungen vergleichen zu lassen, war mir in Erinnerung geblieben. Ich versichere auf jeden Fall, das man einen Weidener allein schon daran erkennen konnte, dass er beim Sprechen seines schwer verständlichen Kauderwelsch vermutlich die Schuhe unter den Füßen hinweg stehlen konnte.

Auf dem weiteren Weg fiel mir auf, dass Navahon nun bar jeglicher Waffen war die er abgelegt zu haben schien. Lediglich einen geschwungenen Dolch führte er noch mit sich. Das mochte daran liegen, dass er seine letzte Lebensaufgabe wohl nicht im körperlichen Gefecht sah und daher seine Besitztümer zurückgelassen hatte, wohin auch immer er zuletzt gegangen war. Auch sein Haar wirkte nun irgendwie grauer als zuvor, sein Gesicht unmerklich faltiger, so dass es nur einem wahrhaft scharfsinnigen Beobachter wie mir auffallen konnte. Sah so ein Elf aus, der bewusst seinem Lebensende entgegenging? Verließ ihn etwa seine Lebenskraft nach und nach schon vorher, in der Erwartung seines baldigen Todes? Das wäre eine faszinierende Sache. Wir reisten vier Tage auf der Straße am Neunaugensee entlang nach Donnerbach. Obwohl der See wahrhaft riesige Ausmaße hatte, eher ein kleines Meer als ein See, sah man kein Schiff über seine Wasser kreuzen. Ich meinte mich an eine Passage im Hylfreichen Leitfaden zu erinnern, dass das Gewässer irgendwie von Fischen bewohnt wurde, die sich durch Holzplanken bohrten – was wieder einmal die Einfallslosigkeit der Mittelreicher bewies. Wenn dem so wäre, müsste man ja nur die Schiffswände mit einem dünnen Blech verkleiden! Aber soweit war es wohl mit der Erfindungsgabe der Leute, gerade hier im Weidenschen, nicht her. Als wir schließlich Donnerbach erreichten fanden wir eine großzügige, offen angelegte Stadt vor in der Holzhäuser mit Bruchsteinsockeln das Stadtbild prägten. Alles wirkte recht idyllisch, wie aus einem Bardensang entsprungen, über dem das allgegenwärtige Rauschen eines mächtigen Wasserfalls lag. Unsere angeregte Diskussion, welche der örtlichen Sehenswürdigkeiten wie den Rondratempel wir uns auf der Durchreise ansehen könnten wurde von Sari stets mit dem Hinweis auf die bereits verlorene Zeit und unsere weitere Eile unterbunden – bedauerlich!

Hier lernte ich auch eine völlig neue Seite von Faramud kennen. Er war nachtragend! Ich habe mich nicht besonders darüber ausgelassen, als wir unsere letzten Pferde in Barken verloren hatten, aber die Diskussion über das woher der Pferde zwischen den Wachen und Faramud war nicht gerade von Freundlichkeit geprägt – sie unterstelltem ihm sogar Pferdediebstahl, bevor wir die Sache geklärt hatten, und gingen ihn teils körperlich an. Und das hatte unser stolzer Bergkrieger nicht vergessen, brütete gar immer noch darüber, wie er es der Wache heimzahlen konnte. Ohne ihn zum Duell zu fordern oder zu verletzen, aber er wollte ihm anscheinend ebenso an die persönliche Ehre, die Faramud bei sich als verletzt sah. Ich empfahl ihm, sich in Donnerbach ein Berserkerelixier zu beschaffen und es auf dem Rückweg der Wache zu geben. Würde der Wachmann in seiner Stadt Amok laufen, wäre seine unehrenhafte Entlassung aus dem Dienst quasi sicher. Das gefiel Faramud, allein, es mangelte uns an der Gelegenheit einen solchen Trunk in Donnerbach zu erwerben.

Unsere Nachtruhe fanden wir im Gasthaus „Quell des Lebens“. Ich spekulierte beim Abendessen mit Navahon darüber, ob er glaubte, ein Mensch könne sich das Geheimnis des ewigen Lebens durch den Konsum von Elfenblut erschließen, was dieser natürlich rundheraus zurückwies. Das wäre vermutlich auch zu einfach, und angesichts der häufig egoistischen Einstellung der Menschen würden dann vermutlich seit Jahrhunderten nur noch blutleere ausgelutschte Elfen über Dere wandeln – ich war mir sogar allein von der Wahrscheinlichkeit her ziemlich sicher, dass es bestimmt Magier in den Dunklen Zeiten gegeben haben muss, die dies ausprobiert hatten. Mann müsste nur deren Versuchsprotokolle oder Tagebücher in irgendeiner verstaubten Bibliothek wiederfinden. Und ich hatte ja selbst schon meine Erfahrung mit dieser Art Theorie machen müssen, weswegen ich den Gefährten die Geschichte meines ersten Abenteuers und vom Vampir von Havena erzählte. Das lief ja auf eine ganz ähnliche Hypothese heraus und war genauso verquer. Was es allerdings gab, wie wir erfuhren, waren tatsächlich existente Wesen die sich von Elfenblut ernährten, Elfenvampire oder Feylamias, wie sie Navahon nannte. Dies fand ich interessant, war ich doch bisher davon ausgegangen, dass das Konzept von vampirischen Wesen ausschließlich uns Menschen betreffen würde. Aber so war es eben, man lernte stets neues dazu.

Am nächsten Morgen machten wir uns direkt auf zur örtlichen Magierakademie, dem gildenlosen eminars der elfischen Verständigung und natürlichen Heilung zu Donnerbach. Eigentlich müsste ich mich hier ja gar nicht anmelden, denn als gildenlose Stand diese Akademie ja außerhalb des Kodex. Dennoch würde es sicher nicht Schaden den hiesigen Magistern den gebührenden Respekt zu erweisen, Gilde hin oder her. In den Dormitorien unserer Akademie scherzte man ja darüber, das die Elfen hier und in Gerasim den ganzen Tag mit Elfen auf Bäumen sitzen und Rauschkraut rauchen würden, während sie den Tag verträumten. Und wie ich nun feststellte, entsprach das zwar nicht ganz der Wahrheit, aber mit einem Akademiealltag wie ich ihn kannte hatten die örtlichen Gepflogenheiten auch wenig zu tun. Die Akademie, eigentlich kann man sie überhaupt nicht so nennen!, lag außerhalb der Stadt. Die Gebäude waren lose im Wald verteilt und erweckten nicht Ansatzweise den Eindruck einer respektablen Akademie. Menschen und Elfen gingen in kleinen Gruppen dazwischen herum oder standen im Kreis. Von Disziplin war jedenfalls nichts zu sehen, es machte auf den ersten Blick tatsächlich eher den Eindruck, dass hier einfach jeder machte was er wollte. So hätten wir daheim auf jeden Fall unsere Abschlussprüfung niemals bestanden…

Interessant wurde es erst, als wir unvermittelt über die Spektabilität des Instituts stolperten. Ein weißhaariger, zerbrechlich aussehender Mann namens Virilys Eibon der, mein Herz machte einen Hüpfer, sogar unter Meister Galotta, Assistent und Hofmagier beim Kaiserhaus zu Gareth gewesen war. Allerdings schien er von diesem keine besonders gute Meinung zu haben und tadelte mich, dass es Pfade gab, denen man nicht folgen sollte, als wir uns kurz unterhielten. Ich bekam jedenfalls nicht mehr aus dem alten Herrn heraus, seine Lippen blieben recht verschlossen, als er in meiner Stimme die Hochachtung hörte, die ich für Meister Galotta empfand. Auch hier schien sein Genie unverstanden zu bleiben – aber was sollte man erwarten, wenn jemand von elfischen Einflüssen weichgespült wurde? Bedauerlich. Da hatte man einmal einen Zeitzeugen zur Hand, und dieser wollte nichts erzählen. Allerdings war er unserem eigentlichen Anliegen gegenüber deutlich aufgeschlossener. Er stellte uns einer Schülerin vor, einer Elfendame namens Sharahiel, die sich wohl auf die alten Pfade wie er es nannte, die Wege der Elfen in den Salamdandersteinen, verstand. Sie würde mit uns zur Sippe der Silberlöwen gehen um diese nach Hilfe gegen den Feind zu fragen. Das war zumindest etwas.

Da wir diese Silberlöwen schon bald treffen sollten blieb uns keine Zeit den berühmten Rondratempel aufzusuchen. Lediglich eine Nachricht schickten wir dorthin, dass wenn man eine Horde dunkler Söldner in die Wälder ziehen sah, diese unbedingt aufgehalten werden müssten. Unsere Tiere, also den Esel und Saris Pferd, ließen wir in Donnerbach zurück, denn schon in der Nacht sollten wir uns mit den Elfen treffen. Sharahiel führte uns drei Stunden in die Wälder hinter der Stadt hinein bis wir einen Hain erreichten und dort warteten. Aus dem dunkel traten nach einiger Zeit mehrere Elfen, die uns skeptisch bis feindselig musterten. Selbst Navahon Luchsweiser gegenüber schienen sie sehr reserviert zu sein. Das mussten die Silberlöwen sein. Eine Elfe schien die Anführerin zu sein, zumindest richtete sie das Wort an uns und stellte sich als Sanrai Eulenschwinge vor, Verteidigerin der Welt gegen das Böse und Streiterin der dritten Dämonenschlacht. Faramud, der in diesem Krieg viele Brüder seines Ordens verloren hatte, schien sich ihr direkt verbunden zu fühlen. Wir setzten uns, und Sari begann ihre Geschichte sehr ausführlich zu erzählen. Das schien die Elfen nicht im mindesten zu stören, denn wenn sie etwas hatten, dann war es ja Zeit – im Gegensatz zu uns! Aber wir ließen Sari gewähren, und ihre eindringliche Schilderung schien bei Eulenschwinge zumindest Gehör zu finden. Sie versprach uns, für unser Anliegen bei den Sippen der Salamandersteine zu werben und uns zu begleiten, wenn wir tiefer in die Wälder Reisen wollten. Mehr konnten wir uns wohl zunächst nicht erhoffen.

Den sehr kurzen Rest der Nacht verbrachten wir noch in Donnerbach, bevor wir am 23. Efferd, das erwartete Ritual war nun keine drei Wochen mehr hin, Richtung Gashok aufbrachen. Irgendwo dort an einem Ort namens Silberbuchenwald wollte Sari die übrigen Schamanen ihres Volkes und deren Begleiter treffen. Sari warnte uns, dass wir vorsichtig sein müssten, denn auf dem Weg dorthin könnten uns marodierende Orkbanden über den Weg laufen, die sogar nach ihr suchen würden. Wir sollten zumindest größere Gruppen vermeiden. Surina, Faramud und ich hingegen hätten gegen so eine Orkbande nichts einzuwenden gehabt. Das wäre doch einmal eine willkommene Abwechslung! Auf der Straße, die eher ein gut ausgetretener Weg war, waren zumeist Bauern und Händler unterwegs, die uns entgegenkamen. Die häufige Militärpräsenz der Ländereien um Gareth war hier nicht zu sehen. Die nächste Nacht verbrachten wir in einer kleinen Gaststätte im Dorf Hutzenmoor, das ziemlich genauso spektakulär war, wie sein Name vermuten ließ. Hier würde ich mein Leben jedenfalls nicht verbringen wollen, es sei denn ich hätte vor an Langeweile zu sterben. Die ersten Anzeichen das der Weg nicht völlig gefahrlos war fanden wir am nächsten Vormittag. Am Straßenrand stand ein Karren neben dem zwei pfeilgespickte Leichen lagen. Ich besah mir die Toten. Das Blut war nur teilweise geronnen, der Überfall konnte also nicht allzu lang her sein. Hinter einem nahen Hügel fand Pamina ein verlassenes Lager, dessen Größe auf mindestens ein Dutzend Marodeure hindeutete, aber nun verlassen war. Es dauerte noch zwei Tage, während der wir die Reise nun vorsichtiger fortsetzten, bis wir Gashok erreichten.

Gashok eine echte Stadt zu nennen wäre wohl übertrieben. Hier draußen im Nirgendwo mochte es in mehreren Tagesreisen Umkreis die größte Siedlung sein und sich selbst größenwahnsinnig „Stadt“ nennen. Aber selbst im Kern des Mittelreichs wäre diese von einer zerstörten und mit Holzpalisaden Stadtmauer umgebene Siedlung von vielleicht etwas mehr als 500 oder 600 Einwohnern nur als größeres Dorf, vielleicht ein Marktfleck, durchgegangen. Wir hielten allerdings nur kurz für eine Mittagsrast an, zu viel Zeit hatten wir schon anderswo verloren. Dann führte uns Sari weiter nach Norden, ungefähr eineinhalb Tagesmärsche die Straße hinauf in eine Gegend, die nicht zu Unrecht den Namen „Große Öde“ erhalten hatte. Genau das war sie nämlich, soweit das Auge reichte – einfach nur Ödnis ohne Ende. Wenn ich mich vor irgendwem einmal verstecken wollte… hier wäre ein guter Platz, denn jemand hier zu suchen, auf den Gedanken würde wohl niemand kommen. Es gab Gras. Das war wohl das aussagekräftigste, was man über diesen Landstrich berichten konnte… einfach deprimierend. So ging es, bis Sari uns endlich in einen großen Wald führte und der wohl der sagenumwobene Silberbuchenwald sein musste. Zumindest örtliche Sagen. Ich selbst hatte von diesem Meer aus Bäumen noch nie gehört…

Bereits kurz nachdem wir in den Wald eingedrungen waren, Sari behauptete wir wären auf einem Weg, aber ich konnte beim besten Willen nichts dergleichen erkennen, begrüßte uns Wolfsgeheul, das mir seltsamerweise nicht bedrohlich, sondern eher erfreut zu klingen schien. Als ein Wolf auf dem Pfad erschien der uns den Rest des Wegs geleitete, überraschte mich das nicht einmal mehr sonderlich, so sehr hatte ich mich schon an Saris Präsenz und ihren Umgang mit Wala und anderen Wölfen gewöhnt. Vielleicht sollte ich mir ja auch einen Wolf zulegen? Auf einer Anhöhe fanden wir schließlich einige Jurten vor. Offenbar waren Saris Sippenbrüder und Schwestern bereits vor uns eingetroffen und hatten sich häuslich eingerichtet. Bald setzte ein freudiges Geschnatter zwischen all den schlitzäugigen Nivesen ein, von dem ich leider kein Wort verstand. Ich zog ernsthaft in Erwägung mir die Mühe zu machen, diese Sprache auch noch zu erlernen, rein wegen der Neugier, auch wenn sie vermutlich keinerlei wissenschaftlichen Mehrwehrt bieten würde. Zunächst übersetzte Sari noch einen Teil der Gespräche für uns, aber bald wechselten auch die Nivesen freundlicherweise in ein gebrochenes Garethi, um uns nicht auszuschließen. Sie waren also in jedem Fall höflich und das brachte ihnen noch etwas mehr meines Respekts.

Sari stellte uns der Reihe nach vor und ein älterer Nivese blickte uns der Reihe nach prüfend an, anscheinend nicht sicher, was er von uns halten sollte. Dann wollte er wissen, was uns an Sari band und warum wir ihr hierher gefolgt waren. Surina und Pamina hatten dafür nicht einmal eine richtige Erklärung, man könnte sie am ehesten als Mitläufer bezeichnen, wobei Pamina wenigstens noch eine emotionale Bindung an Sari im Laufe des letzten Jahres entwickelt hatte. Faramud, der sein Schicksal als mit ihr verbunden zu betrachten schien, fand da schon eher die Zustimmung des Alten. Für mich war das eine recht einfache Sache: „Sari ist eine gute Freundin von mir,“ antwortete ich dem Alten, „die mich bereits einen langen Weg begleitet hat. Sie hat mich beschützt, jetzt beschütze ich sie dabei, die Schergen des Namenlosen, die auch meine Feinde sind, aufzuhalten.“ Ich bin mir nicht sicher, ob er den ganzen Satz in seiner Komplexität verstanden hatte, aber ich glaube, den Kern der Botschaft dürfte er verstanden haben, denn er nickte Wohlwollend.

Dann stellte uns Sari die übrigen Träger der Fangzähne vor, grün, rot und gelb, so wie wir sie im Traum gesehen hatten, unter denen sich auch Saris Mutter befand. Jeder hielt ein oder mehrere Elemente in sich gebündelt, zu dem sich die Träger anscheinend besonders hingezogen fühlten. Begleitet wurden sie von etlichen Jägern und Kriegern ihrer Sippe, die sorgsam über ihre Schamanen wachten. Erstaunlich fand ich, dass Sari anscheinend nicht besonders glücklich darüber war, ihre Mutter zu sehen. Bald saßen wir am knisternden Lagerfeuer und teilten Essen und trinken mit den Nivesen. Sari erzählte, auch ihre etwas eigene Sichtweise auf die Geschichte, die hinter uns lag im Licht der fast vollen Mada, die hoch am Himmel stand. Ihr sorgenvoller Blick auf das Madamal sprach Bände, denn dieses galt den Nivesen anscheinend, im Gegensatz zu unserer Kultur, als schlechtes Omen. Ich meinte dann zu ihr, sie solle es doch genau andersherum betrachten und positiv sehen, denn dies würde bedeuten, dass zum Zeitpunkt des Rituals das wir abzuhalten gedachten die verhüllte Mada am Himmel stehen würde. Dem lächeln nach, dass sie mir schenkte schien ihr dieser Gedanke deutlich besser zu gefallen.

Wir erfuhren tief in der Nacht, dass die Nivesen mit Navahon eine Art Blutsbund eingehen würden vor dem Ritual, um sich aufeinander einzustimmen. Ich bot mich an, dem ebenfalls beizutreten, ungeachtet der drohenden Gefahren. Immerhin war ich vermutlich, zugegebenermaßen nach Navahon mit seinem unglaublichen Alter, vermutlich der arkan potenteste und mögliche Kraftgeber in diesem Kreis. Aber das Angebot wurde abgelehnt, ich könne nicht Teil dieses Bundes werden, wurde mir beschieden, da ich in dem Bannzirkel keine eigene Aufgabe hätte. Das schließen eines solchen Bundes war wohl, wenn ich Sari richtig verstand, auch eine recht komplizierte und anstrengende Angelegenheit, je mehr Leute sich darin zusammenschlossen. Also nicht unbedingt vergleichbar mit einem Unitatio, sondern wohl etwas ganz Eigenes. Als Vorbereitung müssten, so meinte Navahon, die Fänge, die nach vielen Tausend Jahren nun ausgelaugt waren, zunächst wieder mit der reinen Essenz ihrer Elemente gestärkt werden, wenn nicht gerade Vollmond wäre. Was für ein glücklicher Umstand, dass er dieses, er wollte mir partout nicht verraten woher, bei sich hatte – von allen sechs Elementen! Allein das fand ich ja schon beeindruckend. Ich kenne Magister, die hätten für eine Probe davon jederzeit bereitwillig getötet! Sollte dieser alte Elf vielleicht das Geheimnis hüten, wo sich die sechs elementaren Zitadellen befanden? Zutrauen würde ich es ihm mittlerweile fast…

Die Nacht war recht lang durch das viele Erzählen, und der Schlaf dementsprechend kurz. Trotzdem wurden wir früh geweckt und in das Tagwerk der Nivesen eingebunden. Surina maulte herum und verweigerte sich, eine Edeldame würde sich da nicht die Hände dreckig machen. Ich wurde gebeten, beim Abbau der Jurten zu helfen – und ich ging, das mag den Leser jetzt verwundern – voller Begeisterung ans Werk. Natürlich hatte ich eigentlich keine Ahnung, wie diese seltsame Art von Zelten funktionierte. Aber es war, als hätten meine Finger ihr Leben lang nichts anderes getan. In den Monaten, die wir im Traum bei der Sippe verbracht hatten, schienen mir solche Dinge im wahrsten Sinne des Wortes in Fleisch und Blut übergegangen zu sein. Sicher, es war das erste Mal das ich es leibhaftig in der Praxis tun musste, und ich stellte mich wohl dennoch ein wenig ungeschickt an, aber ich schwöre, ich wusste was zu tun war! Normalerweise machten mir derlei Dinge auch keinen Spaß. Aber hier in der Ödnis des Nordens schien es mir das natürlichste der Welt zu sein und wenn es mir dann gelang, die Knoten richtig zu lösen, die Felle korrekt gerollt auf den Karren zu verstauen oder die Stangen in der richtigen Reihenfolge zu nutzen, dann hatte dies etwas seltsam Befriedigendes.  Das war vielleicht keine Tätigkeit, die ich den Rest meines Lebens vollführen wollte, aber für die nächsten Tage oder Wochen würde es mir irgendwie Spaß machen.

So waren wir drei Tage gen Rahja unterwegs, bis Navahon am Abend dann meinte, heute wäre ein guter Tag den Blutbund zu schließen. Da sie dabei nicht gestört werden sollten zogen sich die Schamanen mit ihm in eine Jurte zurück. Uns oblag es Wache zu halten, damit auch niemand von außen einschreiten konnte, so unwahrscheinlich das hier mitten im Nirgendwo auch war. Von dem Ritual selbst bekam ich nicht viel mit, außer dass aus der Jurte ein monotoner Gesang in einer mir fremden Sprache zu vernehmen war.

So verging die Nacht. Der Blutsbund und die Ladung der Fänge schienen eine recht langwierige Angelegenheit zu sein. Ich hatte die Morgenwache, wie meist damit ich im beginnenden Tageslicht überhaupt etwas sah, als ich neben mir eine unheimliche, aber vertraute Kälte spürte. Ich war nicht einmal mehr überrascht, als sich neben mir die grüne Wolke, der mir schon bekannte Karunga, meinem Ohr näherte. Mit einem Flüstern säuselte er mir die Botschaft ins Ohr. „Die Herrin sendet mich um Dir ein Angebot zu machen. Du wirst mit dem nächsten Buchstaben entlohnt und allem Wissen um da Aureliani, dass du benötigst um das so sehr von dir begehrte Buch zu lesen…“ Da man aber bekanntlich von Dämonen keine Geschenke erhielt wollte ich natürlich wissen, dass die Gegenleistung sein sollte und stellte mich schon einmal darauf ein den nahenden Pakt abzulehnen. Aber weit gefehlt. „Der elf der euch begleitet führt mehrere Phiolen mit sich. Die Herrin wünscht, dass Du eine alchemische Reaktion herbeiführst.“ Dabei ließ er eine andere Phiole in der etwas Dunkles waberte, das kurz darauf in allen Regenbogenfarben schillerte bevor es wieder dunkel wurde, in meinen Schoss fallen. „Der Tropfen hieraus in eine der Phiolen des Elfen… und wir wollen sehen was geschieht…“ Damit verschwand der Dämon wieder und lies mich unentschlossen zurück. Der Preis war erstaunlich billig, noch nicht einmal meine Seele, und der Lohn nicht zu verachten. Auf der anderen Seite… wenn ich damit den Erfolg unseres Rituals gefährden würde, könnte ich mir das am Ende nie verzeihen. Aber ich musste es ja nicht sofort entscheiden. Zunächst sollte ich einmal sehen, was sich in der Phiole befand, entschied ich.

Dazu hatte ich erstaunlich viel Zeit, denn das Ritual in der Jurte dauerte noch den ganzen Tag und bis zur nächsten Mitternacht. Währenddessen konnte ich mich ausreichend zurückziehen, um das Gefäß zunächst mit einem Odem Arcanum und anschließend auch mit einem Ocolus Astralis eingehend zu betrachten. Das rötliche Leuchten war ein eindeutiges Indiz für den dämonischen Einfluss, aber hier war es in Summe anders als gewohnt. Darüber hinaus strahlte die Phiole eine ungewöhnliche, brennende Hitze aus. Am Ende meiner Untersuchungen kam ich zu dem Schluss, dass es sich bei der „Substanz“ in der Phiole wohl um gebundenes unelementares Feuer handeln musste. Und das sollte ich in eine von Navahons Phiolen gießen, die die reinsten Formen der sechs Elemente enthalten sollten. Ich musste zugeben, auf die dabei entstehende Reaktion wäre ich auch selbst recht neugierig. Dennoch, wenn ich eines der Elemente solcherart verunreinigte und damit die Aufladung der Fänge verhindern oder auch nur schwächen würde… der Preis dafür ohne Mühe eine fremde Sprache zu erlernen wäre dann im schlimmsten Falle die Rückkehr des 6. Namenlosen. Bei aller Neugier und allem Wissensdurst… das konnte doch nicht einmal einer der siebtsphärigen Herrscher wollen, oder? Mir selbst erschien der Preis nun doch einfach als zu hoch, als das ich dafür meine Gefährten hintergehen oder Dere gefährden wollte. Das wäre kein guter Handel…

Sari und die anderen Blutsbündler waren, zumindest dem Ende des Gesangs nach, zur Mitternacht fertig mit dem was sie getan hatten. Aus dem Zelt kamen sie allerdings erst am nächsten Morgen und sahen dabei allesamt in höchstem Maße erschöpft und ausgelaugt aus. Was auch immer sie getan hatten muss recht kräftezehrend gewesen sein. Mit Sari jedenfalls war die nächsten Tage nur wenig anzufangen, da sie sich die meiste Zeit ausruhte im wieder zu Kräften zu kommen. Wir zogen zurück nach Donnerbach, was uns zwei weitere Tage kostete, wo wir am 8. Travia ankamen. Uns blieb wirklich nicht viel Zeit übrig. Noch bevor wir die Stadt betreten konnten erwartete uns Sanray Eulenschwinge.  Wir folgten ihr am Wasserfall vorbei und begannen damit unseren Pfad in die ewig dunklen Elfenwälder. Vier weitere Elfen warteten darauf, uns zum „Ort wo nicht mehr gesungen wird“ zu begleiten. Dieser läge im Gebiet der Drachenflüsterer-Sippe – allein der Name schien bei Faramud schon eine negative Grundeinstellung zu erzeugen. Mit Drachen schien er es nicht besonders zu haben. Außerdem berichtete Eulenschwinge uns, dass der Feind mit einer größeren Gruppe vor einem halben Mond am Ostrand der Salamandersteine entlanggezogen sei. Wo dieser Tross durchgekommen war seien Menschen verschwunden. Das ließ darauf schließen, dass der Vampir den sie ja zweifellos dabeihatten, entweder Nahrung benötigte oder sie, wie in solchen finsteren Ritualen nicht unüblich, Blutopfer benötigt wurden. Beides keine guten Aussichten für die Vermissten.

Während die Elfen uns in die Wälder führten zogen sich die Träger der Fänge noch einmal zurück um deren Aufladung zu vollziehen. Das wäre nun der Augenblick gewesen, in dem ich die Phiole mit dem unelementaren Feuer hätte gebrauchen sollen. Aber ich hatte mich endgültig dagegen entschieden meine Freunde zu hintergehen. Ich hätte mich ja nicht mehr reinen Gewissens selbst im Spiegel ansehen können – so ein Vorbild wollte ich Nandurin in keinem Fall sein. So blieb ich einfach im Besitz des Höllenfeuers. Wer konnte schon wissen, wozu man das ansonsten einmal würde gebrauchen können? Man konnte ja nie wissen…

Was ich nicht leugnen konnte war, dass ich ohne die Führung der Elfen Rettungslos verloren gewesen wäre. Wir waren bald inmitten undurchdringlicher Wälder und die Orientierung wohin wir uns wandten hatte ich schon auf den ersten Stunden des Weges völlig verloren. Für mich sah hier alles gleich aus. Bäume, Büsche, Farne in ständiger, unablässiger Wiederholung… dabei pulsierte der Ort gleichzeitig von einer fast körperlich spürbaren, mystischen Energie, die sogar mich abgeschreckt hätte, sie mit der Beschwörung eines Dämons zu entweihen. Abgesehen davon, dass die Elfen das vermutlich sowieso nicht geduldet hätten. Am Abend kamen wir dann an einem Elfen vorbei, der einfach mitten auf dem schmalen Pfad saß. Im näherkommen erkannte ich, dass er über und über mit Moos und Flechten überwachsen war, so als ob er schon eine kleine Ewigkeit dort sitzen würde. Eulenschwinge ging achtlos daran vorbei, während ich staunend stehenblieb. Faramud, dem das ganze nicht geheuer schien wollte mich einfach weiterschieben, aber ich entwand mich seinem Griff – und dann konnte ich meine Neugier nicht zügeln und stupste den Elfen einfach an, mitten ins Gesicht. Es geschah… nichts. Ich spürte unter meiner Hand, dass er noch lebte. Aber wahrzunehmen schien er uns nicht. Als Faramud mich schließlich doch weiterzog meinte Eulenschwinge nur, dieser hier wäre „eins mit der Natur“ und schien das völlig normal zu finden. Als wenn es normal wäre, wenn man sich so lange nicht bewegte, dass man von Grünzeug überwuchert wurde. Das wäre ja so, als würde man einen Bibliothekar zwischen seinen Folianten einsperren, bis er von Staub bedeckt war! Eine furchtbare Vorstellung, all die verschwendete Lebenszeit, in der man etwas sinnvolles hätte tun können!

Aber damit nicht genug der Seltsamkeiten in diesem Wald. Später am Tag stellte sich doch tatsächlich ein vier Schritt hoher, wandelnder und brummender Baum vor uns auf den Weg und meinte, uns den Weitermarsch untersagen zu müssen. Der Baum sprach! Sogar halbwegs verständlich! „Das ist nicht Euer Weg, ich dulde Euch hier nicht.“ Wobei ich den Eindruck hatte, dass er insbesondere auf uns Menschen deutete. Dann begann Eulenschwinge mit ihm zu diskutieren um uns doch die Passage zu ermöglichen. Der Baum war was das anging jedoch so flexibel in seiner Meinung, nun, wie ein dicker Baumstamm eben. Ich hatte schon den Eindruck, die Situation müsste doch eskalieren um uns den Weitermarsch zu ermöglichen, als der Baum sich an Faramud wandte. Er nannte ihn „Windlauscher“ und die beiden begannen nun ebenfalls miteinander zu sprechen. Zumeist irgendwelches unverständliches Zeug über „die Alten“, „die Großen“ und andere Bezeichnungen für Wesen, von denen ich nicht einmal ahnte wen sie damit meinten. Allerdings schien der Waldschrat, soviel war sogar mir mittlerweile klar, am Ende doch zufrieden damit zu sein, wenn Faramud auf dem weiteren Weg für uns bürgen würde. Allerdings war es uns untersagt auf irgendeine Art die Bäume des Waldes zu verletzen. Aber immerhin würden wir aus Klaubholz ein kleines Feuerchen für die Nacht machen dürfen.

 

Wir zogen dann noch am Fuß der Berge etwas weiter bis wir am Abend das Lager aufschlugen und ein kleines Feuerchen aus Klaubholz machten. Hier in den schier undurchdringlichen Wäldern war es nahezu stockfinster in der Nacht, und dass es auf die tote Mada zuging machte das ganze nicht besser. Noch ein Tag, dann würde es soweit sein. Eine kribbelige Vorfreude machte sich in mir breit. Endlich würde ich den lange gejagten Feind zur Strecke bringen. Angst? Nein… ich fühlte mich erstaunlich unverdrossen angesichts dessen, dass wir uns bald mit einem seit fast 6000 Jahre eingekerkerten Dämonen messen würden, den die Horden des Rattenkinds zurückzurufen gedachten. Nennt es nicht Überheblichkeit. Mir gefällt „göttergefällige Zuversicht“ mit einem solchen Ziel vor Augen deutlich besser. Am Lagerplatz gönnte ich mir einen letzten Blick auf die Fangträger und Navahon mit dem Oculus Astralis. Da war es zu sehen. Ein Geflecht astraler Linien das sie wie ein Netz verband. Von einem zum anderen, schwach, vermutlich weil seine Macht noch nicht aktiviert war, aber vor elementarer Kraft pulsierend. Ein wahrhaft faszinierender Anblick, für den manche meiner Kollegen vermutlich getötet hätten um ihn erforschen zu können. Leider würde ich vermutlich nicht dazu kommen den gleichen Blick noch einmal zu tun, wenn die Fänge aktiviert wurden. Das wäre sicherlich ein erhebender Anblick geworden, aber da würde ich meine Kraft für den Feind aufheben müssen…

Barnuk, der Träger von Erz und Kraft war der stärkste der Schamanen, fast hatte ich den Eindruck die Kraft würde auf ihn zulaufen, auch wenn natürlich Navahon der Fokus war und ebenso mit allen anderen verbunden war. Sari, das konnte ich auch deutlich sehen, war die schwächste in diesem Bund. Wie gern hätte ich ihr in diesem Fall meine Kraft geliehen, aber ihre Tradition ermöglichte uns das leider nicht. Die Nacht über hielten unsere elfischen Begleiter Wacht und ermöglichten uns ein letztes Mal, noch ein wenig Ruhe und Erholung zu finden.

Am nächsten Tag setzten wir den Weg fort und mussten bald einen Hain umgehen, der uns Menschen, als wäre er ein lebendes Wesen, den Weg hindurch verwehrte. Während die Elfen ihn ohne weiteres passieren konnten blieb jeder von uns, der es ebenso verfolgte schon nach kurzer Zeit in Hecken und Gestrüpp hängen. Und da sich der Einsatz von Macheten hier verbot, wir hätten auch gar keine dabei gehabt, blieb uns nichts anderes übrig als mühsam außen herum zu gehen und dabei an einer Bergflanke entlang zu klettern. Den restlichen Tag gingen wir die meiste Zeit bergauf, da unser Ziel auf der anderen Seite eines vor uns liegenden Berggrates liegen sollte. Wir schickten Thyrion, unsere Führerin aus der Drachensippe, mit Pamina zusammen vor um schon einmal einen Überblick zu haben, bis der Rest dort eintreffen würde und sie uns falls es das geben sollte vor einem Hinterhalt warnen konnten. Ja, ich weiß… wir hatten Elfen dabei, und diese in einen Hinterhalt in ihren eigenen Wäldern zu locken dürfte vermutlich recht schwierig sein. Aber lieber ein wenig zuviel Vorsicht, als nachher das große Bedauern… nur einer der Elfen der uns begleitete, sie nannten ihn Moorlied, schien auf dem Weg hinauf einen Schwächeanfall zu haben. Oder war er einfach auch schon alt? Bei diesen Elfen war das einfach nicht zu erkennen…

Als wir endlich den Grad erreichten, niemand hatte auf dem Weg oder dort selbst einen Hinterhalt gelegt, knisterten in der Luft über dem Tal bereits Blitze aus dem Himmel zu Boden. Der Feind hatte nicht einmal den Anstand gehabt, auf uns zu warten! Das Weltentor begann sich bereits zu öffnen und wir hatten sicher noch eine halbe Stunde eiligen Marsches bis zu dem Ort hinunter. Dieser war ein weitläufiges, waldbestandenes und von den Bergen gesäumtes Tal, in dessen Mitte sich der Feind gesammelt hatte und sein unheiliges Werk verrichtete, auch wenn ich auf diese Entfernung nicht genau erkennen konnte, was sie dort taten. Unser Ritualplatz war ein Hochplateau das sich im Tal erhob und gar nicht so weit von dieser Stelle entfernt war, aber sich gut dafür eignen würde es zu verteidigen, wenn der Feind uns angreifen sollte. Wir mussten ja unsere Fangträger davor schützen, ganz profan vom Feind beschossen oder angegriffen zu werden. Während wir uns also auf das letzte Stück Weg machten pulsierte die Kugel am Himmel, wurde zunächst blasser und dann ertönte ein dämonisches Kreischen, wie ich es noch nie gehört hatte. Selbst in dieser Entfernung sank ich mit zugehaltenen Ohren zu Boden und wurde von einer niederhöllischen Kälte erfasst, die mich einige Momente in die Knie zwang. Als ich mich schließlich gefangen hatte und wieder Herr meiner Glieder war musste ich den Anderen die einfach weitergegangen waren hinterherrennen, um sie wieder einzuholen. Dann waren wir im Tal und näherten uns dem Hochplateau. Mittlerweile war es dunkel geworden, eine unheimliche Stimmung waberte durchs Tal, eine Mischung aus Hass, Bösartigkeit, Furcht und gespannter Vorfreude. Die Luft knisterte, aufgeladen von der Macht, die jetzt schon durch das Tal floss. Wie mochte das erst werden, wenn wir unsere Kräfte dagegen warfen? Wir waren hier immerhin auf einem Nodix. Es würde mich nicht wundern, wenn es das Geflecht der Realität selbst zerreißen würde.

Um die Fangträger nicht zu gefährden ließen wir sie zunächst mit den Elfen ein wenig zurück, damit sie uns sicher folgen könnten, während wir „entbehrlichen“ am Rand des Tals im Schatten des Waldes entlang nach vorne schlichen. Ich versteckte mich dabei gekonnt, aber meine kleine Pamina stolperte ungewohnt tollpatschig durchs Unterholz. Ich glaube, die Angst saß ihr jetzt schon im Nachen, fraß ihre Seele auf und machte sie fahrig. Der Feind hatte mitten im Tal ein großes Feuer aufgeschichtet. In dessen Lichtkegel sahen wir mehrere Bewaffnete und ich würde darauf wetten, die verhüllte Gestalt dabei war Samar al Regilor. Bald schon, mein Herz, würdest du deine Rache bekommen… ein wenig sorgen machte mir aber das schwarze Pferd, nein, eher ein dämonisches schwarzes Einhorn, dass neben ihr stand. Das könnte ein Problem werden, aber keines das ich nicht zu überwinden gedachte. Aber eins nach dem anderen… erst einmal würden wir auf das Plateau hinauf müssen um zu verhindern, dass sich das Tor in die Globule weiter öffnete. Weiter schlichen wir durch die Schatten und erklommen schließlich auf der abgewandten Seite vom Feuer den dort etwas flacheren Hang zu der ebenen Fläche hinauf. Dort, das sahen wir als wir über den Rand spähten, hatte der Feind vier Söldner als Wachen postiert. Nun wurde es also ernst…

 

 

Da wir uns keine großen Ausfälle erlauben konnten und es versprach noch eine lange und unangenehme Nacht zu werden, gingen wir koordiniert, planvoll und mit aller Entschlossenheit vor. Die Wachen auf dem Plateau wurden von unseren Schützen unter Feuer genommen und der Rest stürmte dann, nachdem wir entdeckt worden waren, eilig den wenigen verbliebenen Schergen entgegen. Dies war kein Kampf, eher ein Massaker, und innerhalb kürzester Zeit waren von den Dienern des Namenlosen die unsere Ritualstätte versperrt hatten nur noch Leichen übrig. Dafür verstärkte sich da das Niederhöllische Kreischen des Aswa-Djahlid, der uns entdeckt zu haben schien. Vermutlich spürte er, dass wir nicht gekommen waren um bei seiner Befreiung zu helfen… diesmal hielt ich dem Drang mir die Ohren zuzuhalten jedoch stand. Navahon Luchsweiser, der offensichtlich meine Talente und Begabungen recht gut einordnen konnte, bat mich, ihm beim Zeichnen des Hexagramms zu helfen. Damit hatte er natürlich recht, denn das unterschied sich kaum vom Zeichnen eines Penta- oder Heptagramms oder eines Bannkreises, wenn auch die Zeichen ein wenig andere waren. Nur meine eigene Zauberkreide durfte ich nicht dafür verwenden, aber er gab mir geeignete Farben, die wohl auch die Nivesen nutzten um sich vorzubereiten. Diese Spielart der Ritualanlage mit elementarem Schwerpunkt einmal praktisch zu erproben war in jedem Fall eine willkommene neue Erfahrung. Das hätte ich mit Junasia vielleicht schon vorher einmal machen sollen. Ich machte mich mit Eifer ans Werk und bekam es auch ziemlich gut hin, will ich meinen.

Wir hatten unser Werk kaum vollendet, da hörte ich ein schreckliches Schnattern, dass sich uns rasch näherte. Als ich aufblickte hatte der Feind sein nächstes Aufgebot geschickt um uns zu stören. Ein entstellter, pervertierter schwarzer, eigentlich eher mehrere Schritte großer purpurner Schwan, der einen Reiter auf dem Rücken zu uns trug. Wundern sollte es mich wohl kaum, dass der Feind an Dämonen aufbrachte was er konnte um uns aufzuhalten. Der Name Zhylwyraq schoss mich durch den Kopf – auch wenn selbst die erfahrensten Beschwörer diese Kreatur des Abgrunds wohl kaum einmal in ihrem Leben zu sehen bekamen.  Ich musste unbedingt endlich das Arcanum lesen um gegen solche Bedrohungen besser gewappnet zu sein! Auch die Nivesen kannten diese Bestie, wohl aber unter anderem Namen – Liaska nannten sie es. Eine gefallene oder verführte Tochter Ifirns die dem Namenlosen anheimgefallen war und Neid und Missgunst brachte. Dann blieb keine Zeit mehr, dass ich mir darüber weitere Gedanken machen konnte.

Der Schwanenreiter schleuderte einen Wurfspeer auf Pamina während er im Gegenzug von den Elfen unter Bogenfeuer genommen wurde und Surina versuchte ihn im Vorbeiflug von seinem Reittier zu stechen. Es dauerte nicht lang, da stürzte der schwarze Söldner mit einem röchelnden Schrei in die Tiefe und wir sahen uns dem Schwanendämon selbst gegenüber. Besonders Faramud schien sehr daran gelegen zu sein den Dämon zurück in den Abgrund zu schicken, aber auch Surina hielt sich nicht zurück. Der Dämon teilte kräftig mit Schnabel, Krallen und Flügel aus, als er sich im Sturzflug immer wieder auf uns stürzte, nachdem er seines Reiters verlustig gegangen war. Ich platzierte mich in Saris nähe, um sie bei Bedarf verteidigen zu können. Aber auch der Dämon selbst konnte unseren vereinten Anstrengungen nicht lange widerstehen und verging nach kurzem Kampf in einer wunderschön anzusehenden schwarz-purpur-golden schimmernden Wolke.

Endlich begannen die Nivesen unter Navahons Führung, nun ungestört von feindlichen Einflüssen, die Macht der Elemente zu rufen. Das aufwallen der arkanen Macht war zunächst nur körperlich spürbar, für mich fühlte es sich an als würde die Luft vibrieren und einen metallischen Geschmack annehmen, bevor sie auch optisch sichtbar wurde. Navahon bündelte die Kraft der Fänge und deren Träger in einem goldenen Strahl, den er gegen die Globule lenkte. Dort wo der Strahl auf die Grenzen der Globule traf flackerten farbige Blitze auf und wo sie diese trafen schienen deren Ränder mehr und mehr zu verblassen. Ein schauerlicher, aber gleichzeitig erhabener Anblick. Was für Kräfte, was für Wissen musste dort im Widerstreit liegen, dass mit Navahon verloren gehen würde, vielleicht unwiederbringlich. Eine wahre Schande! Die alte Elfe Moorlied ging leblos am Rande des Hexagramms zu Boden, vermutlich war die ausgreifende Macht einfach zu viel für seinen Körper oder Geist. Ich hingegen hätte mich stundenlang in diesem Pfuhl der Kraft baden können.

Dann wurde ich jedoch stutzig. Dort wo die Kräfte unserer Seite auf die Globule trafen schien sich deren Hülle nicht wieder zu stärken, sondern im Gegenteil sogar schwächer zu werden. Erneut erklang der schreckliche Schrei des Dämons um Furcht in unsere Herzen zu sähen, aber diesmal klang er eher triumphierend! Eine kleine Öffnung tat sich in der Globule auf und das warmartige Haupt des Dämons zwängte sich hindurch. Entsetzt sah ich zu Navahon hinüber, der nun lachend den Kopf in den Nacken geworfen hatte, aus seinem Mund blitzten lange Eckzähne hervor und zu seinen Füßen wallte schwarzer Nebel über den Boden. Bei Hesinde, wir waren getäuscht worden! Den Nivesen, allen voran Sari, stand der Schweiß auf der Stirn vom Verlust der Kraft, die ihnen bereits geraubt worden war. Als hätten auch sie jetzt verstanden was geschehen war legten sie ihre Fänge nieder und der Fluss der Kraft begann zu versiegen. Navahon, der auf einmal anscheinend die Last allein tragen musste ging dabei in die Knie. Nun blieb uns keine Zeit mehr zu zögern, wollten wir noch eine wage Aussicht haben den Feind noch zurückzuwerfen.

Ich rannte zu Navahon, falls er es denn überhaupt war, hinüber um ihm meinen Zauberstab aus Zedernholz ins Herz zu rammen. Das schien ihm nicht allzuviel auszumachen, ich würde wohl die übrigen Pflöcke auch noch ausprobieren müssen… Allerdings wehrte er sich kaum, gefangen in dem goldenen Strahl, der nur noch von ihm selbst unterhalten wurde. Ich rief Faramud zu mir und schnell hatten wir den Vampir bezwungen, wobei ich eher die Ablenkung war, die es Faramud ermöglichte die Hiebe seiner schwarzen Klinge in ihr Ziel zu lenken, bevor er ihm am Ende den Kopf abschlug. Wie hatten wir uns von diesem Wesen so täuschen lassen können? Ich würde dringend noch einmal meine Sicherheitsvorkehrungen überdenken müssen. Das würde ich mir nicht so schnell verzeihen können…

Ein neuer Plan musste gefasst werden. Wir beratschlagten uns in aller Eile und sahen nur eine Möglichkeit, doch noch unser Ziel zu erreichen. Hier oben auf dem Plateau würden nun die Nivesen unter der Führung der Zauberweberin Laria Moorlieds, die wieder erwacht war, ihre verbliebene Kraft diesmal richtig nutzen, so wie wir es im Traum gesehen hatten. Hoffentlich würde es ausreichen, dessen waren wir uns nun nicht mehr sicher.  Ich würde mit Surina, Faramud und Pamina aufbrechen den Feind zu stören. Er bezog seine Kraft anscheinend von Blutopfern, die in regelmäßigen Abständen vom Rand der Lichtung zu deren Fokus, wohl auch ein Vampir geführt wurde. Gegen den konstanten Kraftfluss aus den Opfern würden wir nur ankommen, wenn wir es schafften ihm den Nachschub abzuschneiden. Und natürlich war das Retten der Opfer eine noble Angelegenheit, auch wenn mir dieser Aspekt im Augenblick eher nachrangig erschien. Ich muss zugeben, um die Rückkehr des Dämons zu verhindern hätte ich auch alle Opfer, unschuldig oder nicht, eher eigenhändig getötet um sie dem Feind zu entziehen, anstatt sie ihm weiter zuzuführen, wenn es nötig gewesen wäre. Aber die Rettung der Unschuldigen war selbstverständlich vorzuziehen… Der Tod der Opfer würde mir in den Augen der Götter sicher kein wohlwollen einbringen. Ich wusste aber andererseits genau, von wem ich für diese Lösung sicher eine Belohnung erhalten hätte. Ich würde sehen, was uns am Ende möglich war… Und den Fokus des Feindes, also das Horn des Aswa-Djahlid, würden wir dann auch noch bergen müssen.

In aller Eile brachen wir auf um den Feind zu umgehen und unser Ansinnen in die Tat umzusetzen, während in unserem Rücken der Kraftfluss, diesmal zur Stärkung der Globule, wieder einsetzte. Schon beim Abstieg vom Plateau sahen wir am Ende eines weiteren Strahls auf dem Boden eine menschengroße Gestalt die das Szepter, also das Dämonenhorn, in den Himmel reckte, während sie ihre Zähne in ein weiteres Blutopfer schlug. Sofort begann das pulsieren des feindlichen Kraftstroms, vom Leben selbst gespeist, zuzunehmen und sich gegen die von den Nivesen gerufenen elementaren Kräfte zu stemmen. Und dann sah ich meinen Feind. Neben dem Vampir stand, gehüllt in blaue Roben, Samar al Regilor. Hass wallte in mir auf und der dringende Wunsch, sie mit dem Dämonenhorn zu durchbohren und auf möglichst grausame Weise zum Namenlosen zu befördern. Ich knirschte mit den Zähnen und hielt mich zurück, nicht lieber dorthin zu stürmen statt unserem Plan zu folgen. Eins nach dem anderen, redete ich mir selbst gut zu. Vier Wächter standen bei ihr, aber was weit gefährlicher wirkte war das schwarze Dämonenross, dass ich nun das erste mal richtig zu sehen bekam. Vermutlich waren es die Hufe dieses Biests gewesen, die ich damals im Dschungel auf meiner Brust gespürt hatten. Ghon-chmur, das Ross des Namenlosen. Auch an ihm würde ich vorbeikommen müssen, um meine Rache zu erhalten. In meiner Brust brannte ein loderndes Feuer, das nach Rache dürstete. Hätte ich nicht einen solch Eisernen Willen, ich hätte meine Seele wahrscheinlich schon Blakharaz überschrieben, um meine Vergeltung zu haben. Aber der schwarze Herr der Rache würde sich noch ein wenig gedulden müssen…

Zügig machten wir uns durch das Dunkel, ich hielt mich an Surinas Schulter fest, auf um außen herum in den Schatten zu den Blutopfern zu gelangen. Die Strahlen der Kraft und die Globule waren ein unstetes Licht auf alles. Als wir endlich den Pferch, anders kann man es nicht bezeichnen, erreichten, erblickten wir noch etwa 20 apathisch wirkende Opfer, die von zwei Wächtern gehütet wurden. Eilig fielen wir aus den Schatten heraus über die beiden Wachen her, bevor einer der anderen Diener Samar al Regilors erscheinen würde um das nächste Opfer zu holen. Wie die Rache der Götter selbst kamen wir über die Schurken. Faramud knöpfte sich einen vor, Pamina unterstützte uns aus dem Hintergrund und ich warf mich mit Surina auf den zweiten Kerl. Der Zorn der Gerechten führte unsere Waffen, und es dauerte nur wenige Herzschläge, bis die Feinde erschlagen in ihrem Blut vor uns lagen. Nur kurz sprachen wir uns zum weiteren Vorgehen ab.

Pamina begann die meisten der Opfer fort von ihrem Gefängnis zu führen. Ich musste ihrem Tross mit zwei besonders schwachen und eingeschüchterten Opfern, denen ich die ganze Zeit gut zuredete, etwas langsamer folgen. Egal ob wir mit unserem weiteren Vorgehen Erfolg haben mochte, es würde dem Feind die Quelle seiner Kräfte entziehen oder zumindest deutlich erschweren, für Nachschub zu sorgen. Vielleicht mochte das schon reichen um unseren Schamanen den entscheidenden Vorteil zu bringen. Faramud und Surina machten sich derweil auf den nächsten Wächter abzufangen, der geschickt würde ein weiteres Opfer zur Schlachtbank zu führen. Pamina fand ein gutes Stück Richtung Rand des Tals ein Versteck, das ihr ausreichend schien um die traurigen Gestalten unterzubringen – ich lieferte meine beiden mit denen ich ihr gefolgt war ebenfalls dort ab. Während sie aber noch blieb um Anweisungen zu geben und für ruhe zu sorgen machte ich mich direkt auf zurück. Wer konnte schon wissen, wann meine Hilfe gegen den Feind dringend gebraucht würde? Keine Zeit zu verweilen! Da ich im Dunkel und dem flackernden Licht aus dem Himmel trotzdem kaum etwas sah entzündete ich meinen Stab um den Weg zu beleuchten und in der Eile nicht irgendwo zu stürzen.

Und ich kam keinen Augenblick zu spät. Als ich beim Pferch ankam hörte ich schon aus dem Unterholz in Richtung der Lichtung, selbst über das krachen und knistern der Blitze am Himmel hinweg, die Geräusche eines wilden Kampfes. Eilig rannte ich in die Richtung. Faramud und Surina hatten die nächsten beiden Wächter gestellt. Aber während Faramud mit nur geringen Blessuren davongekommen war, sah Surina überhaupt nicht gut aus. Zwar lagen die Feinde beide tot am Boden, ihre Waffen erstaunlich weit von ihren Körpern weg, so als hätten sie diese von sich geworfen, aber Surina gefiel mir gar nicht. Sie lag, kreidebleich und mit schmerzverzerrtem Gesicht, am Boden und hielt sich das Bein, das unterhalb des Knies in einem unnatürlichen Winkel von ihrem Körper abstand. Allein bei dem Gedanken an das Geräusch, das ihr nachgebender Knochen vor einigen Augenblicken gemacht haben musste drehte sich mir der Magen im Kreis. Ein Wunder, dass man von ihr keinen Schrei bis hinauf zu den Gipfeln der Berge gehört hatte. So würde sie uns auf jeden Fall kaum folgen können, geschweige denn noch eine große Hilfe sein.

Glücklicherweise konnten wir auch damit umgehen. Wir hießen sie die Zähne zusammenzubeißen, während Faramud, recht grob und wenig zartfühlend, das Bein wieder halbwegs geraderichtete. Dann gab er Surina einen Heiltrank, den er Phex weiß woher, noch aus seinem Umhang hervorkramte. Und da ich mich nicht rein auf dessen Wirkung verlassen wollte, ich konnte ja nicht wissen von welchem Pfuscher er den Trunk hatte, bei meinen wäre ich mir der Wirkung ja sicher gewesen, legte ich meine Hände auf ihr geschundenes Bein und ließ ihr einen zusätzlichen Balsamsalabunde zukommen. Diesen zu vollbringen war zwar gar nicht so einfach, denn ihre Knochen widersetzten sich meinen Anstrengungen sie zusammenzufügen vehement, aber am Ende hatte ich Surina soweit wieder hergerichtet, dass sie uns würde folgen und wieder kämpfen können. Das dauerte aber natürlich alles seine Zeit. Bis wir damit fertig waren, stieß auch Pamina wieder zu uns die meinte, dass die Opfer nun still und leise dort hinten ausharren würden, bis wir sie irgendwann abholten. Nun hieß es wohl sich dem Feind zu stellen und unser Werk zu vollenden. Ein wohliger, vorfreudiger Schauer erfasste mich.

Wir gingen die letzten paar Dutzend Schritt zum Waldrand der Lichtung, nicht einmal mehr sonderlich versteckt oder leise. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, der Dämon hatte uns ja schon lange wahrgenommen, dass auch die restlichen Feinde unsere Anwesenheit noch nicht bemerkt hatten, aber genau das schien der Fall zu sein. Diese mit Blindheit und Dummheit geschlagenen Ratten! Rasch sondierte ich die aktuelle Lage, an der sich aber nicht viel geändert hatte, um zumindest einen halbwegs tragfähigen Plan zu haben, anstatt in blinder Wut auf die Lichtung zu stürmen.

Gerade opferte Samar al Regilor einen ihrer eigenen Söldner dem Vampir, weil der Nachschub an weiteren Blutopfern ausgeblieben war und sie nicht bereit war die im Himmel widerstreitenden Kräfte zu ihren Ungunsten kippen zu lassen. Mit einem verzweifelten Kreischen des Söldners schlug der Vampir diesem die Zähne in den Hals, der Strahl begann erneut zu pulsieren. Genau da würden wir ansetzen müssen… Samar al Regilor tobte unterdessen und schrie nach ihren Schergen, die erschlagen hinter uns im Wald lagen. Mit einer kühlen, klaren Präzision hatte sich in den wenigen Augenblicken ein Plan in meinem Geist geformt. Die Zwölfe mögen geben, dass er irgendwie funktionierte, denn so gut er auf den ersten Blick schien, war er doch mit genügend Unwägbarkeiten verbunden, auf die ich keinen direkten Einfluss hatte. Schlimm, wenn man nicht von den eigenen, sondern den Fähigkeiten anderer Abhängig war!

Ich hieß Faramud, Pamina einen seiner Brandpfeile zu geben, einen von denen die ein kleines Körbchen in der Spitze hatten. Ich hatte ja mitbekommen, als er sich diese gekauft hatte. Meine Hoffnung war einfach, dass dieser Vampir, so wie ich es einmal gehört hatte, eine gewisse Unverträglichkeit gegenüber Feuer hatte. Vielleicht mochte es ihn nicht vernichten, aber ausreichend stören um seine Funktion als Fokus zu beeinträchtigen? Dann zog ich das wassergefüllte Döschen heraus, indem ich meinen weißen Phosphor aufbewahrte. Die bösartigste brennende Substanz Deres, die ich mir vorstellen konnte. Daran sollte der Vampir seinen Spaß haben! Bräuche es noch einen Zünder… und da hatte ich, im wahrsten Sinn des Wortes, die zündende Idee. Ich zog die Phiole mit dem unelementaren Feuer heraus, die ich kürzlich erhalten hatte. Ein Tropfen davon mochte was auch immer tun, aber er würde sicher genügen um den Phosphor in Brand zu setzen! Mit einer leichten Schnur sicherten wir die Phiole am Pfeil, so dass diese beim Aufprall zerbrechen und das Feuer freisetzen musste. Ha! Friss das, blöder Blutsauger! Nun würde nur noch jemand den Pfeil ins Ziel bringen müssen…

Hier kam Pamina ins Spiel, denn weder Surina noch ich konnten mit dem Bogen umgehen, und Faramud traute sich einen solchen Schuss nicht mit der ausreichenden Sicherheit zu.  Der Pfeil war ja doch nicht ganz gewöhnlich. Allerdings schlotterte Pamina vor Angst, als sie möglichst ruhig und unauffällig so nah herangehen sollte, bis sie sich einen sicheren Schuss zutraute. Wir hatten ja nur einen Versuch. Leider war sie nicht dazu zu bewegen, einen Schritt auf die Lichtung zu tun. Ich wäre ja mit ihr gegangen, aber Samar al Regilor kannte mich… das wäre dann doch ein wenig zu auffällig. Ich redete der kleinen Pamina gut zu, bis sie ihre zitternden Knie und Hände endlich wieder unter Kontrolle hatte. Wir verloren wertvolle Zeit! Wir sagten ihr, sie sollte möglichst selbstsicher und natürlich auf die Lichtung gehen. Aber um ehrlich zu sein, das klappt mehr schlecht als recht. Ein aufmerksamer Beobachter hätte sofort gesehen, dass hier etwas nicht stimmte. Phex seis gedankt waren unsere Feinde nicht aufmerksam, beziehungsweise richteten ihr Hauptaugenmerk auf das Geschehen am Himmel. Pamina tapste weiter und weiter, bis sie in vielleicht zwei Dutzend Schritt Entfernung zum Ziel ihren Bogen hob. Bange Sekunden verstrichen, ich glaube, sie nahm sich sogar noch die Zeit zu zielen, bis eine der Wachen den Kopf in ihre Richtung drehte. Dann schoss sie, der Pfeil flog kopflastig und eiernd von der Sehne… und traf den Vampir mitten auf die Brust. Zunächst geschah einen Herzschlag lang nichts. Dann stand auf einmal die Kleidung des Vampirs, der nun hektisch an sich herabsah, in Flammen, das musste der Phosphor sein. Und zuletzt begann, damit hatte ich nun nicht gerechnet, dass unelementare Feuer sein Werk. Wie eine niederhöllische Lohe begann es, sich in den Leib der Kreatur zu fressen. Ein schriller Schrei erscholl von der in flammen stehenden und gleichzeitig von innenheraus verbrennenden Kreatur. Das war mehr, als ich mir erhofft hatte, aber natürlich ein willkommener Umstand. Trotzdem hielt die Bestie das Dämonenhorn mit langsam schwarz werdenden Fingern weiter umklammert in den Himmel. Der Energiefluss war nicht unterbrochen!

Ich rannte am Waldrand los auf die Lichtung, Surina direkt hinter mir her. Das Ritual schien einfach von selbst weiter an der Kraft des Vampirs zu zehren, ihn regelrecht auszusaugen. Während sein Körper im Feuer verging, raubte ihm der Strahl gen Globule das letzte Fünkchen Lebenskraft. Ich hatte ungefähr den halben Weg geschafft, als die Kreatur endgültig zusammenbrach, kaum mehr ein qualmendes Häufchen, und der Kraftfluss zu versiegen begann, nachdem er nicht mehr mit Blutopfern oder aus einer anderen Quelle gespeist wurde. Samar al Regilor schrie erbost auf. Irgendwie hatte Faramud es geschafft, sich vor mich zu setzen. Er rannte ins Zentrum der Lichtung, und trennte dem Vampir mit einem gewaltigen Hieb den Kopf von den Schultern. Bis ich heran war, ich streckte schon die Hand nach dem Szepter aus, hatte er es mit seinem Schild regelrecht aufgeschaufelt, und begann damit Richtung Berg zu laufen. Ich fluchte innerlich. Er würde es nie rechtzeitig schaffen!

Mittlerweile hatte der Dämon im Himmel nicht nur den Kopf, sondern auch eine seiner Klauen aus dem langsam größer gewordenen Loch gezwängt. Auch von ihm war ein erbostes Heulen zu hören, anscheinend ahnte er, dass wir nun im Vorteil waren. Ich blickte mich nicht um, hoffte einfach nur das Surina und Pamina mir Samar al Regilor und ihre verbliebenen Schergen vom Leib halten mochten, während ich hinter Faramud her sprintete. Von oben ließ der Dämon schwarzen Frosthauch auf und herabregnen wie brennende Asche, die auf der Haut schmerzte und die Seele in Pein stürzte. Faramud und Pamina wurden getroffen und schrien auf, ich konnte dem unheiligen Nebel gerade noch entgehen. Langsam holte ich zu Faramud auf, der in seiner Rüstung nun doch merklich langsamer war als ich. Noch im Laufen schrie ich ihm zu „Gib mir das Szepter“ während ich begann mich auf die Ströme der Macht in meinem Körper zu konzentrieren.

Als ich gleich darauf Faramud erreichte stählte ich meinen Geist. Das würde wohl schmerzhaft werden… kein Blick zurück, ich war völlig auf mein Ziel fokusiert. Mit blanker Hand griff ich zu als Faramud sich zu mir umdrehte und nahm das Horn von seinem Schild. Die Eiseskälte der Niederhöllen fuhr mir brennend in die Finger. Nun hätte ich meine Gelegenheit. Ich müsste mich nur umdrehen und zurückgehen um meine Rache zu bekommen. Samar al Regilor mit dem Horn erschlagen, was wäre das für eine Befriedigung. Und gleichzeitig auch unser sicherer Untergang, wenn ich dabei versagen würde. Könnten wir gegen die Wache, Samars unheilige Kunst und das Dämonenross bestehen, oder würden sie uns den Sieg im letzten Augenblick entreißen? Ich fluchte. Es war einfach nicht richtig, das Schicksal Deres für die Aussicht auf persönliche, wenn auch noch so befriedigende, Rache aufs Spiel zu setzen. Im Bruchteil eines Wimpernschlags hatte ich, schweren Herzens, meine Entscheidung getroffen und vollendete den Zauber.

Ohne weitere Vorbereitung oder Absicherung kreuzte ich die Arme vor der Brust, die Hände weiter um Stab und Szepter geklammert. „Transversalis Teleport“, rief ich laut und vernehmlich, völlig ungeachtet dessen was hier so nah an einem Portal zum Limbus und einer dämonenverseuchten Globule geschehen mochte, falls mir auch nur der kleinste Fehler unterlief – und stand im nächsten Augenblick auf dem Hochplateau genau neben Moorlied, deren Körper im Fluss der Kraft mehr und mehr zu vergehen schien. Vielleicht gerade noch rechtzeitig, legte ich das Szepter in den goldenen, elementaren Strahl, der sofort begann die dämonische Essenz anzugreifen und das Horn aufzulösen. Allein die Präsenz des Horns in seinem inneren schien den Strahl zu schwächen.  So hatte ich mir das nicht gedacht! Mir war nur einfach kein anderer Weg eingefallen, wie wir das Horn vielleicht in die Globule hätten bringen können, zum werfen war die Kugel einfach viel zu weit oben im Himmel…

Ich blickte in die erschöpften, bleichen und verhärmten Gesichter der Nivesen, die Fänge leuchteten nur noch schwach und schienen ihre Macht fast verbraucht zu haben, genauso wie ich an Moorlieds Augen erkannte, dass ihr Körper, ihre Lebenskraft und Essenz, den Kräften die an ihr rissen nicht mehr lange würde standhalten können. Ihre Stimme war nur noch ein Hauch als sie zu den Schamanen mehr flüsterte als sprach, „Ich brauche mehr Kraft, es reicht nicht…“. Mit einem wölfischen Heulen schienen diese ihr letztes, ihr Leben selbst in die Waagschale zu werfen. Das war was wir Magier als die verbotenenPforten zu öffnen bezeichneten, um dafür zu sorgen, dass wir am Ende nicht doch versagten. Auch Sari sah ich an, dass sie bereit war ihr Leben zu geben und sich zu opfern, damit die Gefahr für Dere gebannt wurde. Ein Zittern lief durch ihren Körper, bevor sie an ihrem Zacken des Hexagramms zusammensank. Der Strahl pulsierte mit neuer Kraft auf und das Dämonenhorn setzte sich langsam in Bewegung, wurde gleichzeitig aber noch stärker angegriffen, schien sich aber auch dieser Kraft zu widersetzen, so als wolle es das Leben für sich absorbieren.

Oh nein, das würde ich nicht zulassen, nicht meine Sari! Wir waren nicht so weit zusammen gekommen, dass ich sie jetzt für den Erfolg opfern würde! In einem ersten Impuls legte ich meine Hand in den goldenen Strahl und spürte mit tastendem Geist nach einer Möglichkeit, vielleicht doch etwas von meiner Kraft dort hinein geben zu können. Aber da war nichts, es war einfach zu fremdartig für mich. Das einzige was ich spürte war, wie die Macht die dort floss förmlich körperlich an mir zerrte, als würde sie die Sehnen und Muskeln aus meiner Hand ziehen wollen. Hier würde ich nicht weiterkommen, traf mich blitzartig die Erkenntnis. Mir blieb nur noch eine einzige Möglichkeit. Mit einem weiten Schritt stellte ich mich zu Moorlied in die Mitte des Hexagramms, biss die Zähne zusammen. Dann legte ich meine Hände in die ihren, öffnete meinen Geist, konzentrierte mich und bot mich ihr mit einem Unitatio zum Bund an. Diesen Zauber hatten die Magier der Menschen einst von den Elfen erlernt, ich konnte nur spekulieren und hoffen, war mir aber fast sicher, dass sie als Zauberweberin den Cantus beherrschen würde. Bange Sekunden vergingen, bevor ich von ihrer Seite her das sachte, zarte Tasten ihres Geistes spürte, dass mein Angebot annahm und unsere Astralleiber endlich miteinander verband. So fremd, wie ein Leid, harmonisch – und gleichzeitig so anders als ich es gewohnt war. Der kurze Moment der unbändigen Freude die ich empfand, es geschafft zu haben mich mit ihr zu verbinden wurde sofort abgelöst von einem Gefühl der Panik als ich sag, dass das Szepter sich bisher kaum bewegt hatte und stattdessen den goldenen Strahl weiter auszulaugen schien.

Ich hätte vielleicht etwas ruhiger und bedächtiger vorgehen sollen, aber dazu war meine aufkeimende Angst einfach zu groß. Anstatt meine astrale Macht, und ich hatte noch einiges davon übrig, hatte ich doch bisher nur einen Balsam und einen Transversalis am heutigen Abend gewirkt, langsam und dosiert an Moorlied weiterzureichen, riss ich die Pforten meines Geistes wie die Schleuse eines Damms auf, den man von jetzt auf gleich bis zum Anschlag öffnete. Ich spürte regelrecht körperlich, wie meine Kraft aus mir herausgerissen wurde, sich durch Moorlied hindurch in den elementaren Strahl ergoss. Ein Schmerz durchzuckte meinen Kopf, als ich mit einem Mal so viel Kraft freisetzte, wie noch nie zuvor in meinem Leben in einem einzigen Augenblick. Und wäre es nötig gewesen, ich hätte auch noch meine eigenen verbotenen Pforten geöffnet! Ein helles gleißen ging durch den Strahl, die zusätzliche Macht ließ ihn aufflammen wie ein Leuchtfeuer vor dem dunklen Himmel. Endlich, endlich setzte sich das Szepter in Bewegung und wurde von der Kraft wie von einer Flutwelle im Strahl, getragen von den ihn bildenden Elementen, in Richtung der Globule gespült. Aus zusammengekniffenen Augen verfolgte ich seinen Weg. Dort verschwand die Rache, der Schwur den ich mir geleistet hatte im Himmel. Dieser Strafe würde Samar al Regilor also entgehen… Dann erreichte das Horn seinen ehemaligen Träger. Ein Zittern ging durch den Rand der Globule, als die letzte Verbindung des Dämons zu Dere in die fremde Welt gespült wurde. Endlich konnten die Elemente uneingeschränkt ihre Macht entfalten und ihr Werk vollbringen. Mit einem Schrei, der mir schier den Verstand raubte, erkannte der Aswar-Djalid, dass er endgültig verloren hatte! Der Riss n der Globule begann sich zu schließen und er musste Klaue und Kopf zurückziehen, würde er nicht gespalten werden wollen. Ich sackte neben Moorlied zusammen und schleppte mich dann zu Sari hinüber, ihren schwach atmenden Körper in meinem Schoß bettend. Peraine hilf, lass noch genug Leben in ihr sein um sie bei mir zu halten. Aber ich wäre bereit gewesen alles zu tun, um sie zu retten, wenn es nötig gewesen wäre. Aber die gütige Göttin hatte wohl meinen Ruf erhört, denn ihr stoßweiser Atem beruhigte sich und schließlich schlug sie mit flackernden Liedern die Augen auf. Preis sei den Zwölfen!

Von unten aus dem Tal hörte ich donnernden Hufschlag. Wenn der Feind nun ansetzte das Plateau zu stürmen, wir hätten ihm nicht mehr viel entgegen zu setzen. Wie es wohl dort unten Pamina, Faramud und Surina ergangen war? Bange Augenblicke vergingen, aber es geschah nichts. Im Gegenteil, der Hufschlag wurde schneller und schneller leiser… das musste Samar al Regilor gewesen sein, die auf ihrem Dämonenross geflohen war. Das Miststück war mir entkommen! Aber ich hatte nicht mehr die Energie, mich darüber aufzuregen. Nur eines war sicher… das war noch nicht das Ende. Ich würde sie Jagen, Aufspüren und zur Strecke bringen. Und wenn es mich noch Jahre kosten mochte. Aber ich würde sie nicht davonkommen lassen! Jetzt aber war ich einfach nur froh noch am Leben zu sein und Saris kraftlosen aber atmenden Körper halten zu können…

Als schließlich der Tag anbrach sammelten wir uns am Fuß des Plateaus. Pamina hatte die noch lebenden Blutopfer zu uns geführt. Sie würden wir mit nach Donnerbach nehmen müssen. Jetzt verstand ich auch, warum die Elfen das Tal so nannten. Im Morgengrauen hätte das fröhliche Lied der Vögel das Tal erfüllen müssen. Ich hörte – nichts. Kein pfeifen, kein Zwitschern, nichts was auf Leben hingedeutet hätte. Das Tal, in dem keine Lieder mehr gesunden werden. Ich war froh, als wir diesen verfluchten Ort endlich verließen. Und doch bin ich mir sicher, viele meiner Kollegen hätten diesen Flecken Deres ausgesprochen interessant gefunden. Zum Glück lag er unzugänglich mitten im Elfenland. Hier würde so bald niemand mehr Böses wirken.

Dieser Eintrag wurde am 19.01.2025 (14:19) verfasst und 107 mal aufgerufen.
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