Tagebuch von Victor Dondoya Aureumresistis Stellamane D'Pelisario von Al'Anfa
Die Geheime Mine - Epilog

Die Geheime Mine - Epilog

Damit hatten wir es geschafft.  Wir konnten die Mine von innen heraus und aus eigener Kraft befreien. Aber einfach auf Rettung von außen zu hoffen wäre wohl auch vergeblich gewesen, bei all der Geheimhaltung welche die daCostas betrieben hatten. Das hätte sicherlich ewig gedauert, wenn denn je jemand vor unserem Tod von unserer Lage erfahren hätte. Manchmal muss man das Glück einfach in die eigene Hand nehmen - faber est suae quisque fortunae. Oder, wie es das einfache Volk gängiger ausdrückt, Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Phex. Während ich selbst jetzt also so etwas wie der letzte höher gestellte „Ofizielle“ war der noch etwas zu sagen hatte, kristallisierte sich Fabrizio schnell als Anführer, Sprecher und auch Fürsprecher der Gefangenen heraus. Ein Umstand, den ich wirklich begrüßte, schien er doch einen kühlen Kopf bewahren zu können und durchaus etwas von Organisation zu verstehen, dass musste man ihm lassen. Freilich, er war kein Magier, aber Hesinde hat die Gabe zu denken ja auch nicht ausschließlich unsereins Geschenkt, und Fabrizios Erfahrung als Angehöriger einer Händlerfamilie waren an dieser Stelle wohl genau das, was wir gebrauchen konnten.

Abwicklung der Mine

Fabrizio bat mich zusammen mit seinem Leibwächter und Xindas Gruppe in der Kammer des verblichenen Donato Efferdan da Costa zum Gespräch. Zunächst riet sein Leibwächter dazu, die Zugbrücken wieder zu reparieren und hochzuziehen, um ein heilloses Durcheinander und sinnloses Plündern der Vorräte und Habseligkeiten sowie gewaltsame Übergriffe durch die befreiten Gefangenen gegenüber den Zwergen und den verbliebenen Wachen zu verhindern – was mich vermutlich mit Einschloss. Zuvor aber sollten die Zwerge, Ulf der Magier und die letzte noch unten verbliebene Wache in der Schmiede nach oben gebracht werden. Das erschien mir logisch. Da mochte es durchaus ein gewisses Gewaltpotential geben, das sinnvollerweise von vornherein eingedämmt werden musste. Vorsicht war besser als Nachsicht. Ich kannte das von zu Hause. Da entlud sich so ein Aufstand des Fanas auch recht schnell in Gewaltorgien, die dann nur schwer wieder unter Kontrolle zu bringen waren, wenn man nicht gerade ein Banner Basaltfäuste zur Hand hatte. Gerade hier ohne ausreichend Schlagkraft durch Garden könnte das schnell Nebeneffekte erzeugen, von denen niemand etwas hätte. Und ich selbst war mir meines Schutzes in diesem Fall dann auch nicht allzu sicher. Also setzten wir den Plan genauso um und sperrten sie alle mit dem noch sichtlich betrunkenen Wachmann aus der Eingangshütte zu den beiden bereits in Donatas Kammer befindlichen und mittlerweile wieder entfesselten Wächtern. Wieder blieb es an mir das Denken zu übernehmen, musste ich doch extra darauf hinweisen, dass vorsichtshalber auch jemand den Ausstieg über den Kamin bewachen sollte.  Zwar, so Fabrizio, hätten sich diese Wachen nicht aktiv am Befreiungskampf beteiligt und auch ansonsten kein rühmliches Bild von sich abgegeben, aber im Prinzip seien Sie ohne großen Sadismus an den Tag zu legen nur Ihren vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen, weshalb ihnen lediglich „Gleichgültigkeit“ und „absoluter Gehorsam gegenüber der Obrigkeit“ vorzuwerfen sei. Mit dem Verweis darauf, dass dies keine Gründe seien Ihnen allesamt das Leben zu nehmen. Ich fand eigentlich sogar eher im Gegenteil. Die ordnungsgemäße Pflichterfüllung sollte dem Befehlsempfänger eher noch hoch angerechnet werden als ihm einen Strick daraus zu drehen! Aber ansonsten Teilte ich seine Meinung, wir dachten offenbar in ähnlichen Bahnen. Nach kurzer Beratung befahl er den Wächtern, dass sie ihre Habseligkeiten zusammenkratzen sollten und ließ sie anschließend Ihrer Waffen entledigt aus der Mine führen. Anstelle des noch ausstehenden Lohnes erhielten sie lediglich 2 Dukaten pro Nase um auf Ihrem Weg aus dem Horasreich heraus zumindest Kost und Logis bezahlen zu können. Für Ulf brach ich an dieser Stelle aus Kollegialität eine Lanze und sorgte zumindest dafür, dass er seinen Stab behalten durfte – der war im engeren Sinne ja keine Waffe, sondern Standessymbol. Ihm den zu nehmen hätte uns im Nachhinein wohl mehr Ärger eingebracht als Nutzen. Nachdem die Wachen, Ulf und die Zwerge – letztere nicht ganz freiwillig ob ihres offensichtlichen Verlustes an den versteckten Schätzen - abgezogen waren, bat Fabrizio uns ein paar Gefangene auszusuchen und sämtliches verhüttetes Silber nach oben in Donatos Kammer bringen zu lassen. Natürlich inklusive der 30 Säcke die von den Zwergen beiseitegeschafft worden waren. Fürwahr, der Mann dachte schnell und logisch. Ich war zwar nicht ausnahmslos damit einverstanden, dass er sich jetzt direkt wie der Herr der Situation gebärdete, aber solange alles Hand und Fuß hatte was er anordnete und nicht zu meinem Nachteil war, war ich zugegebenermaßen auch ein wenig froh, nicht auch noch hierfür die Verantwortung übernehmen zu müssen. Die Entwicklungen der letzten Tage hatten doch etwas an meinem Nervenkostüm gezehrt, auch wenn ich mir dies nicht anmerken ließ. Außerdem war es eher mein naturell aus dem Hintergrund heraus die notwendigen Entscheidungen herbeizuführen und Einfluss zu nehmen, ohne allzu stark selbst in Erscheinung zu treten. Ja, es war oft eher von Vorteil, wenn die Gegenseite sich auf eine Gallionsfigur fokussierte, als zu wissen, wer die Entscheidungen im Hintergrund tatsächlich traf und die Fäden in der Hand hielt. Wir hatten an der Universität einen Dozenten für Maffiawellismus, der hätte mir da sicher zugestimmt.

Mir oblag es zwischenzeitlich die Gefangenen darüber zu informieren, dass heute keine Arbeit anstand, sie sich unten frei bewegen könnten und sich darüber hinaus ihre Situation jetzt drastisch verbessern würde. Als alles wie geplant nach oben geschafft war erklärte uns Fabrizio, dass seiner Ansicht nach jeder der in der Mine Frondienst leisten musste – von Sklaven will ich an dieser Stelle nicht sprechen, denn die haben ja nun wirklich einen anderen Stand und Status- entsprechend seiner Dienstzeit entlohnt werden sollte. Dies wäre nur gerecht und, da im Horasreich Sklaverei verboten wäre – ich fand trotzdem das sei die falsche Bezeichnung- dies sei das Mindeste was an Widergutmachung gegenüber den Gefangenen zu leisten wäre. Den Gedankengang konnte ich zwar nachvollziehen, aus rein humaner Sicht, selbst darauf gekommen wäre ich aber wohl eher nicht. Einem freigelassenen Sklaven schenkt man ja auch nicht noch Gold dafür, dass man seine Arbeitskraft nun verliert. Im Gegenteil lässt man sich seine Freilassung eher noch von irgendwem bezahlen, es sei denn er hätte sich um seine Herrschaften besonders verdient gemacht. Und das hatten die Massen unten in der Mine ja wohl kaum. Aber egal, dies war ein anderes Land mit anderen Sitten, da musste man sich anpassen, wollte man nicht anecken. Und Fabrizio verstand die örtlichen Gepflogenheiten einfach besser als ich selbst.

Mein besonderer Einsatz und der der Gefangenen Xinda, Pamina und Ansgar sollte natürlich nicht unbelohnt bleiben, schließlich hatten die Gefangen und auch Fabrizio uns Ihre Freiheit zu verdanken. Zumindest die Wachen die sich an der Befreiung beteiligt hatten sollten ebenfalls entsprechend Ihrer in der Mine verbrachten Arbeitszeit entlohnt werden. Eine kluge Entscheidung wollte ich  meinen, immerhin war Bergil mit seinen Leuten und ich das, was man jetzt als seine „Machtbasis“ bezeichnen könnte. Hätte er diese Sicherung seiner Autorität außen vorgelassen, er hätte wohl direkt das nächste Problem an der Backe gehabt. Die Gefangenen insgesamt sollten zudem die Möglichkeit bekommen sich aus der Aservatenkammer bzw. der Waffenkammer ihre persönlichen Gegenstände zurück zu holen. Sollte schon etwas verkauft oder verbracht worden sein dürften die Gefangenen sich einen adäquaten Ersatz aussuchen. Ich konnte gar nicht ahnen, nicht wie lange Fabrizio sich darüber schon Gedanken gemacht hatte, aber ich bezweifelte ernsthaft, dass diese Ideen alle spontan entstanden. Dazu waren sie zu ausgefeilt und wohl durchdacht. Aber gut, er hatte ja schon lange genug Zeit gehabt über alles was hier drin geschah nachzusinnen. Wahrscheinlich hatte er schon einige Fantasien während seiner Gefangenschaft gehabt, die er jetzt nur noch mit Details zu diesem wirklich kompetenten Plan vervollständigte. Als Führer eines Handelshauses dürfte er eine ziemlich gute Figur abgeben, das musste man ihm lassen. So jemanden als Freund zu haben würde langfristig gesehen sicher nicht schaden.

Was die Gefangenen und Anderen alles bekamen war mir ehrlich gesagt ziemlich egal. Relevant war nur der Anteil, der am Ende an mich ging. Fabrizio machte in meinem und Xindas Beisein einen „Kassensturz“ wie er es nannte. Diese Händlersprache war mir einfach Fremd, da hatte ich schon immer Probleme gehabt Vater zu folgen, aber er machte damit wohl eine Aufnahme aller Bestände die er weiterzugeben gedachte. Ich erhielt von allem was sich fand am Ende 5 Barren reines Silber. Fabrizio meinte, der Gegenwert in Dukaten würde wohl an die 45 Goldstücke betragen, was ich dann recht ansehnlich fand. Den Beutel aus Donatos Kammer mit den 88 Dukaten beließ ich ohne weiteren Kommentar in meinem Besitz nachdem niemand danach fragte. Woher hätten sie es auch wissen sollen, das Gold hätte ja genauso gut in der Truhe bei dem anderen Minenkapital dabei sein können. Ich würde dieses Geld die nächste Zeit sicher noch gut gebrauchen können.

In den folgenden Tagen machten wir uns daran, die Auflösung der Situation zu organisieren, einen Boten abzusenden und Unterstützung von offizieller Seite zu erhalten. Schließlich wurden wir von einem Kronverwalter und einem Trupp Gardisten in horaskaiserlichen Wappenröcken abgelöst. Diese sollten hier für Sicherheit sorgen, bis das weitere Verfahren über die Mine beschieden sei. Aber das ging mich nun wirklich nichts mehr an.

Zurück nach Bethana – der Mühen Lohn

Fabrizio lud uns ein mit ihm nach Bethana zurückzukehren um uns seinem Vater vorzustellen. Nun ja, angesichts der noch ausstehenden Belohnung die er mir versprochen hatte war das eine klare Entscheidung. Außerdem sollte dort wohl die Gerichtsverhandlung stattfinden, bei der ich als Kronzeuge würde Aussagen müssen. Auf dem Rückweg kamen wir noch bei einem Gehöft vorbei auf dem die kleine Pamina den von ihr so vermissten Hund wieder fand. Ein feines Tier, das sich sichtlich freute seine Herrin wiederzusehen. Da konnte man die Besitzverhältnisse gar nicht leugnen. Ich kannte mich mit Hunden nicht übermäßig gut aus, aber es schien sich um eine Art Jagdterrier zu handeln, auf jeden Fall war es kein Kampf- oder Wachhund wie ich ihn von unserer Plantage kannte.

Fabrizios Vater, Herr Miguel di Garangor, empfing uns äußerst gastfreundlich und dankbar, beherbergte uns in seiner Stadtvilla und bot an, dass wir künftig jederzeit im Hause di Garangor willkommen seien und zu jedem Zeitpunkt eine Anstellung bei Ihnen antreten könnten. Zum jetzigen Zeitpunkt zwar keine Option für mich, fürchtete ich doch ehrlich gesagt um mein Leben und meine Gesundheit sollte ich übermäßig lange hier verweilen – Donata würde das Ableben ihres Bruders sicher nicht einfach so hinnehmen und war als Magierin zu Recht unangenehmen Arten der Rache fähig. Zudem müsste ich auch irgendwann wieder zu meinem Vater zurückkehren, aber wer konnte schon wissen, was die ferne Zukunft bringen mochte? Die Familie di Garangor betrieb Landhandel im Horasreich und Seehandel von Havena firunwärts des Horasreichs bis nach Chorhop hinunter, wie wir erfuhren. Auch würden die Zyklopeninseln regelmäßig angefahren. Damit waren sie wohl kein großes Handelsimperium, aber sicherlich eine Verbindung, die es sich für meine Familie warm zu halten lohnte.

Der alte di Garangor händigte mir in einem wasserdichten Ledereinband einen personalisierten, lebenslang gültigen Passierschein aus, der es mir erlauben würde, bei freier Beförderungskapazität, sowohl zu Wasser als auch zu Lande umsonst mit den Verkehrsmitteln der Familie di Garangor zu reisen. Diesen Passierschein erhielten normalerweise nur verdiente Angestellte des Hauses di Garangor ausgefertigt und das auch nur zeitlich begrenzt. Er stellte also an sich schon einen nicht unerheblichen Wert und natürlich eine deutliche mögliche Steigerung meines Reisekomforts dar. Der Schein war mit einer detailgetreuen Zeichnung meines Gesichts versehen, gesiegelt und unterschrieben. Eine nette Dreingabe, die ich vielleicht nicht oft nutzen können würde, aber sie verdeutlichte mir insbesondere noch einmal die Wertschätzung meiner Leistung jenseits des üblichen Maßes, welches sich in blankem Gold rechnen ließ. Dieses schreiben würde ich ihn Ehren halten. Es mochte vielleicht nicht nur seinem eigentlichen Zweck dienen, sondern auch noch die ein oder andere Tür als Empfehlung öffnen können.

„In Dank und Anerkennung der Verdienste für das Handelshaus di Garangor in Bethana ist es Victor Dondoya d‘Pelisario fortan bis zu Seinem Ableben erlaubt, Handelsschiffe und Landbeförderungsvehikel der Familie di Garangor kostenlos zu nutzen, sofern ausreichend Kapazität vorhanden ist und das normale Handelsgeschäft durch die Mitreise nicht beeinträchtigt wird.“

Gez. Miguel di Garangor

Bethana, gegeben im Jahre 1024 BF - Siegel

 

Am Abend bat mich Fabrizio dann noch um ein persönliches Gespräch. Zwar wäre er selbstverständlich bereit mir die versprochene Belohnung jetzt und auf der Stelle auszuzahlen, allein er wüsste da vielleicht noch etwas anderes, mit dem er mir mehr dienlich sein könnte. Ich wurde neugierig was er denn anzubieten hätte, immerhin waren 500 Dukaten eine Summe, mit der ich auf einen Schlag die Hälfte aller meiner Schulden hätte bezahlen können. Er bot mir dann an, über die Kontakte seines Hauses einen Zugang zur lokalen Magierakademie zu ermöglichen. Ich könnte mich in den nächsten Wochen von den Magistern vor Ort kostenfrei unterweisen lassen, die Bibliothek nutzen, mich fortbilden und würde dazu ein Handgeld von 30 Dukaten erhalten um die Kosten des Studiums und Lebens zu decken. Darüber hinaus stünde mir der Zugang zur Akademie auch dauerhaft zur Verfügung, wenn ich in Zukunft auch die Fortbildung selbst zahlen müsste. Ich erbat mir, eine Nacht über das Angebot schlafen zu dürfen. Es war verlockend, aber 500 Dukaten sind nun einmal ein echtes Vermögen. Am Morgen hatte ich mich entschieden. Was war Gold schon, wenn man dafür Wissen erhalten konnte? Als Mitglied der Bruderschaft der Wissenden überhaupt freien Zugang zu einer Einrichtung der Weißen Gilde zu erhalten war schon einiges Wert. Und sollte ich es in naher Zukunft tatsächlich nicht zurück in meine Heimat schaffen wäre es schier unbezahlbar noch einen weiteren Ort an der Hand zu haben, an dem ich mich darauf verlassen konnte neues Wissen erlernen zu können. Außerdem boten mir die Mauern der Akademie eine Sicherheit, die ich ansonsten in Bethana ehrlich gesagt vermisste. Hier hätte es Donata sicher schwerer, an mich heranzukommen. Daher teilte ich Fabrizio mit, ich nähme sein Angebot an und würde in den nächsten Tagen gerne in die Akademie umsiedeln.

Die nächsten gut zwei Monde verbrachte ich dann auch in den ehrwürdigen Mauern der Halle des vollendeten Kampfes zu Bethana. Ich konnte mein Glück kaum fassen hier einen Lehrmeister zu finden, der mich in den nächsten Wochen in der Kunst unterwies den eigenen Körper in besonderem Maße auf die Schwingungen der Astralkräfte einzustimmen. Ich machte meinen Leib zu einem Gefäß der Sterne und spürte mit jedem Tag, wie meine Macht wuchs. Mögen sich meine Feinde hüten! So schnell würde mich die Kraft nun nicht mehr verlassen. Ansonsten musste ich leider auch den leidigen weltlichen Verpflichtungen nachkommen und immer wieder einmal vor Gericht erscheinen. Ich machte Aussagen, gab Aktennotizen zu Protokoll, wurde verhört und befragt. Aber dank Fabrizios immer positiver Erwähnung meiner Person und auch meines wohlfeilen Verhaltens in der Zeit die ich als Wächter gedient hatte wurde mir kein Strick gedreht. Im Gegenteil war ich wohl der wichtigste Zeuge in diesem Prozess der dann damit endete, dass die Efferdans nunmehr nach Bekanntwerden der Ereignisse im Horasreich keinen Fuß mehr auf den Boden bringen würden. Agosto Efferdan wurde auf der Flucht ergriffen, der Besitz der Familie Efferdan verfiel an die Krone und einige Geschäftsfelder durften durch die di Garangors besetzt werden. Unter anderem die reguläre Führung der Silbermine im Auftrag des Reichs, was den Wohlstand von Fabrizios Familie in nicht unerheblichen Maßen mehren dürfte. Lediglich der Verbleib von Alvez und Donata, die nicht ergriffen werden konnten, machte mir nach wie vor Sorgen. In ihnen, und dem was von ihrer Geheimorganisation noch übrig war, mochte ich mir gefährliche Feinde gemacht haben. Nun erfuhr ich auch endlich was das seltsame Symbol, dieses verschlungene SF bedeuten sollte. „La Faccia Seconda“, das zweite Gesicht. Diese Horasier neigten wirklich zu pathetischen Bezeichnungen.

Bis der Prozess endgültig abgeschlossen war gingen fast 2 Monde ins Land, in denen ich die Stadt nicht verlassen sollte. Daher nutzte ich die mir bleibende Zeit neben meinen Studien um in der Bibliothek ein Buch zu kopieren. Das war eine langwierige, aber mir immerhin noch aus dem Studium vertraute Tätigkeit. Und es ersparte mir, das Werk käuflich erwerben zu müssen. Nun ist die „Magie des Stabes“, insbesondere in ihrer aktuellsten eigentlich gedruckten puniner Fassung, ja kein Geheimnis, sondern ein Standartwerk, welches ich sicherlich auch bei Fulvio hätte erwerben können. Aber so war die Zeit wenigstens sinnvoll genutzt. Ich hatte mich schon ein wenig mit dem Inhalt des Buches auseinandergesetzt und irgendwie war es so, in meiner eigenen Handschrift, auch persönlicher, als einfach ein lithografisches Werk zu erwerben. Dazu kaufte ich noch eine weitere solide Wasserdichte Hülle für einen Dukaten, um dieses wertvolle Stück Literatur zu schützen. Irgendwann würde ich ja doch wieder auf Reisen gehen. Leider reichten die 30 Goldstücke die mir Fabrizio zu diesem Zwecke mitgegeben hatte bei weitem nicht aus um sowohl Studien- und Schreibmaterial, als auch meine Lebenshaltung zwei Monde lang zu bestreiten. Und so musste ich von dem mir überlassenen Silber noch einmal 30 Güldene in meinen Aufenthalt an der Akademie investieren. Ich täte wohl gut daran mich doch irgendwann einfach in der Kunst des Verhandelns fortzubilden, um solche Umstände zu vermeiden. Außerdem ließ ich in der Zeit bei einem Goldschmied und Gemmenschneider noch ein kleines Schmuckstück in Auftrag geben, über das ich mir schon geraume Zeit Gedanken gemacht hatte. Ein Peraine-Amulett mit dem Bildnis eines Storchs aus einem taubeneigroßen Karneol geschnitten, gefasst in eine Umrandung aus Mondsilber auf deren Rückseite der erste Vers der Liturgie „Peraines Wundsegen“ eingraviert war, befestigt an einer einfachen silbernen Kette. Hierfür musste ich weitere 9 Goldstücke bezahlen, so dass mir am Ende meiner Zeit in Bethana gerade noch 5 Dukaten von der an mich ausgezahlten Belohnung übrigblieben. Zum Glück hatte ich für mich selbst mit dem Beutel Donatos ausreichend vorgesorgt, so dass es mich nicht schmerzte mit so wenig Greifbarem weiterziehen zu müssen.

Abschied aus Bethana

Nachdem der Prozess endlich abgeschlossen war und ich mit der letzten kopierten Seite des Buches nun wirklich nicht mehr wusste was mich noch in Bethana hielt, stellte sich die Frage, wohin ich als nächstes zu gehen gedachte. Das Angebot der di Garangors in ihre Dienste zu treten stand zwar noch im Raum, aber dann könnte ich auch genauso gut wieder zurück zu Vater gehen um meine Verpflichtungen zu erfüllen. Allein, nach den Erfahrungen der letzten Monde dämmerte mir, dass die Selemiten es mir wohl mehr als angenommen verübelten was ich getan hatte. Der Weg gen Praios war mir also vermutlich nach wie vor verschlossen. Wie lange es wohl dauern würde, bis Gras über die Sache gewachsen war? Im Horasreich selber fürchtete ich die Verbindungen von Donata und ihrer Organisation, wer konnte schon wissen wie weit ihre Finger und ihr Hass auf mich nun reichten? Ich mochte in den Mauern der Akademie eine gewisse Sicherheit erfahren haben, allein, dieser Schutz würde nun Enden. Und Donata hatte mir ja gezeigt, wie sie selbst die Mächte zu nutzen wusste, wie skrupellos sie war und ich malte mir kein schönes Schicksal aus, wenn ich ihr und ihren Brüdern in die Hände fallen würde. Damit schied das Horasreich als weiterer Aufenthaltsort aus, auch wenn mich Grangor, Kuslik oder Netha schon einmal gereizt hätten. Das Klima hier an der Küste und im Tiefland war einfach wirklich schön. Gen Rahja sollte mich mein Weg auch nicht führen. Hinter den Goldfelsen würde nur die Khom auf mich warten: glühende Hitze, Sand und fanatische Novadis. Das fand ich nicht unbedingt erstrebenswert. Und lag dort nicht auch irgendwo Fasar? Ich vermutete, nachdem sie wohl selbst aus dem Horasreich fliehen musste falls sie sich nicht erfolgreich versteckte, würde Donata sich vielleicht dorthin wenden wo sie selbst studiert hatte und einen sicheren Hafen mit guten Verbindungen für sich wusste. Das barg ebenfalls einfach zu viel Risiko.

Also bestieg ich, das erste Mal meinen Beförderungsschein nutzend nachdem ich mich noch von Fabrizio verabschiedet hatte, eine der Kutschen der di Garangors, die Richtung Mittelreich fuhren. Freilich, nach Havena wollte ich nicht unbedingt zurück, das machte ich als einzige Bedingung für mich aus. Ich musste erst einmal einen Ort finden an dem ich zur Ruhe kommen konnte um mein letztes Projekt zu vollenden das ich mir vorgenommen hatte. Ich genoss die folgenden Fahrten. Zwar nicht vergleichbar mit den komfortablen Postkutschen, in denen ich mit Donata reisen durfte, aber deutlich besser als zu Fuß unterwegs sein zu müssen. Ich lies mich, fast wie das sprichwörtliche Stück Holz, mit den Kutschen treiben, immer einfach die nehmend, die als nächstes kostenlos zur Verfügung stand, ohne groß zu planen wohin es ging. Je erratischer der Pfad für mich war, umso schwerer müsste ich eigentlich auch für meine Feinde zu verfolgen sein, sollte sich doch jemand an meine Spur heften. Bei jedem Halt prüfte ich, ob mir die Umgebung für den nächsten Aufenthalt zusagen würde, aber irgendetwas war immer. Meistens reagierten die Leute recht reserviert auf meine Erscheinung und waren offensichtlich froh, mich am liebsten von hinten betrachten zu können. So ging ein halber Mond ins Land, bis mich mein Weg schließlich nach Seshwick führte, einer kleinen Stadt etwas praioswärts von Honingen. Hier traf ich einen Bauern dem es anscheinend nicht übermäßig unangenehm war mich gegen Gold zu beherbergen, weil sein eigener Sohn wie er sagte auch Studiosus der arkanen Künste sei, auf den er sichtlich stolz war. Ich entschied spontan, hier ein paar Tage zu verweilen und mietete mich für einen Dukaten bei ihm mit Kost in eine kleine Kammer ein, die sonst wohl dem Gesinde zugestanden hätte, jetzt aber mir Heimstatt wurde. Damit waren auch die letzten 5 Dukaten meiner Reisekasse aufgebraucht, hatte ich doch statt für meine Unterkunft zu arbeiten diesmal lieber standesgemäß dafür bezahlt. Irgendwie musste man sich ja verbessern im Vergleich zu früher.

Mein erstes Artefakt

Im Geiste hatte ich während der Fahrt Zeit gehabt, mein Werk zu vollenden. Gespräche mit den Kutschern und Fuhrknechten liefen für gewöhnlich auf einem Niveau, das es mir schnell vergällte überhaupt Konversation zu betreiben. Jetzt musste ich es nur noch umsetzen. Ich machte mich daran, die Artefaktthesis für mein neues Amulett in meinem Vademecum nieder zu legen, regte dabei meinen Geist immer wieder mittels eines Attributo an, damit mir ja kein Fehler unterlaufen würde. Bei so etwas musste man sorgfältig und vorsichtig sein! Es dauerte seine Zeit, aber übermäßig komplex war die Thesis tatsächlich nicht wie ich am Ende feststellte. Und so ging mir dieser Teil auch wunschgemäß von der Hand. Vielleicht ließen sich ja in Zukunft Kopien davon gewinnbringend veräußern? Die fixierte Thesis eines Amuletts, das mir das lästige hastige Sprechen des Balsams in Notsituationen ersparen würde. Sicher, kein Meisterwerk der Artefactogenese, aber solide Handwerkskunst, die durchaus Leben retten konnte. Ich fragte mich dabei immer wieder, ob es wohl auch der guten Gabrielle geholfen hätte. Bei genauerer Überlegung… hätte ich damals nicht so überhastet agieren müssen, vielleicht wäre es mir doch gelungen sie von Borons Schwelle zurückzuholen. Wehmütig dachte ich an sie und schlug ein Boronrad in ihrem Andenken.

Anschließend stählte ich meinen Geist für das was jetzt kommen würde, versenkte mich in die hochkomplexe Formel des Arcanovi Artefakt und begann, einen Anker für den später zu wirkenden Balsam zu weben. Das war in der Theorie doch einfacher als in der Praxis, wie ich jetzt merkte. Zwar war das Amulett ein geradezu fantastisch passendes Objekt für diesen Zweck, aber es das erste Mal selbst praktisch durchzuführen, nicht nur auf dem Papier oder als Beisitzer einer Verzauberung der verehrten Magisterin ya Comari war einfach eine ganz andere Erfahrung. Als das Medaillon schließlich nach zwei Stunden aufnahmebereit seine astralen Muster vor mir ausbreitete, begann ich den letzten Schritt: Balsam Salabunde, eingebunden in diesen Stein, der wohlweislich ob seiner Affinität gewählt mit einem Storch, dem Symbol Peraines, der Herrin der Heilung, geschmückt war. Zwar war die Affinität des Steins zu Geistwesen oft ein Problem, wenn es um die Verzauberung von Werkstücken ging, aber offensichtlich waren Hesinde und Peraine von meinem Werk so angetan, dass sie mich davon verschonten einen zusätzlichen Geist in dem Werk einzubinden. Heureka! Es war vollbracht. Möge dieses Stück aus meinen Händen Anderen zum Segen gereichen.

Dieser Eintrag wurde am 14.01.2016 (14:22) verfasst und 899 mal aufgerufen.
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