Der Vampir von Havena
Ankunft in Havena
So soll es also sein. Havena. Alles was ich wusste war, dass diese Stadt irgendwo im Nordwesten am siebenwindischen Meer lag. Das würde noch ein langer Weg… aber je mehr Meilen zwischen mir und Selem lagen, desto besser.
So zu reisen war beschwerlicher als ich gedacht hätte. Das Gold knapp, und meine Dienste konnten sich die meisten der Leute gar nicht leisten. Oft musste ich ein kleines Zauberkunststück oder eine Heilung nur vollbringen, um wenigstens ein Dach über dem Kopf und einen Napf Suppe zu erhalten. Wie entwürdigend! Das Glück lachte mir nur selten, so dass ich einen Handelszug begleiten konnte der wenigstens Strecke schaffte und gleichzeitig die Reisekasse etwas aufbesserte. Aber das so verdiente Gold war nach ein paar Tagen eh schon wieder dahin. Interessant fand ich jedoch, wie sich die Landschaft änderte, je weiter ich in gen Firun zog. Erst wurde es heißer und heißer, dann einfach nur wieder angenehm, und zuletzt regelrecht kühl. So kalt war es daheim noch nicht einmal im Boronmond gewesen. Was für eine lausige Gegend! Und der Dialekt der hier gesprochen wurde war wirklich seltsam. Hart und unmelodisch. Ich vermisste Al‘Anfa…
Als ich Wochen später endlich Havena erreichte, war mir die Tragweite der Entscheidung hierher zu kommen nicht bewusst. Aber bei Hesinde, was für ein Drama! Gleich am Tor wurde ich von den Wachen aufgehalten, angepöbelt, gefilzt als wäre ich ein gemeiner Verbrecher und mehrmals belehrt, in der Stadt das Fingergewackle sein zu lassen, oder man würde mir die Hand abhacken. Lediglich ein wenig Heilerei sei erlaubt. So einem wie mir sähe man ja an der Robe schon an, dass er nur ärger bedeuten konnte. Gerade, dass ich noch meinen Stab behalten durfte! Zumindest konnten sie mir nichts abnehmen, da ich ja bedauerlicherweise eh über so gut wie keinen Besitz verfügte. Man sollte meinen, einem ehrbaren Magus würde ein herzlicherer Empfang bereitet. In der Stadt selbst war es kaum besser. Die Unterkunft erbärmlich, das Essen kaum genießbar und alles noch viel zu teuer für den Dreck, den ich mir antun musste. Reden wollte auch kaum jemand mit mir, es war, als hätte ich Aussatz. Arkane Heilung war, sos schien es mir zumindest, hier ungefähr so beliebt wie die Pocken selbst, und meine verbliebene Reisekasse war quasi binnen Wochenfrist aufgebraucht.
Ein unerwarteter Auftrag
Meine Unterkunft schimpfte sich Heldenzuflucht. Ein Ort, an dem man wohl alles fand, von Ratten bis Syphilis, aber sicher keine Helden. Die letzten Tage waren noch unangenehmer als sonst gewesen. Man fand Tote im Hafenviertel. Ein Neckermädchen, eine rothaarige Frau, einen Elf, noch eine Rothaarige… und alle hatten eines gemein: Zwei Wunden am Hals, und keinen Tropfen Blut im Leib. Die Gerüchte kochten über, von Blutzauberei bis hin zu Sklavenhändlern aus Al‘Anfa (Gelächter, dann wären die Opfer wohl kaum tot!) reichte die Palette, aber die verbreitetste Variante war etwas weit Ungeheuerlicheres. Ein Vampir. Mitten in der Großstadt, eine solche von den Zwölfen verfluchte Kreatur? Auch ich wurde, als Fremder, Magier und Träger einer dunklen Robe, dass ein ums andere Mal unfreundlich angegangen. Also, noch unfreundlicher als die Behandlung ohnehin schon war! Das Hafenviertel war in Aufruhr und Angst, was die allgemeine Stimmung nicht besser machte. Sogar zwei Inquisitoren ließen sich dazu herab hierher zu kommen. Das Unglück nahm an einem Abend seinen Lauf, den ich im nach Knoblauch stinkenden Schankraum meiner Herberge verbrachte. Nicht wissend was es besseres zu tun gäbe, da die Einheimischen ja nicht mit mir reden wollten, Würfelspiele nicht gerade meine Stärke waren und die örtliche Gardisten nach Feierabend nicht unbedingt die besten Gespräche versprachen, setzte ich mich an den Tisch einer rothaarigen, nicht unansehnlichen Dame, die auch so Aussah, als würde sie nicht von hier kommen. Gegen ein wenig hübsche weibliche Gesellschaft war nie etwas einzuwenden, oder?
Leider war der Dame offensichtlich nicht nach einem gepflegten Gespräch zumute. Der Blick den sie mir zuwarf als ich mich setzen wollte hätte ihre Abscheu und ihren Ärger kaum besser ausdrücken können. Mir blieben meine freundlichen Grußworte im wahrsten Sinne im Halse stecken. Hier würde ich wohl keine Konversation beginnen können. Schweren Herzens wandte ich mich doch den Würfelspielern zu. Immer noch besser als die Gardisten. Hier bestand zumindest die Aussicht, dass ein paar Kupferstücke für mich abfallen könnten. Svelltaler Würfelboltan hieß das Spiel, und es sollte sogar um Silber gehen. Das erschreckte mich ein wenig. Weder kannte ich das Spiel, noch hatte ich Lust mich von den Kerlen ausnehmen zu lassen. Und drohen taten sie mir auch, ich würde beim Betrügen sicher erwischt und im Hafen versenkt werden. Phex steh mir bei, dass waren keine guten Zeiten… ein freundliches Lächeln versuchend setzte ich mich trotzdem hin. Das Spiel war für einen intelligenten Menschen wie mich nicht allzu schwer zu begreifen, so dass ich nach anfänglichem Lehrgeld das ich zahlte leicht ausgleichen konnte. Meine Mitspieler, eine hübsche Tulamidin, ein Seefahrer, zwei ständig zankende Fischersbrüder und eine ältliche Matrosin, die sich mir ständig ungebührlich zu nähern versuchte, waren ein bunter, aber nicht allzu heller Haufen. Als dann im Laufe des Spiels die Sprache irgendwann auf den Vampir kam entspann sich eine Zankerei ob des Wahrheitsgehalts dieser Geschichte. Aber wohl fühlte sich offenbar keiner bei dem Thema, wenn ich so in die Gesichter meiner Mitspieler blickte. Ich hielt mich bei diesem Thema bewusst heraus. Immerhin verdächtigte mich niemand der Untaten schuldig zu sein. Ich beschloss nach einigen Runden das Spiel zu beenden. Die Avancen der stinkenden Matrosin nahmen langsam wirklich überhand, und so zog ich mich in einer Art Fluchtbewegung zu einem leeren Tisch in einer Ecke zurück.
Kaum hatte ich mich niedergelassen wurde ich von einem dicklichen, aber gepflegt aussehenden und hochgestochen sprechendem Händler überrascht, der sich an diesen hässlichen Ort verirrt zu haben schien und mir überdies sogar ein Bier ausgeben wollte. Rogobald von Garlischgrötz war sein Name, und meine Neugier hatte er sofort geweckt als er mir eröffnete, dass ihm Frachtpapiere für Waren, die er rechtmäßig erworben hatte, gestohlen worden waren. Die Garde einzuschalten, wäre unter seiner Würde, er regele seine Angelegenheiten lieber selber. Und wenn ich ihm, natürlich für einen angemessenen Preis, seine Papiere zurück bringen könne wäre das nur von Vorteil für mich. Fragt sich nur, warum ausgerechnet ich? War meine verzweifelte monetäre Lage denn für ihn so offensichtlich? Oder Träumte ich gar schon wieder?
Der Einbruch
Auf jeden Fall fand ich mich kurz darauf unter seiner Führung in einer finsteren Gasse (wie ich die Dunkelheit hasse!) wieder, vor einem imposanten Haus auf welches der Händler deutete. Ein vierstöckiges Kontor, typisch für diesen Stadtteil und nicht der einzige seiner Art in der Umgebung. Rogobald, der mich offenbar völlig falsch einschätzte, drückte mir doch tatsächlich einen hakenförmigen Alrik in die Hand, mit dem ich das Tor öffnen sollte. Die anderen möglichen Wege hinein, die er mir schilderte, schienen mir wenig erfolgversprechend zu sein. Aber, das gebe ich zu bedenken, die Aussicht auf die 40 versprochenen Dukaten war enorm motivierend, muss ich zugeben. Damit würde ich mich eine ganze Zeit lang auch angemessen über Wasser halten können. Durch den dichter werdenden Nebel bis ans Tor zu kommen war ein leichtes. Dort angekommen aber auf einen dräuenden Schatten zu treffen, stellte meine angespannten Nerven auf eine harte Probe. Still wie im Grab verharrte ich am Fleck vor dem Tor, hoffend nicht gesehen zu werden und im Dunkeln selbst nicht genau erkennen könnend, wer oder was dort vor mir lauerte. Es dauerte etliche Herzschläge bis ich erkannte, dass ich mich vor einem leblosen Gargylen, einer Statue, beinahe zu Tode erschreckt hatte. Nun etwas beruhigt fing ich an mit dem Alrik im Schloss herumzustochern. Das sich kein Erfolg einstellte war aber irgendwie kein Wunder. Woher hätte ich so etwas auch können sollen? Diese Art Tätigkeit wurde ja an meiner Akademie nicht gelehrt. Aber 40 Dukaten waren 40 sehr motivierende Gründe, und so entschloss ich mich, wider besseres Wissen, auf den Foramen-Zauber zurückzugreifen den ich durchaus beherrschte. Das sollte auch weniger Lärm machen. Und wer sollte es in dieser Finsternis schon bemerken? Ein Zauber, der zwar nicht zu meinen besten gehörte, aber der mir schon das ein oder andere Mal Zutritt zu Räumen der Akademie verschafft hatte, in denen ein Scholar nicht unbedingt sein sollte… wie die Duschkammer der Mädchen zum Beispiel. Also legte ich meine Hand auf das Schloss, murmelte konzentriert die Formel und hörte erfreut wie der Mechanismus sich öffnete. Zuerst lauschte ich aufmerksam. Dann als nichts passierte, betrat ich vorsichtig das Kontor.
Zwei Öllampen spendeten zumindest so viel Licht, dass ich ausreichend sehen konnte. Gut vier Schritt hoch waren hier Waren bis zur Decke gestapelt. Es erinnerte mich ein wenig an Vaters Kontor daheim. Rogobald meinte, weiter oben wären Schreibstuben. Genau dorthin sollte ich zuerst gehen. Immerhin war ich auch kein gewöhnlicher Dieb, der sich nebenbei noch Bereichern wollte, sondern hatte einen klaren und ehrbaren Auftrag. Also flux zur Treppe gehuscht. Diese sah zwar stabil aus, aber auch hölzern und knarzend. Allein, es musste eben sein, einen anderen Weg nach oben sah ich nicht. Das Knarren der Stufen war nicht übermäßig laut, aber auch nicht unhörbar, als ich oben ankam. Hoffentlich hatten sie hier keine Wachen eingeteilt. Wo ich es nun bedachte, von Wachen hatte Rogobald nichts erwähnt als er mir das Haus beschrieben hatte. Im ersten Stock erwartete mich ein leerer, von Kerzen beleuchteter Flur. Wo mochte nur die Treppe sein die weiter hinauf führte? Normal müsste sie ungefähr da sein, wo ich jetzt auch schon war, also im südlichen Gebäudeteil. Kein echter Händler würde mehr Platz für Treppenhäuser verschwenden als unbedingt nötig. Daher entschied ich mich für die südöstlichste von 4 Türen. Dort gelangte ich in einen Putzraum, von dem tatsächlich eine schmale Stiege nach oben führte. Aber was scherte mich Putzzeug? Hinauf war die Devise! Einzig ein Gemälde, welches einfach so herumstand, erweckte meine Aufmerksamkeit. Ein Mantikor vor einer gruseligen Landschaft. Wer hing sich den bitte so etwas geschmackloses auf! Der oben liegende Flur war zwar leer, dafür tat sich aber einiges in den darum liegenden Zimmern. Das mussten die Gesindekammern sein, was Sinn ergab angesichts des Durchgangs in der Putzkammer. Hier sollte ich mich besser nicht erwischen lassen, daher entschied ich, sofort die Treppe weiter hinauf zu steigen. Obwohl mir diese Treppe stabiler schien lag sie doch im Dunkel, so dass ich mich regelrecht hochtasten musste. Bei einem unbedachten Schritt knarrte sie höchst verräterisch. Ich erstarrte, aber nichts geschah. Das musste ich mir für den Rückweg merken! Oben angekommen war ich sehr enttäuscht, nur der leere Dachboden voll Gerümpel. Da war ich wohl zu weit vorgedrungen. War das Büro also doch auf der Höhe der Gesindekammern? Vorsichtig schlich ich wieder hinunter, die verräterische Stufe vermeidend. Die nächstliegende Tür war hier die am weitesten südlich gelegene. Kein Risiko. Erst einmal dort nachsehen, bevor ich mich zu weit vorwagen würde. Die Tür schien von guter Machart zu sein, ein ordentliches Schloss und auch sonst machte sie den Eindruck, wichtiges zu bergen. Sollte Phex mir endlich hold sein? Ein kurzer Blick durchs Schlüsselloch schadete auf jeden Fall nicht. Und ich sah…. Nichts. Eine Klappe deckte wohl die andere Seite ab. Leider schien das Schloss wirklich von hervorragender Machart zu sein. Bevor ich begann mich wieder erfolglos mit dem Dietrich abzumühen und wertvolle Zeit dabei verschwendete, gar eine Entdeckung riskierte, war ein Foramen erneut das Mittel der Wahl. Und wieder gelang das Werk erstaunlich einfach. Anscheinend hatte ich heute einen guten Tag. In Gedanken dankte ich Magister Farisol für seinen strengen Unterricht. Wer hätte gedacht das sich seine Methoden einmal so auszahlen würden? Einmal hatte er uns in einen Raum voll Ratten eingeschlossen und wir waren erst Stunden später herausgekommen, nachdem einem von uns endlich der Zauber gelungen war!
Der Raum hinter der Tür war menschenleer, wurde aber von zwei Öllampen erhellt. Hier war, zu meinem Glück, alles beleuchtet, obwohl ich niemand herumgehen sah. Seltsam. Ein selbst für diese Gegend imposant eingerichtetes Zimmer. Sicher, daheim wäre es gerade einmal Mittelmaß gewesen aber hier… Drei Fenster, ein großer Tisch, Ledersessel, ein Schrank, Gemälde… alles zeugte von Wichtigkeit und Wohlstand. Hier könnte ich vielleicht tatsächlich das Gesuchte - und eventuell noch etwas mehr? - finden. Aber die Arbeit zuerst. Der imposante Schreibtisch schien mir am vielversprechendsten zu sein. Penible Ordnung, so etwas lobte ich mir. Der Kaufmann legte wohl Wert darauf, dass alles seinen Platz hatte. Das sollte es auch einfacher machen. Papiere wurden üblicherweise in den Schubladen aufbewahrt, also sollte ich diese zuerst durchsuchen. Aber darin fand ich nichts von Interesse für mich. Rechnungen, Bilanzen, Wechselkurslisten, Steuerbescheide… nur dröger Papierkram der bei mir zu einem schnellen Tod aus Langeweile führen würde, müsste ich selbst damit arbeiten. Also doch die Regale? Gab es dort vielleicht ein Ablagesystem? Wohl eher nicht. Bücher über Handelskunde und Andenken aus fernen Ländern, aber nichts, was dem von mir Gesuchten auch nur ansatzweise entsprechen würde. Wo würde Vater solche Dokumente verstecken. Nicht das Vater fremde Dokumente stehlen würde, seine eigenen Papiere natürlich. Immerhin war er auch Händler. Vielleicht in einem Tresor hinter einem der Bilder? Alles zwar respektable Kunstwerke, aber nur eines fiel, im wahrsten Sinne des Wortes, aus dem Rahmen, da es augenscheinlich schief hing. Sollte dort etwas hastig verborgen worden sein? Ich nahm es ab. Tatsächlich, ein Drehrad und eine Platte in der Wand! Ich wollte gerade dazu übergehen mich mit dem Mechanismus zu beschäftigen, da wurde die Tür aufgerissen, und etliche Burschen stürmten auf mich zu. Ich hatte doch überhaupt keinen Lärm gemacht! Viel zu überrascht um noch zu reagieren wurde ich rabiat zu Boden gerissen und versank nach ein paar Schlägen in Ohnmacht…
Als ich erwachte blickte ich auf einen alten Mann, der nervös auf und ab ging und dabei Selbstgespräche führte. Das musste der niederträchtige Händler sein dem das Kontor gehörte. Außer ihm waren noch zwei Burschen und eine rothaarige Thorwalerin im Raum, der ebenfalls von einem beeindruckenden Gemälde geschmückt wurde. Der Kerl hatte anscheinend ein Faible für gemalte Ölschinken. Was hat er nur mit Bildern? Gerade schien sich ein Gespräch zwischen dem Händler und einem der beiden Burschen entspinnen zu wollen, als plötzlich Chaos ausbrach. Ein Fenster barst, ein Stein um den ein brennender Lappen gewickelt war flog herein und auf einmal waren alle in Aufruhr. Der Händler brüllte hektisch Befehle, redete davon sich und jemand anderes Namens Murna in Sicherheit zu bringen, die Thorwalerin war geistesgegenwärtig dabei das kleine Feuer zu löschen. Einer der Burschen folgte dem Alten und nur einer blieb bei mir zurück um ein Auge auf mich zu haben. Aber ich war nicht gefesselt. Warum eigentlich nicht, war ich nur so kurz bewusstlos gewesen? Der einzige freie Weg schien durch das zerbrochene Fenster zu führen und zog mich wie magisch an. Halt, war ich nicht zuletzt in einem der oberen Stockwerke? Egal, bevor hier alle wieder zur Ruhe kamen sollte ich fort sein. Ein beherzter Sprung brachte mich aus dem Gebäude… Bei den Zwölfen, den Göttern sei gedankt für mein mohisches Erbe, das mir einen so geschmeidigen Körper verliehen hatte. Zu meiner linken hing ein Seilzug den ich zu fassen bekam und der mich, schneller werdend und baumelnd nach unten beförderte. Die Landung war zwar Schmerzhaft, aber nicht gefährlich. Rückblickend… Phex muss mir hold gewesen sein. Wäre ich ohne das Seil von dort oben auf den Boden geschlagen, es wäre wohl mein Ende gewesen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Nichts wie mir im Nachhinein schien. Angst war ein schlechter Ratgeber…. Gehetzt stürme ich davon, laute rufe folgten mir.
Auf der Flucht
Von da an schien alles schief zu laufen. Nebel, Dunkelheit, eine fremde Stadt in der ich mich nicht auskannte. Ich sah kaum die Hand vor Augen. Von überall schienen sich dumpfe Schritte zu nähern. Mein Geist gaukelte mir zumindest vor die lautesten Schritte kämen von links, daher stürzte ich in die Gasse zu meiner rechten. Keine gute Wahl… die ersten wütenden Rufe hinter mir. Ich hastete durch aufgehängte Netze und über am Boden liegende Taurollen. Die reinsten Stolperfallen! Kaum das es mir gelang, auf den Beinen zu bleiben, geschweige denn einen Vorsprung zu erlaufen. An einer Weggabelung erkannte ich gerade noch rechtzeitig einen grauen Schatten in den Nebeln und eine kräftige Faust verfehlte mich nur um Haaresbreite. Eine ziemlich große, rothaarige Frau stellte sich mir entgegen und zerrte einen Dolch aus ihrem Gürtel um mir den Rest zu geben. Hesinde, was sollte ich tun? Wenn ich jetzt einen Zauber sprach und erwischt wurde würden sie mich töten. Das sollte ich mir besser aufheben, wenn es wirklich brenzlig wurde. Daher zog ich erst einmal selber meinen Langdolch, auch wenn ich eher Angst hatte mich selbst damit zu verletzen, und stach nach der Frau. Daneben – irgendwie verwunderte mich das nicht. Aber auch ihr erster Stoß ging fehl, Phex sei Dank. Dafür geriet das Weib bei seinem Angriff anscheinend außer Tritt, stolperte an mir vorbei und gewährte mir dabei noch einen guten Ausblick auf ihre üppige Oberweite und den drallen Hintern. Leider konnte ich die Situation nicht gerade genießen… Ich verkniff mir den Spruch lieber, der mir gerade auf der Zunge lag. Hätte das Weib wohl eh nicht verstanden. Lieber nahm ich die Beine wieder in die Hand, hinter mir waren ja noch mehr Leute her. Auf der weiteren Flucht die dunkle Gasse entlang konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, Phex hätte noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen und blickte gerade auf mich herunter. Warum gerade auf mich? War das wirklich der einzige Weg, der mir derzeit offenstand?
Aber dieses Gefühl hielt nur kurz an. Eine Sackgasse. Warum ausgerechnet eine Sackgasse? Und die Schritte hinter mir waren auch eher lauter als leiser geworden. Die 2 Schritt hohe Wand vor mir machte das Ganze auch nicht besser, aber was konnte ich nun anderes tun als zu versuchen auf die herumstehende Kiste und von dort über die Mauer zu springen? Wobei Klettern noch nie meine Stärke war, und in der Dunkelheit hier sah ich quasi weniger als nichts. Insofern hätten die Fackeln meiner Verfolger durchaus etwas positives gehabt… Ich nahm den restlichen verbliebenen Anlauf, holte Schwung… und krachte mit Wucht und einem schmerzerfüllten Stöhnen in die dunkle Mauer. Ich musste den Abstand irgendwie falsch eingeschätzt haben. Warum hat Boron mich nur damit geschlagen im Dunklen so schlecht zu sehen? Unbeholfen zog ich mich auf die Kiste hinauf, hechtete von dort wie ein nasser Sack zur Mauer, krallte mich an der Oberkannte fest und wuchtete mich keuchend hinüber. Dabei schlug ich mir erneut die schon geschundenen Hände und jetzt auch die Knie auf. Auf der anderen Seite der Mauer war es etwas weniger dunkel. Ich meinte Lichtspiegelungen auf Wasser zu erkennen, wahrscheinlich ein kleiner Kanal. Die Häuser, die die Mauer abschlossen schienen zu hoch um sie zu erklettern, aber wenn ich mich auf der Mauer entlang hangelte und bei der nächsten Gelegenheit irgendwie herunterkommen würde, hatte ich vielleicht eine Chance zu entkommen. So schwer schien es nicht zu sein, sich auf der Mauer zu halten. Allerdings waren meine Kletterkünste noch nicht einmal dafür ausreichend… nur noch ein kleines Stück schaffte ich es vorwärts, ich bevor ich langsam den halt verlor. Ich musste mich vorwärts werfen, um wenigstens hinter die nächste Mauer zu kommen, aber die Landung dürfte vermutlich schmerzhaft werden. Wenigstens eine kleine Gunst erwies mir Phex. Weiches Graß statt hartem Pflaster. Das war weniger unangenehm als erwartet. Weiter hinten standen zwei Häuser eng zusammen. Dort hindurch, und ich könnte meinen Verfolgern entkommen.
Eine unerwartete Wendung
„Ich sollte es lassen, durch schmale dunkle Gassen zu rennen“. Das war zumindest mein letzter Gedanke, bevor ein noch größerer und noch dunklerer Schatten vor mir auftauchte, mich etwas hart am Kopf traf und Boron gnädig seine Arme ausbreitete um mich mit schwärze zu umfangen.
Wieder konnte ich nur kurz weg gewesen sein. Die Person in die ich gerannt war, war Rogobald, der Händler, mich beauftragt hatte. Seltsam, ihn hier zu treffen, aber es hätte schlimmer sein können, also würde ich mich besser nicht beklagen. Als ich ihm beichtete, dass ich seine Papiere nicht hatte schien er aber kein bisschen erzürnt. Stattdessen meinte er nur, dass es auch der falsche Ort gewesen sein könnte, da die Familie Tagkramer noch ein weiteres Kontor hätte, zu dem wir nun gleich gehen sollten. Ich hielt es aber für klüger Rogobald erst einmal darauf hinzuweisen, dass ich entdeckt und verfolgt wurde, ja gar nicht die Zeit gehabt hatte alles zu erkunden. Die folgende Reaktion fand ich etwas verwirrend. Alles hätte ich erwartet, nur kein lautes Gelächter. Er offenbarte mir, dass er gar kein Händler war, sondern für die Garde arbeitete. Und die Papiere sollten dokumentieren, dass Tagkramer mit Giften, Rauschkräutern und ähnlichem handelte. Na und? Das war bei uns Gang und Gäbe. Hier aber schien dies ein Verbrechen. Und mich hatte er lediglich als Ablenkungsmanöver benutzt, während er selbst in den unteren Stockwerken nach dieser Ladung suchte. Immerhin schien er jetzt ehrlich zu mir zu sein und die Zusammenarbeit auch nicht aufkündigen zu wollen. Meine Belohnung konnte ich mir also noch verdienen, und das Gold könnte ich nach wie vor noch gut brauchen… also sagte ich ihm meine weitere Hilfe zu.
Daraufhin entschied sich Rogobald die restliche Garde jetzt direkt holen zu wollen, während ich das nächste Lagerhaus in Augenschein nehmen sollte. Salzarelengasse vorne rechts, ich würde es schon direkt finden. Die Vorzeichen hätten schlechter stehen können. Das zweite Lagerhaus war weit weniger prächtig als das erste Kontor, ja geradezu schäbig, und bedeutend kleiner. Im Dunkel war für mich kaum etwas zu erkennen, aber seltsam war es schon, dass die Tür noch nicht einmal verschlossen war. Ich beschloss noch einen kurzen Augenblick zu warten. Vorsicht schien langsam angebracht, in verfängliche Situationen war ich heute schon genug gekommen. Ein nahes Gebüsch versprach gute Deckung um kurz abzuwarten und zu beobachten. Aber nichts geschah die nächste Zeit, und so musste ich wohl oder übel in das Lager eindringen. Ein Kinderspiel. Die Tür offen, dahinter eine Laterne mit Öl die nur darauf wartete von mir benutzt zu werden. Fast wie eine Einladung. Kisten und Kartons stapelten sich vor mir, eine schier unüberschaubare Anzahl. Sollten darin wirklich Papiere sein? Das zu prüfen würde ewig dauern! Gerade als ich die erste Kiste öffnen wollte blaffte mich eine hohe Fistelstimme an, die zu einem kleinen verwachsenen Männchen mit blauer Haut gehörte. Meine Treu, ein echter Klabautermann, wie er mir versicherte. So etwas kannte ich bisher nur aus Märchen und Büchern. Doch die Geschichte, die das kleine, überhaupt nicht feindselige Kerlchen, mir nur auftischte war mehr als merkwürdig. Ein Klabauter, der allen Ernstes behauptete Seekrank zu werden? Was für Seltsamkeiten mochte diese Nacht noch bereithalten? Wichtiger aber schien mir, dass der kleine Kerl, immerhin ein magisches Geschöpf Hesindes, mir vielleicht behilflich sein könnte.
Als ich ihm die Geschichte von Rauschkraut und Verbrechen erzählte lachte mich das Männlein allerdings nur aus. Das Haus gehöre jemand ganz anderem, einem Herrn Rastwürger, und die Garde hätte hier schon öfter vergeblich nach Hinweisen gesucht. Und überhaupt sei es doch seltsam, dass jemand erst kürzlich den neuen Namen Tagkramer über die Tür geschrieben hätte. Seine Beschreibung traf auf Rogobald zu wie eine Faust aufs Auge. Langsam machte sich in mir der Verdacht breit, betrogen worden zu sein… Und während ich noch darüber sinnierte, in was für ein Spiel Rogobald, so er denn so hieß, mich da hineingezogen hatte, machte der Klabauter mich darauf aufmerksam, dass die Stadtgarde gerade auf dem Weg zu just diesem Lager zu sein schien. Konnte es heute überhaupt noch schlimmer werden? Langsam wurde die Sache persönlich…. Im Schutze einer dunklen Ecke ein paar Häuser weiter warteten der Klabauter und ich, während die Gardisten das Lagerhaus durchwühlten. Beide waren wir übel gelaunt und damit begann etwas uns zu einen. Der Wunsch, Rache an Rogobald zu nehmen. Ich für das dreckige Spiel, in das er mich hineingezogen hatte, der Klabauter, weil seine Schachteln nun schon wieder zerwühlt und in Unordnung waren. Daher beschlossen wir gemeinsam unseren neuen Feind zu suchen, der mich um mehr als nur die Hoffnung auf einiges Gold betrogen zu haben schien. Denn wer sollte sonst wissen das ich hier zu finden war, die Garde schicken, um mich arrestieren lassen und damit mittelfristig gesehen auch noch an Tagkramer auszuliefern, der sicher auch Wind von der Sache bekommen würde, dass sein Name missbraucht worden war?
In der Unterstadt
Vorsichtig schlichen wir uns gemeinsam von dannen. Nahebei traf der Klabauter, der mir partout seinen Namen nicht verraten wollte, einen blinden Flößer von dem er meinte er könne uns helfen. Hesinde mochte wissen woher der jetzt wieder kam zu dieser späten Stunde, ein Schmuggler vielleicht? Auf drei zusammengebundenen Baumstämmen fuhren wir den Fluss hinunter in die Unterstadt. Ich meinte mich zu erinnern, dass dieser Ort recht unheimlich und verflucht sein sollte. Zumindest hatten das die Leute in der Zuflucht immer erzählt. Aber was sollte ich mich heute noch um das Gerede von abergläubischen Trotteln scheren? Der Klabauter schien nicht damit übertrieben zu haben Seekrank zu sein, klammerte er sich doch schon bei diesem kaum vorhandenen Wellengang erbärmlich wimmernd an mein Bein! Währenddessen erzählte der alte Flößer wunderliche Geschichten über die Unterstadt. Der verfluchte Turm einer Zauberin, die Insel eines Seeschlangenkultes… und schließlich meinte er es wären Schmuggler voraus. Schließlich setzte er uns mit dem Hinweis bei einem alten Effertempel ab, der von uns Gesuchte wäre in einer alten Hütte dahinter zu finden. Das Ganze erschien mir zunehmend seltsam, vielleicht war es doch keine so gute Idee sich auf einen Klabautermann und einen Blinden Greis zu verlassen? Aber eine bessere Idee hatte ich gerade nicht. Und einen Rachedämon wie den Hestoth zu rufen schien mir derzeit doch noch etwas übertrieben. Unser Weg führte durch den verfallenen, alten Tempel, der früher sicher beeindrucken gewesen war. Heute jedoch, nur noch eine dunkle Ruine, schien er nicht mehr sehr vertrauenserweckend. Mitten durch die Ruine gehend spendete mir das Licht des Madamals gerade ausreichend Beleuchtung, um meinen Sinnen im Nebel immer wieder geisterhafte Gestalten vorzugaukeln. Auf der anderen Seite angekommen war es gar nicht so einfach einen halbwegs trockenen Pfad durch den Morast zu finden. Aber das hielt uns nicht auf und ein Stück Weg weiter standen wir mit einem Mal vor einer schweren Holztruhe, die hier einfach so im Sumpf herum Stand. Sei es, wie es sei, ich bin nun mal ein neugieriger Geist. Ein Wächter war weit und breit nicht zu sehen, also wollte ich schon wissen, was den hier im Morast in einer Truhe liegen könnte. Die Ausbeute war allerdings eher… bescheiden. Zu Staub zerfallende, muffige Kleider und Lumpen, unter denen aber, Phex sei gepriesen, sogar ein Golddukat herum lag. Wer das wohl hier verloren hatte vor vielen hunderten Jahren? Weiter unserem Pfad folgend und von Ruine zu Ruine huschend erreichten wir schließlich das Ziel. Anscheinend ein altes Puppentheater, zumindest stand dies auf einem Schild über dem Eingang. Ein ehemals imposantes Gebäude, das leider hinter einer tiefen Wasserfläche von uns getrennt lag, die lediglich von einem Baum überspannt wurde. Hindurch zu schwimmen oder hinüberbalancieren schienen die einzigen Möglichkeiten zu sein das Gebäude zu erreichen, da wir kein Boot hatten. Und nachdem ich kein Bedürfnis verspürte ein kaltes und nasses Bad in diesem Brackwasser zu nehmen, war die Wahl für mich klar. Der Baum war von Flechten, Moosen und Algen bewachsen, was mein Vorhaben deutlich erschwerte. Diesmal lies mich mein Geschick im Stich, und mit einem klatschen landete ich im trüben Wasser. Nun hieß es also doch zum nächstgelegenen Eingang zu schwimmen, dem früheren Hauptportal. Wenige kurze Armstöße brachten mich zur Tür und hindurch. Im Innenraum befand ich mich direkt im großen Theatersaal. Wie es wohl früher hier gewesen sein mochte? Sicherlich ein heller, freundlicher Ort voll Frohsinn. Ein dunkler Schatten im Wasser ließ mich erschaudern. Ein Hai? Hier? Im Gebäude? Grausames Schicksal! Ich musste aus dem Wasser heraus. Jetzt! Die Treppe entlang nach oben. Wenigstens hatten sich die Lehrstunden bei Madame Olastra bezahlt gemacht, die uns Fauna und Flora näherbringen durfte. Ein Streifenhai! Dieser Rudeljäger, griff normal eher kleinere Gegner an. Also musste ich mich groß machen und möglichst keine hektischen Bewegungen vollführen. So könnte es mit etwas Glück gehen.
Im Puppentheater
Kalt. Mir war kalt und ich war nass. Aber immerhin war ich oben angekommen. Das mussten einst die Zuschauerränge gewesen sein. Der Raum wurde von einem Loch in der Decke erhellt, durch welches das Madamal hereinschien. Ein gutes Omen, dachte ich bei mir. Mit Madas Macht würde ich meinen Feind bezwingen! Ein kleiner Durchgang führte weiter auf einen Flur. Die überflutete Treppe würde mich nur wieder ins Wasser und zu dem Hai führen, also musste ich eine der beiden Türen nehmen. Von Efferd her war ich gekommen, also würde ich durch die, vielleicht von einem Bewohner, angelehnte, Tür dort vorne mein Glück versuchen. Aber an was für einen Ort hatten mich die Götter hier geführt? Ich zuckte kurz zurück, unterdrückte einen Aufschrei. War das ein Hesthot dort vor mir? Nein, das konnte nicht sein, im Unterricht hatten diese Dämonen eine tödliche, kalte Aura ausgestrahlt. Dieser war irgendwie… leblos. Eine Puppe! Und dort waren noch mehr! Es wirkte wie das Zimmer eines verwöhnten, reichen kleinen Kindes. Überall Puppen, nein Marionetten. Natürlich, das hier war ja ein Marionettentheater gewesen. Aber das sollte mich nicht aufhalten, so interessant es hier auch gewesen wäre die Figuren zu inspizieren. Rogobald wartet nicht, und meine Rache ebenso wenig.
Durch die Tür war ich hereingekommen, dort hinten gab es nichts mehr zu erkunden. Sollte ich also dem Kriechgang vor mir folgen oder mich an der verschlossenen Tür versuchen? Nun ja, da Rogobald nicht so aussah, als würde er sich krabbelnd durch enge Luken zwängen, also die Tür. Sie war auch nicht verschlossen, nur zugezogen. Aber das dumme Ding knarrte, als wäre es 100 Jahre nicht mehr geölt worden. Was vermutlich nicht einmal übertrieben war. Ein weiteres Puppenlager, diesmal aber hell erleuchtet. Wenn das kein eindeutiges Zeichen war, das hier gerade noch jemand gewesen sein musste. Plötzlich ertönte ein schriller Schrei von nebenan. Ich wusste nicht, ob die Stimme männlich oder weiblich war, aber da befand sich eindeutig jemand in Not. Mit etwas Glück war es Rogobald! Oder ich musste jemandem vor diesem Kerl beschützen… das würde aber meine Ziele genauso gut erfüllen. Also sputete ich mich, ich wollte wissen was dort vor sich ging! Den Raum untersuchen konnte ich später immer noch.
Hinter der Tür saß ein blondes Mädchen in einem Käfig. Das hatte ich jetzt nicht erwartet. Ich verharrte erstaunt, wirklich kaum einen Herzschlag, als sich von hinten ein dicker Schatten auf mich warf und zu Boden stieß. Rogobald, der Hund! Hätte er mich nicht so heimtückisch überrumpelt, es wäre ihm nicht gelungen, mich an einen Stuhl zu fesseln! Langsam hatte ich die Nase wirklich voll von diesem Kerl. Während ich überlegte, wie ich ihn am besten zu Boron befördern könnte, schnappt er sich das kleine Mädchen. Sie konnte höchstens sieben Götterläufe zählen und trug eine eiserne Halskrause. Seltsam, diese Behandlung lässt man doch sonst Magiern wie mir oder Hexen angedeihen? Der Schuft band das arme Ding auf die Werkbank und kramte dann in einer Schublade herum. Wollte er sie jetzt auch noch foltern? Er nannte das Kind Murna… der Name klang vertraut in meinen Ohren. Hieß nicht die Tochter von Tagkramer so? Langsam wurde ich neugierig was das alles sollte.
Finale Furioso
In den Geschichten erzählten die Schurken immer ihren Plan, bevor sie versuchten den Heroen zu töten. Ob das bei Rogobald auch klappte? Ich versuchte es einfach einmal.
Der Kerl holte doch wirklich eine rostige Säge aus der Schublade um dem Kind etwas anzutun! Aber immerhin schien ihn das nicht von seiner Geschwätzigkeit abzuhalten. Was für ein Irrer! Eigentlich war er ein kleines Licht, ein Siegelkrämer, der das alles eingefädelt und, wie zu erwarten, auch die anderen Morde auf dem Gewissen hatte. Und mich hatte er als billiges Werkzeug benutzt um an das Kind zu kommen, von dem er dachte, dass sie eine „Gabe“ besäße. Sollte sie etwa wie ich von Mada gesegnet sein? In einem täuschte sich dieser Einfaltspinsel aber… ich würde ihn für ein Monster halten? Deswegen? Ich glaube, der Kerl hatte keine Ahnung wie es in Al’Anfa manchmal zuging. Da wäre diese kleine Schmierenkomödie noch nicht einmal die Aufmerksamkeit der Granden wert! Anscheinend hörte er sich wirklich gerne selbst reden wie mir schien. Eine gute Gelegenheit, noch mehr zu erfahren. Ich war gespannt, was er sich da zusammen gesponnen hatte und warum gerade auch seine anderen Opfer hatten sterben müssen.
Um Zauberkraft ging es diesem Einfaltspinsel? Dachte er wirklich, er könnte diese Macht einem anderen Wesen entreißen und sich selbst zu eigen machen? Und Ritual nannte er den Unsinn den er da trieb? Andere anzapfen, die der Magie fähig waren und dann das Blut trinken, um die Macht selbst zu erlangen? Wie blöd musste man eigentlich sein? Wäre es so einfach, alle Magier Deres wären doch schon lange ausgelutscht wie alte Weinschläuche! Ich fasste es einfach nicht… so etwas konnte man sich auch nur in einer völlig wissensbefreiten Stadt wie Havena zusammenreimen… Jetzt war es aber wirklich langsam Zeit diesen Verrückten in seine Schranken zu weisen, bevor er noch anfing das Kind zu verletzen. Ein beherzter Tritt sollte erst einmal helfen. Daneben, beim Namenlosen, das hätte sitzen müssen. Und dann knallte der mir auch noch so hart eine, dass ich mitsamt Stuhl umkippte. Und ließ mich achtlos liegen wie Müll den er entsorg hatte. Das sollte sein letzter Fehler gewesen sein. Beim Sturz war der Stuhl gebrochen, ich hatte eine Hand frei... Rache serviert man am besten kalt, und ich fühlte mich gerade kalt wie die Niederhöllen persönlich. Meinen Dolch aufnehmend zertrümmerte ich die Reste des Stuhls an einem Schrank um die Fesseln endgültig zu lösen und reckte ihm die Faust entgegen. „Fulminictus Donnerkeil“! schmetterte ich ihm laut und vernehmlich entgegen. Die Kraft strömte aus meinen Fingern und ich sah deutlich wie er vor Schmerzen zuckte von denen er nicht einmal erkennen konnte, woher sie kamen. Scheiß auf das Magieverbot! Diese Sache war jetzt eine persönliche Angelegenheit, da gab es keine Zurückhaltung! Dem ersten Streich den er mit dem Kurzschwert führte konnte ich nicht ausweichen und musste einen blutenden Schnitt am Arm hinnehmen. “Blitz Dich find“! Das sollte mir etwas Zeit verschaffen, und tatsächlich riss er schreiend die Hand vor die Augen. Noch einmal…. „Fulminictus“! Wieder entlud sich Madas Gabe sengend in seinen Körper, peitschte durch ihn hindurch, wenn auch etwas schwächer als zuvor. Dafür taumelte er jetzt schon. Gut so, denn ich hatte einen Großteil meiner Kraft bereits aufgebraucht. Wieder stach er nach mir, noch geblendet vom Gedankenblitz und diesmal daneben. Ich musste haushalten, nahm den Dolch, stach zu. Einmal daneben, der zweite Streich saß. Der falsche Rogobald röchelte. Jawohl mein Freund, lass uns deine Qual noch etwas genießen. Wieder stach er nach mir, aber seine Bewegungen werden schon schwächer und fahrig. Ich konnte Angst in seinen Augen lesen. Das gefiel mir! Ein letzter Streich, dann sank er zu Boden. Ich schnaufte schwer und langsam hob sich der Schleier der Wut und Rachsucht von meinem Geist. Er war tot. Eine schale Leere macht sich in meiner Brust breit, aber auch ein wenig Befriedigung. Keine Reue, kein Bedauern. Dieser Mann hatte seine Strafe verdient. Um den Rest würden sich Rethon und Boron kümmern. Die zitternde Stimme des Mädchens brachte mich zurück in die Wirklichkeit. „Tötest Du mich jetzt auch“? fragte sie angstvoll. Warum sollte ich? Sie konnte Zaubern, ja? Eine wunderbare Gabe! Das arme Ding, in einer so furchtbaren Stadt wie dieser aufzuwachsen, sich verachtet zu fühlen, gefürchtet von allen, wie ein Monster. Dabei könnte aus ihr so viel werden! Das Einzige, was ich ihr abnahm waren die Fesseln und das Versprechen, niemandem zu erzählen wie ich selbst bei ihrer Rettung gezaubert hatte. Nur mein Dolch hatte in unserer gemeinsamen Geschichte seine blutige Ernte gehalten… Und vielleicht mochte ihr Vater sie ja sogar an einen besseren Ort schicken, um ihre Gabe zu besserem Wohl zu nutzen.
Der Mühe Lohn
Mit Klabauters Hilfe und dem Flößer hatten wir es bald zurückgeschafft. Als mich Murnas Vater in Begleitung seiner Tochter sah durfte ich erst einmal die innig-würgende Umarmung der rothaarigen Thorwalerin genießen, von der ich nur dank Murnas Fürsprache erlöst wurde und die mir damit auch die Garde vom Hals hielt. Unser kleines Geheimnis konnte sie tatsächlich waren.
Man mag über den alten Tagkramer sagen was man will, er wusste einfach nicht besser wie er mit seiner armen Tochter und ihrer Gabe umgehen sollte. Aber lumpen lies er sich nicht. Einen Beutel mit 20 Dukaten drückte er mir in die Hand. Und damit wollte ich es auch bewenden lassen. Havena war einfach keine Stadt für einen Magier, dessen war ich mir jetzt sicher. Die Götter mögen verhindern, dass ich noch einmal einen Fuß in dieses nebelfeuchte Loch von einer Stadt setzen musste. Hesinde, weise mir den Weg, Boron, hüte meine Nächte, Phex, ich danke Dir für Deine Güte und das Glück, dass Du mir in dieser Nacht geschenkt hattest!