Auf Leben und Tod
Dass die Prozedur mein erstes eigenes Artefakt zu erstellen mich erschöpfte, war eigentlich noch untertrieben. Ich habe den Aufwand zugegebenermaßen unterschätzt. Obwohl ich die Vorbereitung und Durchführung extra um 2 Tage getrennt hatte um mich zu sammeln – und allein das Warten diese beiden Tage hatte mich vor Neugier und Tatendrang wirklich Überwindung gekostet, aber ein Plan war nun mal ein Plan – war ich nachdem das Werk getan war überrascht, wie Kräftezehrend so etwas sein konnte. So leer hatte ich mich das letzte Mal im Anschluss an meine Abschlussprüfung gefühlt, bei der mich die Magister bis an die Grenzen getrieben hatten.
Auf den Tag danach fiel ein Erntefest zu Ehren der Herrin Travia, wohl einer der wichtigsten Tage für die Bauersleute, bei denen ich untergekommen war. In der Euphorie über meinen Erfolg und der allgemeinen Heiterkeit ließ ich mich wohl etwas mehr dazu hinreißen dem Wein zuzusprechen als sonst, obwohl ich ja eigentlich wusste, dass ich kaum mehr als ein Glas vertrug. So wachte ich am nächsten Tag mit dumpfem Schädel, einem trockenen Mund und doch reichlich getrübter Erinnerung wieder auf, und musste mir auch noch Gerede hinter meinem Rücken anhören, wie lustig der Herr in der schwarzen Robe mit den Dorfmaiden über den Platz unter der Linde gehopst sei, so böse könne der eigentlich gar nicht sein. Allein, ich vermochte mich nicht so recht daran zu erinnern, ob es wirklich so war. Aber warum sollte das einfache Volk in dieser Hinsicht Lügenmären spinnen? Da ich noch ein paar weitere Tage Kost und Logis frei hatte, beschloss ich, nicht sofort weiter zu ziehen, sondern mich angesichts meines sowohl astralen als auch körperlichen nicht-Wohlbefindens noch ein wenig auszuruhen. Das Wetter war mir wohlgesonnen. Ein güldener Praiosschein erfüllte die Tage, welche ich faul in der Sonne auf einem Heuballen liegend zu verbringen gedachte. Die Bücher konnte ich auch wieder in die Hand nehmen, wenn sich mein Kopf geklärt hätte.
Es war der zweite Tag meiner Erholung, als sich etwas ungewöhnliches ereignete. Ich lag wieder auf meinem Heuballen unter dem alten Apfelbaum. Dieser befand sich unweit einer großen, gut ausgebauten Straße welche die Dorfbewohner als „Reichsstraße“ titulierten. Was mich zu dem Schluss führte, dass es sich um eine Art überregionale Verbindung handeln musste. Das dort ständig Leute vorbei kamen die es sich zu beobachten meistens nicht lohnte war mir schon zur Normalität geworden. Jetzt, zur Mittagsstunde, war aber kaum Verkehr, die Meisten rasteten wohl zu dieser Zeit. Nur ein einzelner Reiter, wie im Schlaf auf seinem Pferde zusammengesunken, den Kopf auf der Brust, trottete die Straße hinunter. Eigentlich ging es mich nichts an. Vielleicht hatte der Herr ja auch eine durchzechte Nacht wie ich neulich hinter sich. Ich konnte ihm da völlig nachfühlen, wenn er sich ein wenig Erholung gönnte und die Arbeit sein Pferd machen ließ. Aber wenn er mir jetzt hier direkt vom Pferd vor die Füße fallen sollte müsste ich mich am Ende auch noch um einen aufgeschlagenen Kopf kümmern. Daher beschloss ich, ihn mit einem fröhlichen Ruf zu wecken.
„Heda, guter Mann, wohin des Wegs?“ rief ich mit lauter Stimme, die er sicher hören musste. Die Lautstärke meiner Stimme hatte ich beim Kommandieren in der Mine ja zu genüge erprobt. Allein, ich erhielt keine Antwort. Ich grübelte kurz. Sollte ich es dabei bewenden lassen, oder lieber nach dem Rechten sehen? Eigentlich ging mich ein schlafender Reisender ja nichts an. Aber am Ende siegte, wieder einmal, meine angeborene Neugier. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass hier etwas ungewöhnlich war, und darauf hatte ich mich noch meistens verlassen können. Also begab ich mich das kurze Stück hinüber zur Straße und kreuzte den Pfad des gemächlich trottenden Pferdes.
Meine Treu, der Mann trug aus der Nähe betrachtet die Farben des albernischen Königshauses, die ich noch aus Havena kannte. Dazu einen ledernen Panzer und er war überdies noch ohnmächtig und schwer verwundet. Ein kalter Schauer fuhr mir über den Rücken. Vielleicht ein Botenreiter der von Räubern überfallen worden war? Sein Schwert hatte er wohl verloren, die Scheide war leer. Nur ein Dolch steckte noch in seinem Gürtel. Dafür blutete er hellrot aus einer Schnittwunde an der linken Brust. Nun, ich hätte mich auch selbst darum kümmern können, der Schnitt sah aus als würde meine eigene Heilkunst ausreichen und ein schneller Balsam hätte wohl völlig genügt. Aber in Lebensgefahr schien mir der Mann nicht zu sein. Und um meinen Ruf als zu fürchtender Magus wäre es dann wohl in diesem Dorf endgültig geschehen gewesen, hätte ich mich hier auch noch als altruistischer Wohltäter aufgespielt. Die Dörfler wurden mir eigentlich jetzt schon zu zutraulich! Auch wenn das bei den jungen Maiden eigentlich gar nicht so schlimm war… Also beschloss ich, das Pferd zu dem Bauern zu führen bei dem ich untergekommen war und den örtlichen Geweihten zu holen. Sollte der doch seine Profession ausüben. Ich war ja nicht für alles selbst zuständig.
Eine neue Aufgabe
Die Unruhe unter den Bauersleuten war groß als ich ankam. Ich ließ den Mann auf ein provisorisch errichtetes Lager in der Stube betten und Schwester Adebara, eine Dienerin Peraines, holen. Genau die richtige um hier zu helfen, dachte ich bei mir. Als sie kam untersuchte sie die Wunde des immer wieder vor Schmerzen stöhnenden Reiters. Ich blieb dabei und sah der Priesterin aufmerksam über die Schulter. Ein schönes Beispiel für angewandte Wundversorgung bei schweren Schnittverletzungen, dass sie da bot. Der Mann presste, zwischen unverständlichem Gestammel, auch ein paar verständliche Worte hervor. „Räuber… Brief… muss reiten… Leben und Tod“. Aber das dürfte wohl nichts werden. Die Geweihte beschied deutlich, dass es nicht gut um ihn stand und er nun erst einmal viel Ruhe bräuchte, mindestens zwei Tage, eher mehr. Ich sah mich kurz um. Niemand achtete derzeit auf mich. Zwar war es eigentlich nicht meine Art in fremden Angelegenheiten zu schnüffeln, aber hier wurde es anscheinend doch interessant. Und ich hatte ja an sich ohnedies vorgehabt morgen weiterzureisen. Außerdem war ich wieder neugierig was so dringlich sei, dass man dafür diesem Boten ans Leben wollte. Also warf ich einen vorsichtigen Blick auf sein überschaubares Gepäck, welches kaum mehr als die persönliche Reiseausstattung enthielt, und fand einen gesiegelten Brief mit drei Kronen darauf, gerichtet an einen Vogt Cuill ui Harmlyn zu Honingen. Das Siegel entsprach dem Wappenrock des Reiters, musste also dem Königshaus zuzuordnen sein. Darum schien es also zu gehen. Angesichts der Tatsache, dass ich mein fortgehen ja eh schon fest eingeplant hatte – trotz der drallen Blonden die mir seit dem Erntefest immer wieder kichernd über den Weg lief egal wo ich war –beschloss ich, die Aufgabe des Boten zu Ende zu bringen. Honingen war, wie ich wusste, ohnehin nicht mehr allzu weit weg. Und die Richtung stimmte auch grob, wollte ich nicht zurück Richtung Horasreich oder gen Havene gehen. Also nahm ich das Schreiben mit dem Einverständnis der Geweihten an mich.
Meine Sachen waren schnell gepackt, ich nannte ja immer noch nicht viele Dinge mein Eigen. Aber auch dieses Wenige in einer Stofftasche herumzutragen wurde langsam doch beschwerlich. Vielleicht konnte ich in Honingen einen Rucksack erwerben der die Beförderung etwas angenehmer machen würde. In meinem Hinterkopf meldete sich immer wieder eine Stimme, ich sollte zumindest wissen was in diesem Brief stand, den ich da bei mir hatte. Curiositas damnatus! Neugier, ich verdamme dich! Jedes Mal, wenn ich den Brief ansah, juckten meine Finger und wollten ein Eigenleben entwickeln. Aber ein Magus hatte nun einmal einen eisernen Willen, er kennt seine Schwächen und weiß sich im Zaum zu halten! Und überdies, was gäbe das für ein Bild? Ich als Fremder gäbe einen königlichen Brief an einem Fürstenhof ab, das wächserne Siegel gebrochen. Am Ende stünden da Geheimnisse geschrieben, die mich wie in der Mine in Gefahr brachten mit der Obrigkeit in Konflikt zu geraten? Nein, das war das Risiko nicht wert. Lieber machte ich mich einfach so auf den Weg. Der Entschluss war gefasst, mein Wille Stark und Zuversicht durchströmte mich als ich aufbrach.
Ein gefahrvoller Weg
Das Pferd des Boten war wohl heute nicht allzu lange oder zumindest nicht übermäßig scharf geritten worden zu sein, es schien mir noch recht frisch zu sein. Ich tat der Geweihten und dem Bauern meine Absicht kund um Missverständnisse zu vermeiden. Beide waren sichtlich froh, dass ich mich der Sache annahm und sich keiner von ihnen beiden darum kümmern müsste. Man riet mir das Pferd mich dem königlichen Brandzeichen zu nehmen und als Zeichen meiner Aufgabe den Wappenrock des Boten überzuwerfen. Dann würde jedermann sofort sehen, dass ich in offizieller Mission unterwegs sei. Ich tat wie geheißen, die Idee schien mir vernünftig, und man sattelte mir das Pferd. Das war auch besser so. Selbst hätte ich es wohl kaum gekonnt, meine Erfahrungen mit Pferden konnte man getrost als minimal bis nicht vorhanden bezeichnen. Aber wie schwer konnte es schon sein sich im Sattel eines dahinwackelnden Vierbeiners zu halten? Honingen würde ich schon morgen zur Mittagszeit erreichen beschied man mir, bevor man mich verabschiedete und mir die Geweihte noch 20 Heller Handgeld mit auf den Weg gab um Unterkunft und Verpflegung sicher zu stellen. Dann machte ich mich auf.
Nun ja, mit meinem reiterischen Geschick war es, wie gesagt, nicht weit her. Um ehrlich zu sein saß ich jetzt das erste Mal auf einem Pferd, das nicht jemand anderes am Strick führte. Vielleicht wäre ich zu Fuß doch schneller? Ach was. Ich würde es einfach auf einen Versuch ankommen lassen. Lieber schlecht geritten als gut gelaufen. Absteigen und weiter gehen konnte ich ja immer noch jederzeit. Allerdings wurde es mit einem eindrucksvollen Ritt für die Maiden die Dorfstraße hinunter nichts, da ich im Sattel zugegebenermaßen wohl eine jämmerliche Figur abgab und alle Mühe hatte mich überhaupt oben zu halten. Viel schneller als zu Fuß würde ich so wohl auch nicht sein. Aber wenigstens musste ich nicht selber laufen, dass hatte mich schon von Selem bis ins Mittelreich und nach Bethana am meisten am Reisen gestört. Ich bog also auf die Reichsstraße ein und vor mir dräuten, als dunkler Streifen am Horizont, einige Erhebungen in der Landschaft. Der Greifenberg, wie ich noch erfahren hatte, sei ein steiler Hügel, über den es zwar kürzer wäre gen Honingen, aber die Straße führe außen herum. In Anbetracht der Tatsache, dass ich auch so schon genug zu tun hatte das Tier vorwärts zu bewegen entschied ich mich deswegen dafür, den längeren Weg außen herum zu wählen. Es brächte ja niemand etwas, wenn ich auf dem Hügel vom Pferd in eine Schlucht stürzen würde. Und wofür hatten sie denn hier die Reichsstraße angelegt, wenn ich sie nicht nutzen würde?
Eigentlich hatte ich geplant bis zur nächsten Raststätte zu reiten, die hier an der Reichsstraße ja regelmäßig standen. Meist einfache Häuser mit einfachem Essen, aber immerhin zur Nacht ein Dach über dem Kopf. Aber schon aus der Ferne musste ich zu meiner Enttäuschung einen roten Schein und Rauch sehen, die, sich in den Abendwolken spiegelnd, mir entgegen leuchteten. Als ich ankam stand der Stall der Herberge lichterloh in Flammen. Leute eilten hektisch hin und her. Hier würde ich kaum helfen können, außerdem hatte ich eine Aufgabe. Mit der geplanten geruhsamen Nacht war es wohl trotzdem fürs erste nichts, sie hatte sich, im wahrsten Sinne des Wortes, in Rauch aufgelöst. Ich erhielt von einem vorbeieilenden Knecht die Auskunft, dies sei das Werk von 5 Schlagetods, abgerissene Halunken unter der Führung einer Frau, die im allgemeinen Durcheinander die Reisenden bestohlen hätten. Grandios, noch ein Punkt auf dieser Reise, der es nicht einfacher machte. Nun musste ich nicht nur noch bis zum nächsten Gasthaus weiter reiten obwohl es bald dunkel werden würde, sondern auch noch besondere Obacht walten lassen, weil vielleicht Strauchdiebe vor mir auf dem Weg warten mochten. Grandiose Aussichten… aber ab sofort war ich lieber noch aufmerksamer als sonst eh schon.
Diese Umsicht zahlte sich alsbald aus. Lieber sicher, als überhastet, sagte schon Meister da Vyna immer. Ich hatte die brennende Herberge noch nicht weit hinter mir gelassen, als ich in einem Gebüsch die Straße hinunter meinte eine Bewegung zu sehen. Vielleicht ein schlecht versteckter Tagedieb der nur darauf wartete mich in einen Hinterhalt zu locken? Was sollte ich tun? Von 5 Gestalten war die Rede gewesen, zu viele um sie im Kampf zu konfrontieren. Aber einfach schnell versuchen vorbei zu hetzen war bei meinen Reitkünsten auch nicht geraten, ich würde ihnen wohl dabei eher direkt vor die Füße fallen. Also beschloss ich erst einmal ein Stück den Weg zurück zu reiten und mir die Situation per Pedes näher und von hinten anzusehen.
Ich schlich durch die Büsche neben der Straße. Solche Dinge lagen mir, sozusagen, im Mohablut. Einer Dschungelkatze gleich, kein Geräusch verursachend, näherte ich mich der Stelle die ich vorher gesehen hatte. Zum Glück war der Tag noch nicht ganz vorbei, so dass es auch für mich noch genug Licht gab um zu sehen. Tatsächlich, eine Hand voll abgerissener Gestalten kauert da im Hinterhalt neben der Straße, nahe bei ein paar Kleppern, die auch nicht besser aussehen als ihre Herren. Ich war gerade nahe genug zum zu verstehen, dass die Frau, offensichtlich die Wortführerin, mit ihren Schergen unzufrieden war. Und den Beweis, dass es sich um dieselben Kerle handelte, die früher am Tag auch den Boten überfallen haben mussten, hatte ich nun durch ihre Worte auch. Allerdings schien sie zumindest soweit denken zu können, dass ihre Taten genug Aufmerksamkeit erzeugt hatten, so dass sie die Gegend nun verlassen müsste. Aber ihre Schergen ließ sie trotzdem hier an der Straße warten, um dem nächsten armen ahnungslosen Reisenden wie mir selber aufzulauern, während sie aus einem Lager in der Nähe Sachen herbeischaffen wollte. Das machte die Situation für mich zwar klarer, aber deswegen nicht besser. Auf der Straße würde ich mit dem Pferd an diesen Halunken trotzdem nicht vorbeikommen. Aber der Schlange schlägt man bekanntlich am besten eh zuerst den Kopf ab… deswegen beschloss ich dem Weib zu folgen und die Bande ihrer Führung zu berauben.
Wie man mit Halunken umgeht
Zwar konnte ich mich an ihre Fersen heften, aber das dreckige Miststück legte ein ordentliches Tempo vor das es mir schwer machte ihr ungesehen durchs Unterholz zu folgen. Ihr durch den Wald zu folgen war schwerer als ich dachte, und gerade als ich schon befürchtete sie völlig verloren zu haben – ich bin nun einmal Magus und kein Waldläufer – stolperte ich auf eine Lichtung hinaus. Leider ohne die Frau vor mir zu sehen. Dafür musste ich ein knacken in meinem Rücken vernehmen. Offensichtlich war ich beim Verfolgen, Anschleichen und Verstecken doch nicht so geschickt gewesen wie ich es mir eingebildet hatte, denn die dürre Räuberin stand mit gezückter Waffe hinter mir und wollte mich wohl aus dem Hinterhalt heraus niederstrecken. Nun hieß es wohl, ihr Säbel gegen meinen Stab und Geist.
Auf ein langes Duell mit ihr wollte und konnte ich mich nicht einlassen. Dazu hatte ich zu viel Respekt vor ihrer schartigen Klinge. Ich sammelte meinen Geist, formte direkt einen Schlag der sie vielleicht schon aufs Erste außer Gefecht setzen sollte. Sie hieb dafür mit der Klinge nach mir, verfehlte aber knapp meinen Arm. Ihre Bewegungen waren ungelenk, so als ob sie selbst – zu meinem Glück - keine besonders gute Fechterin wäre. Das hatte ich bei Xinda zum Beispiel schon deutlich eleganter gesehen. Ich stieß ihr meinen Arm mit dem Zauberstab entgegen, ein laut vernehmliches „Fulminictus Donnerkeil“ hallte über die Lichtung. Und sie krümmte sich vor Schmerzen. Ein Strom von Kraft durchfloss mich von dessen Intensität ich kurz übermannt wurde. Dieser Zauber war wirklich Potent, aber wenn er doch nicht immer so viel Kraft kosten würde! Sicher ein Viertel meiner Macht war damit auf einen Schlag dahin. Dafür lag das Weib nun ohnmächtig vor mir. Gnade aber war für diese Mordbrennerin nicht angebracht, dessen war ich mir sicher. Daher stieß ich ihr, bevor sie wieder erwachen konnte, meinen Dolch in die Kehle so wie ich es Fabrizio hatte bei Donato machen sehen. Ein Blutschwall spritzte mir entgegen und vor meinen Füßen auf den Boden. Was für eine Sauerei, schlimmer als in den anatomischen Kursen im Studium! Aber da hatten wir ja auch nur an schon Toten geübt…
Erst einmal schöpfe ich kurz Luft und bekämpfte die aufkommenden Kopfschmerzen. Das konnte ich nun wirklich gerade nicht gebrauchen, immerhin gab es noch mehr von den Kerlen. Und viel öfter wollte ich diese Variante zu siegen eigentlich nicht ausprobieren. Eas, wenn nun ihre Kumpanen kommen würden? Ich bedeckte die Tote grob mit Steinen und Ästen, einerseits um sie zu verstecken, andererseits um die Tiere von ihr abzuhalten. Ihr Leichnam mochte als Beweis meiner Tat dienen, wenn der Vogt zu Honingen seine Leute ausschicken würde.
Anschließend beschloss ich mein Pferd zu holen und um die vier verbliebenen Gestalten hier hinten herum vorbeizuführen. Allemal sicherer, als von ihnen doch noch auf der Straße ausgeraubt zu werden. Zwei Stunden später erreichte ich im Schein meiner Laterne ohne weiter behelligt worden zu sein die Herberge „Zum Sechsspänner“, wo man mir für eine Übernachtung und ein einfaches Mahl 8 Heller abnahm. Zwar hatte ich schon erholsamere Nächte gehabt, aber das musste reichen. Und nach einem kurzen Frühstück setzte ich die Reise fort. Der restliche Weg gestaltete sich erfreulicherweise aber als wenig anstrengend und gefährlich.
Ankunft in Honingen
Honingen betrat ich durch das Praiostor, vorbei an einer Gardekaserne, dem Peraine- und Rondratempel hinein in die Innenstadt. Es war nicht schlecht für so ein Kleinstädtchen, aber selbst Bethana war da noch schicker gewesen. Hier wirkte alles irgendwie…. bieder und ländlich. Als ich mich schließlich zum Stadthaus des Vogtes durchgefragt hatte war dieser selbst nicht zu sprechen, ein vielbeschäftigter Mann eben. Also übergab ich die verschlossene Botschaft einem Offizier der Garde, dieser wiederum einem Laufburschen, der sie dem Vogt bringen sollte. Nun war ich froh das Siegel nicht gebrochen zu haben. Das hätte wohl selbst mit einem einfachen Wachmann Probleme gegeben.
Das Lob für mein umsichtiges Handeln, welches mir von dem Offizier angetragen wurde, war zwar freundlich gemeint, aber eine Heldentat hatte ich nun wahrlich nicht vollbracht. Wüsste der Mann, mit was für Ärger ich mich in den letzten Monden ansonsten herumgeschlagen hatte, er hätte sich wohl den Atem gespart. Für das kurze Wegstück gestand er mir die Entlohnung zu, die sonst der Bote erhalten hätte. 11 Heller, die ich mir gegen Zahlschein an der Kasse abholen durfte. Ein Betrag, der es eigentlich kaum Wert war das schöne Papier dafür zu verschmutzen! Aber gut, dies waren wohl die ordnungsgemäßen Wege, die die Bürokratie in diesem Land ging. Ich berichtete ihm noch von den Räubern die nach wie vor auf freiem Fuß waren sowie deren toten Anführerin im Wald, und er versprach, sich darum zu kümmern. Ein Kopfgeld, auf das ich zugegebenermaßen ein wenig gehofft hatte, gab es allerdings keines. Dazu war diese Truppe wohl zu unbedeutend. Und den Mantel des Botenreiters musste ich ebenfalls wieder abgeben.
Eine unerwartete Belohnung
Am Abend hatte ich mich in einer Schenke niedergelassen, dem „Roten Einhorn“, wohl wissend, dass dies den Verdienst der letzten Tage fast gleich wieder aufzehren würde. Aber sei es drum, den Silbernen sollte es mir heute Wert sein. Ich gedachte gerade mich endlich zu Bett zu begeben, als ein kräftiger Mann um die Vierzig an meinen Tisch trat. Er stellte sich als Angor Burkherdall vor, ein Schmied aus Honingen der wegen einer ungerechtfertigten Anklage zum Tode verurteilt worden war. Das Schreiben, welches ich gerade noch rechtzeitig überbracht hatte, sei seine Begnadigung gewesen, weswegen er mir danken wollte. Also blieb ich doch noch etwas auf und wir setzten uns auf ein Bier zusammen, das er gerne zahlte. Ich erzählte ihm die, aus meiner Sicht recht unspektakuläre und kurze, Geschichte, dann zog er einen Dolch aus seinem Wams. Ein fein gearbeitetes Stück, schlank, elegant und mit Gravuren überzogen, dass er mir, bevor er sich verabschiedete, als seinen persönlichen Dank übergab. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber die Götter sahen wohl genau hin und ich hatte langsam den Eindruck, gute Taten blieben doch nicht so unbemerkt und unbelohnt, wie ich früher immer gedacht hatte.
Und doch, noch etwas anderes hatte ich aus den letzten Tagen gelernt. Mir würde wohl nicht immer eine bequeme Kutschfahrt zur Verfügung stehen, und Schusters Rappen, wie man so schön sagte, könnten von Zeit zu Zeit einfach zu langsam sein, wenn die Zeit drängte. Ich beschloss daher zumindest noch 3 Tage in Honingen zu verweilen und quartierte mich in der Herberge „Honigtop“ ein, die mir sehr ordentlich und bodenständig geführt zu sein schien. Überhaupt machte Honingen auf den zweiten Blick einen sehr ordentlichen und geruhsamen Eindruck. Ein Ort, an dem man durchaus den einen oder anderen Tag verweilen mochte, zumindest wenn man die Muße dazu hatte. Das kostete mich zwar einen weiteren Dukaten, aber ich hatte ja ein Ziel. Am nächsten Morgen suchte ich eine Stallung auf und fragte dort, wo man hier denn Reitunterricht nehmen könnte. Ich wurde an einen Mann namens Orfang verwiesen, der hier so etwas wie der Stallmeister war und wohl auch dem ein oder anderen Sohn oder Töchterchen aus besserem Haus hin und wieder gegen Salär das Reiten beibrachte. Genau der Mann, den ich gesucht hatte. Ich musste also noch einmal 3 Goldstücke berappen, aber das war es mir Wert. Er wies mir eine ruhige Mähre zu, da ich zu Anfang nicht überfordert werden sollte und unterwies mich die nächsten Tage in den Grundzügen des Reitens bis ich zumindest unfallfrei in den Sattel und wieder herauskam. Ja, ich war sogar hin und wieder im Trab über die Feldwege der um Honingen liegenden Äcker geritten. Jetzt fühlte ich mich im Umgang mit Pferden schon deutlich sicherer als zuvor. Ich war zwar bei weitem noch davon entfernt ein Rittmeister wie die Novadis, die man bisweilen in der Arena zu sehen bekam, zu sein und im Sattel Kunststücke aufzuführen. Aber wenigstens musste ich mir nun nicht mehr bei jedem Schritt Gedanken machen, gleich unrühmlich gen Dere zu plumpsen.
Die Abende verbrachte ich dann allerdings zumeist mit schmerzendem Gesäß im Kerzenschein auf meinem Zimmer und las in meinem zuletzt erworbenen Buch, der Magie des Stabes. Die Aussicht, was sich mit meinem Zauberstab noch alles anstellen ließ war erhebend. Allerdings würde mich das noch einiges weitere an Zeit der Studien kosten, die ich jetzt, mit traurigem Blick in meine Reisekasse, nicht hatte. Überdies hatte ich nun in Honingen selbst kein Ziel mehr vor Augen. Allein deswegen würde es mich bald wieder auf die Straße ziehen.
Ich war gespannt, wohin mich mein Weg nun führen würde. Honingen war zwar schön und ich fühlte mich hier vorerst sicher, aber einfach zu provinziell. Über meine nächsten Schritte musste ich mir nun also ernsthaft Gedanken machen.